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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.09.2003
Aktenzeichen: 9 ME 164/03
Rechtsgebiete: BauGB, NBauO


Vorschriften:

BauGB § 133 I
NBauO § 5
Bei einer selbständigen öffentlichen Grünfläche zwischen Anbaustraße und einem Wohnzwecken dienenden Hinterliegergrundstück sind die für ein Erschlossensein nach § 133 Abs. 1 BauGB bestehenden Erreichbarkeitsanforderungen erfüllt, wenn zu dem Hinterliegergrundstück eine Wegeverbindung über die Grünfläche tatsächlich angelegt ist.
Gründe:

Der Bebauungsplan Nr. C. "D." setzt einen etwa 5 m breiten Streifen zwischen der Erschließungsanlage B. und dem Grundstück des Antragstellers als öffentliche Grünfläche fest. Es handelt sich nicht um eine Festsetzung von Straßenbegleitgrün nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB, sondern um die Festsetzung einer selbständigen Grünfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB. Das Grundstück des Antragstellers ist daher aus der Sicht der Straße B. ein nicht unmittelbar an diese Erschließungsanlage angrenzendes Hinterliegergrundstück. Als solches ist es im Sinne von § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen, wenn es - andere Erschließungsanlagen hinweggedacht - wegen der erstmals hergestellten Anbaustraße B. baulich oder gewerblich nutzbar ist, es also (auch) wegen der Straße B. eine Baugenehmigung erhalten würde. Voraussetzung für die Bebaubarkeit eines Grundstücks ist vor allem seine verkehrliche Erreichbarkeit, die sowohl das bebauungsrechtliche Erfordernis hinreichender verkehrlicher Erschließung (§§ 30 ff. BauGB) als auch das bauordnungsrechtliche Erfordernis ausreichender Zugänglichkeit (§ 5 NBauO) umfasst. Es müssen also die bebauungsrechtlichen und die bauordnungsrechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen erfüllt sein. Für das bebauungsrechtliche Erschlossensein reicht es bei an die Straße angrenzenden Wohngrundstücken aus, dass mit Kraftfahrzeugen bis zur Höhe des Grundstücks gefahren und das Grundstück von dort - ggf. über einen Geh- und/oder Radweg oder einen zur Straße gehörenden Grünstreifen - betreten werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.3.1991 - 8 C 59.89 - DVBl. 1991, 593; OVG Münster, Urt. v. 28. 2. 2002 - 3 A 4165/99 - KStZ 2003, 91). Bei Wohnzwecken dienenden Hinterliegergrundstücken muss hinzukommen, dass auch über das Anliegergrundstück eine Zugangsmöglichkeit zum Hinterliegergrundstück besteht (weitergehend OVG Münster, aaO, wonach eine Zufahrt bis zur Grenze des Hinterliegergrundstücks bestehen muss). Die bauordnungsrechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen beurteilen sich nach § 5 NBauO. Gemäß dessen Abs. 1 muss das Baugrundstück so an einer mit Kraftfahrzeugen befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegen oder einen solchen Zugang zu ihr haben, dass der von der baulichen Anlage ausgehende Zu- und Abgangsverkehr und der für den Brandschutz erforderliche Einsatz von Feuerlösch- und Rettungsgeräten jederzeit ordnungsgemäß und ungehindert möglich sind. Der Abs. 2 des § 5 NBauO verlangt für Baugrundstücke, die nur über nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmete Flächen zugänglich sind, eine Sicherung der Benutzung durch Miteigentum, Baulast oder Grunddienstbarkeit.

Das Verwaltungsgericht hält diese Regelung in § 5 Abs. 2 NBauO im vorliegenden Fall für einschlägig und verneint das Vorhandensein der danach erforderlichen Sicherung. Dem kann nicht gefolgt werden. Bei der öffentlichen Grünfläche zwischen der Straße B. und dem Grundstück des Antragstellers handelt es sich um eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Fläche im Sinne von § 5 Abs. 2 NBauO, so dass eine der in dieser Vorschrift vorgesehenen rechtlichen Sicherungen nicht vorhanden sein muss. Mit dem Begriff "öffentlicher Verkehr" ist auch (nur) ein Fußgängerverkehr gemeint. Eine Widmung mit dem Inhalt, dass eine Grünfläche von Fußgängern betreten werden darf, reicht daher für die Zugänglichkeit im Sinne von § 5 NBauO grundsätzlich aus. Eine Befahrbarkeit mit Kraftfahrzeugen wird (nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift) nur für die öffentliche Verkehrsfläche im Sinne von § 5 Abs. 1 NBauO, nicht aber für den Zugang bzw. die Zugänglichkeit zu ihr vorausgesetzt.

Die öffentliche Grünfläche zwischen der Erschließungsanlage B. und dem Grundstück des Antragstellers gewährleistet somit - ungeachtet des Fehlens einer Sicherung gemäß § 5 Abs. 2 NBauO - bereits dann eine den bauordnungsrechtlichen Anforderungen genügende Zugänglichkeit zum Grundstück des Antragstellers, wenn die in § 5 Abs. 1 NBauO für Zugänge zu öffentlichen Verkehrsflächen aufgestellten Erfordernisse erfüllt sind. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin lässt die Vorschrift allein die Möglichkeit des Überquerens der Grünfläche, etwa an beliebiger Stelle oder über einen Trampelpfad, noch nicht genügen. Sie verlangt vielmehr die - wenn auch in einfacher Form - kunstmäßige Anlegung eines Wegs. Bei mit größeren Gebäuden bebaubaren Grundstücken muss eine Wegeverbindung vorhanden sein, die - regelmäßig mit mindestens 3 m Breite - so bemessen und trassiert ist, dass sie bei Bedarf auch von Fahrzeugen der Feuerwehr und Müllabfuhr benutzt werden kann (vgl. Lindorf in: Große/Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, Nds. BauO, 7. Aufl. 2002, § 5 Rdnr. 12). Zu Baugrundstücken, auf denen sich - wie im Fall des Antragstellers - nur Gebäude geringer Höhe im Sinne von § 2 Abs. 9 NBauO befinden, genügen als Zugang grundsätzlich schon mindestens 1,25 m breite Gehwege (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 DVNBauO sowie Lindorf, aaO).

Ob die notwendigen Wegeverbindungen über öffentliche Grünflächen im Einzelfall angelegt werden dürfen, ist eine Frage der Auslegung des jeweils einschlägigen Bebauungsplans (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Anlegung von Gehwegen auf Grünflächen vgl. BVerwG, Urt. v. 17. 6. 1994 - 8 C 22.92 - ZMR 1994, 531, 533 sowie Beschl. des Sen. v. 1. 11. 2002 - 9 LA 4116/01 - und v. 6. 8. 2003 - 9 LA 10/03 -). Im vorliegenden Fall lässt die Begründung zum Bebauungsplan Nr. C. "D." es ausdrücklich zu, Fuß- und Radwege in wassergebundener Bauweise auf der festgesetzten öffentlichen Grünfläche anzulegen. Die bloße Möglichkeit zur Schaffung von Wegeverbindungen zwischen der Erschließungslage B. und dem Grundstück des Antragstellers begründet - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - nur ein Erschlossensein im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB, nicht aber zugleich ein - für die Erhebung von Vorausleistungen gerade notwendiges - Erschlossensein im Sinne von § 133 Abs. 1 BauGB. Die letztgenannte Vorschrift setzt voraus, dass die bebauungs- und bauordnungsordnungsrechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen nicht nur erfüllbar, sondern erfüllt sind und daher nicht nur ein latenter, sondern ein aktueller Erschließungsvorteil besteht (vgl. Beschl. d. Senats vom 10.6.2003 - 9 LA 349/02 - sowie Driehaus, aaO, § 23 Rdnr. 21). Es muss also ein den Vorgaben des Bebauungsplans Nr. C. "D." entsprechender, mithin wassergebundener Gehweg von der Straße B. zum Grundstück des Antragstellers tatsächlich angelegt sein (vgl. OVG Münster, aaO; Driehaus, aaO, § 17 Rdnr. 67 sowie § 23 Rdnr. 23 für die Überquerung einer zur Straße gehörenden Grünfläche). An diesem Erfordernis fehlt es im vorliegenden Fall, so dass vom Antragsteller eine Vorausleistung zum Zeitpunkt ihrer Erhebung - und auch heute - nicht gefordert werden kann.

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