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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.04.2008
Aktenzeichen: 1 KN 113/06
Rechtsgebiete: BauGB, VwGO, WHG


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 1 Abs. 6 Nr. 12
BauGB § 1 Abs. 7
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
WHG § 31b Abs. 6
WHG § 32 Abs. 2 S. 1
1. Die Frage, ob überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit es rechtfertigen, Überschwemmungsgebiete nicht in ihrer Funktion als natürliche Rückhalteflächen zu erhalten, sondern dort Wohnbaugebiete festzusetzen (§ 32 Abs. 2 Satz 1 WHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.8.2002, BGBl. I S. 3245), ist als Teil der Abwägung zu behandeln und zu beantworten.

2. Zur Frage, welches Gewicht die Gründe des Allgemeinwohls haben müssen (hier für die Schaffung von Wohnbauflächen verneint).

3. Das Interesse der Anlieger an uneingeschränktem Erhalt einer innerstädtischen Grünanlage steht deren Überplanung zur Schaffung von Wohnbauflächen nicht schlechthin entgegen.


Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 65 A "C. /D. II" der Antragsgegnerin im Wesentlichen mit der Begründung, die Verwirklichung des Planes werde sein Grundstück erhöhten Überschwemmungsgefahren aussetzen. Außerdem könne er verlangen, dass der Planbereich wie bisher von Bebauung freigehalten werde.

Das für eine innenstadtnahe Wohnnutzung vorgesehene Plangebiet liegt wenige hundert Meter südlich des Stadtzentrums von B. und westlich des Flüsschens D.. Die Antragsgegnerin hatte das südlich anschließende Gebiet (Bebauungsplan C. /D. I) vor längerer Zeit als Wohnbaufläche ausgewiesen. Der hier in Rede stehende Bereich ist damals bewusst nicht überplant worden. Er sollte als grüne Lunge der Stadt B. und als zentrumsnahes Erholungsgebiet von Bebauung frei bleiben. Die Antragsgegnerin wertet diese Belange nunmehr abweichend und hat deshalb den angegriffenen Bebauungsplan Nr. 65 A beschlossen.

Dieser erfasst zwei Flächen. Der für Bebauung vorgesehene Teilbereich A des Planes mit einer Größe von 5,2 ha ist im Osten durch die D. begrenzt. Im Westen endet das Plangebiet an der Wohnbebauung entlang der Straße "C.", umfasst aber auch die ehemaligen Gewerbe- und Wohngrundstücke auf den Flurstücken 13, 12/1 und 16/5 der Flur 50 bis zur Straße "C.". Der nördliche Rand der Grundstücke entlang der Straße D. wiesen bildet die Südgrenze des Planbereiches. Im Norden endet das Plangebiet auf der Höhe "Grimmener Straße". Der Teilbereich B des Planes (Zweck: Hochwasserrückhaltung) liegt gewässeraufwärts, also südlich außerhalb des Bebauungszusammenhanges der Kernstadt auf den Flurstücken 45 und 46/1 der Flur 6 ebenfalls westlich der D..

Ein Gewässer III. Ordnung teilt den Planbereich A ungefähr mittig. Das Gewässer verläuft in West-Ost-Richtung auf die D. zu. Von der D. aus führt im nördlichen Bereich des Plangebietes ein Graben in Richtung Westen. Wo er auf die vorhandene Bebauung stößt, knickt er nach Süden ab. Er verläuft dann zwischen der vorhandenen Bebauung und der vorgesehenen Planstraße bis vor das Grundstück des Antragstellers. Der Grundwasserstand im Plangebiet A ist sehr hoch. Der Boden besteht großenteils aus nicht versickerungsfähigem Material. Eine Bebauung erfordert eine Erhöhung der Bauflächen von derzeit 37,10 m auf 37,80 m über NN.

Das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück im Eigentum des Antragstellers (C. 30a) grenzt unmittelbar östlich an das Plangebiet A. Die Nordgrenze des Grundstücks bildet der Privatweg "Postdamm". Das Niveau dieses Grundstückes liegt in seinem östlichsten Teil ungefähr auf dem Niveau des Plangebietes. Nach Westen hin steigt dann das Gelände auf der gesamten Breite des Grundstücks um ca. 0,50 m an. Der obere Teil des Grundstücks mit dem Wohnhaus des Antragstellers liegt auf einem Höhenniveau von 37,53 m über NN.

Im Flächennutzungsplan 1977 war ein Teil der Fläche des Planbereiches A als Grünfläche dargestellt. Die Antragsgegnerin änderte den Flächennutzungsplan (47. Änderung) im Parallelverfahren neben der Aufstellung des hier angegriffenen Bebauungsplanes. In dessen Teilbereich A befindet sich in Ufernähe zur D. ein nach § 28a NNatSchG geschütztes Biotop. Der derzeit geltende Landschaftsplan der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1992 bezeichnet das Plangebiet A als wichtigen Bereich für das Landschaftsbild mit besonderer Bedeutung für das siedlungsnahe Landschaftserleben. Er (S. 30, 40 f.) sieht die naturschutzrechtliche Unterschutzstellung und Freihaltung der D. auen von baulichen Nutzungen vor. Dadurch soll die Funktion des Gebietes als besonders hochwertige Grünverbindung erhalten werden. Außer dem § 28a-Biotop ist eine weitere Unterschutzstellung indes nicht erfolgt.

Große Teile des Planbereiches A waren zur Zeit des Planaufstellungs- und des Satzungsbeschlusses durch Rechtsakt aus dem Jahr 1914 als gesetzliches Überschwemmungsgebiet der D. ausgewiesen. Diese ist ein Gewässer II. Ordnung und entwässert den südlich von B. gelegenen Dümmer. Sie mündet in die G.. Der Dümmer fungiert bei Hochwasserlagen als Retentionsspeicher. Sein Abfluss in die D. ist durch ein Wehr reguliert.

Die westliche Grenze des gesetzlichen Überschwemmungsgebietes im Planbereich A verlief zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses in etwa an der westlichen Grenze des Plangebietes; das östlichste Viertel des Grundstücks des Antragstellers gehörte noch zum gesetzlichen Überschwemmungsgebiet und wurde in der Vergangenheit auch gelegentlich überschwemmt.

Am 6. März 2007 wurde eine neue Verordnung über das Überschwemmungsgebiet der D. bekannt gemacht. Aus dieser ergibt sich, dass nach Fertigstellung des Ersatzretentionsgebiets im Planbereich B eine Hochwassergefahr nur noch für die durch den Bebauungsplan Nr. 65 A im Planbereich A als Grünflächen ausgewiesenen Bereiche sowie für das Gewässer III. Ordnung besteht; diese Teile des Plangebiets A dienen nach wie vor als Retentionsfläche.

Das Planaufstellungsverfahren vollzog sich in folgenden Schritten:

Die Antragsgegnerin fasste am 11. September 2003 den Aufstellungsbeschluss. Am 27. November 2003 schloss die Antragsgegnerin mit dem im Gemeindegebiet ansässigen Gewerbebetrieb H. I. J. GmbH einen Grundstückstauschvertrag mit Wertausgleich. Darin tauschte die Antragsgegnerin im Norden des Planbereichs gelegene Grundstücke gegen solche ein, welche dem genannten Gewerbebetrieb in dessen Süden gehörten. Der Antragsteller machte der Antragsgegnerin ebenfalls ein Kaufangebot, kam aber nicht zum Zuge, weil er nicht über die erwünschten Tauschflächen verfügte.

Der Antragsteller erhob von Beginn des Planaufstellungsverfahrens an Einwendungen. In der frühzeitigen Bürgerbeteiligung brachte er vor, die im Plan vorgesehene Erschließungsstraße sei ungünstig für sein Grundstück, ihm werde die freie Aussicht genommen und er befürchte, mit Anliegerkosten belastet zu werden. Verschiedene Träger öffentlicher Belange äußerten wegen der Hochwassergefahr und der Oberflächenentwässerung Bedenken und forderten die Einholung aktueller Gutachten. Nachdem diese Gutachten beigebracht wurden und die Planung darauf abgestimmt war, erhoben die Träger öffentlicher Belange keine Einwendungen mehr. Die Oberflächenentwässerung wurde von der Firma K. GbR im Auftrag der H. J. GmbH begutachtet. Ebenfalls für diesen Auftraggeber erstellte das Nds. Landesamt für Wasserwirtschaft und Küstenschutz ein Gutachten zum Hochwasserschutz. Auf Antrag der Antragsgegnerin erteilte der Landkreis B. am 6. Mai 2004 eine wasserrechtliche Genehmigung zur Bebauung eines Überschwemmungsgebietes.

Die Antragsgegnerin beschloss am 1. November 2004 den Plan als Satzung und machte ihn am 1. Juni 2006 bekannt. Die im Juni 2004 parallel begonnene 47. Änderung des Flächennutzungsplanes schloss sie am gleichen Tage ab.

Der Plan setzt im westlichen Teil des Plangebietes A ein Allgemeines Wohngebiet fest. Am Westufer der D. ist ein zwischen rund 30 und 70 m breiter Bereich als öffentliche Grünfläche festgesetzt. Auf diesem ist entsprechend den Nebenbestimmungen zu der wasserrechtlichen Genehmigung eine Geländeerhöhung unzulässig (§ 7 der textlichen Festsetzungen). Die Baugebiete werden durch eine Sackgasse erschlossen, die von der Straße D. wiesen nach Norden abgeht und etwa in Höhe des Grundstücks des Antragstellers mit einem Wendehammer endet. Etwa auf halber Höhe geht von ihr ein Zweig nach Westen ab, der auf die Straße "C." trifft. Für den Bau dieser Straße ist ein Niveau von 37,55 m über NN vorgesehen. Der Wendehammer und ein kurzes Stück der Sackgasse davor liegen fast unmittelbar östlich des Grundstücks des Antragstellers. Eine Wegeverbindung zwischen dem Wendehammer und dem nördlich davon verlaufenden Postdamm besteht nicht. Weiter nach Norden ist nur ein Fuß- und Radweg in Richtung auf das Schloss und den L. park festgesetzt. Nach einer in den Planakten befindlichen Skizze möglicher Bebauung sind entlang der Sackgasse bis zum Grundstück des Antragstellers 7 Grundstücke vorgesehen. Der Plan setzt in diesem Bereich Einzelhäuser fest. Doppelhäuser sind nur im südwestlichen Planbereich A gestattet.

Um den nach dem erwähnten Gutachten zur Zurückhaltung des Oberflächenwassers erforderlichen Retentionsraum von 470 m³ zu schaffen, setzt der Plan ein Regenrückhaltebecken durch Aufweitung des Gewässers III. Ordnung fest. Dieses Becken soll 270 m³ Regenwasser aufnehmen. Das Fassungsvermögen eines am Südrand des Plangebietes vorhandenen Beckens soll von 290 auf 500 m³ erweitert werden.

Für den Hochwasserschutz hatte der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz - Betriebsstelle M. - in seiner Untersuchung der Hochwassersicherheit für das geplante Bebauungsgebiet Nr. 65 a "C. /D. " vom Februar 2004 errechnet, dass die notwendige Erhöhung der Bauflächen und der Verkehrsflächen einen Verlust von 1.700 m³ Retentionsraum bewirke. Den Berechnungen lag für das HQ 100 (100-jähriges Hochwasser) ein Wasserstand von 37,09 m bis 37,12 m über NN zu Grunde. Um den Verlust an Retentionsraum auszugleichen, ist das flussaufwärts gelegene Plangebiet B vorgesehen. In diesem soll eine ca. 10.000 m² große Fläche so abgegraben werden, dass dort ein entsprechender neuer Retentionsraum entsteht. Diese Arbeiten waren zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abgeschlossen und von der Wasserbehörde abgenommen worden.

Nach seiner Begründung dient der Plan dazu, Wohnbaugrundstücke zur Verfügung zu stellen. Den damit verbundenen Teilverlust des Naherholungsgebietes, der Überschwemmungsfläche und der freien Aussicht für eine Reihe vorhandener Wohngrundstücke sieht die Antragsgegnerin nach Nummer 2 der Planbegründung durch die Innenstadtnähe der neuen Wohnquartiere, ihre reizvolle Lage und gute verkehrliche Anbindung sowie die Verfügbarkeit der Flächen im Planbereich A kompensiert. Der vorhandene Grünzug gehe nicht ganz verloren, bleibe doch ein mindestens 30 m breiter Streifen entlang der D. erhalten.

Der Antragsteller hat am 29. Juni 2006 den Normenkontrollantrag gestellt. Zu dessen Begründung macht er im Wesentlichen geltend:

Sein Grundstück werde durch die Planung erhöhten Überschwemmungsgefahren ausgesetzt. Die Beseitigung des Überschwemmungsgebietes durch Aufschüttung der Bauflächen könne zukünftig zu einem höheren Hochwasserstand führen. Dieser könne sein Grundstück erreichen und schädigen, indem das Wasser über den Graben nördlich des Wendehammers auflaufe. Auch könne hochdrückendes Grundwasser nicht ausgeschlossen werden. Im Übrigen sei die in den Norden des Plangebietes verlaufende Sackgasse als Rettungsweg ungeeignet.

Der Antragsteller ist der Ansicht, es handele sich um eine nicht erforderliche und unzulässige Gefälligkeitsplanung mit unschlüssigem Konzept aufgrund einer Vorabbindung des planerischen Ermessens. Zu Unrecht sei keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt, vom Landschaftsplan abgewichen und die Altlastenproblematik im Plan nicht bewältigt worden. Er könne sich für die Freihaltung des Plangebiets von Bebauung auf Vertrauensschutz sowie darauf berufen, dass ihm dies bei den Verhandlungen über den Kauf seines Grundstücks von der Antragsgegnerin als Verkäuferin zugesagt worden sei. Der Plan verschandele die Landschaft und sehe eine nicht landschaftsgerechte Begrünung vor. Es habe keine überwiegenden Gründe des Wohls der Allgemeinheit gegeben, die die Beseitigung des Überschwemmungsgebietes rechtfertigen könnten.

Der Antragsteller beantragt,

den vom Rat der Antragsgegnerin am 1. November 2004 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 65 A "C. /D. II" für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie erwidert: Der Planvollzug werde das Grundstück des Antragstellers nicht mehr als in der Vergangenheit durch Wassergefahren beeinträchtigen. Die Abwägung sei rechtmäßig durchgeführt worden. Sie habe von älteren Planungen Abstand nehmen dürfen, um die Nachfrage nach Baugrundstücken zu befriedigen. Eine unzulässige Bindung ihres Planungsermessens habe nicht vorgelegen, auch sonst gingen die Angriffe des Antragstellers gegen den Plan ins Leere. Die für den Plan angeführten Gründe trügen auch die Beseitigung des gesetzlichen Überschwemmungsgebietes. Ein im Laufe des Verfahrens von ihr eingeholtes ergänzendes Gutachten habe bestätigt, die Entwässerungsplanung müsse nicht so ausgelegt werden, dass sie Ereignisse von gleichzeitigem Starkregen und Hochwasser zu berücksichtigen habe.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrages der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und die in der mündlichen Verhandlung überreichten Bilder Bezug genommen, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

II.

Der fristgerecht gestellte Normenkontrollantrag ist zulässig.

Nach § 47 Abs. 2 VwGO ist antragsbefugt, wer geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Das ist hier im Ergebnis der Fall.

Der Antragsteller kann seine Antragsbefugnis zwar nicht daraus herleiten, dass sein Grundstück durch Festsetzungen des Bebauungsplanes direkt betroffen wäre, weil das Grundstück außerhalb des Geltungsbereiches des Planes liegt. Die durch den Verkehr in der Sackgasse zu erwartenden Verkehrslärmimmissionen sind so geringfügig, dass sie eine Antragsbefugnis nicht begründen können (vgl. BVerwG, B. v. 1.9.1999 - 4 BN 25.99 -, ZfBR 2000, 419). Die Sackgasse wird den Planungen entsprechend maximal voraussichtlich zehn Grundstücke erschließen. Das ergibt sich aus den Planungsabsichten und den festgesetzten geringen Ausnutzungszahlen für die Grundfläche. Diese Zahl von Grundstücken mit den dort allein zulässigen Einzelhäusern wird nur einen geringen Verkehr auslösen. Dazu kommt, dass der größte Teil der Fahrzeuge gar nicht bis zum Wendehammer fahren, sondern vorher auf die Grundstücke abbiegen wird. Nach dem vorläufig geplanten Grundstückszuschnitt werden die Eigentümer von lediglich zwei Grundstücken gezwungen sein, die Erschließungsstraße vor dem Grundstück des Antragstellers zu nutzen, um ihre eigenen Grundstücke zu erreichen.

Ob der Verlust der günstigen Lage des Grundstückes durch die Entstehung der Erschließungsstraße und die Bebauung in Richtung D. hin im vorliegenden Fall eine Antragsbefugnis begründet, kann offen bleiben. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist die Erheblichkeit der freien Aussicht als Abwägungsbelang nur für außergewöhnliche Fälle anerkannt (BVerwG, Urt. v. 13.6.1969 - IV C 80.67 - DVBl 1970, 60; vgl. OVG Lüneburg, B. v. 16.1.1998 - 1 K 5279/96 - NdsRpfl 1998, 228). Der Verlust einer freien Aussicht in einer innerstädtischen Lage (VGH Mannheim, B. v. 14.3.1990 - 8 S 2599/89 - ZfBR 1990, 307 LS) oder auf eine Streuobstwiese (VGH Mannheim, Urt. v. 15.12.1995 - 8 S 3028/95 - ZfBR 1997, 53 LS) ist in der Rechtsprechung nicht als ein die Antragsbefugnis begründender Belang anerkannt worden. Ein Sonderfall kann allerdings vorliegen, wenn ein früherer Bebauungsplan oder ein anderer Hoheitsakt eine Vertrauensposition zu Gunsten des Betroffenen begründet hatte. Ob der Vortrag des Antragstellers, ihm seien Zusagen für die Baufreiheit der D. auen gemacht worden, eine solche Vertrauensposition begründet oder (eher) nur (noch dazu nur mündliche, zudem nicht vom zuständigen Gemeindeorgan, dem Rat abgegebene) Aussagen zum damaligen Planungsstand enthält, kann unentschieden bleiben. Denn der Antragsteller kann mit Erfolg geltend machen, bei der Abwägungsentscheidung sei der ihn schützende Belang, von einer planbedingt verstärkten Beeinträchtigung seines Grundstücks durch Zuführung von Wasser verschont zu bleiben, möglicherweise nicht ausreichend gewürdigt worden. Durch die Verwirklichung des Planes verursachte Überschwemmungsschäden sind nicht nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen. Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung hält es der Senat nicht für ausgeschlossen, dass künftige Hochwasser über den in der Planung nicht ausdrücklich behandelten Graben bis zum Grundstück des Antragstellers gelangen und dort höhere Schäden als in der Vergangenheit üblich anrichten können. Darüber und unabhängig davon musste es sich für den Antragsteller so darstellen, dass höhere Schäden durch die Doppelfunktion des Gewässers III. Ordnung als Regenwasserrückhaltebecken und Retentionsfläche würden entstehen können.

Der Normenkontrollantrag ist auch begründet, weil die Antragsgegnerin die Probleme, die sich seinerzeit wegen des festgesetzten Hochwasserschutzgebietes stellen, nicht richtig bewältigt hat.

Formelle Verfahrensfehler sind nicht behauptet oder ersichtlich. Die Durchführung einer Umweltprüfung war nach der übereinstimmenden Einschätzung der Beteiligten und in Übereinstimmung mit der Rechtslage gemäß dem seinerzeit einschlägigen Recht nicht erforderlich. Nach § 244 Abs. 2 BauGB nF finden auf Bebauungsplanverfahren, die in der Zeit vom 14. März 1999 bis zum 20. Juli 2004 förmlich eingeleitet und vor dem 20. Juli 2006 abgeschlossen worden sind, die Vorschriften des Baugesetzbuches in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung Anwendung. Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt, da der Aufstellungsbeschluss aus dem Jahr 2003 stammt und der Satzungsbeschluss am 1. Juli 2006 bekannt gemacht worden ist. Nach dem BauGB in der Fassung vor dem 20. Juli 2004 iVm dem UVPG war eine Umweltprüfung für eine Planung, die kein UVP-pflichtiges Vorhaben ermöglicht, nicht notwendig. Der Antragsteller hatte in Kenntnis dieser Rechtslage zwar angeregt, gleichwohl aus Sachgründen eine Umweltprüfung durchzuführen. Die Antragsgegnerin ist dieser Anregung ermessensfehlerfrei nicht gefolgt. Sie hat das in der Entscheidung über die Anregungen in tragfähiger Weise damit begründet, alle Umweltbelange seien ohnehin in die Abwägung eingestellt worden. Der Antragsteller hat nicht geltend zu machen vermocht, bestimmte Aspekte seien nicht berücksichtigt worden oder hätten durch eine weitere Bestandsaufnahme ermittelt werden können.

Es stellt auch keinen formellen Fehler dar, dass der Plan erst über ein Jahr nach dem Satzungsbeschluss bekannt gemacht worden ist. Änderungen hinsichtlich der abwägungsrelevanten Belange sind weder ersichtlich noch vorgebracht worden.

Der Plan ist erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB. Das ist der Fall, wenn er nach der planerischen Konzeption der Gemeinde notwendig ist (BVerwG, Urt. v. 22.1.1993 - 8 C 46.91 -, BVerwGE 92, 8). Diese planerische Konzeption darf die Gemeinde selbstverantwortlich entwickeln, sie darf mit anderen Worten Städtebaupolitik betreiben. § 1 Abs. 3 BauGB stellt in diesem Zusammenhang nur ein "grobes Raster" dar. Entwickelt die Gemeinde - wie hier - jedenfalls auch aus städtebaulichen Gründen ein Konzept, so ist dieses nur/erst dann nicht im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich, wenn es einen "Missgriff" darstellt. Das kann hier nicht angenommen werden. Oben ist zwar dargestellt worden, dass echte Wohnungsnot im Bereich der Antragsgegnerin nicht herrscht. Es stellt jedoch ein zumindest nachvollziehbares städtebauliches Interesse dar, schon frühzeitig Wohnbauflächen sowie solche zu schaffen, auf denen zur Erhöhung der eigenen Attraktivität gehobenes Wohnen ermöglicht wird.

Es fehlt dem angegriffenen Plan auch nicht etwa deswegen an dieser Erforderlichkeit, weil es sich um eine reine Gefälligkeitsplanung handelte. Eine solche liegt vor, wenn das Planungsinteresse ausschließlich in der Befriedigung von Privatinteressen besteht. Allein die Förderung eines Privatinteresses bewirkt aber keinen Charakter als Gefälligkeitsplanung, wenn die Plankonzeption darüber hinaus von einem vertretbaren Konzept der städtebaulichen Ordnung getragen wird (vgl. BVerwG, B. v. 6.3.2007 - 4 BN 9.07 - juris; OVG Lüneburg, Urt. v. 6.12.1989 - 6 K 16/89 + 21/89 - NVwZ 1990, 576; Urt. v. 28.10.2004 - 1 KN 119/03 - DWW 2004, 339). Das ist nach den Umständen hier der Fall, wie oben dargelegt wurde. Der Umstand allein, dass die Antragsgegnerin zur Ermöglichung der Planung ein Grundstückstauschgeschäft vorgenommen hat, begründet nicht einmal den Verdacht einer Gefälligkeitsplanung. Denn erst hierdurch gelangte die Antragsgegnerin in den Besitz der Flächen, auf denen eine Realisierung der Absicht, im Norden des Planes gehobenes Wohnen zu ermöglichen, würde realisiert werden können. Bei dem Grundstückstauschvertrag handelte es sich mit anderen Worten um eine Maßnahme, die anderenfalls auf dem erheblich "mühsameren" Weg einer Umlegung hätten gebildet werden können.

Ob der im Tauschvertrag angesetzte Quadratmeterpreis von 14,- € (heutiger Angebotspreis 71,- bis 99,- €) unangemessen war, ist unerheblich. Selbst eine Nichtigkeit des Vertrages ergriffe den Eigentumsübergang nicht. Zudem sind die Eigentumsverhältnisse in der Regel für die Rechtmäßigkeit einer Planung ohnehin nicht von Belang. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn aufgrund der Eigentumsverhältnisse die Verwirklichung des Planes als langfristig ausgeschlossen erschiene. Dafür hat der Antragsteller nichts vorgetragen.

Der Plan ist aber abwägungswidrig. Ein Abwägungsfehler liegt vor, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat. Das Abwägungsgebot ist ferner verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge einzustellen war. Schließlich liegt eine Verletzung auch vor, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen diesen in einer Weise vorgenommen wurde, die zur objektiven Gewichtigkeit der Belange außer Verhältnis steht (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 - BVerwGE 34, 301).

Der Bebauungsplan Nr. 65 A der Antragsgegnerin steht im Widerspruch zu dem zur Zeit des Satzungsbeschlusses noch geltenden § 32 Abs. 2 Satz 1 WHG und damit auch zu § 1 Abs. 6 BauGB a. F. § 32 Abs. 2 WHG in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung des Gesetzes vom 19. August 2002 (BGBl I S. 3245) lautete:

Überschwemmungsgebiete sind in ihrer Funktion als natürliche Rückhalteflächen zu erhalten; soweit dem überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit entgegenstehen, sind rechtzeitig die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen. Frühere Überschwemmungsgebiete, die als Rückhalteflächen geeignet sind, sollen so weit wie möglich wiederhergestellt werden, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemein nicht entgegenstehen.

Daraus ergibt sich:

Überschwemmungsgebiete sind - in erster Linie - in ihrer Funktion als natürliche Rückhalteflächen zu erhalten (so genannte Bestandsgarantie). Nur soweit der Erfüllung dieser Verpflichtung zur Erhaltung des Bestandes überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit entgegenstehen, sind Eingriffe in ein Überschwemmungsgebiet gerechtfertigt, sind aber auch zugleich rechtzeitig die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen (Ausgleichsgebot des § 32 Abs. 2 Satz 2 WHG aF). Die Erfüllung der Pflicht, Kompensation zu schaffen, ist daher nicht mit der Befugnis gleichzusetzen, das Überschwemmungsgebiet beeinträchtigen oder gar beseitigen zu dürfen.

Die genannten Vorschriften des Wasserrechts enthalten mit dem Verlangen nach überwiegenden Gründen des Allgemeinwohls, die für eine Beseitigung eines Überschwemmungsgebietes vorliegen müssen, Gewichtungsvorgaben für die planungsrechtliche Abwägungsentscheidung. § 32 Abs. 2 Satz 1 WHG aF enthält keine strikte und gerichtlich voll überprüfbare Planungsleitlinie (mit nachvollziehender Abwägung), sondern nur eine Gewichtungsvorgabe für die planungsrechtliche (gestaltende) Abwägung. Die Gesetzgebungsmaterialien sind in dieser Frage zwar unergiebig. In der Rechtsprechung des BayVGH zu § 32 WHG ist die Frage bislang auch offen gelassen worden (BayVGH, Urt. v. 27.4.2004 - 26 N 02.2437 -, NuR 2005, 109; Urt. v. 30.7.2007 - 15 N 06.741 -, BauR 2008, 101). Die Literatur spricht sich für eine Abwägungslösung aus, weil die in der Vorschrift enthaltenen Begriffe nicht ohne Rücksicht auf das Gesamtkonzept einer städtebaulichen Planung ausgelegt bzw. konkretisiert werden könnten (Paul/Pfeil, NVwZ 2006, 505). Für eine solche Auffassung spricht die systematische Auslegung. Der Hochwasserschutz ist in § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB als normaler Abwägungsbelang der Bauleitplanung aufgeführt. In § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB steht er parallel zu anderen öffentlichen Belangen, die einem Vorhaben im Außenbereich entgegenstehen können. Ihrer Struktur nach entsprechen § 32 Abs. 2 Satz 1 WHG aF und § 31b Abs. 6 Satz 1 WHG nF dem naturschutzrechtlichen Vermeidungs- und Ausgleichsgebot in § 1a Abs. 3 BauGB iVm den Naturschutzgesetzen (Eingriffsregelungen in den §§ 19 ff BNatSchG). Für diese Eingriffsregelung hat der Bodenrechtsgesetzgeber in § 1a Abs. 3 S. 1 BauGB ausdrücklich festgelegt, dass sie im Rahmen der Abwägung erfolgen soll. Dass eine entsprechende Anordnung für die auf Überschwemmungsgebiete bezogene Eingriffsregelung des Wasserrechts nicht vorhanden ist, begründet nicht den Gegenschluss, sondern kann mit der fehlenden Integration dieser Regelung des Wasserrechts in das Recht der Bauleitplanung begründet werden.

Der Plan Nr. 65 A "C. /D. II" der Antragsgegnerin ermöglicht die Beseitigung eines im Jahr 1914 festgesetzten Überschwemmungsgebietes, ohne dass überwiegende Gründe des Allgemeinwohls dies rechtfertigen könnten.

Der Senat ist bei der Beurteilung, ob überwiegende Gründe des Allgemeinwohls vorliegen, nicht an die bestandskräftige wasserrechtliche Genehmigung nach § 93 Abs. 2 NWG aF vom 6. Mai 2004 gebunden. Denn Prüfungsmaßstab dieser Genehmigung war nicht das Vorliegen überwiegender Gründe des Allgemeinwohls zugunsten der Beseitigung des Überschwemmungsgebietes, sondern die Frage, ob durch Beseitigung und Ersatz des Retentionsraumes schädliche Wirkungen für die Hochwasserlage verblieben (vgl. Haupt/Reffgen/Rhode, NWG, Stand 12/07, § 93 Rn. 5 ff: Die Genehmigung ist ein "Unschädlichkeitsattest").

Die in § 32 Abs. 2 WHG aF angesprochenen Gründe des Wohls der Allgemeinheit müssen mindestens ein mittleres Gewicht haben. Es ist einerseits nicht erforderlich, dass das Vorhaben, zu dessen Vorteil der Retentionsraum beseitigt werden soll, nur an diesem Standort verwirklicht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 27.4.2004, aaO mit Hinweis auf "zwingende Siedlungsentwicklung" oder "Standortzwangspunkte"). Alternativlosigkeit wird auch bei der Eingriffsregelung des § 1a Abs. 3 BauGB oder bei der Befreiung aus Gründen des Allgemeinwohls nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht gefordert. Andererseits müssen die der Erhaltung des Überschwemmungsgebietes entgegenstehenden Gründe das Bestandsinteresse nicht nur leicht, sondern deutlich überwiegen. Das wird schon aus der Formulierung des Gesetzgebers deutlich, der davon spricht, dass die Allgemeinwohlgründe der Erhaltung "entgegenstehen" müssen. Damit hat der Gesetzgeber ersichtlich auf die Vorschrift des § 35 Abs. 1 BauGB Bezug genommen (vgl. Czychowksi/Reinhardt, WHG, aaO § 31b Rn. 89), wo dieser Begriff das deutliche Übergewicht des einen konkurrierenden Belanges verlangt (vgl. dazu etwa Battis/Krautzberger/Löhr, aaO § 35 Rn. 6). Die Gewichtigkeit des erforderlichen Gemeinwohlgrundes muss von dem Ausmaß abhängig gemacht werden, in dem das Überschwemmungsgebiet beseitigt werden soll. Da die "Eingriffsregelung" des § 32 Abs. 2 WHG aF in der planungsrechtlichen Abwägung abzuarbeiten ist, ist für diese Abwägung auf den Einzelfall abzustellen.

Die damit anhand der Umstände dieses Einzelfalls vorzunehmende Würdigung ergibt, dass die Planungsentscheidung, das seinerzeit noch gesetzlich festgesetzte Überschwemmungsgebiet in diesem Bereich durch Bauflächen fast vollständig in Anspruch zu nehmen, zu beanstanden ist. Zum einen hat die Antragsgegnerin ihre städtebaulichen Absichten, auf zentrumsnah gelegenen Flächen gehobenes Wohnen zu ermöglichen, zu Unrecht als Allgemeinwohlinteresse angesehen. Zum anderen hat sie es unterlassen, dieses Interesse ins Verhältnis zu setzen zu dem Umfang, in dem sie dadurch das gesetzliche Überschwemmungsgebiet beeinträchtigte.

Zum ersten Punkt ist Folgendes auszuführen:

Die Absicht, nah zur Innenstadt Wohnbauflächen zu schaffen, stellt jedenfalls hier keinen Allgemeinwohlgrund im Sinne des § 32 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 1 WHG dar. Das zeigt nicht zuletzt die Wertung, welche der Gesetzgeber im Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch (vom 17.5.1990, BGBl. I S. 926, Neubekanntmachung vom 28.4.1993, BGBl. I S. 622) getroffen hatte. Obwohl dieses Gesetz nur für Gemeinden galt, in denen die Bevölkerung sogar dringenden (ungestillten) Wohnbedarf hatte, wurde darin diesem Gesichtspunkt keineswegs durchweg und ohne Rücksicht auf konkurrierende Belange Vorrang eingeräumt. Das Gesetz enthielt vielmehr nur verfahrensrechtliche Erleichterungen (für die Bauleitplanung: § 2; für Genehmigungsfristen: § 5; Wegfall der aufschiebenden Wirkung bei Drittanfechtung: § 10 Abs. 2) oder materiellrechtliche Anordnungen, mit denen konkurrierende Interessen sollten zurückgedrängt werden können (§ 2a: Konkurrenz von Wohnen und Vergnügungsstätten; § 4: Erhöhung der Ausnutzungsziffern gegenüber den allgemeinen Regeln der Baunutzungsverordnung; erleichterte Anwendung von Ausnahmevorschriften im Innen- und Außenbereich: § 4 Abs. 2a und 3; Unbeachtlichkeit von Fehlern beim Zustandekommen von Bauleitplänen: § 9). Schließlich sollten die Möglichkeiten der Gemeinden verstärkt werden, die Bereitstellung von Flächen zu fördern, welche sich für Wohnbauzwecke anboten (Vorkaufsrecht, § 3; § 6: Möglichkeiten zum Abschluss städtebaulicher Verträge). Selbst dann also, wenn sogar ein dringender Wohnraumbedarf bestand, hatte dieser zwar ein gewisses "Prä" gegen widerstreitende Interessen erhalten; gleichwohl war jeweils noch im Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit sich dieser Belang gegen konkurrierende Belange sollte durchsetzen können.

Außerhalb solcher "aus der Wohnungsnot geborenen" gesetzlichen Regelungen kommt die Annahme, der Bedarf an Wohnbauflächen solle sich gegen gesetzliche Überschwemmungsgebiete durchsetzen können, in aller Regel erst dann in Betracht, wenn das Fehlen von Wohnraum Auswirkungen hat, welche in gravierender Weise auf die Allgemeinheit ausstrahlen. All das ist hier nicht annähernd erfüllt.

Die zentrumsnahe Lage wird hier nur für relativ wenige Wohneinheiten geschaffen. Im seinerzeit noch bestehenden Überschwemmungsgebiet soll(t)en ca. 20 Bauplätze für Einzel- bzw. Doppelhäuser geschaffen werden. Es handelte sich bei dem Plangebiet nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung keineswegs um die zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses einzigen für Wohnbauzwecke verfügbaren Flächen der Antragsgegnerin. Die Nachfrage nach Bauplätzen war und ist nicht so hoch, dass die Schaffung eines neuen Baugebietes auch nur annähernd als "gehoben" oder gar als "dringend" angesehen werden konnte. Neben dem hier in Rede stehenden sind im Gebiet der Antragsgegnerin weitere Baugebiete, auch im vormaligen Außenbereich, ausgewiesen gewesen. Im Bereich C. /D. I waren im Jahre des Satzungsbeschlusses (2004) von 28 Bauplätzen noch drei Viertel ungenutzt, im Jahre 2008 noch immer deren 13, also knapp die Hälfte. Im Steinfeld (Ausweisung 2003) waren noch im Jahre 2008 3 Plätze, im Ortsteil N. 12 Plätze frei. In dem seit dem Jahr 2000 erschlossenen Baugebiet Triftweg-West finden sich weitere Bauplätze. Insgesamt verfügt die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung über ungefähr 120 bis 140 freie Bauplätze. Nach Angaben der Antragsgegnerin bestand in den letzten Jahren eine Nachfrage von 20 bis 40 Bauplätzen pro Jahr. Eine Bautätigkeit zur Verwirklichung der vorgesehenen Planung ist im Plangebiet A bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht entfaltet worden.

Das Plankonzept der Antragsgegnerin ist ebenfalls nicht geeignet, die Inanspruchnahme des seinerzeit noch bestehenden gesetzlichen Überschwemmungsgebietes zu rechtfertigen. Dieses geht dahin, einen Teil der überplanten Flächen dem Wohnungsbau zukommen zu lassen. Der Standort bietet sich nach Auffassung der Antragsgegnerin auf Grund seiner Innenstadtnähe, Verkehrsanbindung, reizvollen Lage und Verfügbarkeit an. Es steht jedoch außer Streit, dass die Bevölkerung etwa seit dem Jahre 1996 nur um ca. 220 Personen zugenommen hatte. Der Hinweis der Antragsgegnerin, es sei eine Tendenz zur Haushaltsverkleinerung und zur Nachfrage nach großen Grundstücken in landschaftlich reizvoller Lage zu verzeichnen, reicht ebenfalls nicht aus, um ein Allgemeinwohlinteresse zu begründen. Im Jahr 1999 gab es im Stadtgebiet der Antragsgegnerin 400 nicht genutzte Bauplätze. Davon waren im Jahr 2004 noch 120 Bauplätze vorhanden. In 5 bis 6 Jahren wurden also pro Jahr ca. 50 (280 : 5,5) Bauplätze nachgefragt. Nach dem Jahr 2004 ist die Nachfrage nach Bauplätzen sogar teilweise bis zur Hälfte des vorherigen Wertes zurückgegangen. Bei stetiger Entwicklung hätte also zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses der Restbestand an freien Bauplätzen die Nachfrage insgesamt noch 2 1/2 Jahre gedeckt.

All das zeigt, dass selbst bei Anerkennung des Interesses, vorsorgend für Bauflächen zu sorgen, nicht einmal von einem gesteigerten, geschweige denn von einem dringenden Wohnraumbedarf die Rede sein kann. Wenn selbst dieses nicht ohne weiteres das Interesse an uneingeschränktem Erhalt des gesetzlichen Überschwemmungsgebietes hätte zurückdrängen können, gilt dies erst recht für die hier deutlich geringere Dringlichkeit an der Schaffung von Wohnbauflächen.

Diese Einschätzung deckt sich in gewissem Umfang mit derjenigen, welche in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes gefunden worden war. Dieser hatte in seinem Urteil vom 27. April 2004 (- 26 N 02.2437 -, aaO) ausgeführt, dass die "fußläufige Verbindung zur Ortsmitte" für ein Wohngebiet nicht ein hinreichend gewichtiger Grund des Allgemeinwohl sei, der den Ersatz eines Retentionsraumes rechtfertige. Diese Erkenntnis kann möglicherweise nicht verallgemeinert werden. Die zentrumsnahe Lage eines Wohngebietes kann in Einzel-/Ausnahmefällen zu einer Verkehrsvermeidung führen, deren Gewicht schwerer wiegt als die Beseitigung eines Überschwemmungsgebietes. Das gilt hier allerdings nicht. Schon das in der Entscheidung des BayVGH behandelte Wohngebiet umfasste nur 48 Wohneinheiten; daher traten Verkehrsaspekte zurück. Hier sind es deutlich weniger. Schon deshalb ist nicht anzunehmen, die Schaffung dieser Bauflächen entlaste die Umwelt in einem so namhaften Maße, dass dies die erheblichen Einschränkungen, mit denen dies zu Lasten des seinerzeit existierenden Überschwemmungsgebietes einherging, kompensieren könnte. Zudem kann nicht angenommen werden, die Nutzer dieser Grundstücke würden ihren Lebensmittelpunkt so ausschließlich im Bereich der Antragsgegnerin haben, dass sie auf den Gebrauch von Kraftfahrzeugen nennenswerten Umfangs verzichteten.

In dem Urteil des BayVGH vom 30. Juli 2007 (- 15 N 06.741 -, aaO) wird ebenfalls ausgesprochen, dass Zentrumsnähe für sich genommen kein hinreichend gewichtiger Grund des Allgemeinwohls im Sinne des § 31b Abs. 6 WHG nF sei; dasselbe gelte für eine vorhandene darauf bezogene Baulandnachfrage. Ob ein dringender Wohnbedarf als Gemeinwohlgrund ausreicht, hat das Gericht offen gelassen, da ein solcher - wie hier - nicht vorlag.

Die attraktive Lage eines Wohngebietes ist erst recht kein Grund des Allgemeinwohls, der die Beseitigung eines Überschwemmungsgebietes rechtfertigen könnte. Gerade Überschwemmungsgebiete sind häufig ökologisch und ästhetisch attraktiv. Eine Anerkennung dieses Grundes würde Sinn und Zweck des § 32 Abs. 2 WHG aF zuwiderlaufen. Die Schaffung eines Radweges durch die D. auen hätte nicht die Beseitigung des Überschwemmungsgebietes vorausgesetzt. Der Weg hätte auf dem vorhandenen Bodenniveau angelegt werden oder wie nach dem angegriffenen Plan selbst durch Wohngebiete geführt werden können.

Es kommt zweitens hinzu, dass die Antragsgegnerin ausweislich ihrer Planbegründung nicht einmal versucht hat, das (behauptete und im Folgenden zu unterstellende) Allgemeinwohlinteresse ins Verhältnis zu setzen, zum Umfang, in dem sie das seinerzeit noch geltende gesetzliche Überschwemmungsgebiet in Anspruch nahm. § 32 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 WHG a. F. ließ die Inanspruchnahme des Überschwemmungsgebietes nur zu, wenn das Allgemeinwohlinteresse an seiner Inanspruchnahme/(Teil-)Beseitigung das Interesse an seinem uneingeschränkten Erhalt überwog. Die Kompensation dieses Verlustes durch Schaffung gewässeraufwärts zu schaffender Retentionsflächen kann diese Abwägung nach den obigen Ausführungen gerade nicht ersetzen; die Kompensationspflicht setzt vielmehr erst dann ein, wenn es der planenden Gemeinde gelungen ist, einen ausreichenden Allgemeinwohlgrund zu finden und darzutun, weshalb dieser das Interesse an uneingeschränktem Erhalt des Überschwemmungsgebietes überwiegt. Die Ausführungen in der Planbegründung sind demgegenüber gerade von der Annahme geleitet, gelinge - im Planbereich B - die Kompensation, könne auch gegen die Inanspruchnahme des Überschwemmungsgebietes nichts mehr eingewandt werden.

Für den Fall, dass die Antragsgegnerin beabsichtigen sollte, wegen der (ein Jahr nach Bekanntmachung dieses Planes durchgeführten) Verkleinerung des gesetzlichen Überschwemmungsgebiets den Plan (und sei es mit Modifikationen) neuerlich zu beschließen, sieht der Senat im Hinblick auf die vom Antragsteller erhobenen Rügen Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

Der Abwägungsvorgang leidet im Übrigen nicht an einem Ermessensausfall. Die Antragsgegnerin hatte sich durch den Grundstückstauschvertrag vom 27. November 2003 gerade nicht vorab gebunden. Dieser verpflichtete die Antragsgegnerin zu keiner bestimmten Planung. Seite 2 dieses notariellen Vertrages vom 27. November 2003 enthält zu dem von dem Grundstückstauschvertrag erfassten Flurstück folgende Aussage: "Es liegt inzwischen im Gebiet eines noch aufzustellenden Bebauungsplanes." Weiter enthält der Vertrag eine Verpflichtung zur Freistellung zugunsten der Antragsgegnerin, wenn sich wegen der Baulandausweisung durch den Bebauungsplan Ansprüche des Voreigentümers des Flurstücks ergeben sollten. Diese Passagen des Vertrages lassen nur den Schluss zu, dass die Antragsgegnerin mit einem positiven Satzungsbeschluss über den Planentwurf rechnete. Das ist schon deswegen unbedenklich, weil der Vertrag ca. zwei Monate nach dem Aufstellungsbeschluss für den Plan Nr. 65 A geschlossen wurde. Die Freistellungsverpflichtung greift nur für den Fall, dass es zu einem Planbeschluss kommt und erzwingt diesen weder direkt noch indirekt.

Die Antragsgegnerin hatte in der Abwägung zutreffend bewältigt, dass der Antragsteller bei einer Ausnutzung der Planfestsetzungen die bisher uneingeschränkt freie Aussicht in die D. auen verlieren wird. Diesen Belang hat sie im Ergebnis fehlerfrei gegenüber der Nachfrage nach Baugrundstücken zurückgestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, NVwZ 1994, 686) gibt die Baugenehmigung demjenigen, der sich seine Bauwünsche erfüllt, nicht die Rechtsmacht, Einfluss auf die Bebaubarkeit der Nachbargrundstücke zu nehmen (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 25.4.2007 - 1 LA 18/07 - Vnb). Ein außergewöhnlicher Sonderfall liegt hier nicht vor. Insbesondere kann der Antragsteller aus den Ausführungen im Landschaftsplan der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1992 keine ihm positiven Rechtswirkungen ableiten. Landschaftspläne sind nicht strikt zu beachten, sondern können in der Abwägung überwunden werden. Dies zeigt sich daran, dass das Baugesetzbuch die Landschaftspläne nur als Abwägungsbelang in § 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. g behandelt (vgl. Krautzberger, in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 1 Rn. 68). Die Antragsgegnerin war sich dieser Rechtslage und der Abwägungsnotwendigkeit bewusst. Sie hat in der Planbegründung (s. dort die Nummern 2 und 4) sowie im Beschluss über die Anregungen die den Landschaftsplan tragenden Belange gegenüber den mit der neuen Planung verfolgten Belangen zurückgestellt. Es ist nicht unangemessen oder widersprüchlich, der Nachfrage nach Wohngrundstücken den Vorrang vor dem Schutz der für das Ortsbild wichtigen Landschaft zu geben. Die Antragsgegnerin hat vielmehr vertretbar angenommen, dass sie eine negative Beeinflussung des Ortsbildes durch die Bebauung eines Teiles der D. auen gegenüber den Belangen der Wohnbevölkerung geringer gewichten dürfe. Es liegt in der Kompetenz und im rechtlichen Spielraum einer Gemeinde, ihr Ortsbild innerhalb bestimmter Grenzen zu verändern. Die im Landschaftsplan angesprochene Funktion als Grünverbindung zum Bereich Schloss und L. park hin bleibt auch nach der Bebauung reduziert erhalten. Dass ein siedlungsnahes Landschaftserleben erschwert wird, ist mit zahlreichen Ausweisungen von Baugebieten verbunden.

Der Antragsteller genoss zwar durch die älteren Planungen im Flächennutzungsplan und im Landschaftsplan der Antragsgegnerin einen gewissen Vertrauensschutz, dieser durfte aber in der Abwägung überwunden werden. Das Vertrauen in die Beibehaltung einer bestehenden Planung kann grundsätzlich ein abwägungserheblicher Belang sein. Das gilt nicht nur bei einem rechtlich geschützten Vertrauen, sondern auch bei einer rein tatsächlichen Begünstigung durch die bestehende planungsrechtliche Situation. Allerdings schließt ein solches Vertrauen eine Änderung der bestehenden Planung nicht regelmäßig aus. Vielmehr kommt es auf das Gewicht der konkurrierenden Interessen an (OVG Lüneburg, Urt. v. 28.10.2004, DWW 2004, 339). Das Vertrauen des Antragstellers in die Freihaltung der D. auen musste schon durch den Plan C. /D. I erschüttert sein. Die streitgegenständliche Planung ist die Fortsetzung dieses Konzepts zur Nachverdichtung in Innenstadtnähe. Es ist dem politischen System der Demokratie eigen, dass Planungen nach gewisser Zeit revidiert werden können.

Der Antragsteller hat von der Antragsgegnerin keine Zusagen im Sinne einer Freihaltung des Plangebietes A von Bebauung bekommen. Das Grundstück des Antragstellers profitierte nur als "Rechtsreflex" und nicht als eigenes Recht von der Landschaftsplanung. Auf Aussagen, welche Vertreter der Antragsgegnerin während der Kaufverhandlungen gemacht haben sollen, kann der Antragsteller den Normenkontrollantrag nicht stützen. Es mag sein, dass die mit dem Verkauf gemeindeeigener Grundstücke befassten Bediensteten der Antragsgegnerin dem Antragsteller während der Kaufverhandlungen mehr oder minder deutlich signalisiert haben, der östlich angrenzende Bereich werde nicht bebaut werden. Eine solche Erklärung kann den Rat der Antragsgegnerin, dem allein die abschließende Abwägungsentscheidung vorbehalten ist, aber schon deshalb nicht binden, weil nicht er, sondern "nur" ein Mitglied der Gemeindeverwaltung eine solche Erklärung abgegeben hat/hätte. Es fehlt mit anderen Worten schon an der Zuständigkeit für eine verbindliche Erklärung. Verbindlichkeit könnte eine solche Erklärung zudem wegen § 1 Abs. 3 Satz 2, Halbsatz 2 BauGB nicht entfalten.

Der im Plan vorgesehene Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft ist nicht zu beanstanden. Der Angriff des Antragstellers, der Ausgleich sei nicht vollständig erfolgt und die vorgesehene Bepflanzung zudem nicht gebietsverträglich, greift nicht durch. Durch die Kompensationsmaßnahmen in den Plangebieten A und B ist nach der nicht angegriffenen Berechnung der Antragsgegnerin der Eingriff ausgeglichen. Hinsichtlich des Bewuchses verlangt das Gesetz nicht einen uneingeschränkten "Bestandsschutz". Es erlaubt vielmehr die Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts durch Bepflanzung mit Gehölzen, welche dort bislang nicht heimisch waren. Die Nebenbestimmungen zur wasserbehördlichen Genehmigung für die Bebauung im Plangebiet A machen ohnehin bestimmte Vorgaben für Gehölze (hochstämmig), die nicht dem herkömmlichen Bewuchs entsprechen mögen.

Die Antragsgegnerin hat die Altlastenproblematik in der Abwägung berücksichtigt. Das zeigt sich in der Einzeichnung des Altlastenverdachtsstandorts in die Planzeichnung und in der textlichen Festsetzung des § 12. Danach ist eine Bebauung erst nach einer ggf. notwendigen Sanierung zulässig.

Der Bebauungsplan scheitert schließlich nicht daran, dass die Erschließungsstraße im Plangebiet nicht als Rettungsweg geeignet wäre. Die insoweit maßgeblichen Träger öffentlicher Belange haben keine Einwendungen erhoben, der Antragsteller hat nur vorgebracht, Sackgassen eigneten sich nicht gut als Rettungswege. Selbst wenn man dies annehmen wollte, könnte diese weniger gute Eignung in der Abwägung durch die größere Wohnruhe in Sackgassen überwunden werden. Die Antragsgegnerin bringt zu Recht vor, dass keine ungewöhnlich schwierige Situation geschaffen werde.

Dass der mit der Schaffung der Planstraße/Sackgasse verbundene Lärm den Antragsteller nicht in abwägungserheblicher Weise betrifft, ist oben bereits im Zusammenhang mit der Antragsbefugnis dargelegt worden.

Ende der Entscheidung

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