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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 04.09.2007
Aktenzeichen: 5 Sa 61/07
Rechtsgebiete: TVöD, BAT, BGB


Vorschriften:

TVöD § 34 Abs. 2
BAT § 55 Abs. 2
BGB § 626 a
Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD können Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD beinhaltet lediglich eine Besitzstandswahrung im Hinblick auf die bereits nach dem BAT, BMT-G oder MTArb erreichte tarifliche Unkündbarkeit. Die in § 55 Abs. 2 BAT geregelten Kündigungsmodalitäten finden keine Anwendung mehr. Vielmehr richtet sich die Wirksamkeit einer gegenüber einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD nur noch nach den zu § 626 BGB entwickelten Grundsätzen.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 61/07

Verkündet am 04.09.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 04.09.2007 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 20. Dezember 2006, Az.: öD 3 Ca 1613 a/06, abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung.

Die 54-jährige, verheiratete, aber getrennt lebende Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.04.1975 als Hauswirtschaftsleiterin des Jugendaufbauwerkes (im Folgenden: JAW) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag öffentlicher Dienst Bund und Kommunen (im Folgenden: TVöD) Anwendung. Die Klägerin bezieht ein Gehalt der Entgeltgruppe 9 TVöD, welches bei einer 38,5 Stundenwoche einem Monatsgehalt von € 2.939,56 brutto entspricht.

Am 07.02.2006 beschloss die Stadtvertretung der Beklagten, das bisher von ihr selbst betriebene Jugendaufbauwerk auf eine zu gründende GmbH der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein zu übertragen (Bl. 38 d. GA.). Nach dem Willen der Beklagten umfasste die Übertragung die mögliche Personalüberleitung nach § 613 a BGB für die Mitarbeiter des JAW. Für den Fall, dass ein Trägerwechsel mit der Wirtschaftsakademie nicht gelingen sollte, beschloss die Beklagte, die Einrichtung des JAW zum 31.08.2006 zu schließen. Zwecks Übernahme des JAW gründete die Wirtschaftsakademie die J. GmbH. Am 27.04.2006 schloss die Beklagte mit der J. GmbH einen Vertrag zur Übernahme des JAW zum 30.05.2006. Mit Schreiben vom 22.05.2006 widersprach die Klägerin dem Betriebsübergang (Bl. 40 d. GA.). Der Betriebsteilübergang des JAW auf die J. GmbH wurde zwischenzeitlich zum 30.05.2006 vollzogen. Mit Schreiben vom 12.09.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist zum 31.03.2007, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Zugleich bot die Beklagte der Klägerin an, das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung mit der Tätigkeit als Pflegehelferin im Alten- und Pflegeheim C. und einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden unter Eingruppierung in die Entgeltgruppe 3 TVöD zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen (Bl. 9 f. d.GA.). Mit Schreiben vom 26.09.2006 nahm die Klägerin das Angebot unter dem Vorbehalt einer rechtlichen Prüfung der Kündigung an (Bl. 11 d. GA.).

Mit der am 27.09.2006 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Änderungskündigung vom 12.09.2006.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat der Änderungskündigungsschutzklage stattgegeben. Die Klägerin sei gemäß § 34 Abs. 2 TVöD unkündbar. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Protokollerklärung zum 3. Abschnitt des TVÜ-VKA. Durch diese werde lediglich klargestellt, dass bei leistungsgeminderten Beschäftigten dann, wenn die Leistungsminderung auf bestimmten Voraussetzungen beruhe, eine Kündigung weiterhin ausgeschlossen sei. Keineswegs werde die Unkündbarkeit nach § 34 Abs. 2 TVöD ausgehebelt. Insbesondere enthalte § 34 TVöD keine dem § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 sowie Unterabs. 2 S. 1 BAT entsprechenden Regelungen. Daraus folge, dass die Beklagte auch unter der Geltung des TVöD nicht berechtigt sei, tariflich unkündbaren Arbeitnehmern im Wege der Änderungskündigung jegliche Herabgruppierung anzubieten bzw. vorzuschlagen. Ungeachtet dessen hätte die Beklagte auch unter Geltung des § 55 BAT lediglich eine Änderungskündigung zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe und bei Übertragung vergütungsgerechter Beschäftigung aussprechen dürfen. Das Arbeitsverhältnis eines ordentlich unkündbaren Beschäftigten genieße einen hohen tariflichen Schutz. Dass § 34 TVöD den Schutz der Beschäftigten, wie er nach § 55 BAT bestanden habe, hier dahingehend habe einschränken wollen, dass eine Herabgruppierung auch um mehr als eine Entgeltgruppe zulässig wäre, sei dem Gericht nicht nachvollziehbar. Selbst dann, wenn eine Herabgruppierung ausnahmsweise um mehr als eine Entgeltgruppe zulässig sein sollte, sei jedenfalls eine Herabgruppierung um insgesamt sechs Entgeltgruppen unverhältnismäßig und sozial ungerechtfertigt.

Gegen dieses ihr am 22.01.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.02.2007 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 16.03.2007 begründet.

Die Beklagte ist der Auffassung,

dass der außerordentlichen Änderungskündigung nicht die tarifliche Unkündbarkeit des § 34 Abs. 2 TVöD entgegenstünde. Eine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung sei auch über mehrere Entgeltgruppen möglich. Die Regelung des § 55 sei grundsätzlich vollständig durch § 34 TVöD ersetzt worden und somit nicht mehr anwendbar. Die Einschränkung, dass betriebsbedingte Änderungskündigungen bei unkündbaren Beschäftigten nur mit dem Ziel der Herabgruppierung um eine Entgeltgruppe möglich seien, könne weder direkt noch indirekt der Vorschrift des § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD entnommen werden. Die Regelung in Satz 2 des § 34 Abs. 2 TVöD sei in erster Linie zum Schutz der Beschäftigten, die aus dem Geltungsbereich des BMT-G II übergeleitet worden seien, getroffen worden, weil diese nach § 52 Abs. 1 BMT-G II die so genannte Unkündbarkeit bereits vor Vollendung des 40. Lebensjahres hätten erreichen können. Die Bezugnahme in § 34 Abs. 2 TVöD beziehe nicht die gesamte Vorschrift des § 55 BAT mit ein, sondern nur § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2 BAT. Dies folge aus Satz 4 der Protokollerklärung zum 3. Abschnitt des TVÜ-VKA. Danach bleibe ausdrücklich nur der Ausschluss der außerordentlichen Kündigung gegenüber leistungsgeminderten Angestellten in seinem bisherigen Geltungsbereich unberührt. Die Beschränkung auf Fälle der Leistungsminderung mache deutlich, dass die Fortgeltung von § 55 BAT im Übrigen nicht gewollt gewesen sei. Dies entspreche auch dem dokumentierten Willen der Tarifvertragsparteien. Auch die herrschende Lehre sei der Auffassung, dass § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD keine grundsätzliche Einbeziehung der Regelungen des BAT in den TVöD bedeuten sollte. Die Tarifvertragsparteien durften auch den tariflichen Kündigungsschutz bei bestehenden Arbeitsverhältnissen beschränken. Daher sei die Änderungskündigung auch über mehrere Entgeltgruppen nicht wegen Verstoßes gegen § 55 Abs. 2 BAT unzulässig. Im Übrigen seien die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte außerordentliche Änderungskündigung erfüllt. Insoweit verweist die Beklagte auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Klägerin habe anderweitig nicht sinnvoll eingesetzt werden können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 20.12.2007 - öD 3 Ca 1613 a/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Klägerin verteidigt

das angefochtene Urteil. Der Wortlaut des § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD beziehe sich auf die bis zum 30.09.2005 geltenden Tarifregelungen bezüglich der Unkündbarkeit und zwar auf alle und somit auch auf § 55 Abs. 2 BAT. Durch die Regelung des § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD sollten für Alt-Beschäftigte, die vorher unter den BAT bzw. den BMT-G fielen, die daraus erworbenen Rechte vollständig abgesichert werden. Ungeachtet dessen sei die Herabgruppierung um sechs Entgeltgruppen angesichts ihres Alters und ihrer langen Beschäftigungszeit nicht mehr verhältnismäßig. Für sie hätte es angesichts ihrer Weiterbildungsmaßnahmen im pädagogischen Bereich durchaus andere, gleichwertigere Beschäftigungsmöglichkeiten gegeben, so einer Erzieherin nach der Entgeltgruppe 9. Sie habe bei der Beklagten früher bereits als Erzieherin gearbeitet.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sache selbst hat die Berufung ebenfalls Erfolg.

Durch die außerordentliche Änderungskündigung, die die Klägerin unter Vorbehalt angenommen hat, sind die Vertragsbedingungen rechtswirksam dahingehend geändert worden, dass die Klägerin mit Wirkung ab dem 01.04.2007 die Tätigkeit einer Pflegehelferin gegen Zahlung einer Vergütung nach Entgeltgruppe 3 schuldet. Die außerordentliche Änderungskündigung hält den Anforderungen des § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD stand (I.). Die an einen wichtigen Grund zu stellenden Voraussetzungen liegen hier vor. Die außerordentliche Änderungskündigung verstößt auch nicht gegen § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD i. V. m. § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT (II.). § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD bezieht sich nur auf die persönlichen Voraussetzungen der Unkündbarkeit nach altem Tarifrecht, nicht hingegen auf die besonderen Kündigungsvoraussetzungen tariflich geschützter Arbeitnehmer nach altem Tarifrecht.

I. Die mit der Änderungskündigung vom 12.09.2005 bewirkte Änderung der Arbeitsbedingungen ist gemäß § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD durch einen wichtigen Grund bedingt, sodass es der Beklagten vorliegend unzumutbar war, die Klägerin zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen (1.). Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, einen anderen Arbeitsplatz für die Klägerin frei zu kündigen (2.). Auch konnte die Kläger nicht auf einem - gemessen an der Entgeltgruppe 3 - höher dotierten freien Arbeitsplatz eingesetzt werden (3.).

1. Nach § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD kann einem tariflich geschützten Arbeitnehmer nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden.

a) Tariflichen Kündigungsschutz genießt ein Beschäftigter, der das 40. Lebensjahr vollendet hat und eine ununterbrochene Beschäftigungszeit von 15 Jahren bei demselben Arbeitgeber aufweist, § 34 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 24 Abs. 3 S. 1 TVöD. Diese Voraussetzungen der ordentlichen Unkündbarkeit erfüllt die Klägerin unstreitig.

b) Durch die Verwendung der gleichen Terminologie wie in der gesetzlichen Norm des § 626 BGB ist klargestellt, dass ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB vorliegen muss. Außerdem ist die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu beachten. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit lediglich darauf verzichtet, diese zwingenden gesetzlichen Regelungen im TVöD zu wiederholen (Breier/Dessau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, Rn. 31 zu § 34 TVöD). Auch eine betriebsbedingte außerordentliche Änderungskündigung kann mithin nur ausgesprochen werden, wenn sie durch einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB bedingt ist, d. h. wenn es dem öffentlichen Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, den Arbeitnehmer zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine außerordentliche Änderungskündigung nach § 626 BGB auch dann in Betracht kommen kann, wenn die ordentliche Änderungskündigung ausgeschlossen ist und die Beschäftigung des Arbeitnehmers wegen einer Betriebsteilschließung auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist (BAG, Urt. v. 18.05.2006 - 2 AZR 207/05 -, AP Nr. 5 zu § 55 BAT; LAG Düsseldorf, Urt. v. 05.01.2007 - 9 Sa 1148/06 -, LAGE § 626 BGB 2002 'Unkündbarkeit' Nr. 2). An den wichtigen Grund sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen.

c) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze stand der Beklagten ein wichtiger Grund zu Seite, die Klägerin, die dem Betriebsteilübergang des JAW auf die J. GmbH widersprochen hat, nunmehr auf der Stelle einer Pflegehelferin im Alten- und Pflegeheim mit der Entgeltgruppe 3 weiterzubeschäftigen. Durch den Betriebsteilübergang des JAW auf die J. GmbH ist der Arbeitsplatz der Klägerin bei der Beklagten unstreitig weggefallen. Dies sieht die Klägerin auch so. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es der Beklagten unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin auf einer objektiv nicht mehr existenten Stelle fortzusetzen. Damit würde das als synallagmatische Austauschverhältnis konzipierte Arbeitsverhältnis sinnentleert. Es ist auch unstreitig, dass es bei der Beklagten keine weiteren (freien) Hauswirtschaftsstellen gibt, auf denen die Klägerin weiterbeschäftigt werden könnte.

2. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, einen bestehenden Arbeitsplatz der Entgeltgruppe 9, der derzeit mit einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer besetzt ist, für die tariflich geschützte Klägerin "frei" zu kündigen.

a) Es ist bereits fraglich, ob die Beklagte vorliegend überhaupt verpflichtet gewesen wäre, einen etwaigen geeigneten und gleichwertigen Arbeitsplatz der Entgeltgruppe 9 für die Klägerin frei zu kündigen. Das Bundesarbeitsgericht hat eine Freikündigungspflicht bisher nur im Rahmen des § 15 Abs. 5 KSchG anerkannt und auch dort bisher offen gelassen, ob nicht eine Abwägung zwischen den Interessen des unkündbaren und des betroffenen kündbaren Arbeitnehmers vorgenommen werden müsse (BAG, Urt. v. 18.10.2000 - 2 AZR 494/99 -, AP Nr. 49 zu § 15 KSchG 1969). Tragender Gesichtspunkt für eine Freikündigungspflicht im Rahmen des § 15 Abs. 5 KSchG ist neben dem besonderen Kündigungsschutz des betroffenen Betriebsratsmitglieds auch der Schutz der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats. Eine vergleichbare betriebliche Interessenlage besteht für den Arbeitnehmer, der tariflichen Kündigungsschutz genießt, nicht. Eine Freikündigungspflicht im Rahmen des § 34 Abs. 2 TVöD besteht zumindest dann nicht, wenn der unkündbare Arbeitnehmer den frei zu kündigenden Arbeitsplatz nicht innerhalb der für einen qualifizierten Stellenbewerber ausreichenden Einarbeitungszeit ausfüllen kann (BAG, Urt. v. 18.05.2006 - 2 AZR 207/05 -, AP Nr. 5 zu § 55 BAT). Der Arbeitgeber ist auch im Rahmen des § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD nicht verpflichtet, eine Stelle frei zu kündigen, um sie sodann mit einem zwar tariflich geschützten, aber ungeeigneten Arbeitnehmer zu besetzen.

b) Einen Arbeitsplatz der Entgeltgruppe 9, den die Klägerin aufgrund ihrer beruflichen Qualifikationen und der gesetzlichen Anforderungen und unter Berücksichtigung einer angemessenen Einarbeitungszeit hätte einnehmen können, gibt es bei der Beklagten nicht. Die Klägerin hat sich auch weder erstinstanzlich noch in der Berufungsinstanz darauf berufen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, zu ihren Gunsten einem (welchem?) tariflich nicht geschützten Arbeitnehmer, der einen Arbeitsplatz der Entgeltgruppe 9 innehat, zu kündigen.

c) Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Beklagte ggf. auch verpflichtet gewesen wäre, eine nur vertikal vergleichbare Stelle, z. B. der Entgeltgruppen 8 bis 4, für die tariflich geschützte Klägerin frei zu kündigen. Die Klägerin hat diesbezüglich bereits nicht schlüssig dargelegt und bewiesen, dass es mit kündbaren Arbeitnehmern besetzte Arbeitsplätze mit den Entgeltgruppen 8 bis 4 bei der Beklagten gibt, die sie aufgrund ihrer beruflichen und persönlichen Qualifikationen unter Berücksichtigung einer angemessenen Einarbeitungszeit hätte übernehmen können. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Erzieherinnen, die nach Entgeltgruppe 6 vergütet werden. Insoweit kann auf die nachfolgenden Ausführungen unter Ziff. I. 3. verwiesen werden.

3. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Klägerin auf einem freien Arbeitsplatz, der für die Klägerin weniger einschneidende Gehaltskürzungen nach sich zieht, weiterzubeschäftigen. Insbesondere ist die Beklagte nicht verpflichtet, der Klägerin eine vorhandene freie Erzieherstelle mit der Entgeltgruppe 6 in einer Kindertagesstätte zuzuweisen. Gemäß § 3 Abs. 1 Kindertagesstätten- und tagespflegeverordnung Schleswig-Holstein vom 13.11.1992 (GVOBl. Schl.-H. 1992, S. 500) i. V. m. § 15 Abs. 2 KitaG müssen Fachkräfte in der Leitung der Einrichtung und in der Gruppenleitung staatlich anerkannte Sozialpädagoginnen oder staatlich anerkannte Erzieherinnen sein. Auch die weiteren Kräfte in der Gruppe müssen pädagogisch ausgebildete Personen sein. Diese gesetzlich vorgeschriebenen Qualifikationen besitzt die Klägerin, die ausgebildete Hauswirtschaftsleiterin ist, unstreitig nicht. Die von ihr absolvierten Fortbildungsmaßnahmen entsprechen nicht einer gleichwertigen und umfassenden Ausbildung zur Erzieherin bzw. Sozialpädagogin oder Kinderpflegerin bzw. sozialpädagogischen Assistentin. Die Klägerin hat hier auch nur ein Konvolut aus Ausbildungsnachweisen zur Akte gereicht, ohne zugleich vorzutragen, inwieweit sie durch die absolvierten Kurse fachspezifische Kenntnisse des Berufsbilds einer Erzieherin/Sozialpädagogin erworben hat.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie Internats- und erzieherische Aufgaben ausgefüllt habe, weil zeitweise, insbesondere in der Aufbauphase, bei der Beklagten nicht genügend Erzieher vorhanden gewesen seien. Die möglicherweise so erworbenen praktischen sozialpädagogischen Kenntnisse beziehen sich allenfalls auf Teilsegmente des Berufsbildes einer Sozialpädagogin oder einer sozialpädagogischen Assistentin und ersetzen keinesfalls die an eine staatlich anerkannte Sozialpädagogin oder sozialpädagogische Assistentin zu stellenden allumfassenden Anforderungen. Unstreitig hat die Klägerin im Rahmen ihrer Arbeit beim JAW nicht mit (Kindergarten-)Kindern gearbeitet, war mithin auch nicht für die Frühförderung von Vorschulkindern bzw. die Tagesbetreuung von Schulkindern zuständig. Die Klägerin verkennt auch, dass die pädagogischen Konzepte eines Jugendaufbauwerkes mit denen eines Kindergartens oder Hortes nicht vergleichbar sind. Die Jugendaufbauwerke führen berufliche Qualifizierungsmaßnahmen für junge Menschen mit besonderem Förderungsbedarf gemäß SGB III durch und bieten neben der klassischen Berufsvorbereitung auch Qualifizierungschancen für junge Menschen unter 25 in berufsvorbereitenden Maßnahmen des Bundes bzw. des Landes und modernen außerbetrieblichen Ausbildungsangeboten (Benachteiligtenförderung). Das JAW in B. bietet Jugendlichen aus B. und Umgebung, die keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz nach der Schule gefunden haben, eine Perspektive zum Einstieg in den Beruf. In ihren Gebäuden M...straße ... und ... werden in verschiedenen Werkstätten Berufsvorbereitungen, überbetriebliche Ausbildungsgänge und Projekte zur Unterstützung beim Berufseinstieg angeboten. Demgegenüber sind die Ziele der Kindertagesstätten in §§ 4 und 5 KitaG geregelt. Hier geht es um die alters- und entwicklungsgemäße Förderung "alltagstauglicher" und persönlichkeitsbildender Fähigkeiten von Kindern bis zum 14. Lebensjahr.

Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Klägerin vor deren Einsatz in einer Kindertagesstätte zur Sozialpädagogin oder sozialpädagogischen Assistentin umschulen zu lassen. Dies überschreitet ersichtlich eine angemessene Einarbeitungszeit. Die Kammer verkennt nicht, dass die Wertigkeit der der Klägerin angebotenen Stelle erheblich unter der einer Hauswirtschaftsleiterin liegt, indessen bietet auch der öffentliche Dienst - wie aufgezeigt - keinen lückenlosen Bestandsschutz. Dies hätte die Klägerin berücksichtigen müssen, als sie dem Betriebsübergang widersprochen hat.

II. Die streitgegenständliche Änderungskündigung verstößt auch nicht gegen § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD i. V. m. § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT. Entgegen der Auffassung der Klägerin gelten für die Beschäftigten, die bis zum 30.09.2005 bereits unkündbar waren, nicht mehr die besonderen Kündigungsvorschriften des § 55 Abs. 2 BAT. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD. Die hier maßgeblichen Vorschriften lauten wie folgt:

"§ 34 Kündigung von Arbeitsverhältnissen

(1) ...

(2) Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, können nach einer Beschäftigungszeit (Absatz 3) von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Soweit Beschäftigte nach den bis zum 30. September 2005 geltenden Tarifregelungen unkündbar waren, verbleibt es dabei.

(3) ...

§ 53 Ordentliche Kündigung

...

(3) Nach einer Beschäftigungszeit (§ 19 ohne die nach § 72 Abschn. A Ziff. 1 berücksichtigten Zeiten) von 15 Jahren, frühestens jedoch nach Vollendung des vierzigsten Lebensjahres, ist der Angestellte unkündbar.

§ 55 Unkündbare Angestellte

(1) Dem unkündbaren Angestellten (§ 53 Abs. 3) kann aus in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos gekündigt werden.

(2) Andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Angestellten entgegenstehen, berechtigen den Arbeitgeber nicht zur Kündigung. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen.

..."

§ 34 Abs. 2 S. 2 TVöD nimmt gerade nicht sämtliche, die Unkündbarkeit von Angestellten betreffenden Regelungen in Bezug, sondern nur die persönlichen Voraussetzungen, die zur Unkündbarkeit führen. Diese sind allein in § 53 Abs. 3 BAT geregelt, nicht hingegen in § 55 Abs. 2 BAT. Dies ergibt sich aus der Auslegung der Tarifnorm.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Es ist über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen zu berücksichtigen, sofern und soweit dies in den Tarifvorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil häufig nur aus ihm und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und nur bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck zutreffend ermittelt werden kann (BAG, Urt. v. 28.03.2007 - 10 AZR 66/06 -, zit. n. Juris; BAG, Urt. v. 08.03.2006 - 10 AZR 129/05 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG 'Tarifverträger: Telecom', jeweils mit weiteren Nachweisen). Ist ein im Tarifvertrag gebrauchter Begriff weder gesetzlich definiert noch nach der Anschauung der beteiligten Fachkreise oder dem allgemeinen Sprachgebrauch eindeutig, erhalten systematische Auslegungskriterien entscheidendes Gewicht (BAG, Urt. v. 22.10.2002 - 3 AZR 468/01 -; AP Nr. 184 zu § 1 Auslegung TVG). Noch verbleibende Zweifel können ohne Bindung an eine Reihenfolge mittels weiterer Kriterien wie der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch der praktischen Tarifübung, geklärt werden. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG Urt. v. 15.11.2006 - 10 AZR 637/05 - zit. n. Juris).

2. Hieran gemessen verbleibt es für die am 30.09.2005 bereits ordentlich unkündbaren Beschäftigten nach § 34 Abs. 1 S. 2 TVöD nicht insgesamt bei den bisherigen Regelungen des BAT, insbesondere findet § 55 Abs. 2 BAT keine weitere Anwendung.

a) Dieses ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD. Entgegen der von Hock (ZTR 2005, 558 ff.) vertretenen Auffassung, besagt der Wortlaut des § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD gerade nicht, dass es für die bis zum Stichtag unkündbar gewesenen Beschäftigten "bei den bisherigen Regelungen des BAT" insgesamt verbleibt. Hock verdreht hier den Wortlaut. Vielmehr heißt es in § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD, dass es für Beschäftigte, die bereits nach den bis zum 30.09.2005 geltenden Tarifregelungen unkündbar waren, "dabei" verbleibt. Das Wort "dabei" bezieht sich eindeutig auf die Tatsache der Unkündbarkeit. Die Bezugnahme auf die alte Tariflage ist mithin nach dem Wortlaut des § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD auf das Erreichen der Unkündbarkeit zum Stichtag beschränkt. Allein dem einleitenden Wort "soweit" ist nicht zu entnehmen, dass sich die Unkündbarkeit bei diesen Beschäftigten auch in ihren Modalitäten nicht nach § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD, sondern nach den früheren Tarifvorschriften regeln solle (Bröhl, ZTR 2006, 174 ff.). Dies bedeutet nicht mehr und nicht weniger als eine Besitzstandswahrung für Beschäftigte, die abweichend von § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD (Beschäftigungszeit von 15 Jahren und Vollendung des 40. Lebensjahres) bereits nach den bisherigen Tarifregelungen in den Genuss des besonderen Kündigungsschutzes gekommen sind (Fritz, ZTR 2006, 1 ff.; so auch die h.M.: Bröhl, ZTR 2006, 174 ff.; Eylert, PersR 2007, 92 ff.; GKÖD, Rn. 392 zu § 34 TVöD; Breier/Dessau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD Rn. 32 f. zu § 34 TVöD; Sponer/Steinherr, TVöD, Ziff. 6.2. Vorbem. § 34 TVöD). Hätten die Tarifvertragsparteien die Fortgeltung sämtlicher die Unkündbarkeit betreffenden alten Tarifvorschriften für den genannten Personenkreis normieren wollen, hätte es einer andern semantischen Fassung des Satzes bedurft (Fritz, ZTR 2006, 2 ff.). Diese hätte etwa wie folgt lauten können: "Für Beschäftigte, die bereits bis zum 30.09.2005 unkündbar waren, verbleibt es bei den bisherigen tariflichen Regelungen zur Unkündbarkeit.". Die in § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD gewählte Formulierung ist indessen enger und bezieht sich nur auf die Unkündbarkeit als solche. Die Voraussetzungen für die Unkündbarkeit sind allein in § 53 Abs. 3 BAT geregelt. § 55 BAT regelt demgegenüber, unter welchen speziellen Voraussetzungen tariflich unkündbaren Angestellten gekündigt werden kann. Die Anwendbarkeit des § 55 Abs. 2 BAT setzt mithin die Unkündbarkeit des Angestellten voraus, sie definiert sie nicht mehr.

b) Für die Beschränkung der Bezugnahme in § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD auf § 53 Abs. 3 BAT spricht auch der Sinn und Zweck der neuen Tarifnorm. Insbesondere verfängt der Einwand des Arbeitsgerichts nicht, dass § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD überflüssig wäre, wenn es nur bei den Voraussetzungen zum Erwerb der Unkündbarkeit verbleiben sollte, da die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD denjenigen des § 53 Abs. 3 BAT entsprechen. Dabei hat das Arbeitsgericht verkannt, dass der TVöD nicht nur für Angestellte des öffentlichen Dienstes, sondern auch für die aus dem BMT-G übergeleiteten Arbeiterinnen und Arbeiter gilt. Die in § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD normierte Besitzstandsregelung beinhaltet mithin, dass allen Beschäftigten, seien es ehemalige Angestellte oder Arbeiter des Bundes und gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe die bereits erreichte Unkündbarkeit nicht mehr genommen werden kann. Die Tarifvertragsparteien haben die Besitzstandsklausel des § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD vor allen Dingen im Blick auf § 52 Abs. 1 BMT-G eingefügt. Nach dieser Vorschrift konnten gewerbliche Arbeitnehmer der Kommunen bereits nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren ohne Altersgrenze den besonderen tariflichen Kündigungsschutz erwerben (Fritz, ZTR 2006, 1 ff.).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien den in der Rechtsprechung bereits kritisierten sehr weitgehenden tariflichen Kündigungsschutz im Falle dringender betrieblicher Erfordernisse unverändert aufrechterhalten wollten. So hat das Bundesarbeitsgericht mehrfach darauf hingewiesen, dass extreme Ausnahmefälle denkbar seien, in denen im Rahmen des § 55 BAT eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nach § 626 BGB in Betracht kommen könne. Dies sei dann der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis auf Dauer sinnentleert sei, weil eine Arbeitsleistung nicht mehr erbracht werden könne und deshalb auf unzumutbar lange Zeit Vergütung ohne Gegenleistung gezahlt werden müsste (BAG, Urt. v. 06.10.2005 - 2 AZR 362/04 -, AP Nr. 200 zu § 626 BGB; BAG, Urt. v. 24.06.2004 - 2 AZR 215/03 -, AP Nr. 278 zu § 613 a BGB; BAG; Urt. v. 25.10.2001 - 2 AZR 216/00 - EzA BGB § 626 'Änderungskündigung' Nr. 2). In diesen Extremfällen müsse sich der Arbeitgeber auch von einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer trennen können, was aber § 55 Abs. 1 und 2 BAT ausschloss.

c) Auch die Tarifsystematik spricht dafür, dass die außerordentliche Kündigung aller Beschäftigten, d. h. auch derjenigen, die bereits am 30.09.2005 tariflich unkündbar waren, nach den allgemeinen Grundsätzen des § 626 BGB möglich ist. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss der Protokollerklärungen zum jeweiligen 3. Abschnitt des TVÜ-Bund und TVÜ-VKA. Diese lautet wie folgt:

"Einvernehmlich werden die Verhandlungen zur Überleitung der Entgeltsicherung bei Leistungsminderung zurückgestellt. Da damit die fristgerechte Überleitung bei Beschäftigten, die eine Zahlung nach §§ 25, 27 MTArb/MTArb-O bzw. § 56 BAT/BAT-O erhalten, nicht sichergestellt ist, erfolgt am 1. Oktober 2005 eine Fortzahlung der bisherigen Bezüge als zu verrechnender Abschlag auf das Entgelt, das diesen Beschäftigten nach dem noch zu erzielenden künftigen Verhandlungsergebnis zusteht. Die in Satz 2 genannten Bestimmungen - einschließlich etwaiger Sonderregelungen - finden in ihrem jeweiligen Geltungsbereich bis zum In-Kraft-Treten einer Neuregelung weiterhin Anwendung, und zwar auch für Beschäftigte im Sinne des § 1 Abs. 2. § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT bleibt in seinem bisherigen Geltungsbereich unberührt. Sollte das künftige Verhandlungsergebnis geringer als bis dahin gewährte Leistungen ausfallen, ist eine Rückforderung ausgeschlossen."

Die Protokollnotiz betrifft mithin Sonderfälle für Leistungsminderung. Die Verhandlungen über die Entgeltsicherung bei Leistungsminderung wurden zurückgestellt und nicht geregelt. Die alten Regelungen sollen bis zu einer Neuregelung in Kraft bleiben. In diesem Zusammenhang einigten sich die Tarifvertragsparteien ebenfalls darauf, dass (vorläufig) § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 2 BAT in seinem bisherigen Geltungsbereich bestehen bleibt. Nach dieser BAT-Regelung kann das Arbeitsverhältnis ausnahmsweise personenbedingt zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe gegenüber tariflich unkündbaren Angestellten gekündigt werden, wenn der Angestellte dauernd außerstande ist, seine bisher vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen zu erbringen. Einer in Satz 4 dieser Protokollerklärung (kursiv) getroffenen Fortgeltung der Ausgestaltung des tariflichen Kündigungsschutzes nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 2 BAT im Falle der Leistungsminderung hätte es jedoch nicht bedurft, wenn § 55 Abs. 2 BAT bereits über die Bezugnahme in § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD für Beschäftigte, die am Stichtag unkündbar waren, fortgelten würde. Würde man die Besitzstandsregelung in § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD dahin auslegen, dass bei den bereits nach dem früheren Recht unkündbaren Beschäftigten alles beim Alten bleiben sollte, so hätten die Tarifvertragsparteien mit der Protokollerklärung, die § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 2 BAT ausdrücklich aufrechterhält, eine völlig überflüssige Regelung geschaffen (Bröhl, ZTR 2006 174 ff.).

Dementsprechend ist aus wichtigem Grund sowohl eine außerordentliche Beendigungskündigung als auch eine außerordentliche Änderungskündigung zum Zwecke der Herabgruppierung um mehrere Entgeltgruppen aus betriebsbedingten Gründen zulässig. Die neue Unkündbarkeitsregelung des § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD führt mithin zu einer Verschlechterung gegenüber den bis dahin geltenden Bestimmungen des BAT (Linck/Scholz in: AR-Blattei SD, Kündigung VII, Rn. 63 zu 1010.7). Dies war - wie aufgezeigt - von den Tarifvertragsparteien auch gewollt.

d) Der Eingriff in den tariflichen Sonderkündigungsschutz ist auch nicht unzulässig. Tarifvertragliche Regelungen tragen den immanenten Vorbehalt ihrer rückwirkenden Abänderung durch Tarifvertrag in sich (BAG, Urt. v. 02.02.2006 - 2 AZR 58/05 - AP Nr. 7 zu § 1 TVG 'Tarifverträge: Gewerkschaften'; BAG Urt. v. 23.11.1994 - 4 AZR 879/93 -, BAGE 78, 309). Selbst ein zu Gunsten des Arbeitnehmers entstandener Anspruch, der aus einer kollektiven Norm erwachsen ist, trägt die Schwäche in sich, in den durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes gezogenen Grenzen zum Nachteil des Arbeitnehmers rückwirkend geändert zu werden (Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie S. 229 f., 243 f.). Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Erhalt des Status quo in dem Sinne, dass die tarifvertragliche Regelung nicht durch eine andere, für ihn ungünstigere ersetzt werden kann. Die Befugnis zur normativen Ordnung der vertraglichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hat der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien übertragen, weil er davon ausgeht, dass sie in der Lage sind, die Belange der dieser Sonderrechtsordnung Unterworfenen zu wahren. Es ist kein Grund ersichtlich, diese Befugnis der Tarifvertragsparteien dadurch zu beschränken, dass man ihnen die Kontrolle der Anpassung ihrer Sonderrechtsordnung an die weitere Entwicklung entzieht (BAG, Urt. v. 02.02.2006 - 2 AZR 58/05 -, a.a.O.). Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tarifvertraglicher Regelungen ist allerdings durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt; es gelten insoweit die gleichen Regelungen wie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Rückwirkung von Gesetzen (BAG, Urt. v. 02.02.2006 - 2 AZR 58/05 -, a.a.O.).

Hieran gemessen liegt vorliegend kein unzulässiger Eingriff in eine geschützte Position vor. Die Tarifvertragsparteien haben den Sonderkündigungsschutz im TVöD nur graduell verschlechtert und auf das in der Privatwirtschaft im Allgemeinen verwendete Maß reduziert (Linck/Scholz in: AR-Blattei SD, Kündigung VII, Rn. 67 zu 1010.7; Bröhl, ZTR 2006, 179 ff.). Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Erreichen des besonderen Kündigungsschutzes sind - auch über die Bezugnahmeklausel des § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD - unverändert geblieben. Die Grenzen des berechtigten Vertrauensschutzes für diejenigen, die bis zum 30.09.2005 die Voraussetzungen für die Anwendung des § 55 BAT erfüllt hatten, sind vorliegend nicht verletzt worden.

III. Nach alledem war die Klage unter Abänderung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG. Die Revision war im Hinblick auf die instanz- und höchstrichterlich noch nicht geklärte Auslegungsfrage des § 34 Abs. 2 S. 2 TVöD wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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