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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 18.01.2006
Aktenzeichen: 9 ME 299/05
Rechtsgebiete: BauGB, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 135 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 6 S. 1
Eine Amtspflicht der Gemeinde, bereits im Heranziehungsverfahren - und damit auch bei der Erhebung von Vorausleistungen - Billigkeitsgründe zu berücksichtigen, besteht nur, wenn diese offensichtlich erkennbar sind, und stellt nur eine verfahrensrechtliche Pflicht dar.
Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den gegen die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den künftigen Erschließungsbeitrag für die C. in der Mitgliedsgemeinde Wulsbüttel der Antragsgegnerin gerichteten Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes zu Recht als unzulässig abgelehnt mit der Begründung, die Antragsteller hätten den gerichtlichen Aussetzungsantrag und den Aussetzungsantrag bei der Antragsgegnerin zeitgleich am 2. August 2005 gestellt, so dass entgegen § 80 Abs. 6 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO vor Anrufung des Gerichts ein solcher Antrag nicht habe abgelehnt werden können. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, führt zu keiner anderen Beurteilung.

Nach der Rechtsprechung des Senats beinhaltet die Vorschrift des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO nicht lediglich eine Sachentscheidungsvoraussetzung, sondern eine Zugangsvoraussetzung zum gerichtlichen Verfahren. Der unterbliebene Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann deshalb nicht während des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt oder durch die Einlassung der Behörde für entbehrlich gehalten oder zugleich in dem an das Gericht gerichteten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gesehen werden. Auch die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung nach Antragstellung beim Verwaltungsgericht genügt nicht, weil anderenfalls die Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 VwGO, die eine echte Entlastung der Verwaltungsgerichte herbeiführen soll, "leer liefe" (vgl. Beschlüsse des Senats v. 24. 3. 1994 - 9 M 220/94 - , v. 4. 5. 1994 - 9 M 5592/93 - ; u. v. 14. 7. 1994 - 9 M 2063/94 - m.w.N.).

Der Senat hat bereits Zweifel, ob dem Verwaltungsgericht dahingehend gefolgt werden kann, dass mit dem am 2. August 2005 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 1. August 2005 auch ein Aussetzungsantrag gestellt worden ist. Denn ausdrücklich heißt es darin - durch Fettdruck hervorgehoben - stattdessen:

"Daher stelle ich nunmehr schriftlich einen Antrag auf zinslose Stundung des Beitrags gemäß § 135 Abs. 4 BauGB."

Aber selbst wenn dem erstinstanzlichen Gericht und den Antragstellern in der Beurteilung gefolgt wird, dass durch die im Schriftsatz enthaltene zusätzliche Bitte, "keinerlei Zwangsmaßnahmen im Sinne der in Ziff. 1 der den Bescheiden beigegebenen Hinweise zu ergreifen", ein Aussetzungsantrag gestellt worden sei, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn am 2. August 2005 ging auch bereits der Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes beim Verwaltungsgericht ein. Der - unterstellte - Aussetzungsantrag bei der Antragsgegnerin konnte mithin durch diese nicht - wie von § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO zusätzlich verlangt - vor Anrufung des Gerichts ganz oder teilweise abgelehnt werden. Der Ausnahmefall des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor. Denn von einer drohenden Vollstreckung kann nur ausgegangen werden, wenn konkrete Ankündigungen, Fristsetzungen oder sonstige konkrete Vorbereitungshandlungen der Behörde für eine alsbaldige Durchsetzung des Abgabenbescheides in Rede stehen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 25. 3. 1993 - 23 CS 93.412 -, NVwZ-RR 1994, 127). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Die Behauptung des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller, ihm gegenüber sei - anders als dies noch im Schriftsatz vom 1. August 2005 dargelegt worden ist - bereits am 28. Juli 2005 von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin mündlich mitgeteilt worden, nicht nur eine Stundung werde "eher skeptisch beurteilt", sondern auch ein Aussetzungsantrag werde keinen Erfolg haben, ist durch nichts belegt.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtschutzes hätte indes auch in der Sache keinen Erfolg haben können. Denn ob die Antragsteller - wie von ihnen geltend gemacht - aufgrund des Umstandes, dass auf ihrem Grundstück außer dem Wohnhaus ein Pferdezuchtbetrieb vorhanden ist, eine zinslose Stundung des festgesetzten Vorausleistungsbetrages nach § 135 Abs. 4 BauGB beanspruchen können, war im erstinstanzlichen Verfahren und ist im Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen. Eine Amtspflicht der Gemeinde, bereits im Heranziehungsverfahren - und damit auch bei der Erhebung von Vorausleistungen - Billigkeitsgründe zu berücksichtigen, besteht nur, wenn diese offensichtlich erkennbar sind (BVerwG, Urt. v. 12.9.1984 - 8 C 124.82 - BVerwGE 70, 96 = DVBl 85, 126 = KStZ 1985, 51 = BauR 1984, 626 = NVwZ 1985, 277 = DÖV 1985, 535 = BRS 43 Nr. 139), was hier nicht der Fall ist. Im Übrigen handelt es sich nach der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Pflicht zur Berücksichtigung von Billigkeitsgründen bereits in der Heranziehungsphase nicht um materiell-rechtliche, sondern nur um verfahrensrechtliche Pflichten. Auch ein - hier zugunsten der Antragsteller unterstellter - Verstoß gegen diese Pflicht würde deshalb nicht zur Rechtswidrigkeit eines gleichwohl ungekürzt ergehenden Vorausleistungs- oder endgültigen Festsetzungsbescheides führen (ebenso : Beschlüsse des Senats v. 23.5.2001 - 9 LA 1273/01 - u. v. 18.1.2005 - 9 ME 173/04 -).All dies bedeutet für das im vorliegenden Eilverfahren allein streitige Leistungsgebot, dass die vorläufige Zahlung der angeforderten Vorausleistung verlangt werden kann, weil das Vorliegen offensichtlich erkennbarer Billigkeitsgründe weder substantiiert dargetan, noch ersichtlich ist.

Ende der Entscheidung

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