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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.08.2007
Aktenzeichen: 7 ME 193/06
Rechtsgebiete: GewO


Vorschriften:

GewO § 35
Nochmals: zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Gewerbeuntersagung.

Steuerschulden und gewerbliche Unzuverlässigkeit.


NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 7 ME 193/06

Datum: 24.08.2007

Gründe:

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. September 2003 erhobenen Widerspruchs abgelehnt hat.

Mit dem Bescheid sind dem Antragsteller - wie gleichzeitig der damals noch bestehenden GmbH, deren Geschäftsführer er war - die Ausübung des Malereigewerbes, aller weiteren Gewerbe und die gewerbliche Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden sowie leitende unselbständige gewerbliche Tätigkeiten untersagt worden. Zur Begründung hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass der Antragsteller für die Entstehung erheblicher Steuer- und Abgabeschulden aus seinen gewerblichen Tätigkeiten verantwortlich sei, deren Rückführung nicht mehr zu erwarten stehe, so dass von seiner Unzuverlässigkeit ausgegangen werden müsse. Diese mache die Untersagung erforderlich. Die Region Hannover hat den dagegen erhobenen Widerspruch mit Bescheid vom 17. August 2006 zurückgewiesen und die sofortige Vollziehung des Untersagungsbescheides angeordnet, um einem sonst zu erwartenden weiteren Schuldenanstieg vorzubeugen.

Über die vom Antragsteller fristgerecht erhobene Anfechtungsklage - 11 A 6405/06 - ist noch nicht entschieden.

Zur Begründung des angefochtenen Beschlusses hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Untersagungsbescheid offensichtlich rechtmäßig sei, so dass der Antragsteller kein anzuerkennendes Interesse an einem Aufschub habe.

Mit seiner fristgerecht eingelegten Beschwerde verfolgt der (seinerzeit noch anwaltlich vertretene) Antragsteller sein Aussetzungsbegehren weiter. Ihm sei vom Verwaltungsgericht bezüglich der Begründung seines Antrags das rechtliche Gehör versagt worden. Tatsächlich habe er bei zutreffender Bewertung praktisch keine Steuerschulden und seien die Beitragsrückstände materiell wesentlich niedriger als angenommen. Er sei dabei, auch diese regelmäßig zurückzuführen, so dass von einer Unzuverlässigkeit seiner Person nicht die Rede sein könne.

Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen.

Die gerichtlichen Bemühungen um eine einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits sind erfolglos geblieben.

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe rechtfertigen im Ergebnis keine Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO.

Wie den Beteiligten bereits mit gerichtlicher Verfügung vom 8. Februar 2007 mitgeteilt, geht der Widerspruchsbescheid in weiten Teilen von einer unzutreffenden, weil veralteten, Datenbasis aus. Dem Antragsteller ist weiter darin beizupflichten, dass das Verwaltungsgericht ihm im Aussetzungsverfahren das rechtliche Gehör dadurch versagt hat, dass es am 20. Oktober 2006 über den Antrag entschieden hat, obwohl seine damaligen neu bestellten Prozessbevollmächtigten noch am Tag zuvor Akteneinsicht unter anderem "zur Begründung des Antrages" begehrt hatten. Das Vorgericht hat dies übergangen und die Akten erst am 23. Oktober 2006 (im Klageverfahren) zur Einsicht übersandt (GA Bl. 23 R). Andererseits hat es dem Antragsteller in seinem Beschluss vorgehalten, er habe seinen Antrag "bislang nicht begründet". Zu beanstanden ist weiter, dass der verwaltungsgerichtliche Beschluss von einem Antrag auf Wiederherstellung der "aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs" spricht, obgleich ein solcher weder gestellt war - dieser knüpfte, wenn auch undeutlich formuliert, zutreffend an die gleichzeitig erhobene Klage an - noch nach Erlass des Widerspruchsbescheids und Erhebung der Klage gestellt werden konnte.

All dies vermag der Beschwerde jedoch, wie in der zuvor genannten Verfügung ebenfalls schon mitgeteilt, nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Der Gehörsverstoß ist bzw. wird dadurch geheilt, dass der entscheidungsrelevante Vortrag des Antragstellers nunmehr im Beschwerdeverfahren gewürdigt wird; das Auseinandersetzungsgebot im Sinne von § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO gilt insoweit nur eingeschränkt. Weiter geht der Senat davon aus, dass es, wie in der Beschwerdeschrift zutreffend klargestellt, um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage geht.

Zum Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides, also am 17. August 2006, lagen, wie bereits bei überschlägiger Prüfung offensichtlich, die Voraussetzungen des § 35 Abs. 7a S. 1 GewO i.V.m. § 35 Abs. 1 S. 1, S. 2 GewO beim Antragsteller objektiv vor, so dass der behördlich formell ordnungsgemäß angeordnete Sofortvollzug auch vom Gericht in der von ihm zu treffenden eigenständigen Ermessensentscheidung zu bestätigen ist.

Die von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren nachgeholten Ermittlungen haben ergeben: Der Antragsteller schuldet dem Finanzamt C. /D., zurückreichend bis 2002, insgesamt 111.175,79 Euro. Bei der AOK sind Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Nebenforderungen von 12.965,96 Euro rückständig; einer mit der Kasse getroffenen Abzahlungsvereinbarung ist der Antragsteller nur bis zum 13. September 2006 nachgekommen. Weiterhin schuldet der Antragsteller der AOK aus der Tätigkeit der von ihm seinerzeit geleiteten GmbH noch 32.132,15 Euro. Gegenüber der Innungskrankenkasse ist er mit Arbeitnehmeranteilen von zusammen etwa 8.500,00 Euro rückständig; eine der Forderungen wird mit einer Ratenzahlung von monatlich 50,00 Euro abgetragen (Vereinbarung vom Februar 2007). Der Berufsgenossenschaft Bau - gesetzliche Unfallversicherung - schuldet er insgesamt 9.987,27 Euro; freiwillig zahlte er hier zuletzt im Oktober 2002.

Soweit die Beschwerde hinsichtlich der Steuerrückstände auf anhängige finanzgerichtliche Verfahren oder Verhandlungen von Steuerberatern und hier zu erwartende positive Ergebnisse verweist, ist dies im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Steuerrückstände, die zur Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit führen können, sind solche nicht entrichteten Steuern, die der Steuerpflichtige von Rechts wegen bereits hätte zahlen müssen. Wann die Steuerschuld fällig ist, ergibt sich aus den einzelnen Steuergesetzen und im Übrigen aus § 220 AO. Ein Steuerbescheid ist grundsätzlich vollziehbar. Zu entrichten braucht der Pflichtige die Steuer lediglich nicht, wenn die Vollziehung der festgesetzten Steuer ausgesetzt ist (§ 361 AO, § 69 FGO). Danach sind alle dem Antragsteller vorgehaltenen (in der Vollstreckung befindlichen) Steuerschulden zahlbar und stellt bereits die Nichtzahlung als solche eine Pflichtwidrigkeit dar. Die Gewerbeaufsichtsbehörden und die Verwaltungsgerichte sind nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen zu prüfen und in diesem Zusammenhang weitere Ermittlungen vorzunehmen (BVerwG, Beschl. v. 12. März 1997 - 1 B 72.97 -, zit. nach juris, Rn. 4 m.w.N.).

Auch sind Bemühungen des Antragstellers, die er zur Bereinigung seiner finanziellen Situation nach Erlass des Widerspruchsbescheides begonnen oder angekündigt hat, für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage unerheblich. Für diese kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an (stdg. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts seit dem Urteil v. 2. Febr. 1982 - 1 C 146.80 -, BVerwGE 65, 1). Lediglich dann, wenn die Voraussetzungen der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung noch nicht vorlagen, dies aber zum Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenverhandlung der Fall ist, bleibt die Anfechtungsklage (ebenfalls) erfolglos. § 35 Abs. 6 GewO verbietet lediglich die Berücksichtigung einer späteren positiven Entwicklung im Anfechtungsstreit, wenn die Untersagungsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung geben waren (vgl. dazu im Einzelnen OVG Lüneburg, Urt. v. 15. Sept. 1993 - 7 L 5832/92 -, NVwZ 1995, 185 <186 >). Das war hier der Fall, so dass sich Ausführungen zur Entwicklung danach erübrigen.

Damit bot - und bietet - der Antragsteller nicht die Gewähr dafür, dass er sein oder ein anderes Gewerbe auf absehbare Zeit wieder ordnungsgemäß betreiben wird. Er ist, wie seine erheblichen und über lange Zeit aufgebauten Schulden bei praktisch allen in Frage kommenden öffentlichen Kassen belegen, wirtschaftlich leistungsunfähig und an einer ordnungsgemäßen Betriebsführung und der Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten dauerhaft verhindert. Da Anzeichen für eine Besserung nicht ersichtlich sind, liegen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO - Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden und Erforderlichkeit der Gewerbeuntersagung - eindeutig vor, so dass der Antragsteller kein nach § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5 S. 1 VwGO anzuerkennendes Interesse daran hat, von der Vollziehung der verfügten Gewerbeuntersagung (weiter) vorübergehend verschont zu werden.

Ende der Entscheidung

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