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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.10.2004
Aktenzeichen: 1 KN 202/03
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 6
BauNVO § 1 Abs. 10
BauNVO § 4
BauNVO § 5
1. Die Gemeinde darf eine Fläche nicht als allgemeines Wohngebiet festsetzen, wenn ein im Hinblick auf Emissionen benachbarter landwirtschaftlicher Betriebe eingeholtes Gutachten nach der GIRL zu Immissionswerten kommt, die den Orientierungswert der GIRL für Dorfgebiete ausschöpfen bzw. überschreiten.

2. Ein Hinweis auf fehlende Abwehrrechte der Grundstückserwerber im allgemeinen Wohngebiet ist nicht geeignet, den Konflikt zu lösen.

3. Zur Zulässigkeit eines gegliederten Dorfgebietes für einen Bereich, der im Einwirkungsbereich landwirtschaftlicher Betriebe in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil liegt (Abgrenzung zu den U. des Senats vom 23.9.1999 - 1 K 5147/97 - BauR 2000, 137 u. 7.6.2000 - 1 K 3112/99 - n.v.).


Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich mit der Behauptung gegen den Bebauungsplan Nr. 8 "Ortsmitte F." der Gemeinde C., die von diesem Plan in der Nähe ihrer Schweinemastbetriebe zugelassene Wohnnutzung setze sie dem Risiko von Beschränkungen aus.

Das Plangebiet liegt in der Ortsmitte des Ortsteiles F.. Nördlich wird es von der K 36, westlich und südwestlich von der K 37 begrenzt. Östlich und südöstlich bildet der Bergkirchener Graben die Plangrenze. Die Hauptfläche des Plangebietes ist nahezu rechteckig; im Süden ist noch ein Dreieck angefügt, dessen Hypotenuse identisch mit der Südgrenze des Rechteckes ist. In Ost-West-Richtung ist das Plangelände ca. 120 m breit. Die maximale Nord-Süd-Ausdehnung liegt bei ca. 210 m. Das Plangebiet ist weitgehend von Wohnhäusern umgeben; außerdem befindet sich westlich des Plangebietes ein Kindergarten und nordwestlich ein Altenheim.

Der Plan soll den Bau von Dorfgemeinschaftsanlagen und von Wohnhäusern ermöglichen. Im Südwesten des Plangebietes ist ein 25 m breiter Streifen entlang der K 37 als Mischgebiet ausgewiesen; an dessen Südspitze existiert ein Landhandelsbetrieb. Auf diesem findet Landmaschinenverkehr in zeitlich sehr unterschiedlichem Maße statt. Außerdem werden Getreide und Dünger angeliefert, gelagert und teils getrocknet. Diese Tätigkeiten verursachen Lärm- und Staubemissionen. Es wird erwartet, dass der Landhandelsbetrieb in 5 - 10 Jahren eingestellt werden wird. Für ihn wird festgesetzt, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen zulässig sind. In dem Mischgebiet werden gemäß der textlichen Festsetzung 1.2 die Nutzungen nach § 6 Abs. 2 Nr. 6 - 8 und Abs. 3 BauNVO ausgeschlossen.

Nordöstlich schließen sich an das Mischgebiet jenseits einer stillgelegten Bahntrasse Festsetzungen für Gemeinschaftsflächen für Festplatz, Dorfhaus, Kinderspielplatz und Dorfpark an.

Etwa 60 m nördlich des Landhandelsbetriebes beginnt nach den Festsetzungen des Bebauungsplans in der westlichen Hälfte des Plangebietes ein allgemeines Wohngebiet. Nach weiteren 70 m erweitert sich dieses Gebiet auf fast die gesamte Breite des beplanten Raumes. Der südliche Teil des Wohngebietes ist in einer Tiefe von ca. 30 m als Fläche für Vorkehrungen zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen ausgewiesen. Hier sieht die textliche Festsetzung Nr. 7 passive Schallschutzmaßnahmen für Wohngebäude vor. Diese Festsetzung dient der Abwehr der Immissionen durch den Landhandelsbetrieb.

Die Planzeichnung enthält verschiedene "Hinweise". Ziffer 4 dieser Hinweise befasst sich mit Immissionen.

In Ziffer 4.1 wird empfohlen, den Verkehrsimmissionen der K 36 durch Grundrissgestaltung und Schallschutzmaßnahmen vorzubeugen. Die Immissionen überschritten die Werte nach DIN 18005.

In Ziffer 4.2 wird mitgeteilt, dass die Lärmimmissionen durch den Landhandelsbetrieb zur Erntezeit insbesondere nachts diese Werte ebenfalls - zum Teil erheblich - überschreiten.

Ziffer 4.3 hat den Wortlaut: "Aufgrund der Nähe zu landwirtschaftlichen Betrieben mit größerem Viehbestand (Schweine) liegt für den Bereich der Allgemeinen Wohngebiete WA eine Vorbelastung vor. Hinsichtlich der ermittelten Geruchsimmissionen nach der Geruchs-Immissionsrichtlinie (GIRL) hat die Wohnbebauung lediglich den Schutzanspruch dorfgebietstypischer Nutzungen. Für die in Kenntnis dieses Sachverhaltes errichteten baulichen Anlagen können gegen die Betriebsinhaber/-pächter keine Abwehr- oder Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden."

In Ziffer 4.4 wird eine ähnliche Aussage für die Vorbelastung durch Fluglärm gemacht.

Aus den Verfahrensakten ergibt sich, dass Klauseln in die Kaufverträge über die Grundstücke aufgenommen werden sollen, die die Frage der Immissionsvorbelastung betreffen.

Die Antragsteller betreiben Schweinemastbetriebe. Der Betrieb des Antragstellers zu 1 hat 1300 Schweinemastplätze. Die Ställe für 600 Plätze sowie ein offener Güllebehälter liegen ca. 150 m südlich des Plangebietes. Ein weiterer Stall mit 700 Plätzen liegt noch einmal 150 m weiter südlich im Außenbereich. Der Betrieb des Antragstellers zu 2 mit 625 Plätzen für Schweinemast und 340 Plätzen für Ferkel liegt ca. 150 m östlich des Plangeländes. Das Wohngebiet liegt in Bezug auf beide Hofstellen nicht in der Hauptwindrichtung.

Bereits die Entstehung des Planes war geprägt von dem Bemühen, mit der Immissionsbelastung des Plangebietes durch den Verkehr, den Landhandelsbetrieb und vor allem die Mastbetriebe fertig zu werden. Schon in der Entwurfsphase für den Plan im Sommer und Herbst des Jahres 2000 wurde überlegt, ob nicht eine Dorf- oder Mischgebietsausweisung der belasteten Situation gerechter würde als eine Wohngebietsausweisung. Die Antragsgegnerin entschied sich schließlich für eine Ausweisung als WA. Weiterhin wurde während des Planungsverfahrens die Wohnnutzung zunehmend auf den nördlichen Teil des Plangebietes reduziert. Der Flächennutzungsplan der Samtgemeinde G. wurde so geändert, dass das Plangebiet als Wohnbaufläche ausgewiesen war. Die frühzeitige Bürgerbeteiligung sowie die Beteiligung der Behörden fanden Anfang 2001 statt. Es gingen zahlreiche Anregungen der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange ein. Das Gesundheitsamt und das Amt für Wirtschaftsförderung des Landkreises H. forderten, aufgrund der Immissionsbelastung durch den Landhandelsbetrieb die Wohnnutzung zurückzustellen, bis der Betrieb in absehbarer Zeit eingestellt sei. Ebenso äußerte sich das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt; es regte an, eine Dorfgebietsausweisung vorzunehmen. Anregungen des Landvolkes und der Landwirtschaftskammer I. betrafen die Immissionsbelastung des Wohngebietes durch die Schweinemastbetriebe. Der zu fordernde Mindestabstand werde nicht eingehalten, daher dürfe kein Wohngebiet festgesetzt werden, zumindest sei eine Sonderbeurteilung nach Ziffer 3.2.3.4. VDI-Richtlinie 3471 erforderlich. Die Bezirksregierung I. wies dagegen auf die später realisierte Möglichkeit hin, eine Wohngebietsausweisung vorzunehmen, aber im Plan auf die Überschreitung der Immissionswerte hinzuweisen.

Die Antragsgegnerin holte verschiedene Gutachten ein.

Die gutachtliche Stellungnahme des TÜV Nord mbH vom 11. September 2001 betrifft die Geruchsimmissionen durch die Schweinemastbetriebe. Sie enthält eine Abstandsbestimmung nach den VDI-Richtlinien 3471-74E sowie eine Bewertung nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL; Verwaltungsvorschrift d. MU, MFAS, ML, MW v. 14.11.2000, Nds. MBl. Nr. 8/2001, S. 224 ff.). Der Hauptstandort des Antragstellers zu 1 mit 600 Mastplätzen erfordert nach diesem Gutachten einen Abstand von 204 m. Der Mindestabstand des Wohngebietes zu den Ställen des Antragstellers zu 2 wird in dem Gutachten auf 230 m berechnet.

Für die Beurteilung nach der GIRL wird darin für jede Emissionsquelle ein (aufgrund von Musteruntersuchungen zustande gekommener) Emissionswert errechnet, der dann einer Ausbreitungsberechnung zugrunde gelegt wird. Ergebnis dieser Berechnung ist, dass die Beurteilungsflächen im Plangebiet zwischen 14 % und 25 % der Jahresstunden immissionsbelastet sind. Für den Bereich vorgesehener Wohnnutzung liegen die Werte zwischen 14 % und 21 %. Das Gutachten ist nach Angaben des Erstellers im Bereich der 1 %-Stufe nicht aussagescharf.

Hinsichtlich der Staubemissionen des Landhandelsbetriebes erstellten die Ingenieure J./K./L. unter dem 5. Oktober 2000 ein Gutachten, das zunächst aufgrund geschätzter Emissionswerte zu der Einschätzung gelangte, dass ohne eine Nachrüstung der Umschlags- und Trocknungseinrichtungen des Landhandels das Wohngebiet unzumutbar mit Staub belastet würde. Nach Eingabe realer Messungen wurde dieses Gutachten korrigiert. Das Ergebnis ist, dass Staub nach wie vor deutlich auf die geplante Wohnbebauung einwirkt.

Das schalltechnische Gutachten dieser Ingenieure vom 30. Juli 2000 ergab, dass die Lärmbelastung in einem 25 m breiten Streifen südlich der K 36 den Orientierungswert der DIN 18005 um tags 5 und nachts bis zu 7 dB(A) überschreitet. Das Gutachten empfiehlt eine Zurücknahme der Baugrenze auf 17 m von der Straßenachse der K 36, außerdem die Festsetzung von passiven Schallschutzmaßnahmen. Die Lärmbelastung vom Landhandel aus kann zur Erntezeit die Nachtwerte überschreiten. Das Gutachten empfiehlt, für die Bebauung südlich der Planstraße passiven Schallschutz festzusetzen.

Aufgrund dieser Gutachten, wurde der Plan erneut überarbeitet und im Dezember 2001 in die Öffentlichkeitsbeteiligung gegeben. In der gleichen Fassung wurde er am 29. Oktober 2001 vom Rat beschlossen. Der Plan sucht die aufgeworfenen Probleme wie folgt zu lösen:

Die Verkehrsimmissionen sollen durch einen 7 m Abstand zur K 36 und die Empfehlung passiver Schallschutzmaßnahmen durch Baukörpergestaltung und Dämmung bewältigt werden. Aktiver Schallschutz sei unverhältnismäßig aufwändig.

Die Lärmemissionen des Landhandels haben zu der Festsetzung passiven Schallschutzes im südlichen WA geführt. Eine verbleibende nächtliche Überschreitung der Werte der DIN 18005 während der Erntezeit wird für hinnehmbar gehalten. Der Betrieb werde voraussichtlich nur noch 5 - 7 Jahre existieren; die Überschreitung der Lärmwerte sei selten. Ein weiterer Abstand zur Wohnbebauung komme in dem kleinen Plangebiet nicht in Betracht.

Die Belästigung durch Staubemissionen des Landhandels soll durch nachträgliche Auflagen betreffend die Ableitung der Abgase der Umschlagstechnik beseitigt werden. Die Anlage befindet sich insoweit nicht auf dem Stand der Technik. Nach Durchführung einer entsprechenden Änderung würden keine deutlichen Einwirkungen auf das Wohngebiet mehr verbleiben.

Der Plan geht davon aus, dass die Geruchsbelästigung durch die Tiermast durch künftige Käufer der Wohngrundstücke hinzunehmen ist. Als Ergebnis einer intensiven Einzelfallprüfung ergebe sich, dass das WA im Sinne der GIRL als gewerblich geprägtes Dorfgebiet aufgefasst werden könne. Eine nähere Begründung für diesen gewerblichen Charakter fehlt. Die beiden hauptbetroffenen Mastbetriebe unterlägen schon jetzt Einschränkungen ihrer Erweiterungsmöglichkeiten aufgrund vorhandener Wohnbebauung, so dass massive Erweiterungswünsche am Standort nicht berücksichtigt werden müssten. Im

Übrigen würden Abwehransprüche der künftigen Eigentümer von Wohngrundstücken durch die Hinweise auf die Vorbelastung durch Immissionen in der zeichnerischen Darstellung des Planes ausgeschlossen.

Nach vergeblichen Versuchen außerprozessualer Einigung haben die Antragsteller am 14. Juli 2003 den Normenkontrollantrag gestellt.

Die Antragsteller machen geltend: In dem Abstandsgutachten des TÜV nach VDI und in dem GIRL-Gutachten sei der seinerzeit in Planung befindliche Stall des Antragstellers zu 1 nicht berücksichtigt worden. Für die Berechnung von Großvieheinheiten hätte statt der VDI-Richtlinie 3471 die TA Luft angewandt werden müssen. In dem TÜV-Gutachten sei eine Einzelfallprüfung für erforderlich erklärt, aber nicht vorgenommen worden. Aus dem Gutachten ergebe sich, dass die Mindestabstände zwischen Ställen und geplanter Wohnbebauung nicht eingehalten seien. Die Richtwerte der GIRL würden nicht nur ausgeschöpft, sondern überschritten. Die in Ziffer 4 der Hinweise der Planzeichnung enthaltenen Mitteilungen seien rechtlich bedeutungslos. Der Plan leide an einer Fehlgewichtung der Belange des Wohngebietes, insofern er davon ausgehe, dass dieses nur einen Schutzanspruch wie ein Dorfgebiet habe. Vor allem aber sei die Abwägung falsch, weil ein Konflikt unvereinbarer Nutzungen, nämlich zwischen Intensivtierhaltung und Wohnnutzung, aufgeworfen, aber nicht gelöst werde. Eine Verlagerung der Konfliktlösung in das Baugenehmigungsverfahren sei nicht statthaft. Die Antragsteller haben im Normenkontrollverfahren ein weiteres Gutachten zu den Immissionen der Schweinemastbetriebe vorgelegt.

Die Antragsteller beantragen,

den am 27. Februar 2002 beschlossenen Bebauungsplan Nr. 8 "Ortsmitte F." der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.

Sie meint, aus dem Gutachten des TÜV-Nord ergebe sich, dass die erforderlichen Mindestabstände eingehalten sind. Die Richtwerte der GIRL würden ausgeschöpft und nicht überschritten, weil das Wohngebiet hier im Rahmen des Dorfes als gewerblich geprägt anzusehen sei. Abwägungsfehler lägen nicht vor.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrages der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1, 2 VwGO zulässig. Aufgrund der Sachlage und nach dem Vorbringen einiger Träger öffentlicher Belange ist es nicht ausgeschlossen, dass die abwägungsrelevanten Bestands- und Erweiterungsbelange der Antragsteller in der planerischen Abwägung verkannt worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, DVBl. 1999,100). Der Normenkontrollantrag ist fristgemäß gestellt worden.

Der Normenkontrollantrag ist begründet, weil der Bebauungsplan an Abwägungsmängeln leidet. Die maßgeblichen Grundsätze zur Abwägung, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301, st. Rspr.) ergeben, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Eine sachgerechte Abwägung muss überhaupt stattfinden. In diese muss eingestellt werden, was nach Lage der Dinge eingestellt werden muss. Dabei darf die Bedeutung der betroffenen privaten Belange nicht verkannt werden und es muss der Ausgleich zwischen den von der Planung betroffenen öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen werden, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig die Zurückstellung eines anderen entscheidet.

Vor diesem Hintergrund sind die Schutzbelange des festgesetzten allgemeinen Wohngebiets nicht ausreichend berücksichtigt worden. Allerdings sind die maßgeblichen Tatsachen - entgegen dem Vorbringen der Antragsteller - vollständig in die Abwägung eingestellt worden, denn das TÜV-Gutachten zu den Geruchseinwirkungen im Bereich des Bebauungsplanes, das die Antragsgegnerin zur Grundlage ihrer Abwägung gemacht hatte, hat auch den seinerzeit geplanten und inzwischen errichteten und in Betrieb genommenen Stall des Antragstellers zu 1) für 700 Mastschweine in seine Berechnungen aufgenommen. Das ergibt sich nicht nur aus der Beschreibung der Tierhaltung (Gutachten S. 9), sondern auch aus den in die Abstandsbestimmung nach der VDI-Richtlinie 3471 (S. 11) und in die Eingangsgrößen der Ausbreitungsrechnung nach der GIRL (S. 17) aufgenommenen Tierzahlen.

Das TÜV-Gutachten hat sich zu Recht nicht mit einer Bewertung nach der VDI-Richtlinie 3471 begnügt, weil nach dieser Richtlinie, die eine durchaus sachgerechte Orientierungshilfe bei der Beurteilung von Geruchsemissionen von Schweinemastbetrieben darstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.1.1993 - 4 C 19.90 -, NVwZ 1993, 1184), nur die erforderlichen Abstände der Wohnbebauung von einzelnen Geruchsquellen beurteilt, nicht aber die Auswirkungen sich überlagernder Geruchsfahnen erfasst werden können. Die in der Anlage 2 zum TÜV-Gutachten eingezeichneten Abstandskreise um die Ställe in der Nachbarschaft des Plangebietes lassen erkennen, dass sich die Gerüche verschiedener Ställe summieren. Die Tatsache, dass das Plangebiet im Wesentlichen außerhalb der Abstandskreise der verschiedenen Geruchsquellen liegt, rechtfertigt wegen der sich überdeckenden Abstandskreise und damit auch summierenden Auswirkungen nicht die Feststellung, dass im Plangebiet keine Geruchseinwirkungen der Tierhaltungsbetriebe zu spüren wären. Davon ist auch die Antragsgegnerin nicht ausgegangen.

Die Ergebnisse des TÜV-Gutachtens nach der GIRL lassen jedoch Geruchseinwirkungen der benachbarten landwirtschaftlichen Betriebe erkennen, die eine Festsetzung des Plangebietes als allgemeines Wohngebiet als abwägungsfehlerhaft erscheinen lassen. Der Senat braucht aus Anlass der Entscheidung dieses Falles nicht der Frage nachzugehen, ob die GIRL "die" richtige Methode zur Bestimmung der Geruchsimmissionen bietet, oder ob die Prognosen nach der GIRL die Immissionen von Tierhaltungsbetrieben überschätzen (vgl. dazu Urt. d. Sen. v. 11.4.1994 - 1 L 7648/95 -, BRS 59 Nr. 83). Darauf kommt es hier nicht entscheidend an. Die Antragsgegnerin hat sich mit dem Gutachten des TÜV der GIRL als Hilfsmittel zur Beurteilung der Immissionssituation im Plangebiet bedient. Da die GIRL - auch bei kritischer Bewertung - auf jeden Fall Anhaltspunkte zur Beurteilung der Immissionssituation liefert (vgl. dazu Urt. d. Sen. v. 25.7.2002 - 1 LB 980/01 -, RdL 2002, 313; Peschau, UPR 1998, 248), kann die Heranziehung der GIRL nicht beanstandet werden. Allerdings müssen die Ergebnisse einer Prognose nach der GIRL dann auch unter Berücksichtigung der in der GIRL festgelegten Grenzwerte beurteilt werden.

Die Werte der GIRL für die höchstzulässigen Geruchsimmissionen werden durch den Plan nicht eingehalten beziehungsweise "ausgeschöpft", sondern deutlich überschritten. Ziff. 3.1 der GIRL trennt in der Tabelle 1 zwischen Wohnen und Mischgebieten einerseits (Spalte 1: Belastungswert 0,10 = 10 % der Jahresstunden) und Gewerbe/Industriegebiete andererseits (Spalte 2: 0,15 = 15 % der Jahresstunden). In der Begründung zu dieser Ziffer der Verwaltungsvorschrift wird ausgeführt, Dorfgebiete könnten im Einzelfall durch Wohnen oder Gewerbe geprägt und deswegen im Einzelfall Spalte 1 oder 2 zuzuordnen sein. In begründeten Einzelfällen sei eine Belastung mit bis zu 0,20 zulässig (vgl. dazu auch Ziff. 5 der GIRL beziehungsweise Begründung zu Ziff. 5). Die Möglichkeit, in begründeten Einzelfällen über den Wert von 0,15 hinaus bis zu 0,20 zu gehen, bezieht sich allerdings nach Systematik und Wortlaut der GIRL sowie nach ihrer Begründung auf Dorfgebiete im Sinne des § 5 BauNVO und nicht auf dörfliche Bebauung im Sinne der Alltagssprache. Ein Dorfgebiet nach § 5 BauNVO, wie es in der Begründung der GIRL zu Ziff. 3.1 angesprochen wird, hat die Antragsgegnerin hier aber nicht festgesetzt, vielmehr ist ein allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO festgesetzt worden.

Unabhängig davon könnte von einer "Ausschöpfung" der Immissionswerte nach der GIRL (so die Begründung des Bebauungsplanes S. 19) wohl nur gesprochen werden, wenn es sich bei dem Plangebiet und seiner näheren Umgebung um ein Dorfgebiet handeln würde, das in besonderem Maße durch Gewerbe oder Landwirtschaft geprägt wird und damit geringeren Schutz gegen Immissionen verdient (vgl. Begründung zu Nr. 3.1 der GIRL). Wie die Erörterung der Umgebung des Plangebietes in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, ist der Planbereich, abgesehen von dem Landhandelsbetrieb im Süden, nur von Wohnbebauung und vergleichbar schutzwürdiger Nutzung (Altenheim und Kindergarten) umgeben. Zudem schließt der Bebauungsplan die Ausnahmenutzungen nach § 4 Abs. 3 BauNVO aus, um den Charakter eines kleinen ruhigen Wohngebietes zu wahren (Begründung S. 5). Darin liegt ein Widerspruch zu der Einschätzung, das Wohngebiet habe nur ein Schutzbedürfnis wie ein gewerblich oder landwirtschaftlich geprägtes Dorfgebiet. Darüber hinaus geht der Bebauungsplan in Bezug auf den Verkehrslärm der K 36 von einer Schutzbedürftigkeit als allgemeines Wohngebiet aus und nicht von einer solchen als Dorf/Gewerbegebiet, wie sich aus den angewandten Werten der DIN 18005 und der Begründung des Planes (S. 15) ergibt. Der Planbereich kann daher nicht als gewerblich oder landwirtschaftlich geprägtes Dorfgebiet im Sinne der Tabelle 1 zu Ziff. 3.1 der GIRL eingeordnet werden.

Ob andere Gesichtspunkte eine Überschreitung der Immissionswerte der GIRL rechtfertigen können, bedarf an dieser Stelle keiner Erörterung. Jedenfalls rechtfertigen die von der Antragsgegnerin in der Begründung des Bebauungsplanes genannten Gesichtspunkte (geringe Größe des Baugebietes, innerdörfliche Lage) nicht die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes für einen Bereich, der so stark durch Gerüche der Tierhaltung vorbelastet ist, dass sogar die Immissionswerte der GIRL für ein Dorfgebiet überschritten werden. Die Typologie der Gebietsarten der BauNVO erlaubt es nicht, den Schutzstandard eines allgemeinen Wohngebietes generell auf den eines Dorfgebietes abzusenken, weil in einem Wohngebiet gerade nicht die Immissionen zulässig sein sollen, die im Dorfgebiet zulässig sind. Ein allgemeines Wohngebiet darf grundsätzlich nur geringeren Immissionen ausgesetzt werden als ein Dorfgebiet; es darf nicht so behandelt werden, als wäre es ein Dorfgebiet (vgl. BayVGH, Urt. v. 11.7.1994 - 14 N 92.2397 -, BRS 56 Nr. 19).

Die zu Beginn des Planverfahrens erwogene und dann verworfene Festsetzung eines gegliederten Dorfgebietes gibt Veranlassung darauf hinzuweisen, dass der Planbereich sich für eine derartige Festsetzung anbietet. Die Entscheidungen des Senats (Urt. v. 23.9.1999 - 1 K 5147/97 -, BRS 62 Nr. 16 u. Urt. v. 7.6.2000 - 1 K 3112/99 -, Juris) zu den Voraussetzungen eines gegliederten Dorfgebietes schließen die Festsetzung eines gegliederten Dorfgebietes für den Planbereich des angefochtenen Bebauungsplanes nicht aus. Im Urteil vom 23. September 1999 (a.a.O.) hat der Senat die Festsetzung eines gegliederten Dorfgebietes als Etikettenschwindel angesehen, wenn Außenbereichsflächen in der Nachbarschaft eines landwirtschaftlichen Betriebes am Ortsrand einer Wohnbebauung zugeführt werden sollen und im Sinne eines "weichen Übergangs" zwischen Landwirtschaft und Wohnen ein eingeschränktes Dorfgebiet festgesetzt wird. Im Urteil vom 7. Juni 2000 (a.a.O.) hat der Senat die Festsetzung eines gegliederten Dorfgebietes für ein Plangebiet beanstandet, das deutlich abgegrenzt an eine diffus bebaute Ortslage mit ländlichem Einschlag angrenzte und sich als selbständiges Baugebiet am Rande des Außenbereichs darstellte. Von diesen Fallgestaltungen unterscheidet sich das Plangebiet des angefochtenen Bebauungsplanes deutlich. Nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung gehen die Beteiligten davon aus, dass das Plangebiet innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt. Das ist auch bei der Größe des Plangebietes nachvollziehbar, weil es weitgehend von Bebauung umgeben ist und in seiner Bebaubarkeit durch diese umgebende Bebauung geprägt wird. Vor allem aber erscheint das Plangebiet aufgrund seiner Lage in der Ortsmitte mit seiner umgebenden Bebauung als städtebauliche Einheit, die auch noch die landwirtschaftlichen Hofstellen mit einschließt (zu diesem Gesichtspunkt Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199/228 f.). Diese landwirtschaftlichen Hofstellen prägen mit gewissen Gerüchen ihrer Tierhaltung den Planbereich, der nach der Struktur des Ortes und den Bedürfnissen des Grundstücksmarktes nur für eine Wohnbebauung in Betracht kommt. Es kommt hinzu, dass der Landhandel im Süden des Plangebietes eine gerade im Dorfgebiet zulässige Nutzung darstellt und insoweit zu einer Mischung der Nutzungsarten beiträgt. Mit der Festsetzung eines gegliederten Dorfgebietes - MDL für die landwirtschaftlichen Hofstellen und den Landhandel und MDW für die vorhandene Wohnbebauung und den wesentlichen Teil des Plangebietes - würde nicht eine neue Konfliktlage geschaffen, sondern nur die Konsequenz daraus gezogen, dass die Ortsmitte von F. durch die Tierhaltung der landwirtschaftlichen Betriebe am Ortsrand in gewissem Umfang vorbelastet ist.

Der Hinweis in Ziff. 4.3 des Bebauungsplanes auf die fehlenden Abwehrrechte der Grundstückserwerber ist nicht geeignet, den Konflikt zwischen der Schutzbedürftigkeit des festgesetzten Wohngebietes und der Geruchsvorbelastung durch die Tierhaltung der landwirtschaftlichen Hofstellen zu lösen. Der Ausschluss von Abwehrrechten durch privat-rechtliche, dingliche oder vertragliche Regelungen ist nicht zur Konfliktlösung im Bauplanungsrecht geeignet, weil die zu berücksichtigenden Belange öffentliche Belange sind, die nicht zur Disposition der Beteiligten stehen und weil entsprechende Festsetzungen nach § 9 BauGB nicht getroffen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.1978 - 4 C 53.76 -, BRS 33 Nr. 66; Urt. d. Sen. v. 4.1.1983 - 1 C 2/81 -, BRS 40 Nr. 34). Hinweise mögen ähnlich wie die Kennzeichnung eines Gebietes als vorbelastet eine Warnfunktion auslösen, sie können aber eine materiell-rechtliche Planung nicht ersetzen.

Hinsichtlich der auch den Mischgebietsstandard überschreitenden Immissionen durch den Landhandelsbetrieb geht der Plan davon aus, dass diese gerade unter Berücksichtigung der begrenzten Restbetriebsdauer für das WA zumutbar seien. Gleichzeitig werden aber im Rahmen einer Fremdkörperfestsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieses im Mischgebiet gelegenen benachbarten Betriebes für ausnahmsweise zulässig erklärt. Damit geht der Plangeber über das verfassungsrechtlich Gebotene hinaus und ermöglicht die Perpetuierung des Konfliktes, statt ihn möglichst frühzeitig durch eine restriktive Fremdkörperfestsetzung zu beenden. Der darin liegende Bruch mit dem Plankonzept stellt einen beachtlichen Abwägungsergebnisfehler dar.

Bei der Berücksichtigung der Immissionen durch den Straßenverkehr auf der K 36 hat die Antragsgegnerin die Immissionen sowohl nach DIN 18005 wie nach der Verkehrslärmverordnung (16. BImSchV) beurteilt. Beide Regelwerke durften von der Antragsgegnerin herangezogen werden; für das Heranrücken eines Wohngebietes an eine Straße wird üblicherweise die DIN 18005 angewandt (BVerwG, Beschl. v. 18.12.1990 - 4 N 6.88 -, BRS 50 Nr. 25; OVG Lüneburg, Urt. v. 27.9.2001 - 1 KN 277/01 - BRS 64 Nr. 16; Söfker, aaO § 1 Rn. 225). Es ergab sich bei der Begutachtung, dass nach DIN 18005 ein Abstand der Wohnbebauung von 25 m von der Straßenachse, nach der 16. BImSchV von 17 m erforderlich ist. Die Antragsgegnerin hat der Planung den 17 m-Wert zugrunde gelegt; sie hat sich aber nicht damit auseinander gesetzt, dass das Lärmgutachten für diesen Fall die Festsetzung passiven Schallschutzes für notwendig gehalten hat. Stattdessen hat sie begründungslos nur eine Empfehlung für passiven Lärmschutz in den Plan aufgenommen. Der Plan löst den im Planungsverfahren erkannten Konflikt nicht, der z.B. durch eine auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB gestützte Festsetzung gelöst werden kann, dass Aufenthaltsräume beziehungsweise Schlafräume nicht zur Straße hin angeordnet werden dürfen und Schallschutzvorkehrungen getroffen werden müssen.

Die Festsetzung des Plangebietes als allgemeines Wohngebiet stellt sich als Fehler im Abwägungsergebnis dar und führt daher zur Unwirksamkeit des Bebauungsplanes (§§ 214 Abs. 1 Nr. 1, 215 Abs. 1 Nr. 1, 233 Abs. 2 BauGB 2004).



Ende der Entscheidung

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