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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 05.09.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 42/07
Rechtsgebiete: MTV Metallindustrie Schleswig-Holstein, BGB


Vorschriften:

MTV Metallindustrie Schleswig-Holstein § 16
BGB § 242
BGB § 812 Abs. 1
Der Arbeitgeber kann dem Ablauf einer tariflichen Ausschlussfrist mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnen, wenn der Arbeitnehmer es pflichtwidrig unterlassen hat, ihm Umstände mitzuteilen, die ihn zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten. Eine solche pflichtwidrige Unterlassung liegt regelmäßig vor, wenn der Arbeitnehmer erkennt, dass seinem Arbeitgeber bei der Vergütungsberechnung ein Irrtum unterlaufen ist, der zu einer erheblichen Überzahlung geführt hat. Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer im Überzahlungszeitraum in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis stand und nahezu ausnahmslos monatlich höhere Nettoleistungen erhalten hat als vor Beginn der Altersteilzeit.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 42/07

Verkündet am 05.09.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 05.09.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.12.2006 (1 Ca 1921/06) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Wege der Klage und Widerklage über die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung überzahlter Aufstockungsbeträge.

Der Kläger trat am 01.07.1968 in die Dienste der Beklagten. Er arbeitete dort zuletzt als Monteur. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein Anwendung.

Mit Vertrag vom 11.03.2003 schlossen die Parteien auf der Grundlage des Tarifvertrags zur Beschäftigungsbrücke und des Tarifvertrags über Altersteilzeit einen Altersteilzeitarbeitsvertrag. Danach begann das Altersteilzeitarbeitsverhältnis am 01.04.2003 mit der Arbeitsphase. Seit dem 01.04.2006 befindet sich der Kläger in der Freistellungsphase. Das Arbeitsverhältnis endet am 31.03.2009. Während der Altersteilzeit erhält der Kläger zusätzlich zu dem Altersteilzeitentgelt nach § 5 des Vertrags einen Aufstockungsbetrag. Dieser ist gemäß § 6 des Vertrags so zu bemessen, dass ihm im Ergebnis mindestens 82 % des um die gesetzlichen Abzüge geminderten bisherigen Arbeitsentgelts gezahlt werden. Wegen des weiteren Inhalts des Vertrags wird auf die Anlage B 1 (= Blatt 29 ff. d. A.) verwiesen.

Bis zu seinem Eintritt in die Freistellungsphase war der Kläger Mitglied des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrats und nahm in dieser Eigenschaft an zwei Seminaren zur Altersteilzeit teil.

Im April 2002 fertigte die damalige Buchhalterin der Beklagten eine als "Einschätzung" bezeichnete Berechnung des Altersteilzeitentgelts des Klägers. Ausweislich der Berechnung, die von einem Vollzeit-Bruttogehalt von 3.264,-- EUR ausging, ergab sich ein Netto-Altersteilzeitverdienst von circa 1.766,18 EUR. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlage B 4 (= Blatt 38 d. A.) Bezug genommen.

Mit Datum vom 17.11.2002 beantragte der Kläger den Abschluss eines Altersteilzeitvertrags. Er behielt sich vor, den Antrag bis zum 01.04.2003 zurückzunehmen, weil er sich über seine tariflichen Rechte und Rentenansprüche informieren wolle. Wegen des weiteren Inhalts des Antrags wird auf die Anlage B 3 (= Blatt 37 d. A.) verwiesen.

Im Dezember 2002 erlitt die damalige Buchhalterin der Beklagten, die für den Kläger die Berechnung gemäß Anlage B 4 gefertigt hatte, einen schweren Unfall. In der Folge verstarb sie. Von Mitte Januar bis Juli 2003 beschäftigte die Beklagte eine Leiharbeitnehmerin als Aushilfskraft in der Buchhaltung. Dieser unterlief bei der Einrichtung des Altersteilzeitvertrags des Klägers im Lohnprogramm ein Fehler, der dazu führte, dass an den Kläger zu hohe Aufstockungsbeträge gezahlt wurden.

Dies fiel der Buchhalterin B..., die die Beklagte mittlerweile eingestellt hatte, im Juni 2005 auf. Ab diesem Monat zahlte die Beklagte dem Kläger den richtigen Betrag aus. Mit Schreiben vom 29.06.2005 (Anlage B 5 = Blatt 39 d. A.) teilte sie ihm den Umstand der Überzahlung mit und wies darauf hin, dass eine manuelle Korrekturabrechnung folgen werde. Ob dieses Schreiben dem Kläger noch im Juni 2005 zuging, ist nicht geklärt.

Am 28.07.2005 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger, Frau B... sowie dem Leiter der Buchhaltung, Herrn M..., statt. Dem Kläger wurde die korrigierte Berechnung übergeben, die eine Überzahlung in Höhe von EUR 12.662,89 ausweist (Anlage B 7 = Blatt 42 d. A.). Ausweislich eines Gesprächsvermerks hatten Frau B... und Herr M... den Eindruck, der Kläger sei über die Höhe der Überzahlung nicht allzu verblüfft. Der Kläger wies in diesem Gespräch auf die tariflichen Ausschlussfristen hin sowie darauf, dass eine Rückforderung nur für drei Monate möglich sei.

Ab August 2005 behielt die Beklagte vom Altersteilzeitentgelt des Klägers monatlich 200,-- EUR ein. Sie zahlte außerdem einen Betrag von EUR 400,-- (ERA-Strukturkompenente) an den Kläger nicht aus, sondern verrechnete diesen ebenfalls mit ihrem Rückzahlungsanspruch.

In dem Überzahlungszeitraum erhielt der Kläger in 16 von 21 Monaten mehr als 500,-- EUR netto zu viel ausgezahlt. Mit Ausnahme von drei Monaten erzielte er im Zeitraum der Altersteilzeit eine höhere Nettovergütung, als er erhalten hätte, wenn er tatsächlich Vollzeit gearbeitet und einen entsprechenden Vergütungsanspruch gehabt hätte. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Aufstellungen der Beklagten im Schriftsatz vom 18.10.2006, Seite 6 und 7 (Blatt 22 - 23 d. A.) sowie Seite 10 (Blatt 26 d. A.) Bezug genommen.

Mit seiner der Beklagten am 01.08.2006 zugestellten Klage hat der Kläger die für die Monate April bis Juni 2006 einbehaltenen jeweils EUR 200,-- geltend gemacht. Mit den Klageerweiterungen verlangt er die von der Beklagten bis einschließlich November 2006 einbehaltene Vergütung (5 x 200,-- EUR = 1.000,-- EUR).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Rückzahlungsansprüche der Beklagten seien verfallen. Er habe erst durch das Schreiben der Beklagten vom 29.06.2005 von der Überzahlung erfahren. Sein monatliches Gehalt schwanke aufgrund tariflich festgelegter unterschiedlich hoher Auslöse, Fahrgelder, Zulagen und sonstiger Auslagen, wobei bestimmte Zahlungen nicht der Aufstockung nach dem Altersteilzeittarifvertrag unterlägen. Auch die Beklagte räume ein, dass eine Korrektur der Berechnung kompliziert und zeitaufwändig gewesen sei. Er sei auch nicht der erste Arbeitnehmer bei der Beklagten gewesen, der in Altersteilzeit gegangen sei und habe deshalb darauf vertraut, dass die Abrechnung der Beklagten zutreffend sei. Seine Abrechnung habe er nur im Hinblick auf ihm zu zahlenden variablen Vergütungsbestandteile wie Kilometergeld, Auslöse und Ähnliches kontrolliert.

Die Beklagte habe sich schon in der zweiten Jahreshälfte 2004 mit der Berechnung seiner Altersteilzeitvergütung befasst, denn die Buchhalterin, Frau B..., habe sich wegen der Abrechnung variabler Zahlungen (Auslöse und Fahrgeld) an ihn gewandt. In den von ihm besuchten Betriebsratsseminaren sei die Berechnung des Altersteilzeitentgelts im Einzelnen nicht Thema gewesen. Ihm hätten die nunmehr von der Beklagten vorgelegten Gegenüberstellungen seines fiktiven Nettoentgelts und des tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelts gerade nicht vorgelegen, so dass er die Überzahlung nicht habe erkennen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, 600,-- EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins ab Zustellung der Klage zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere EUR 400,-- netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 26.09.2006 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere EUR 400,-- netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 17.11.2006 zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere EUR 200,-- netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 15.12.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen sowie

widerklagend den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte EUR 9.062,89 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung des Schriftsatzes vom 18.10.2006 an die Beklagte zu zahlen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger könne sich auf den Verfall der Rückzahlungsansprüche nicht berufen. Er habe Kenntnis von der Überzahlung erlangt und es pflichtwidrig unterlassen, ihr dies mitzuteilen.

Diese Kenntnis ergebe sich daraus, dass der Kläger regelmäßig mehr als 500,-- EUR netto zu viel erhalten habe, dass er bis auf drei Monate mehr erhalten habe, als er bei tatsächlicher Arbeitsleistung bekommen hätte, dass er in dem Jahr vor Eintritt in die Altersteilzeit auch nur durchschnittlich zwischen 2.200,-- und 2.000,-- EUR netto erhalten habe sowie daraus, dass der Kläger regelmäßig seine Abrechnungen genau kontrolliert habe. Der Kläger sei durch zwei Seminare zum Thema Altersteilzeit als Betriebsrat geschult. Dem Betriebsrat liege eine Modellberechnung in der Zeitschrift AiB (Blatt 107 d. A.) vor. Der Kläger habe sich auch die Altersteilzeitverträge anderer Arbeitnehmer vorlegen lassen, um diese zu überprüfen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dem Widerklageantrag in vollem Umfang entsprochen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger durch die überzahlten Aufstockungsbeträge ursprünglich in Höhe von 12.662,89 EUR ungerechtfertigt bereichert gewesen sei. Deshalb habe die Beklagte mit den Zahlungsansprüchen des Klägers aufrechnen können und verlange daneben zu Recht den mit der Widerklage geltend gemachten Betrag. Der Rückzahlungsanspruch sei nicht gemäß § 16 Nr. 1.1b MTV verfallen. Der Kläger könne sich auf den Verfall des Anspruchs nicht berufen. Dem stehe der von der Beklagten erhobene Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Denn der Kläger habe es pflichtwidrig unterlassen, der Beklagten mitzuteilen, dass er ein ihm nicht erklärbar hohes Altersteilzeitentgelt erhalten hat. Er habe sich bei dem Erhalt der ersten Abrechnung seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Höhe der Vergütung gewundert und dazu auch allen Anlass gehabt. Die Auszahlung eines Betrags, der über dem lag, was er ohne Änderung seines Vertragsverhältnisses in ein Altersteilzeitverhältnis verdient hätte, habe sich ihm als fehlerhaft aufdrängen müssen.

Gegen dieses ihm am 04.01.2007 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, den 05.02.2007 eingelegte Berufung des Klägers, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.04.2007 am 04.04.2007 begründet hat.

Zur Begründung bezieht sich der Kläger auf sein erstinstanzliches Vorbringen und rügt, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht angenommen habe, ihm sei aufgefallen, dass er im April 2003 221,44 EUR netto mehr erhalten hat, als wenn er in Vollzeit weitergearbeitet hätte. Ihm hätten Abrechnungen für einen solchen Vergleich mit dem fiktiven Vollzeitentgelt gar nicht vorgelegen. Auf die Musterberechnung aus dem April 2002 habe er sich wegen der bereits erstinstanzlich geäußerten Zweifel an der Arbeitsweise der damaligen Buchhalterin nicht stützen müssen. Abrechnungsfehler, die auch die Beklagte nicht erkannt habe, habe er nicht bemerken müssen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.12.2006 - 1 Ca 1921/06 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger 600,-- EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung der Klageschrift vom 24.07.2006 zu zahlen;

2. an den Kläger weitere 400,-- EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung des Schriftsatzes vom 26.09.2006 zu zahlen;

3. an den Kläger weitere 400,-- EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung des Schriftsatzes vom 17.11.2006 zu zahlen;

4. an den Kläger weitere 200,-- EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.12.2006 zu zahlen

und

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das arbeitsgerichtliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.

1. Der Kläger kann von der Beklagten nicht Zahlung der in den Monaten April bis zum November 2006 von seiner Vergütung jeweils einbehaltenen 200,-- EUR verlangen.

Der Vergütungsanspruch gemäß § 611 BGB für den Monat April 2006 ist nach § 16 Nr. 1.1b MTV verfallen. Das hat das Arbeitsgericht unter A II (Seite 9 f. des Urteils) überzeugend dargelegt. Diese Begründung greift der Kläger mit seiner Berufung nicht an, so dass sein Rechtsmittel - bezogen auf diesen Streitgegenstand - bereits unzulässig ist.

2. Die Ansprüche des Klägers auf restliche Nettovergütung für die Monate Mai bis November 2006 in Höhe von monatlich 200,-- EUR sind durch Aufrechnung der Beklagten gemäß § 389 BGB erloschen.

a) Die Beklagte hatte im Juni 2005 einen Rückzahlungsanspruch gegen den Kläger in der unstreitigen Höhe von 12.662,89 EUR. Der Kläger war nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Fall BGB verpflichtet, diesen Betrag, den er rechtsgrundlos erlangt hatte, zurückzuführen. Der Betrag setzt sich aus Einzelzahlungen im Zeitraum April 2003 bis Mai 2005 zusammen und resultiert aus der falschen Berechnung der Aufstockungsbeträge durch die Buchhaltung der Beklagten. Die Aufstockungsbeträge, wie sie sich aus der Aufstellung gemäß Anlage B 7 (= Blatt 42 d. A.) ergeben, sind neben dem reduzierten Grundgehalt als Nettobeträge von der Beklagten an den Kläger gezahlt worden.

b) Der Rückzahlungsanspruch der Beklagten ist nicht gemäß § 16 Nr. 1.1b MTV verfallen.

aa) Nach dieser Tarifvorschrift sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, sofern sie nicht unter § 16 Nr. 1.1a MTV fallen, innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen. Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Vergütung sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.

bb) Verrechnet der Arbeitgeber die Vergütung fehlerhaft, obwohl ihm die maßgeblichen Berechnungsgrundlagen bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, entsteht sein Rückzahlungsanspruch bei überzahlter Vergütung im Zeitpunkt der Überzahlung und wird auch zugleich fällig (BAG 19.02.2004 - 6 AZR 664/06 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 174; BAG 10.03.2005 - 6 AZR 217/04 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 176). Auf die Kenntnis des Arbeitgebers von seinem Rückzahlungsanspruch kommt es in einem solchen Fall nicht an. Sind dem Arbeitgeber die Grundlagen der Berechnung bekannt, fallen Fehler bei der Berechnung der Vergütung regelmäßig in seine Sphäre, weil sie von ihm eher durch Kontrollmaßnahmen entdeckt werden können als vom Empfänger der Leistung (BAG 19.02.2004 - 6 AZR 664/02 - a. a. O.; BAG 10.03.2005 - 6 AZR 217/04 -).

Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Arbeitgeber die Überzahlung nicht erkennen kann, weil die Fehler bei der Berechnung der Vergütung in die Sphäre des Arbeitnehmers fallen. Teilt dieser Änderungen in seinen persönlichen Verhältnissen, die sich auf die Höhe der Vergütung auswirken, dem Arbeitgeber nicht mit, wird der Rückzahlungsanspruch erst fällig, wenn der Arbeitgeber von den rechtsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt (BAG 19.02.2004 - 6 AZR 664/02 - a. a. O.; BAG 10.03.2005 - 6 AZR 217/04 -).

Der Fehler bei der Berechnung des Aufstockungsbetrags lag im vorliegenden Fall allein in der Sphäre der Beklagten. Der Leiharbeitnehmerin, die ab Anfang des Jahres 2003 aushilfsweise die Buchhaltung der Beklagten führte, unterlief bei der Einrichtung des Altersteilzeitvertrags des Klägers im Lohnprogramm ein Fehler. Aufgrund dieses Fehlers wurden in der Folge an den Kläger zu hohe Aufstockungsbeträge gezahlt. Folglich sind die Rückzahlungsansprüche der Beklagten jeweils mit der Auszahlung der Vergütung an den Kläger am Monatsende fällig geworden. Das führt dazu, dass die Überzahlungen bis einschließlich März 2006 nach Maßgabe des § 16 Nr. 1.1b MTV verfallen sind, denn die Beklagte hat erstmals mit Schreiben vom 29.06.2005 den Umstand der Überzahlung mitgeteilt und eine Korrektur für die Monate April 2003 bis Mai 2005 angekündigt.

cc) Der Kläger kann sich aber nicht auf den Verfall des Rückzahlungsanspruchs berufen. Dem steht gemäß § 242 BGB der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.

(1) Der Arbeitgeber kann dem Ablauf einer tariflichen Ausschlussfrist mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnen, wenn der Arbeitnehmer ihn durch aktives Handeln von der Einhaltung der Ausschlussfrist abgehalten oder es pflichtwidrig unterlassen hat, ihm Umstände mitzuteilen, die ihn zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten (BAG 23.05.2001 - 5 AZR 374/99 - BAGE 98, 25; BAG 01.06.1995 - 6 AZR 912/94 - BAGE 80, 144). Eine solche pflichtwidrige Unterlassung ist in der Regel anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer erkennt, dass seinem Arbeitgeber bei der Berechnung der Vergütung ein Irrtum unterlaufen ist, der zu einer erheblichen Überzahlung geführt hat, und er diese nicht anzeigt (BAG 23.05.2001 - 5 AZR 374/99 - a. a. O.; BAG 01.06.1995 - 6 AZR 912/94 - a. a. O.). Zwar ist der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, eine vom Arbeitgeber erstellte Vergütungsabrechnung zu überprüfen. Erhält er jedoch eine erhebliche Mehrzahlung, die er sich nicht erklären kann, hat er diese dem Arbeitgeber mitzuteilen und ihm Gelegenheit zur Prüfung und eventuellen Berichtigung zu geben. Das folgt aus seiner Pflicht, dem Arbeitgeber drohende Schäden anzuzeigen (BAG 01.06.1995 - 6 AZR 912/94 - a. a. O.; BAG 10.03.2005 - 6 AZR 217/04 -).

(2) Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass diese Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung im vorliegenden Fall erfüllt sind. Der Kläger hat es pflichtwidrig unterlassen, die Beklagte darauf anzusprechen, dass er Monat für Monat erhebliche Mehrzahlungen erhalten hat. Diese nicht erklärlichen Mehrzahlungen hätte er der Beklagten mitteilen müssen, um ihr Gelegenheit zur Prüfung und eventuellen Berichtigung zu geben. Das hat das Arbeitsgericht unter A III 2. b der Entscheidungsgründe überzeugend begründet. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung führen zu keiner anderen Entscheidung. Es ist nicht entscheidend, ob dem Kläger im April 2003 und in den Folgemonaten aufgefallen ist, welchen exakten Betrag er netto mehr erhalten hat, als er bekommen hätte, wenn er in Vollzeit gearbeitet hätte. Abrechnungen für einen solchen Vergleich mit dem fiktiven Vollzeitentgelt haben ihm in der Tat nicht vorgelegen. Darauf kommt es aber nicht an. Maßgebend ist, dass er Monat für Monat Beträge ausgezahlt erhielt, die über dem sich aus der im April 2003 erstellten Musterberechnung ergebenden Nettoentgelt in der Altersteilzeit lagen. Diese Berechnung wies einen Betrag in Höhe von circa 1.766,18 EUR aus. Schon im April 2003 lag der Auszahlungsbetrag mit 2.297,05 EUR mehr als 500,--EUR über dem in der "Einschätzung" genannten Betrag.

Als entscheidend sieht die Kammer weiterhin den Umstand an, dass dem Kläger im Überzahlungszeitraum nahezu ausnahmslos monatlich höhere Nettoleistungen zuflossen als vor Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Bereits im April 2003 lag der Nettolohn mehr als 200,-- EUR oberhalb dessen, was der Kläger ohne Altersteilzeit verdient hätte. Jeder Arbeitnehmer weiß, dass die vereinbarte Altersteilzeit zu Gehaltseinbußen für den gesamten Zeitraum führt (LAG Rheinland Pfalz 23.02.2006 - 6 Sa 770/07 - zitiert nach Juris). Auch der Kläger war sich darüber im Klaren, wie die Diskussion im Berufungstermin und seine Einlassung im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht (vgl. Sitzungsprotokoll vom 14.12.1006 = Blatt 129 f. d. A.) gezeigt hat. Zudem hatte er sich in seiner Funktion als Betriebsrat in Seminarveranstaltungen mit dem Thema Altersteilzeit befasst. Die Höhe der ab April 2003 an ihn monatlich gezahlten Nettobeträge hätte den Kläger daher veranlassen müssen, sich bei der Beklagten zu melden und auf diesen Umstand hinzuweisen.

Nicht entscheidend ist, welchen Wert der Kläger der Musterberechnung aus dem Jahr 2002 beigemessen hat und ob er berechtigterweise an der Zuverlässigkeit der Berechnung zweifeln durfte. Maßgebend ist, dass diese "Einschätzung" von der Buchhaltung der Beklagten gefertigt worden war und damit zum Ausdruck brachte, von welchem Nettoanspruch die Beklagte bei der Inanspruchnahme von Altersteilzeit durch den Kläger ausging. Der Unterschied zwischen dem im Jahr 2002 ermittelten Betrag und den tatsächlich geleisteten Beträgen hätte dem Kläger Anlass geben müssen, tätig zu werden.

Der Kläger kann nicht damit gehört werden, die Beklagte habe bereits in der zweiten Jahreshälfte 2004 von den Überzahlungen wegen der falschen Berechnung der Aufstockungsbeträge gewusst. Einzelne Abrechnungen des Klägers sind zwar überprüft worden. Gegenstand der Prüfung waren aber die variablen Zahlungen (Auslösung und Fahrgeld). Warum die Beklagte im Zuge dieser Überprüfung die Aufstockungsbeträge auch auf die hier streitgegenständlichen Fehler überprüft haben soll, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

II. Die Widerklage ist begründet. Die ursprüngliche Forderung der Beklagten belief sich aufgrund der Überzahlung in Höhe von 12.662,89 EUR. Die Forderung ist insoweit erloschen, als die Beklagte mit Zahlungsansprüchen des Klägers aufgerechnet hat.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind. Die Entscheidung betrifft ausschließlich einen Einzelfall und steht im Einklang mit den zur Frage der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf Ausschlussfristen ergangenen Entscheidungen.

Ende der Entscheidung

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