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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 10.01.2008
Aktenzeichen: 4 TaBV 27/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 99
TV-V (Versorgungsbetriebe) § 5
Im Verfahren nach § 99 BetrVG zur Eingruppierung hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht nur die vorgesehene Entgeltgruppe mitzuteilen, sondern auch die jeweilige Stufe und in welchem Umfang förderliche Zeiten berücksichtigt werden sollen.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Beschluss

Aktenzeichen: 4 TaBV 27/07

Verkündet am 10.01.2008

Im Beschlussverfahren

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die Anhörung der Beteiligten am 10.01.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. (Arbeitgeberin) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19.06.2007 - 6 BV 8 b/07 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) dem Betriebsrat (Antragsteller) im Verfahren nach § 99 BetrVG nicht nur die vorgesehene Entgeltgruppe mitzuteilen hat, sondern auch die vorgesehene Stufe innerhalb der Entgeltgruppe und gegebenenfalls in welchem Umfange förderliche Zeiten berücksichtigt worden sind.

Im Betrieb der Arbeitgeberin gilt der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) vom 5. Oktober 2000 in der Fassung des dritten Änderungstarifvertrages vom 1. Juni 2006. § 5 Abs. 1 TV-V sieht die Eingruppierung der Arbeitnehmer in eine bestimmte Entgeltgruppe vor. § 5 Abs. 2 TV-V lautet:

"Die Entgeltgruppen 2 - 15 sind in sechs Stufen aufgeteilt. Beginnend mit der Stufe 1 erreicht der Arbeitnehmer die jeweils nächste Stufe innerhalb seiner Entgeltgruppe unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit (§ 4) nach folgenden Zeiten: Stufe 2 nach zwei Jahren in Stufe 1, Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2, Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3, Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4, Stufe 6 nach vier Jahren in Stufe 5.

Förderliche Zeiten können für die Stufenzuordnung berücksichtigt werden. 4Bei Leistungen, die erheblich über dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit in den Stufen verkürzt werden. 5Bei Leistungen, die erheblich unter dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit in jeder Stufe einmal bis zur Hälfte verlängert werden. 6Für Beschwerdefälle ist die betriebliche Kommission (§ 6 Abs. 5 mit dem entsprechenden Verfahren) zuständig."

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, ihm im Verfahren nach § 99 BetrVG bei der vorgesehenen Eingruppierung nicht nur die beabsichtigte Entgeltgruppe mitzuteilen, sondern auch die vorgesehene Stufe innerhalb der Entgeltgruppe. Dabei habe die Arbeitgeberin auch Auskunft darüber zu geben, in welchem Umfang förderliche Zeiten berücksichtigt worden seien. Bei der Zuteilung einer Stufe im Sinne von § 5 Abs. 2 TV-V und der Anerkennung von förderlichen Zeiten handele es sich um einen Akt der Rechtsanwendung. Es gehe um die einheitliche und gleichmäßige Anwendung der Lohn- und Gehaltsfindung in gleichen und vergleichbaren Fällen. Für ihn - Betriebsrat - sei es von Bedeutung, dass innerbetrieblich die Prinzipien der Lohngerechtigkeit und der Transparenz der Lohnfindung beachtet werden. Zu prüfen sei, ob überhaupt förderliche Zeiten im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 3 TV-V gegeben seien. Zudem sei es seine Aufgabe zu beurteilen, ob die Arbeitgeberin das ihr eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt habe. Dies diene dem Schutz der gesamten Belegschaft. Das Verfahren vor der betrieblichen Kommission für Beschwerdefälle schließe seine Beteiligungsrechte nicht aus.

Der Betriebsrat hat beantragt

festzustellen, dass die Arbeitgeberin im Verfahren nach § 99 BetrVG bei der Vornahme von Eingruppierungen und Eingruppierungen anlässlich von Einstellungen verpflichtet ist, neben der Entgeltgruppe bekannt zu geben, welcher Stufe im Sinne des § 5 Abs. 2 TV-V der Mitarbeiter beziehungsweise die Mitarbeiterin zugeordnet wird und in welchem Umfange förderliche Zeiten berücksichtigt worden sind.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Anerkennung von förderlichen Zeiten für eine erhöhte Einstufung sei von den Tarifvertragsparteien - zur Gewinnung von Personal in Knappheitssituationen - nicht als Rechtsanwendung gedacht gewesen. Der einzustellende Arbeitnehmer habe keinen tariflichen Anspruch darauf, dass förderliche Zeiten zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Die Anerkennung sei vielmehr eine einzelfallbezogene Ermessensentscheidung des Arbeitgebers und unterliege nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates. Die Beurteilung, ob förderliche Zeiten gegeben seien, und die Entscheidung, ob und in welchem Umfange diese angerechnet werden, liege in seinem Ermessen und sei Gegenstand der individuellen Arbeitsvertragsverhandlungen. Ein Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats im Sinne einer Richtigkeitskontrolle von Rechtsanwendung könne bei derartigen Zweckmäßigkeitserwägungen schon begrifflich nicht bestehen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, § 5 Abs. 2 TV-V enthalte eine Regelung, deren Einhaltung vom Betriebsrat überprüft werden könne. Die Stufeneinwirkung habe rechtliche Auswirkungen für die Arbeitnehmer. Die Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit bei demselben Arbeitgeber sei Rechtsanwendung. Dies gelte auch für die Anerkennung von förderlichen Zeiten. Zwar bestehe insoweit für die Arbeitgeberin ein Ermessen. Allerdings hätten die Tarifvertragsparteien mit der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs "förderliche Zeiten" zum Ausdruck gebracht, dass eine Anrechnung nur bei Vorliegen solcher Zeiten möglich sei. Wenn aber eine solche Grenze existiere, dann sei deren Kontrolle durch den Betriebsrat auch möglich. Der Betriebsrat habe ein Mitbeurteilungsrecht im Rahmen der Rechtsanwendung, ob eine fördernde Zeit gerade nicht vorliege.

Wegen der weiteren Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung wird Bezug genommen auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses.

Die Arbeitgeberin hat gegen den ihr am 1. August 2007 zugestellten Beschluss am 24. August 2007 mit Fax- und am 27. August 2007 mit Originalschriftsatz Beschwerde eingelegt und diese am 28. September 2007 mit Fax- und am 1. Oktober 2007 mit Originalschriftsatz begründet.

Die Arbeitgeberin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und ist der Auffassung, bei § 5 Abs. 2 TV-V handele es sich lediglich um Verfahrensvorschriften und um keinen Beurteilungsmaßstab für die Bestimmung der Einstufung. § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V sei eine reine Berechnungsbestimmung für die jeweilige Stufenzuordnung. Es bestehe keinerlei Mitbestimmungs- oder Beurteilungsrecht des Betriebsrates, die Richtigkeit von Tarifvertragsinhalten zu überprüfen. Anderenfalls müsse auch jede Höherstufung eines Beschäftigten nach Erreichen der jeweiligen Betriebszugehörigkeit durch reinen Zeitablauf als mitbestimmungspflichtige Maßnahme im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG gewertet werden. Anders als bei § 5 Abs. 1 TV-V folge aus § 5 Abs. 2 TV-V kein Beurteilungsschema, da lediglich an Betriebszugehörigkeitszeiten angeknüpft werde.

Dies gelte auch für die Berücksichtigung förderlicher Zeiten im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V. Ein Maßstab zur Beurteilung des Vorliegens und Berücksichtigens förderlicher Zeiten regele der TV-V gerade nicht. Es handele sich um eine Ermessensentscheidung der Arbeitgeberin. Die Einstufung habe zudem auch keine Auswirkungen auf die Entgeltgruppe beziehungsweise die Verweildauer in der jeweiligen Entgeltgruppe. Das Arbeitsgericht könne zudem nicht begründen, warum die Einschränkung des Beurteilungskriteriums des § 5 Abs. 2 TV-V im Gegensatz zu § 27 Abschnitt C BAT dazu führen solle, eine Mitbestimmung zu begründen. Die Beschränkung des Beurteilungsspielraums des Arbeitgebers auf ein Tatbestandsmerkmal ändere die rechtliche Qualität des Prüfungsrahmens nicht.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19.06.2007 - 6 BV 8 b/07 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Betriebsrat verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung mit dem Hinweis darauf, dass es sich sowohl bei der Zuordnung in eine bestimmte Stufe als auch bei der Anerkennung förderlicher Zeiten um Rechtsanwendung handele. § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V setze immer voraus, dass förderliche Zeiten überhaupt vorlägen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird Bezug genommen auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze.

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, dem Betriebsrat im Verfahren nach § 99 BetrVG bei der Vornahme von Eingruppierungen und Eingruppierungen anlässlich von Einstellungen neben der beabsichtigten Entgeltgruppe auch die vorgesehene Stufe mitzuteilen und Auskunft darüber zu geben, in welchem Umfange förderliche Zeiten berücksichtigt worden sind. Dazu im Einzelnen:

1. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Der Betriebsrat begehrt nicht lediglich unzulässig ein Rechtsgutachten, sondern Klärung des Inhaltes seines Beteiligungsrechtes gemäß § 99 BetrVG anlässlich eines konkreten Streites zwischen den Beteiligten. Zu klären ist die konkret zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob im Rahmen des § 99 BetrVG auch informiert werden muss über die beabsichtigte Stufe und den Umfang der Berücksichtigung förderlicher Zeiten.

2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet.

a. Unter Eingruppierung versteht man die Einordnung einzelner Arbeitnehmer in ein kollektives Entgeltschema, typischerweise die Zuordnung zu einer tarifvertraglich festgelegten Lohn- oder Gehaltsgruppe, die allgemein durch bestimmte Tätigkeitsmerkmale, teilweise auch durch das Lebensalter oder die Zeit der Berufstätigkeit (Berufserfahrung) umschrieben wird (Kraft/Raab im GK-BetrVG, 8. Aufl., § 99 Rd.-Nr. 41 mit Hinweis auf Rechtsprechung; Fitting, BetrVG, § 99 Rd.-Nr. 73). Bei einer lediglich individuellen Lohn- oder Gehaltsvereinbarung scheidet daher ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus, weil es an einer kollektiv gestalteten Regelung fehlt. Ist von einer Eingruppierung gemäß § 99 BetrVG auszugehen, so ist die Beteiligung des Betriebsrats eine Mitbeurteilung; sie besteht in einer Richtigkeitskontrolle und dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen, damit aber auch der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und der Transparenz der im Betrieb vorgenommenen Eingruppierungen (BAG, Beschluss vom 06.08.2002, AP Nr. 27 zu § 99 BetrVG). Der Betriebsrat kann daher die Zustimmung zu einer Eingruppierung auch mit der Begründung verweigern, nur eine niedrigere als die vorgesehene Vergütung sei zutreffend (BAG, Beschluss vom 28.04.1998, AP Nr. 18 zu § 99 BetrVG 1972, Eingruppierung).

b. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze folgt die Beschwerdekammer der Auffassung des Arbeitsgerichts, wonach die Arbeitgeberin verpflichtet ist, im Verfahren nach § 99 BetrVG im beantragten Umfang Auskunft zu erteilen.

aa. Bei der Frage, in welche Stufe der jeweiligen Entgeltgruppe der Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 und 2 TV-V eingeordnet wird, handelt es sich um Rechtsanwendung, dass der Mitbeurteilung des Betriebsrats unterliegt.

Entgegen der von der Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren vertretenen Auffassung handelt es sich dabei nicht um bloße Verfahrensvorschriften. § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V knüpft für die Einordnung in die jeweiligen Stufen an die Betriebszugehörigkeit gemäß § 4 TV-V an, wonach abzustellen ist auf die Zeit bei demselben Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis. Es mag sich dabei im Regelfall um eine äußerst einfache Rechtsanwendung handeln, dennoch bleibt es Rechtsanwendung. Zudem hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass sich in Fällen des Betriebsüberganges oder nach dem Umwandlungsgesetz durchaus auch schwierigere rechtliche Fragen bezüglich der anzurechnenden Betriebszugehörigkeit stellen können. Dies kann auch der Fall sein bei einer kurzen Unterbrechung der Betriebszugehörigkeit beim selben Arbeitgeber, womit verbunden sein kann die Frage, inwieweit vorherige Zeiten auf die Betriebszugehörigkeit angerechnet werden müssen. All dies ist Rechtsanwendung und unterliegt der Mitbeurteilung des Betriebsrates, weshalb die Arbeitgeberin verpflichtet ist, ihm auch die vorgesehene Stufe innerhalb der Entgeltgruppe mitzuteilen.

Entgegen dem Verständnis der Arbeitgeberin bedeutet Eingruppierung auch nicht lediglich die Überprüfung der Tätigkeitsmerkmale nach der Anlage 1 zum TV-V. Zur Eingruppierungsentscheidung gehört nicht nur die Feststellung der Entgeltgruppe, sondern auch die Festlegung der zutreffenden Stufe innerhalb der Entgeltgruppe. Dies ergibt sich bereits aus obigen Ausführungen, wonach ein kollektives Entgeltschema nicht nur durch bestimmte Tätigkeitsmerkmale bestimmt wird, sondern auch teilweise durch das Lebensalter oder die Zeit der Berufstätigkeit beziehungsweise Berufserfahrung.

Die Zuordnung in eine bestimmte Stufe hat auch rechtliche Auswirkungen für den Arbeitnehmer. Derjenige, der zum Beispiel sofort in Stufe 4 eingeordnet wird, gelangt bereits nach vier Jahren in dieser Stufe in die Stufe 5. Wäre er zunächst der Stufe 1 zugeordnet, müsste er insgesamt sieben Jahre in den Stufen 1 bis 4 sein, um nach Stufe 5 zu gelangen.

bb. Dem Betriebsrat ist im Verfahren nach § 99 BetrVG von der Arbeitgeberin bei der Vornahme von Eingruppierungen und Eingruppierung anlässlich von Einstellungen auch mitzuteilen, in welchem Umfange förderliche Zeiten berücksichtigt worden sind. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Berücksichtigung von förderlichen Zeiten gemäß § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V um eine Ermessensentscheidung des Arbeitgebers handelt.

(1). Das Beschwerdegericht folgt zunächst der Auffassung der Arbeitgeberin, wonach die Beschäftigten auch bei Vorliegen förderlicher Zeiten keinen tariflichen Anspruch darauf haben, dass diese Zeiten bei der Stufenzuordnung zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, die Anerkennung also vielmehr eine einzelfallbezogene Entscheidung des Arbeitgebers ist. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob förderliche Zeiten im vollen Umfang oder teilweise auf die Stufenlaufzeit angerechnet werden. Insoweit entspricht die Regelung des § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V im Grundsatz der Rechtslage, die für § 16 Abs. 3 S. 4 TVöD (Bund) und § 16 Abs. 2 S. 3 TVöD (VKA) gilt. Hinzuweisen ist weiterhin auf die ähnliche Vorschrift des § 21 a Abs. 2 S. 2 BMT-G, wonach für Arbeiter unter bestimmten Voraussetzungen auch förderliche Zeiten angerechnet werden konnten. Für all diese Vorschriften gilt, dass aus ihnen kein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers folgt und es sich um eine im Ermessen der Arbeitgeberin liegende Entscheidung handelt (vgl. dazu Scheuring/Lang/Hoffmann, Kommentar zum BMT-G, § 21 a, Rd.-Nr. 6; Sponer/Steinherr, Kommentar zum TVöD, § 16 TVöD (Bund), Rd.-Nr. 28; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, Kommentar zum TVöD, § 16 TVöD (Bund), Rd.-Nr. 45).

(2). Dennoch lässt sich trotz des Umstandes, dass es sich bei § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V jeweils um eine einzelfallbezogene Entscheidung der Arbeitgeberin handelt, das Auskunftsbegehren des Betriebsrates hinsichtlich des Umfanges der Berücksichtigung förderlicher Zeiten nicht mit dem Argument verneinen, es fehle insoweit an einem kollektiven Eingruppierungsschema. Dem steht nämlich entgegen - worauf das Arbeitsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat - dass die Ermessensentscheidung nach § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V auf der Tatbestandsseite zunächst das Vorliegen förderlicher Zeiten vorsieht. Mit anderen Worten: Erst wenn förderliche Zeiten bejaht werden können, setzt das Ermessen der Arbeitgeberin ein, ob überhaupt und gegebenenfalls in welchem Umfang diese Zeiten für die Stufenzuordnung berücksichtigt werden können. Die Frage, ob förderliche Zeiten vorliegen, ist wiederum eine Rechtsfrage, die der Mitbeurteilung und damit der Kontrolle des Betriebsrates unterliegt. Auch wenn die Arbeitgeberin die Frage, ob förderliche Zeiten vorliegen, in eigener Zuständigkeit prüft, so ist sie dennoch an die tarifvertraglichen Voraussetzungen gebunden. Die Tarifvertragsparteien wollten es den Arbeitgebern also nicht freistellen, nach eigener Entscheidung auch unabhängig vom Vorliegen förderlicher Zeiten Beschäftigungszeiten der Arbeitnehmer bei anderen Arbeitgebern zu berücksichtigen, sondern nur beim Vorliegen förderlicher Zeiten. Die Arbeitgeberin ist daher verpflichtet, vor ihrer Ermessensentscheidung zunächst festzustellen, ob solche förderlichen Zeiten tatsächlich vorliegen. Bei dem Begriff "förderliche Zeiten" wiederum handelt es sich um einen Rechtsbegriff.

Dem Rundschreiben vom 8. Dezember 2005 - DII2-220 210-2/0 (GMBl.2006 S. 86) lässt sich zu § 16 TVöD (Bund) unter 2.2.3 entnehmen, dass zum Beispiel solche Berufserfahrungszeiten nicht berücksichtigungsfähig sind, die den Beschäftigten erst in den Stand setzen, gleichwertige Tätigkeiten wie Ausgebildete auszuüben. Ausweislich dieses Rundschreibens sollen inhaltlich als förderliche Zeiten in erster Linie gleichartige und gleichwertige Tätigkeiten in Betracht kommen, die der Beschäftigte bei einem anderen öffentlichen oder privaten Arbeitgeber ausgeübt hat. Diese können - so das Rundschreiben - insbesondere vorliegen, wenn die frühere Tätigkeit mit der auszuübenden Tätigkeit im sachlichen Zusammenhang steht und Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen für die Erfüllung der auszuübenden Tätigkeit offenkundig von Nutzen sind. Diesem Rundschreiben und den einschlägigen Kommentierungen zum Begriff "förderliche Zeiten" lässt sich also entnehmen, dass es sich tatbestandlich dabei um einen Rechtsbegriff handelt, dessen Voraussetzungen vor dem Einsetzen des Ermessens zunächst ermittelt werden müssen. Dies ist Rechtsanwendung, bei der der Betriebsrat zu beteiligen ist.

(3). Die Beschwerdekammer verkennt im Übrigen nicht, dass in den oben zitierten Kommentarstellen gleichzeitig die Auffassung vertreten wird, der Betriebsrat habe kein Mitbestimmungsrecht bei der einzelfallbezogenen Entscheidung des Arbeitgebers hinsichtlich der Anrechnung förderlicher Zeiten. Dem stimmt das Beschwerdegericht zu. Dies bedeutet aber lediglich, dass er - Betriebsrat - sich im Verfahren gemäß § 99 BetrVG bei einer konkret zu beurteilenden Eingruppierung nicht gegen den Arbeitgeber durchsetzen kann mit der Auffassung, förderliche Zeiten seien in einem bestimmten Umfang zu berücksichtigen oder nicht zu berücksichtigen. Insoweit fehlt es an seinem Mitbestimmungsrecht. Er hat allerdings ein Mitbeurteilungsrecht bei der Frage, ob überhaupt förderliche Zeiten vorliegen. Damit er dies beurteilen kann, muss die Arbeitgeberin ihm im Verfahren nach § 99 BetrVG auch mitteilen, in welchem Umfang sie beabsichtigt, förderliche Zeiten zu berücksichtigen.

Nach alledem ist die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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