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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 07.01.2009
Aktenzeichen: 6 Sa 184/08
Rechtsgebiete: ArbGG, TV 13. ME, BRTV-Bau


Vorschriften:

ArbGG § 72 a
TV 13. ME § 6
BRTV-Bau § 15 Abs. 1
BRTV-Bau § 15 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 184/08

Verkündet am 07.01.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 07.01.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 23.08.2006 - 3 Ca 75 b/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufung noch über die Zahlung der ersten Hälfte des tariflichen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 sowie um Zahlung weiterer Vergütung für die Monate November 2005 bis Januar 2006.

Der Kläger ist seit dem 19.05.2003 bei der Beklagten als Beton- und Stahlbauer beschäftigt. Er ist Mitglied der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (Bl. 23 d.A.).

Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen mit rund 140 Arbeitnehmern. Sie ist Mitglied im Norddeutschen Baugewerbeverband e. V. Seit dem 01.01.2006 besteht die Mitgliedschaft "ohne Tarifbindung".

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 21.5.1997 (TV 13. ME), zuletzt in der Fassung vom 29.10.2003, Anwendung. Gemäß § 2 dieses Tarifvertrages haben Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am 30.11. des laufenden Kalenderjahres (Stichtag) mindestens 12 Monate (Bezugszeitraum) ununterbrochen besteht, einen Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen in Höhe des 93-fachen ihres in der Lohntabelle ausgewiesenen Gesamttarifstundenlohnes.

Nach § 6 TV 13. ME ist das 13. Monatseinkommen, das zum Stichtag berechnet wird, je zur Hälfte zusammen mit der Zahlung des Lohns für den Monat November und für den Monat April des Folgejahres auszuzahlen. Abweichend von dieser Fälligkeitsregelung zahlte die Beklagte seit Jahrzehnten das komplette 13. Monatseinkommen mit der Vergütung für den Monat November aus, also spätestens am 15.12. eines Jahres. Für das Jahr 2005 erfolgte keine Zahlung.

Der Kläger unterzeichnete am 12.07.2005 eine Verzichtserklärung. Danach verzichtete er auf das 13. Monatseinkommen und erklärte sich mit einer Gehaltsreduzierung auf den Mindestlohn II von 12,24 EUR einverstanden.

Mit der vorliegenden Klage, die am 12.01.2006 beim Arbeitsgericht einging, hat der Kläger Differenzvergütung für die Monate September und Oktober 2005 geltend gemacht. Diese Forderung hatte er zuvor mit Schreiben vom 29.11.2005 gegenüber der Beklagten erhoben.

Mit Klageerweiterung vom 05.05.2006 hat der Kläger Zahlungsansprüche für die Monate November 2005 bis März 2006 eingeklagt, die er zuvor mit Schreiben vom 02.05.2006 gegenüber der Beklagten geltend gemacht hatte.

Mit weiteren Klageerweiterungen vom 05.07. und 10.07.2006 hat er Zahlung von Differenzvergütung für die Monate Mai und April 2006 gefordert.

Schließlich hat der Kläger mit am 14.07.2006 beim Arbeitsgericht eingegangener Klageerweiterung Zahlung der zweiten Hälfte des tariflichen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 verlangt.

Die Beklagte hat sich gegenüber den Ansprüchen für die Monate November 2005 bis Januar 2006 und dem Anspruch auf Zahlung des 13. Monatseinkommens auf die tarifliche Ausschlussfrist des § 15 Abs.1 BRTV-Bau berufen.

Wegen der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Verzichtserklärung vom 12.07.2005 als im Wesentlichen unwirksam angesehen und hat dem Kläger Differenzvergütung für die Monate September und Oktober 2005 sowie Februar bis Mai 2006 zugesprochen, allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe. Ferner hat es der auf Zahlung der 2. Hälfte des tariflichen 13. Monatseinkommens gerichteten Klage entsprochen.

Die weitergehende Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Die Ansprüche für die Monate November 2005 bis Januar 2006 sowie auf die erste Hälfte des 13. Monatseinkommens seien verfallen. Auf übertarifliche Ansprüche habe der Kläger wirksam verzichtet.

Gegen das ihm am 07.09.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.10.2006 Berufung eingelegt, die er am 07.11.2006 begründet hat.

Der Kläger meint, er habe seine Ansprüche für die Monate November 2005 bis Januar 2006 sowie die erste Hälfte des 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 bereits mit Schreiben vom 29.11.2005 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Mit dem Geltendmachungsschreiben sei deutlich gemacht worden, dass sich die Beklagte rechts- und tarifwidrig verhalte. Der Beklagten sei es nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Ausschlussfrist zu berufen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 23.08.2006 - Az. 3 Ca 75b/06 - wird teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 2.214,82 EUR brutto sowie 21,28 EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Zahlungsansprüche betreffend die Monate November 2005 bis Januar 2006 seien verfallen. Der Kläger habe diese Ansprüche erstmals mit Schreiben vom 02.05.2006 geltend gemacht. Mit Schreiben vom 29.11.2005 habe er lediglich Ansprüche für die Monate September und Oktober 2005 geltend gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 lit. b ArbGG) und form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

I. Die Ansprüche des Klägers auf Zahlung der ersten Hälfte des tariflichen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 sowie restlicher Vergütung für die Monate November 2005 bis Januar 2006 sind gemäß § 15 Abs. 1 Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) vom 4. Juli 2002 in der Fassung vom 29. Juli 2005 verfallen.

1. Gemäß § 15 Abs. 1 BRTV Bau verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird, § 15 Abs. 2 Satz 1 BRTV Bau.

a) Gemäß § 6 des TV 13. ME ist das 13. Monatseinkommen, das zum Stichtag berechnet wird, je zur Hälfte zusammen mit der Zahlung des Lohns für den Monat November und für den Monat April des Folgejahres auszuzahlen.

Die Beklagte zahlt allerdings abweichend von dieser tarifvertraglichen Fälligkeitsregelung die zweite Hälfte des 13. Monatseinkommens unstreitig seit Jahrzehnten mit der Vergütung für November, also spätestens am 15.12. eines jeden Kalenderjahres. Es kann hier offen bleiben, ob dadurch die Fälligkeit der zweiten Hälfte des 13. Monatseinkommens in zulässiger Weise infolge betrieblicher Übung vorgezogen worden ist. Denn im vorliegenden Fall streiten die Parteien über die erste Hälfte des 13. Monatseinkommens. Dies ist jedoch auch in der Vergangenheit nicht abweichend vom Tarifvertrag gezahlt worden. Somit war die hier streitige erste Hälfte des 13. Monatseinkommens am 15.12.2005 zur Zahlung fällig.

Auch die weiteren Vergütungsansprüche für den Monat November 2005 waren am 15.12.2005 fällig, die Ansprüche für den Monat Dezember 2005 am 15.01.2006 und die für den Monat Januar 2006 am 15.02.2006 (vgl. § 5 Ziff. 7.1 BRTV). Am 15.01.2005 war auch das Winterausfallgeld fällig.

b) Der Kläger hat diese Ansprüche erstmals mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 02.05.2006 und damit nach Ablauf der zweimonatigen Ausschlussfrist (1. Stufe) gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Sie sind deshalb gemäß § 15 Abs. 1 BRTV Bau verfallen.

c) Entgegen der Auffassung des Klägers liegt in dem Schreiben vom 29.11.2005 keine ausreichende Geltendmachung der streitigen Ansprüche.

aa) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung eines konkreten Anspruchs aufzufordern. Dazu muss hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht werden, dass der Anspruchsberechtigte Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht (BAG 10.07.2003 - 6 AZR 283/02 - zit. nach JURIS; 17.05.2001 - 8 AZR 366/00 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136). Um dem Anspruchsgegner den Anspruch zu vermitteln, muss der Anspruchsberechtigte den Anspruch dem Grunde und der Höhe nach derart individualisieren, dass dieser das geltend Gemachte erkennen kann und ihm eine Auseinandersetzung mit dem Verlangen möglich ist. Zur wirksamen Geltendmachung bedarf es deshalb auch einer Spezifizierung des Anspruchs. Dem ist nur genügt, wenn der Schuldner den Anspruchsgrund, den Anspruchszeitraum und die Anspruchshöhe erkennen kann.

bb) Diesen Anforderungen genügt das Geltendmachungsschreiben vom 29.11.2005 nicht, soweit es die streitigen Ansprüche betrifft. Die Geltendmachung bezieht sich nur auf den Zeitraum 01.09. bis 31.10.2005. In dem Schreiben heißt es ausdrücklich, "Gemäß der beigefügten Anlagen stehen Herrn B. für den Abrechnungszeitraum vom 01.09.2005 bis 31.10.2005 noch folgende Gesamtansprüche zu ..." und weiter "Wir fordern Sie auf, soweit noch nicht geschehen, eine ordnungsgemäße Abrechnung für den vorgenannten Zeitraum zu erstellen. Die ausgewiesenen Forderungen gem. Anlage sind bis zum 15.12.2005 gegenüber unserem o.g. Mitglied zu erfüllen". Daraus wird deutlich, dass es allein um Ansprüche für die Monate September und Oktober 2005 ging, nicht aber um solche für die Folgezeit. Die beigefügten Anlagen, in denen die Ansprüche spezifiziert wurden, beziehen sich nur auf diese beiden Monate. Das Geltendmachungsschreiben vom 29.11.2005 war insoweit "abschließend". Die Beklagte konnte ihm nicht entnehmen, dass der Kläger auch künftig fällig werdende Ansprüche geltend machen wollte. Das klingt in dem Schreiben nicht einmal an. Erst recht fehlt jede Spezifizierung zum Anspruchsgrund und zur Anspruchshöhe.

d) Der Beklagten ist es nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Ausschlussfrist zu berufen.

aa) Ein Verstoß gegen Treu und Glauben ist gegeben, wenn der Schuldner die Fristversäumnis arglistig herbeigeführt hat oder aber der Gläubiger arglos veranlasst worden ist, den Anspruch nicht geltend zu machen.

bb) Anhaltspunkte für ein treuwidriges Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der Berufung auf die Ausschlussfrist sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat dem Kläger weder zugesagt, die streitigen Ansprüche zu erfüllen, noch hat sie die Fristwahrung vereitelt. Der Umstand, dass die Beklagte nicht die tarifgemäße Vergütung gezahlt hat, macht die Berufung auf die Ausschlussfrist nicht treuwidrig.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Revision war angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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