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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 14.04.2004
Aktenzeichen: 1 LB 340/02
Rechtsgebiete: BauGB, NBauO


Vorschriften:

BauGB § 144
NBauO § 74 I
NBauO § 75 I
Die Baugenehmigungsbehörde darf sanierungsrechtliche Belange bei der Beantwortung einer auf das Bauplanungsrecht beschränkten Bauvoranfrage nicht von sich aus einbeziehen und von ihrer Beurteilung die Erteilung des erstrebten Bauvorbescheides abhängig machen (Aufgabe der gegenteiligen Auffassung des OVG Lüneburg, Urt. v. 28.6.1985 - 6 A 8/84 -, UPR 1986, 226 = ZfBR 1986, 84 = BRS 44 Nr. 233). Das gilt auch dann, wenn Bauaufsichtsbehörde und Gemeinde/Sanierungsträger identisch sind.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin die Erteilung eines auf die planungsrechtliche Zulässigkeit beschränkten Bauvorbescheides für die Umnutzung einer Halle in mehrere Verkaufsräume verlangen kann, welche in dem Teil eines förmlich festgesetzten Sanierungsgebietes liegt, für das die beklagte Stadt unter anderem den Ausschluss solcher Nutzungen als Sanierungsziel anstrebt.

Der Klägerin gehört das Grundstück Engelbosteler Damm 124/126. Die Grundstücke liegen an der Ostseite der im Wesentlichen nordsüdlich verlaufenden Straße nördlich der Einmündung der Bodestraße. Gegenüber dieser Einmündung geht die Haltenhoffstraße nach Nordwesten vom Engelbosteler Damm ab. Auf dieser verläuft die Straßenbahn Richtung Nordstadtkliniken. Wie alle Grundstücke in diesem Bereich ist das der Klägerin straßenseitig mit geschlossener Blockrandwohnbebauung (4 Vollgeschosse) bestanden. Im rückwärtigen Bereich steht bis an den Rand der nordöstlich davon verlaufenden Bahnlinie Hannover - Celle die ehemals ausschließlich gewerblich genutzte, zweigeschossige Halle, um deren Umnutzung des Erdgeschosses die Beteiligten hier streiten. Südlich schließt sich daran ein größeres Gebäude an, in dem unter anderem ein Minimal-Verkaufsmarkt betrieben wird und an dessen Ostseite zur Bodestraße hin ein rundes Parkhaus angefügt worden ist. Die genannten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des 1953 rechtsverbindlich gewordenen Durchführungsplanes der Beklagten Nr. 59. Dieser setzt für die straßenseitigen Flächen des klägerischen Grundstücks gemischtes Wohngebiet und für den hier interessierenden rückwärtigen Bereich Gewerbegebiet Typ a fest. Das Gebiet liegt außerdem im Geltungsbereich des 1984 förmlich festgesetzten Sanierungsgebietes Nordstadt. Die Beklagte möchte für den hier in Rede stehenden Bereich einen Bebauungsplan aufstellen. Zwei in den 1990er Jahren unternommene Versuche blieben ohne Abschluss. Im Mai 2000 machte die Beklagte den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 1411 bekannt. Dessen Entwurf soll demnächst öffentlich ausgelegt werden.

Unter dem 10. April 2000 stellte die Klägerin die streitauslösende "Bauvoranfrage mit der Bitte um Klärung, ob im Erdgeschoss ("Eichbaum"-Halle/rot gekennzeichnet) die planungsrechtliche Zulässigkeit für die Art der baulichen Nutzung als Verkaufsräume (4 Einheiten, jeweils kleiner als 700 m² NF) gegeben ist. Das Obergeschoss der Halle soll weiterhin gewerblich genutzt werden."

Mit Bescheid vom 20. Juli 2000 lehnte die Beklagte die Voranfrage mit der Begründung ab, das Vorhaben widerspreche dem Sanierungsziel, dort zum Vorteil der Geschäfte entlang des Einkaufsstandortes Engelbosteler Damm Einzelhandelsnutzungen auszuschließen. Die Stabilisierung der gewachsenen Stadt- und Marktstruktur und Steigerung der Attraktivität des Marktbereiches Engelbosteler Damm gehöre zu den wichtigsten Sanierungszielen. Eine Zulassung des Vorhabens würde zudem die verkehrliche Situation in der Bodestraße noch weiter verschärfen. Nur von dort könne das Grundstück erschlossen werden.

Die Klägerin legte Widerspruch ein und hat am 27. Dezember 2000 Untätigkeitsklage erhoben, die sie mit dem Antrag geführt hat, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20. Juli 2000 zu verpflichten, ihr einen positiven Bauvorbescheid gemäß ihrer Bauvoranfrage vom 10. April 2000 zu erteilen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit der angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, stattgegeben. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt: Prüfungsgegenstand sei allein die Frage, ob das Vorhaben gegenwärtig dem Planungsrecht entspreche. Das sei zu bejahen und werde von der Beklagten auch nicht in Abrede genommen. Diese beanspruche aber zu Unrecht, auch die sanierungsrechtlichen Belange in die Prüfung einbeziehen zu dürfen. Das entspreche zwar der Rechsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (Urt. v. 28.6.1985 - 6 A 8/84 -, UPR 1986, 226 = ZfBR 1986, 84 = BRS 44 Nr. 233). Von dieser sei jedoch mit der nunmehr herrschenden Meinung und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 25.10.1995 - 4 B 216.95 -, BVerwGE 99, 351 = UPR 1996, 33 = BRS 57 Nr. 186) abzugehen. Die danach allein ausschlaggebende Niedersächsische Bauordnung ordne nicht an, im Baugenehmigungsverfahren sanierungsrechtliche Fragen zu behandeln, deren verbindliche Beantwortung nicht den Bauaufsichtsbehörden, sondern allein den Gemeinden obliege. Diese Fragen könnten allenfalls im Zusammenhang mit dem Rechtsschutzbedürfnis Bedeutung gewinnen. Das fehle aber nur dann, wenn es offensichtlich ausgeschlossen sei, dass das sanierungsrechtliche Verfahren zu einem der Klägerin günstigen Ergebnis führen könne. Das sei hier nicht der Fall. Es sei zweifelhaft, ob das Konzept der Beklagten tragfähig sei, der Klägerin die Verwirklichung von Einzelhandelsnutzungen zu untersagen, obwohl unmittelbar angrenzend solche betrieben würden. Auch die verkehrlichen Gesichtspunkte sprächen nicht zu Lasten der Klägerin; denn in dem von der Bodestraße aus anzufahrenden Parkhaus seien noch erheblichen Umfangs Kapazitäten frei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, welche der Senat durch Beschluss vom 18. Dezember 2002 - 1 LA 25/02 - wegen Divergenz zugelassen hat. Zu deren Begründung macht diese geltend: An der älteren Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts sei festzuhalten. Auch wenn nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausschließlich das Landesrecht bestimme, ob sanierungsrechtliche Bestimmungen im Baugenehmigungsverfahren zu berücksichtigen seien, verdiene jene den Vorzug vor den Konsequenzen, welche andere Obergerichte hieraus zum Teil übereilt gezogen hätten. Es könne nicht sein, dass sie als Bauaufsichtsbehörde eine Entscheidung aus der Hand gebe, die sich in unter Umständen haftungsbegründender Weise mit derjenigen reibe, die sie als Sanierungsträgerin im Rahmen der §§ 144 f. BauGB zu treffen habe. Da sie Sanierungsträgerin und Bauaufsichtsbehörde in einem sei, stehe es ihr frei, die sanierungsrechtlichen Fragen in Bau- beziehungsweise Bebauungsgenehmigungsverfahren einzubeziehen. Der Bauherr könne gar kein schützenswertes Interesse daran haben, über bauplanungsrechtliche Selbstverständlichkeiten einen Bescheid zu erhalten, wenn abzusehen sei, dass er in sanierungsrechtlicher Hinsicht keinen Erfolg haben könne. Gerade dies sei hier der Fall. Sie sei zudem als Bauaufsichtsbehörde gehalten, die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem gesamten öffentlichen Baurecht sicherzustellen. Dazu gehöre auch das Sanierungsrecht. Dieses stehe hier dem Vorhaben entgegen. Der Umstand allein, dass sich das Sanierungsverfahren schon geraume Zeit hinziehe, sei unerheblich. Immerhin habe sie in den Jahren 1991 und 1999 Versuche unternommen, für den fraglichen Bereich einen entsprechenden Bebauungsplan zu erlassen und darin die Sanierungsziele zu konkretisieren. Das geschehe nunmehr im Zuge des Aufstellungsverfahrens zum Plan Nr. 1411. Dessen Konzeption, für das klägerische Grundstück Einzelhandel auszuschließen, rechtfertige sich aus der besonderen Struktur beiderseits des Engelbosteler Dammes im Abschnitt zwischen der Christus- und der Lutherkirche. Dort stünden in dichter Folge zum Teil gründerzeitliche Wohngebäude sowie die dazugehörigen Einkaufseinrichtungen. Dieser Versorgungsschwerpunkt, welcher es der Bevölkerung ermögliche, innerhalb von 5 Gehminuten die Läden zu erreichen, solle erhalten und zu diesem Zwecke gegen Kaufkraftabflüsse in angrenzende Bereiche geschützt werden. Das Vorhaben sei zudem nicht ausreichend erschlossen. Das Parkhaus an der Südostflanke des Minimal-Marktes könne nicht auch noch den ruhenden Verkehr aufnehmen, den das klägerische Vorhaben auslöse.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und führt dazu aus: Entscheidungserheblich sei, dass hier lediglich um die Beantwortung einer Bauvoranfrage gestritten werde. Diese dürfe auf bestimmte Gesichtspunkte beschränkt werden. Das habe der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg in seiner Entscheidung vom 28. Juni 1985 seinerzeit übersehen. Es bestehe kein praktisches Bedürfnis, die von der Gemeinde zu beurteilenden sanierungsrechtlichen Fragen in eine von der Bauaufsichtsbehörde zu beantwortende Bauvoranfrage einzubeziehen. Die mit der Sanierung bezweckten Erwägungen stünden der Verwirklichung ihrer Bauabsichten im Übrigen ebenso wenig entgegen wie die verkehrlichen Gesichtspunkte, welche die Beklagte zu Unrecht und ihrer Bauvoranfrage zuwider anführe. Die Zufahrt über die Bodestraße sei völlig unproblematisch. Im Parkhaus stehe ausreichender Parkraum zur Verfügung.

Wegen der Einzelheiten von Vortrag und Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, welche in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

Zwischen den Beteiligten steht jedenfalls nach der Klarstellung der Klägerin, sie wünsche nicht die Errichtung eines "Einkaufszentrums", das heißt die Verwirklichung von vier im Funktionszusammenhang des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO stehender Läden, zu Recht außer Streit, dass die für das Erdgeschoss des rückwärtigen Hallengebäudes geplante Nutzung den Festsetzungen des Durchführungsplanes der Beklagten Nr. 59 entspricht. Allerdings dürfte entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts insoweit nicht auf § 8 BauNVO (welcher Fassung auch immer) zurückzugreifen sein. Der Durchführungsplan fußt auf § 10 des Gesetzes zur Durchführung der Ortsplanung und des Aufbaues in den Gemeinden (Aufbaugesetz), hier noch anzuwenden in der Fassung vom 9. Mai 1949 (GVBl. S. 107), geändert durch Gesetz vom 28. März 1951 (GVBl. S. 97). Dessen "Darstellungen" regelten gemäß § 12 Abs. 1 lit. b AufbauG verbindlich unter anderem die zulässige Nutzungsart. Diese wurde hier nicht durch die erst erheblich später und für Bebauungspläne nach dem BBauG 1960 in Kraft getretene BauNVO bestimmt, sondern durch die Bauordnung für den Bezirk der Hauptstadt B. vom 13. März 1930 i.d.F. vom 10. Juni 1953 (AblRegHan 1953, 73). Deren § 7 A b Nr. 7 unterscheidet Gewerbegebiete a und b. Letztere entsprechen im Wesentlichen den heutigen Industriegebieten; das Gewerbegebiet Typ a ist für Gewerbebetriebe - unter Ausschluss der hier nicht in Rede stehenden, nach § 16 RGewO genehmigungspflichtigen Anlagen - bestimmt. Dazu zählt auch der Einzelhandel. § 7 A b Nr. 6 der Bauordnung für den Bezirk der Hauptstadt B. gestattet mit dem Kerngebiet zwar die Festsetzung eines Bereiches, in dem vorzugsweise Waren- und Geschäftshäuser zulässig sind. Das entfaltet indes nicht in einer § 11 Abs. 3 BauNVO 1990 entsprechenden Weise Ausschlusswirkung dergestalt, dass die Agglomeration von vier Einzelhandelsgeschäften mit einer Verkaufsfläche von jeweils bis zu 700 m² nur in einem solchen Gebiet zulässig wäre.

Von weiteren Fragen darf die Beklagte jedenfalls hier die Erteilung der erstrebten Bebauungsgenehmigung nicht abhängig machen. Der Senat hält an der Auffassung, welche der 6. Senat des OVG Lüneburg in seiner Entscheidung vom 28. Juni 1985 (- 6 A 8/84 -, ZfBR 1986, 84 = UPR 1986, 226 = BRS 44 Nr. 233) vertreten hat, nicht mehr fest. Dort heißt es unter anderem:

"Es ist anerkannt, dass Genehmigungen nach dem StBauFG grundsätzlich vor der Erteilung einer baurechtlichen Genehmigung vorliegen müssen. So hat das BVerwG in seinem Urteil vom 15.1.1982 - 4 C 94.79 -, DVBl. 1982, 537, entschieden, dass der Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung nicht schon als solcher den Antrag auf Genehmigung nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 StBauFG enthält. Vielmehr sei insoweit ein unmissverständlicher Antrag erforderlich. Aus diesen Ausführungen folgt aber lediglich, dass die Genehmigungsbehörde einer Bauvoranfrage nicht einen Genehmigungsantrag nach dem StBauFG entnehmen muss. Andererseits kann eine Genehmigungsbehörde aber - wegen der insoweit abschließenden Prüfung des öffentlichen Baurechts - derartige Erwägungen in ihre Prüfung einbeziehen. Die Genehmigung nach § 15 StBauFG zählt nämlich zu den Vorschriften des öffentlichen Baurechts i.S. § 75 NBauO. Für eine umfassende Überprüfung der Vorschriften des "öffentlichen Baurechts" sprechen im vorliegenden Verfahren auch praktische Gesichtspunkte, denn die Beklagte ist sowohl Baugenehmigungs- als auch Sanierungsbehörde. Im Übrigen hat sie den Prüfungsumfang ihres Bescheides von sich aus auf Fragen des StBauFG ausgedehnt und so den Streitgegenstand mitbestimmt."

Hierzu ist auszuführen: Es ist inzwischen nicht mehr als außer Diskussion stehend "anerkannt", dass die Bauaufsichtsbehörde die Erteilung einer von ihr zu erteilenden Genehmigung von der Prüfung von Fragen abhängig machen darf, die der Bauherr gar nicht gestellt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 1995 (- 4 B 216.95 -, BVerwGE 99, 351 = DVBl. 1996, 57 = BRS 57 Nr. 186) vielmehr ausdrücklich hervorgehoben, dem Bauinteressenten, der einen Vorbescheid beantrage, stehe jedenfalls aus bundesrechtlicher Sicht frei, bestimmte Fragen, darunter solche des Sanierungsrechts, auszuklammern. Bundesrecht sage lediglich, dass ein Vorhaben nicht ohne die erforderliche sanierungsrechtliche Genehmigung verwirklicht werden dürfe; zum Zeitpunkt, zu dem diese vorliegen müsse, verhalte sich das Bundesrecht nicht.

Niedersächsisches Recht, namentlich die Bauordnung, enthält ebenfalls keine Anordnung, der sich entnehmen ließe, vor Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung dürfe ein Vorbescheid nicht erteilt werden. § 74 Abs. 2 Satz 2 NBauO verweist zwar (unter anderem) auf § 75 Abs. 1 Satz 1, wonach eine Baugenehmigung erst dann erteilt werden darf, wenn die Baumaßnahme dem öffentlichen Baurecht (vgl. § 2 Abs. 10 NBauO) entspricht. Dazu zählt auch das Sanierungsrecht. Das bedeutet indes nicht, dass schon die Erteilung eines auf die planungsrechtliche Zulässigkeit beschränkten und unter Ausklammerung der Erschließungsfrage erstrebten Vorbescheides von dem Vorliegen der sanierungsrechtlichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann. § 74 Abs. 2 Satz 2 NBauO ordnet nur eine sinngemäße Anwendung des § 75 Abs. 1 NBauO an. Sein Abs. 1 gestattet es dem Bauinteressenten, seine Fragen gegenständlich zu beschränken. Eine in das Belieben oder den Pflichtenkreis der Bauaufsichtsbehörde gestellte Befugnis zur Erweiterung des grundsätzlich allein vom Bauinteressenten zu umreißenden Fragenkreises wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Regelungen der Niedersächsischen Bauordnung oder des Städtebaurechts dies nach ihrem Sinn und Zweck erforderten. Das ist nicht der Fall. Dazu sind folgende Ausführungen veranlasst: Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 1995 (- 4 B 216.95 -, a.a.O.), namentlich die darin enthaltene Mahnung, den im Ausgangspunkt maßgeblichen Willen des Bauinteressenten ernst zu nehmen, nur bestimmte Fragen geklärt zu erhalten, hat unter den Obergerichten zu einer Neubestimmung des Verhältnisses von landesrechtlichem Bauordnungs- und bundesrechtlichem Sanierungsrecht geführt. Der vorliegende Fall nötigt nicht zu einer abschließenden Stellungnahme. Denn nach beiden nunmehr vertretenen Auffassungen hat die Klägerin Anspruch auf Erteilung der erstrebten Bebauungsgenehmigung.

Bereits vor dem zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 1995 und vor entsprechender Änderung der Bayrischen Bauordnung, wonach die Bauaufsichtsbehörde nur bestimmte Fragen im Baugenehmigungsverfahren zu beantworten hat, hatte der Große Senat des Bay. VGH (Beschl. v. 18.3.1993 - GrS 1/1992 - 1 B 90.3063 -, NVwZ 1994, 304 = BRS 55 Nr. 146 = DVBl. 1993, 665) entschieden, schon aus Kompetenzgründen habe sich die Bauaufsichtsbehörde auf die rein baurechtlichen Fragen zu beschränken und dürfe die allein von der Gemeinde verbindlich zu beantwortenden sanierungsrechtlichen Fragen nicht in den Blick nehmen. Dafür sei die Bauaufsichtsbehörde erstens nicht kompetent im Sinne der Zuständigkeit; zweitens drohten andernfalls divergierende Beurteilungen ein und desselben Problems. Sinn und Zweck des Baugenehmigungsverfahrens erheischten anderes nicht; denn dem Baugenehmigungsverfahren komme eine Konzentrationswirkung nur in den vom Gesetz gewollten Fällen zu. Das sei beispielsweise für das Denkmalschutzrecht so angeordnet worden, nicht aber für das Verhältnis Bau- zu Sanierungsrecht. Die (vom 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts im Jahre 1985 noch vertretene) herkömmliche Auffassung ("Landläufige Meinung"), wonach die Baugenehmigung einen feststellenden und einen verfügenden, das heißt den Bau freigebenden Teil habe, beziehe sich nur auf baurechtliche, das heißt die Fragen, welche allein die Bauaufsichtsbehörde verbindlich zu beantworten habe. Diese treffe allenfalls eine Hinweispflicht, um so den Bauherrn vor dem Irrtum zu bewahren, er dürfe ungeachtet sonstiger öffentlich-rechtlicher Genehmigungs-, Gestattungs- oder Erlaubnisvorbehalte kraft Bauscheins mit der Verwirklichung des Vorhabens beginnen. Die von der Gegenmeinung angeführten praktischen Schwierigkeiten würden bei einer solchen Arbeitsteilung gerade vermieden. Für jedes Rechtsgebiet müsse nur ein (Rechtsbehelfs-)Verfahren durchgeführt werden. Eine Verzahnung von Bau- und städtebaulichem Sanierungsrecht könne allenfalls auf dem Gebiet des Prozessrechts hergestellt werden. Sei als offensichtlich abzusehen, dass die sanierungsrechtliche Genehmigung gar nicht erteilt werden könne, bestehe kein schützenswertes Interesse daran, eine Antwort auf die baurechtlichen Fragen zu erhalten.

Dieser Auffassung schlossen sich unter dem Eindruck des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 1995 (a.a.O.) unter anderem an das OVG Greifswald (Beschl. v. 1.2.2001 - 1 M 77/00 -, BauR 2001, 1409 = BRS 64 Nr. 165; vgl. auch Beschl. v. 27.2.2003 - 3 M 35/02 -, BauR 2003, 1557), das OVG Münster (Urt. des 7. Senats v. 14.9.2001 - 7 A 620/00 -, BauR 2002, 451 = NVwZ-RR 2002, 564 = BRS 64 Nr. 163) und der Bad.-Württ. Verwaltungsgerichtshof (Beschl. v. 12.9.2002 - 8 S 1571/02 -, ZfBR 2003, 47 = GewArch 2003, 214). Diese verweisen ergänzend auf die sich aus der Prüfeinschränkungsverordnung ergebende Wertung des Gesetzgebers, der Baugenehmigung nur eingeschränkte Aussagekraft zu verleihen. Die in deren Aushändigung liegende Freigabeerklärung sei damit nur beschränkter Art. Sie regele lediglich die Mindestvoraussetzungen für eine legale Bautätigkeit. Weitergehendes bedürfe entsprechender landesgesetzlicher Regelung.

Diese Auffassung wird indes nicht uneingeschränkt geteilt. Der 10. Senat des OVG Münster hat sich in seiner ausführlichen Entscheidung vom 11. September 2003 (- 10 A 4694/01 -, BauR 2003, 1870) im Wesentlichen den Ausführungen von Mampel (BauR 2002, 719) angeschlossen. Diese lassen sich etwa so zusammenfassen: Nach dem Wortlaut der entsprechenden landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen ist die Baugenehmigung erst dann zu erteilen, wenn die Baumaßnahme mit dem gesamten öffentlichen Baurecht in Einklang stehe. Dazu zähle auch das Sanierungsrecht. Allerdings müsse dem Umstand Rechnung getragen werden, dass hierüber nicht die Bauaufsichtsbehörde, sondern der Sanierungsträger, das heißt die Gemeinde zu entscheiden habe. Das führe indes nicht dazu, dass das Sanierungsrecht bei der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde keine Rolle zu spielen habe. Vielmehr sei zwischen Prüfungs- und Entscheidungskompetenz zu unterscheiden. Die abschließende Beurteilung sanierungsrechtlicher Fragen sei ausschließlich Gemeinden vorbehalten. Davon zu unterscheiden sei aber das Amt der Bauaufsichtsbehörden, die Einhaltung (auch) dieser Vorschriften zu überwachen. Diese dürften die Schranke, die dem Bauen durch Vorschaltung des präventiven Baugenehmigungsverfahrens gezogen sei, erst dann hochziehen, wenn sie sich versichert hätten, dass alle anderen für das Vorhaben erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, Erlaubnisse, Gestattungen etc. vorliegen. Die Baufreigabe sei damit gleichsam Ausdruck der "Notarsfunktion", welche die Bauaufsichtsbehörde zum Vorteil des gesamten öffentlichen Baurechts zu erfüllen habe. Dementsprechend gebe es nicht nur den Gegensatz von Konzentrationsmodell (Beispiel: Baurecht und Denkmalschutzrecht) und Separationsmodell (Beispiel: Baurecht und Immissionsschutzrecht). Dazwischen liege vielmehr das beschriebene Koordinationsmodell. Das erst begründe die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde, schon bei formellem Verstoß gegen jedwedes öffentliche Baurecht einschreiten zu dürfen.

Das werde, so die weitergehende Erwägung des 10. Senats des OVG Münster, durch die Verfahrensbestimmungen des nordrhein-westfälischen Bauordnungsrechts gestützt. Dieses verpflichte die Bauaufsichtsbehörde genau aus diesem Grund, innerhalb einer Woche nach Eingang des Bauantrages zu entscheiden, welche Behörden zu beteiligen sind. Das sei nicht nur eine verfahrensrechtliche Anordnung, sondern habe zugleich materiell-rechtlich den Gehalt, dass ohne die verbindlichen Entscheidungen, welche diese Behörden im Rahmen ihres Kompetenzbereiches zu fällen hätten, eine Baugenehmigung nicht erteilt werden dürfe.

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, welcher dieser beiden Auffassungen zu folgen ist. Selbst dann, wenn man die mit beachtlichem juristischem Gewicht vorgetragene letztgenannte Auffassung teilt, rechtfertigt diese es nicht, schon die Erteilung eines Bauvorbescheides von der Prüfung sanierungsrechtlicher Fragen abhängig zu machen. Maßgeblich haben dabei zwei Gesichtspunkte zu sein: Erstens: § 74 Abs. 1 NBauO gibt dem Bauherrn die Rechtsmacht, "seine" Bauvoranfrage auf ganz bestimmte Gesichtspunkte zu beschränken. Das ergibt sich aus § 74 Abs. 1 NBauO. Zweitens: Eine positive Bescheidung der Bauvoranfrage zieht die dem Bauen präventiv gezogene Schranke noch nicht hoch. Das Amt der Bauaufsichtsbehörde, über die Einhaltung des gesamten öffentlichen Baurechts zu wachen, bleibt ohne jede Einbuße erhalten. Sollte der Bauherr gleichwohl versuchen, mit der Verwirklichung seines Baus zu beginnen, könnte sie (und nicht der Sanierungsträger) ihm auf der Grundlage des § 89 NBauO wegen formeller Baurechtswidrigkeit in den Arm fallen.

Die von der Beklagten vorgebrachten Gegenargumente rechtfertigen ein anderes Ergebnis nicht. Der Umstand, dass § 74 Abs. 2 Satz 2 NBauO eine sinngemäße Anwendung des § 75 NBauO anordnet, sagt nicht, dass die oben vorgestellten Erwägungen zur Sinnhaftigkeit der sogenannten Schlusspunkttheorie auch hier Platz zu greifen haben. Das Gegenteil ist der Fall. Die Kompetenz, über die sanierungsrechtlichen Fragen (mit) zu entscheiden, wächst der Beklagten durch die Stellung einer Voranfrage nicht zu. Das gilt ungeachtet des in der Entscheidung des 6. Senats des OVG Lüneburg vom 28. Juni 1985 (- 6 A 8/85 -, BRS 44 Nr. 233) und auch für diese Beklagte zutreffenden Umstandes, dass diese nicht nur Sanierungsträgerin, sondern auch Bauaufsichtsbehörde ist. Sie wird durch die Bauvoranfrage "nun mal" nicht als Sanierungsträgerin angerufen, sondern nur als Bauaufsichtsbehörde. Nur in dieser Eigenschaft erhält sie Entscheidungskompetenzen. Weitergehende Befugnisse genießt sie nicht. Sollte die Beklagte befürchten, durch eine "kommentarlose" Erteilung der Bebauungsgenehmigung beim Bauinteressenten den haftungsbegründenden Anschein endgültiger Klärung aller öffentlich-rechtlich zu erteilenden Genehmigungen zu erwecken, kann sie dem durch die Aufnahme eines Hinweises begegnen.

Allein der Umstand, dass sie zugleich Sanierungsträgerin und damit für die Erteilung der jedenfalls derzeit noch erforderlichen Genehmigung nach §§ 144 f. BauGB zuständig ist, verleiht ihr nach den vorstehenden Ausführungen nicht die Befugnis, die sich insoweit stellenden Fragen in dieses Verfahren einzubeziehen. Daran ändert auch die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Zuversicht nichts, die sanierungsrechtlichen Fragen würden zum Nachteil der Klägerin zu beantworten sein. Das wird zu gegebener Zeit zu entscheiden sein. So offensichtlich richtig, dass für eine Bescheidung der Bauvoranfrage kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, ist das jedenfalls nicht. Insoweit nimmt der Senat gemäß § 130 b Satz 2 VwGO auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug. Ergänzend ist anzumerken: Schon der Umstand, dass zwischen Aufstellungsbeschluss und Auslegung des Bebauungsplanes Nr. 1411 knapp vier Jahre verstrichen sind, zeigt, dass das Konzept, welches die Beklagte für diesen Bereich östlich des Engelbosteler Damms verfolgt, nicht ohne weiteres und damit offensichtlich richtig ist. Zu berücksichtigen ist, dass die Beklagte bei der Festlegung des Sanierungsgebiets Nordstadt (Satzung vom 28.6.1984, Abl.RBHan. Nr. 28 vom 27.12.1984) unter anderem die Beeinträchtigung der Wohnbebauung durch Gewerbe und Industrie als sanierungsbegründenden Umstand genannt hat. Gewerblich wird das hier in Rede stehende Gebäude der Klägerin darum nicht genutzt werden können. Der Bebauungsplan Nr. 1411 wird diesen Baulichkeiten voraussichtlich die Chance zu wirtschaftlich auskömmlicher Nutzung eröffnen müssen. Berücksichtigt man schließlich noch, dass unmittelbar anschließend schon Einzelhandelsnutzung betrieben wird, dann liegt es jedenfalls nicht als vollkommen und fraglos richtig auf der Hand, dass die von der Klägerin angestrebte Nutzung den Sanierungszielen widersprechen wird.

Die Beklagte setzt sich entgegen ihrer Befürchtung durch die Erteilung der erstrebten Bebauungsgenehmigung nicht der Gefahr aus, widersprüchliche Entscheidungen in die Welt zu setzen. Geltendes Bauplanungs- und Sanierungsrecht müssen nicht stets übereinstimmen. Führt das Sanierungsrecht zu einer Zurückstellung von Baugesuchen (vgl. nochmals BVerwG, Beschl. v. 25.10.1995 - 4 B 216.95 -, a.a.O.), dann kann diese Diskrepanz sogar über längere Zeit bestehen. Die Beklagte kann durch Aufnahme eines (möglicherweise auch aus haftungsrechtlichen Gründen veranlassten, oben schon genannten) Hinweises verdeutlichen, mit der Erteilung der Bebauungsgenehmigung sei über die daneben erforderliche sanierungsrechtliche Genehmigung eben noch nicht entschieden; ein dahingehender Vertrauenstatbestand werde mit dem Vorbescheid gerade nicht begründet.

Entgegen der Annahme der Beklagten wird diese mit der Bauvoranfrage auch nicht für nicht mehr schützenswerte Ziele in Anspruch genommen. Das anzunehmen käme allenfalls in Betracht, wenn vollkommen fraglos die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der angestrebten Nutzung auf der Hand läge und zudem nicht zu erwarten wäre, in dem Zeitraum, den § 77 NBauO daraufhin gewährt, sei mit einer Veränderung dieser Lage auch nicht zu rechnen. Hier fehlt es schon an Letzterem. Durch die in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage, ob die Klägerin am Ende ein echtes Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO zu errichten beabsichtige und dessen Zulässigkeit möglicherweise mit den Bestimmungen der Bauordnung für den Bereich der Hauptstadt B. kollidiere, hat die Beklagte zugleich belegt, dass auch die erste Voraussetzung nicht vorliegt.

Nach den vorstehenden Ausführungen bedarf es auch keiner näheren Darlegung, dass die von der Beklagten erneut in den Vordergrund gestellte Frage der Erschließung hier schon deshalb keine Rolle spielt, weil sie die Klägerin aus der Bauvoranfrage bewusst ausgeklammert hat. Die Behauptung der Beklagten, diese Frage werde nicht zum Vorteil der Klägerin zu beantworten sein, erweist sich ebenfalls nicht als offensichtlich richtig. Immerhin steht in unmittelbarer Nähe des Vorhabens ein Parkhaus. Über dessen Kapazitäten haben die Beteiligten so unterschiedliche Angaben gemacht, dass sich ein Offensichtlichkeitsurteil verbietet. Dasselbe gilt für die Annahme der Beklagten, die vom streitigen Vorhaben ausgelösten Verkehrsprobleme ließen sich nur dann in befriedigender Weise lösen, wenn in kurzer Entfernung zur verampelten Kreuzung Engelbosteler Damm/Haltenhoffstraße/Bodestraße auf der Bodestraße eine weitere Ampelanlage errichtet würde; das aber sei verkehrstechnisch unzulässig. Es liegt jedenfalls nicht als unmittelbar und ohne weiteres Prüfungserfordernis richtig auf der Hand, dass es einer solchen weiteren Ampelanlage bedarf. Aus Richtung Süden (Verlängerung Weidendamm) ließe sich das Parkhaus ohne weiteres anfahren; für die Gegenrichtung bedarf es möglicherweise schon jetzt einer Linksabbiegespur.

Ende der Entscheidung

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