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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 09.06.2009
Aktenzeichen: 6 Ta 81/09
Rechtsgebiete: ZPO, SGB III


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 256
SGB III § 187
Die Klagebefugnis für eine Klage auf Feststellung einer Lohnforderung zur Insolvenztabelle entfällt, wenn für den Lohnzahlungszeitraum ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt worden ist, über den noch nicht rechtskräftig entschieden ist.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 6 Ta 81/09

09.06.2009

In dem Beschwerdeverfahren

betr. Prozesskostenhilfe

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 09.06.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 24.02.2009 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin (Antragstellerin und Beschwerdeführerin) hat zum einen die Feststellung von Zahlungsansprüchen zur Insolvenztabelle beantragt und zum anderen Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem Gemeinschuldner bestanden hat.

Die Klägerin hatte sich auf eine schriftliche Stellenausschreibung beworben und ein persönliches Bewerbungsgespräch geführt. Herr E... D... L..., der Gemeinschuldner, teilte ihr mit Schreiben vom 07.09.2006 mit, dass er sie gerne in seinem Haus als Haushälterin beschäftigen wolle. Die Klägerin und der Gemeinschuldner unterzeichneten am 11.09.2006 einen Arbeitsvertrag (Anlage 2 = Blatt 9 f d. A.). Die Klägerin erhielt von dem Gemeinschuldner für die Monate Oktober/November 2006 keine Vergütung. Allerdings zahlte ihr Frau B... einen der Höhe nach streitigen Betrag.

Die Klägerin meldete am 23.01.2007 ihre Gehaltsforderung für Oktober und November 2006 in Höhe von 1.571,39 EUR zur Insolvenztabelle an. Im amtlichen Prüfungstermin hat die Beklagte die angemeldete Forderung in voller Höhe bestritten.

Die Klägerin beantragte bei der Agentur für Arbeit K... am 26.02.2007 Insolvenzgeld gemäß § 183 SGB III für die Zeit vom 01.10. bis 30.11.2006. Mit Bescheid vom 27.09.2007 lehnte die Agentur für Arbeit K... diesen Antrag ab und führte zur Begründung aus, dass gemäß Mitteilung der Beklagten die Klägerin nicht für Herrn L..., sondern für Frau B... tätig gewesen sei. Die Klägerin hat gegen den ablehnenden Bescheid am 05.10.2007 Widerspruch eingelegt. Mit Bescheid vom 10.03.2008 ist der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen worden. Hiergegen hat die Klägerin vor dem Sozialgericht M... Klage erhoben (S 36 AL 344/08).

Das Arbeitsgericht Kiel hat mit Urteil vom 24.02.2009 die Klage abgewiesen. Durch Beschluss vom selben Tag hat es den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen.

Gegen diesen ihren Prozessbevollmächtigten am 13.03.2009 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 14.04.2009 (Dienstag nach Ostern) Beschwerde eingelegt und diese sogleich begründet. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die als sofortige Beschwerde zu wertende Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache ist die sofortige Beschwerde jedoch nicht gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht zurückgewiesen. Für die Klage auf Feststellung der Lohnforderung zur Insolvenztabelle ist die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Die Klage auf Feststellung, dass zwischen der Klägerin und dem Gemeinschuldner ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, ist mangels Feststellungsinteresses unzulässig.

1. Die Klägerin ist im Umfang der mit dem Antrag zu 1. erhobenen Insolvenzforderung nicht klagebefugt. Sie hat am 26.02.2007 einen Antrag auf Insolvenzgeld gestellt. Hierdurch ging nach § 187 SGB III der rückständige Lohnanspruch der Klägerin auf die Agentur für Arbeit über (BSG 17.07.1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269; BAG 12.01.2005 - 5 AZR 279/01 - zitiert nach Juris). Zwar fällt der Anspruch auf Arbeitsentgelt in dem Umfang wieder an den Arbeitnehmer zurück, wie kein Insolvenzgeld bewilligt wird (BAG 10.02.1982 - 5 AZR 936/79 - BAGE 38, 1). Der Anspruch fällt aber erst dann an den Arbeitnehmer zurück, wenn der ablehnende Bescheid bestandskräftig geworden ist (BAG 12.01.2005 - 5 AZR 279/01 - zitiert nach Juris; Erfurter Kommentar/Müller-Glöge, 8. Auflage, InsO Einführung Rdn. 56).

Im vorliegenden Fall ist der Widerspruchsbescheid, der den den Antrag auf Insolvenzgeld ablehnenden Bescheid bestätigt hat, noch nicht bestandskräftig. Die Klägerin hat sich hiergegen mit der Klage vor dem Sozialgericht M... gewandt. Dieses Verfahren war bei Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Deshalb war die Klägerin jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht klagebefugt.

2. Die mit dem Antrag zu 2. erhobene Klage auf Feststellung, dass zwischen der Klägerin und dem Gemeinschuldner ein Arbeitsverhältnis gemäß Arbeitsvertrag vom 11.09.2006 in der Zeit vom 01.10.2006 bis 30.11.2006 bestanden hat, ist unzulässig. Es fehlt an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse.

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen. Dabei hat das Gericht den Sachverhalt nicht selbstständig zu untersuchen, vielmehr hat der Kläger die erforderlichen Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG 21.06.2000 - 5 AZR 782/98 - BAGE 95, 141).

Im Streitfall ist die Klage auf die Feststellung gerichtet, dass in der Vergangenheit ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Anders als im bestehenden Vertragsverhältnis, in dem der Beschäftigte jederzeit ein rechtliches Interesse daran hat, dass seine Rechtsstellung als Arbeitnehmer alsbald festgestellt wird, bedarf das Interesse an der Feststellung, dass ein vergangenes Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis war, einer besonderen Prüfung. Es ist nach ständiger Rechtssprechung nur dann gegeben, wenn sich gerade aus dieser Feststellung Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben (BAG 15.12.1999 - 5 AZR 457/98 - NZA 2000, 775; 21.06.2000 - 5 AZR 782/98 - a. a. O.). Die bloße Möglichkeit des Eintritts solcher Folgen reicht nicht aus. Mit der Feststellung des Arbeitsverhältnisses muss vielmehr sogleich feststehen, dass eigene Ansprüche des Klägers gerade aus dem Arbeitsverhältnis zumindest dem Grunde nach noch bestehen oder gegnerische Ansprüche zumindest im bestimmten Umfang nicht mehr gegeben sind. Andernfalls könnte die Feststellungsklage weder dem Rechtsfrieden noch der Prozessökonomie dienen.

b) Für die Klägerin sind mit der Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und dem Gemeinschuldner weder gegenwärtige noch zukünftige Rechtsfolgen verbunden.

Mit der Feststellung, dass die Klägerin vom 01.10. bis 30.11.2006 in einem Arbeitsverhältnis zum Gemeinschuldner gestanden hat, stünde noch nicht fest, dass sie für die zwei Monate Vergütung beanspruchen kann. Zum einen ist es möglich, dass solche Ansprüche selbst dann nicht bestehen, wenn die Klägerin Arbeitnehmerin des Gemeinschuldners war. Zwischen den Parteien ist u. a. streitig, ob von dritter Seite Lohnzahlungen mit befreiender Wirkung erfolgt sind. Zum anderen ist die Klägerin für die Klage auf Feststellung ihrer Lohnforderungen zur Insolvenztabelle auf die entsprechende Klage zu verweisen. Eine solche hat sie mit dem Antrag zu 1. auch erhoben.

Zur Begründung ihres Feststellungsinteresses kann die Klägerin nicht geltend machen, auf der Grundlage der begehrten Feststellung könne sie die Agentur für Arbeit zur Zahlung von Insolvenzgeld veranlassen. Über den Anspruch der Klägerin auf Insolvenzgeld streitet sie mit der Agentur für Arbeit vor dem Sozialgericht M.... Die Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte sind jedoch an eine arbeitsgerichtliche Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses rechtlich nicht gebunden. Eine solche präjudizierende Wirkung ist gesetzlich nicht vorgesehen (BAG 21.06.2000 - 5 AZR 782/98 - a. a. O.).

Die Klägerin hat vorgebracht, das Feststellungsinteresse folge daraus, dass sie weitere Ansprüche gegen die Beklagte geltend machen könne, etwa Erteilung eines Arbeitszeugnisses und Urlaubsabgeltung. Die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist hierfür aber nicht hinreichende Bedingung. Zudem ist die Klägerin insoweit auf die entsprechende Leistungsklage zu verweisen. Wegen der Erteilung eines Zeugnisses müsste sie sich ohnehin an den Gemeinschuldner wenden.

Die Beklagte ist nicht aktivlegitimiert, denn das Arbeitsverhältnis hat am 30.11.2006 und damit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (22.12.2006) geendet (vgl. BAG 23.06.2004 - 10 AZR 495/03 - AP BGB § 639 Nr. 29).

Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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