Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 04.06.2009
Aktenzeichen: 6 Ta 106/09
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO, GKG, RVG


Vorschriften:

KSchG § 4
ZPO § 3
ZPO § 5
ZPO § 256 Abs. 1
GKG § 3 Abs. 2
GKG § 39 Abs. 1
GKG § 42 Abs. 4 S. 1
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 6 Ta 106/09

04.06.2009

Im Beschwerdeverfahren

in dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 04.06.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts K... wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19.03.2009 - 2 Ca 14/09 - teilweise abgeändert.

Der für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebende Wert wird für den Vergleich auf 8.788,18 € festgesetzt.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien stritten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses. Der Kläger war seit 04.02.2008 als Kraftfahrer bei der S... GmbH (Gemeinschuldnerin) beschäftigt. Die Gemeinschuldnerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22.12.2008 fristlos. Im Kündigungsschreiben nannte sie als Grund hierfür das beantragte Insolvenzverfahren.

Der Kläger erhob am 05.01.2009 Klage beim Arbeitsgericht Lübeck mit den Anträgen,

1. "festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 22.12.2008 nicht aufgelöst ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

3. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. bei Scheitern der Güteverhandlung oder bei Säumnis der Beklagten diese zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Kraftfahrer bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits weiter zu beschäftigen."

Der vorläufige Insolvenzverwalter sprach mit Schreiben vom 29.01.2009 höchst vorsorglich eine ordentliche Kündigung zum 28.02.2009 aus. Zur Begründung berief er sich auf dringende betriebliche Erfordernisse. In dem Kündigungsschreiben bestätigte er überdies, dass das Arbeitsverhältnis entgegen dem missverständlichen Wortlaut des Kündigungsschreibens der Gemeinschuldnerin vom 22.12.2008 mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ende. Die Kündigung vom 29.01.2009 griff der Kläger nicht mit einem gesonderten Antrag nach § 4 KSchG an.

Im Gütetermin am 02.02.2009 schlossen die Parteien folgenden Vergleich:

1. "Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat aufgrund fristgemäßer Kündigung der Beklagten aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 31.01.2009 geendet.

2. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein qualifiziertes berufsförderndes Zeugnis mit einer "guten" abschließenden Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Weiterhin wird eine "Bedauern- und Bedankensformel" am Ende des Zeugnisses aufgenommen.

3. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger eine Abrechnung für den Monat Dezember 2008 sowie für den Monat Januar 2009 zu erteilen.

4. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt."

Der Beschwerdeführer beantragte im Gütetermin Streitwertfestsetzung.

Mit Beschluss vom 19.03.2009 setzte das Arbeitsgericht den für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebenden Wert auf 7.532,73 € fest. Den Antrag zu 1. bewertete es mit 2 Bruttomonatsgehältern und den Antrag zu 2. mit einem Bruttomonatsgehalt. Einen Vergleichsmehrwert setzte das Arbeitsgericht nicht fest.

Gegen den ihm am 19.03.2009 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts legte der Beschwerdeführer am 01.04.2009 Beschwerde ein. Er meint, der Antrag zu 2. sei mit 2 Monatsgehältern zu berücksichtigen und der Antrag zu 1. mit 2,25 Monatsgehältern. Der Vergleichsmehrwert betrage ein Bruttomonatsgehalt.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts war dahingehend abzuändern, dass ein um 1.255,45 € erhöhter Vergleichswert festzusetzen war.

1. Bei der Bewertung der Klaganträge zu 1. und 2. hat sich das Arbeitsgericht im Rahmen des ihm nach § 3 ZPO zustehenden Ermessens gehalten.

a) Der Kündigungsschutzantrag ist gemäß § 42 Abs. 4 S. 1 GKG in typisierender Betrachtungsweise und in Abhängigkeit von der Bestandsdauer des Arbeitsverhältnisses im Kündigungszeitpunkt mit bis zu 3 Bruttomonatsgehältern zu bewerten (vgl. LAG Schleswig-Holstein 29.04.2008 - 2 Ta 85/08 -). Bei einem Bestand des Arbeitsverhältnisses von bis zu 6 Monaten ist grundsätzlich ein Monatsverdienst, bei einem Bestand von 6 bis 12 Monaten grundsätzlich 2 Monatsverdienste und ab einem Bestand von mehr als 12 Monaten grundsätzlich 3 Monatsverdienste als Streitwert festzusetzen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer nicht.

b) Grundsätzlich gilt, dass der allgemeine Feststellungsantrag neben dem punktuellen Kündigungsschutzantrag (§ 4 KSchG) nicht gesondert bewertet werden muss. Beide Anträge verfolgen dasselbe Ziel, nämlich den Fortbestand des Vertragsverhältnisses. Deshalb sind diese Werte nicht nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren. Wo trotz prozessualer Anspruchsmehrheit keine wirtschaftliche Werthäufung entsteht, darf auch keine Zusammenrechnung erfolgen (vgl. BGH 29.01.1987 - V ZR 136/86 - NJW-RR 1987, 1148). Das Additionsverbot bei Anträgen, die wirtschaftlich nicht zur Werterhöhung führen, ist ein allgemeines Prinzip im Regelungsbereich des § 5 ZPO und § 39 Abs. 1 GKG. Das führt dazu, dass bei Zusammentreffen eines Antrags nach § 4 KSchG mit einem solchen nach § 256 Abs. 1 ZPO grundsätzlich keine Streitwertaddition stattfindet (BAG 06.12.1984 - 2 AZR 754/79 ArbGG AP 1979 § 12 Nr. 8; LAG Hamm 03.12.2003 - 9 Ta 520/02 - NZA-RR 2003, 321). Die Notwendigkeit, den Antrag nach § 4 KSchG als eigenen Antrag neben dem allgemeinen Feststellungsantrag stellen zu müssen, rechtfertigt es nicht, hierfür entgegen Wortlaut und Zweck des § 42 Abs. 4 S. 1 GKG einen besonderen Wert festzusetzen (LAG Schleswig-Holstein 19.01.2009 - 1 Ta 182/08 -).

c) Werden allein die Anträge aus der Klagschrift für die Streitwertfestsetzung berücksichtigt, so beliefe sich der Streitwert für das Verfahren auf 2 Bruttomonatsgehälter, somit auf 5.021,80 €.

d) Selbst wenn die nicht mit einem Antrag nach § 4 KSchG angegriffene Kündigung vom 29.01.2009 berücksichtigt wird und die Grundsätze der Gegenstandswertfestsetzung bei mehreren Kündigungen zugrundegelegt werden, hält sich die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens.

Wird über die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen gestritten, die in einem nahen zeitlichen Zusammenhang ausgesprochen worden sind, und liegt ihnen ein identischer Kündigungssachverhalt zugrunde, dann ist die erste Kündigung abhängig von der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses mit bis zu 3 Bruttomonatsverdienste zu bewerten; die weiteren Kündigungen wirken dagegen nicht gegenstandswerterhöhend. Wird um die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen gestritten, die keinen unmittelbaren Bezug zueinander haben, sind also die Kündigungssachverhalte nicht identisch, so kommt eine Streitwerterhöhung durch die weiteren Kündigungen in Betracht. Dazu werden in der Rechtsprechung verschiedene Ansätze vertreten (vgl. LAG Schleswig-Holstein 08.02.2007 - 1 Ta 285/06 - Streitwert in der ersten Kündigung entspricht dem zeitlichen Abstand zum zweiten Kündigungstermin; LAG Sachsen 31.05.2006 - 1 Ta 97/06 - weitere Kündigungen innerhalb von 3 bis 6 Monaten jeweils 1 Bruttomonatsgehalt; LAG Rheinland-Pfalz 11.12.2008 - 1 Ta 220/08 - Streitwert der zweiten Kündigung maximal ein Bruttomonatsgehalt).

Im vorliegenden Fall liegen den Kündigungen vom 22.12.2008 und 29.01.2009 identische Sachverhalte zugrunde, so dass keine Erhöhung des Streitwerts angezeigt ist. Hintergrund ist jeweils die Betriebsstilllegung. Das verdeutlicht das Kündigungsschreiben vom 29.01.2009 in dessen zweiten Absatz es heißt:

"Ihr Arbeitsverhältnis wurde mit dem vom 22. Dezember 2008 datierenden Schreiben bereits durch die S... GmbH gekündigt. Hintergrund ist die erfolgte umfassende Betriebsstilllegung. Gerne bestätige ich Ihnen bereits jetzt, dass Ihr Arbeitsverhältnis in Abweichung von missverständlichem Wortlaut des Kündigungsschreibens vom 22. Dezember 2008 mit Ablauf der für Sie maßgeblichen ordentlichen Kündigungsfrist endet.

Obwohl Ihr Arbeitsverhältnis nach meiner Auffassung daher bereits durch die Kündigung vom 22. Dezember 2008 mit Ablauf der für Sie geltenden Kündigungsfrist enden wird, kündige ich hiermit nur höchst vorsorglich aus dringenden betrieblichen Erfordernissen in meiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der S... GmbH mit übertragenen Arbeitgeberbefugnissen das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt, ...."

Bei der zweiten Kündigung handelt es sich also um eine vorsorgliche Kündigung, die nur für den Fall ausgesprochen worden ist, dass das Arbeitsverhältnis nicht bereits aufgrund der ersten Kündigung endet. Kündigungsgrund ist jeweils die Betriebsstilllegungen, und damit dringende betriebliche Erfordernisse. Aus diesem Grund wäre es auch nicht ermessensfehlerhaft gewesen, wenn das Arbeitsgericht den Antrag zu 2. nicht streitwerterhöhend berücksichtigt hätte.

2. Abzuändern ist die arbeitsgerichtliche Streitwertfestsetzung nur insoweit, als die Regelung der Zeugniserteilung im Vergleich unberücksichtigt geblieben ist. Ein Mehrwert für den Vergleich ist deshalb anzusetzen, weil der Kläger in Ziff. 3 der Vereinbarung nicht nur sein Wahlrecht zwischen einfachen und qualifizierten Zeugnis ausgeübt hat, sondern sich ein qualifiziertes Zeugnis mit einer bestimmten Note und einer Schlussformel hat titulieren lassen. Insoweit regelt der Vergleich auch die Fragen des Zeugnisinhalts. Je nach "Regelungsdichte" kommt für die Regelung des Zeugnisses im Vergleich ein Mehrwert von bis zu einem Bruttomonatsgehalt in Betracht. Innerhalb dieses Rahmens ist im vorliegenden Fall ein halbes Bruttomonatsgehalt festzusetzen. Denn durch den Vergleich sind nur Eckpunkte des Zeugnisses geregelt worden, nämlich die Art, die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung sowie die Schlussformel.

3. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG ist anders als Verfahren nach § 33 Abs. 9 RVG nicht gebührenfrei.

Die Gerichtsgebühr hat der Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 ZPO zu 75 % zu tragen.

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

Zurück