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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 08.07.2004
Aktenzeichen: 1 LB 48/04
Rechtsgebiete: NBauO, VwVfG


Vorschriften:

NBauO § 86 I
NBauO § 92
VwVfG § 44 I
1. Erhebt der Eigentümer des belasteten Grundstücks gegen die Eintragung einer Baulast nicht rechtzeitig Widerspruch, hat er wegen der konstitutiven Wirkungen der Eintragung nur unter den Voraussetzungen des § 92 Abs. 3 NBauO oder im Falle ihrer Nichtigkeit einen Anspruch auf ihre Löschung.

2. Zur Bestimmtheit von Baulasten.


Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Marktstraße 26 in B. -F., welches im Jahre 1990 die Flurstücksbezeichnung 87/1 trug. Er begehrt die Löschung einer von seinem Rechtsvorgänger (Bruder) im Jahre 1990 zugunsten des südlichen Nachbargrundstücks eingetragenen Baulast unter anderem mit der Begründung, diese sei zu unbestimmt, abweichend von der Bestellung eingetragen worden, unwirksam, weil im Bereich der belasteten Fläche noch ein Gebäude stehe, und schließlich einem Kondiktionsanspruch ausgesetzt, weil die ihn begünstigende, korrespondierende Baulast zu Lasten des Grundstücks des Beigeladenen nicht eingetragen worden sei.

Das Grundstück des Klägers liegt an der Ostseite der Marktstraße und war zum Zeitpunkt der hier umstrittenen Baulast straßenseitig mit einem alten Wohnhaus bebaut. 30 m von der Straße entfernt steht ein als Scheune genutztes Gebäude auf einer Länge von ca. 15 m unmittelbar auf der Grenze zum Grundstück des Beigeladenen. Auf diesem (Marktstraße 22 - 24) steht nahe der Straße das Wohnhaus mit der Nummer 22. An dieses schließt sich - verbunden durch einen eingeschossigen Anbau - ein hufeisenförmiger, nach Westen geöffneter anderthalbgeschossiger Gebäudekomplex an, welcher (u.a.) als Scheune genutzt worden war. Dessen Nordflügel hält zum Grundstück des Klägers einen Abstand von 1,04 m bis 0,99 m ein. Diesen wollte die Rechtsvorgängerin des Beigeladenen, Frau G. C. im Jahre 1990 zu Wohnzwecken umbauen. Der Landkreis H. als damals zuständige Bauaufsichtsbehörde teilte ihr auf ihren Bauantrag vom 1. März 1990 mit, dieser sei jedenfalls derzeit nicht genehmigungsfähig. Denn das Gebäude halte in seiner neuen Nutzung die nunmehr geltenden Abstandsvorschriften nicht ein. Einklang mit dem geltenden Grenzabstandsrecht könne nur durch die Bestellung einer Abstandsbaulast auf dem Grundstück des Klägers geschaffen werden.

Der Bruder des Klägers trug sich ebenfalls mit Bauplänen (vgl. zum Folgenden Bl. 12 und 14 BA B). Zum einen wollte er das im straßenseitigen Teil seines Grundstücks stehende Wohnhaus durch einen Neubau ersetzen. Zum anderen wollte er das auf der Grenze stehende Scheunengebäude in höherwertiger Weise als Wohn- oder Werkstattgebäude nutzen.

Unter dem 7. Juni 1990 gaben sowohl die Rechtsvorgängerin des Beigeladenen als auch der Rechtsvorgänger des Klägers zu den Nummern 44 bzw. 43 der Urkundenrolle des Notars I. J. in H. für das Jahr 1990 eine Baulasterklärung ab.

Die Erklärung des Rechtsvorgängers des Klägers (Nr. 43 der Urkundenrolle des Notars J. für das Jahr 1990) hat u.a. den folgenden Wortlaut:

"Ich bin Eigentümer des ..... Grundstücks Gemarkung F., Flur 3, Flurstück 87/001 und erkläre gegenüber der Bauaufsichtsbehörde, folgende öffentlich rechtliche Verpflichtung, auch zu Lasten meiner Rechtsnachfolger, als Baulast gemäß § 92 Abs. 1 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) vom 23.7.1973 in der zur Zeit geltenden Fassung zu übernehmen:

Von dem vorgenannten Grundstück stelle ich einen 1,50 m breiten Streifen entlang der Südgrenze, der in dem amtlichen Lageplan gelb schraffiert ist, für den Umbau des ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäudes zum Wohnhaus auf dem Nachbargrundstück 88/2 zur Verfügung. Mit diesem Grundstücksstreifen soll der fehlende Grenzabstand kompensiert werden.

Gleichzeitig verpflichte ich mich meinerseits, von dieser gedachten Grenze Abstand zu halten. Letzteres gilt nicht für das auf der Grenze stehende Stall-/Scheunengebäude, solange sein Bestand geschützt ist."

Die Erklärung der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen (Nr. 44 der Urkundenrolle des Notars J. für das Jahr 1990) lautet im Wesentlichen:

"Der Landwirt K. A. ..... hat zu notariellem Protokoll des amtierenden Notars - UR 43/90 eine Baulast zugunsten des der Vertretenden gehörenden Grundstücks Gemarkung F. Flur 3, Flurstück 88/2 gemäß § 92 Abs. 1 der NBauO vom 23.7.1973 in der zur Zeit geltenden Fassung übernommen, betreffend das Grundstück F. Band 16, Blatt 502.

Die Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung F. Flur 3 Flurstück 88/2 verpflichtet sich, eine Baulast gleichen Inhalts dem Landwirt K. A. und seinen Rechtsnachfolgern einzuräumen gemäß Zeichnung, rot schraffiert."

Dieser Baulast war ein Auszug aus dem Flurkartenwerk beigefügt, welcher auf dem Grundstück des Klägers noch das Altgebäude (Fachwerk) verzeichnete und auf dem beginnend mit der Straße ein Streifen durch x-förmige Schraffur bezeichnet worden war, der ein kleines Stück über die Nordostecke des Scheunengebäudes hinausreichte und im Wesentlichen den Raum zwischen der Grundstücksgrenze und dem Scheunengebäude einnahm.

Der Notar reichte nur die Baulastbestellung zur Urkundenrollen-Nr. 43/90 am 20. Juni 1990 beim Landkreis H. in beglaubigter Fotokopie ein. Ihr war ein Auszug aus dem Lageplan beigefügt, auf dem das Grundstück des Beigeladenen insgesamt, das des Rechtsvorgängers des Klägers nur in seinen südlichen Ausläufern zu sehen ist. Die genaue Länge des Bereiches, auf den sich die Baulast beziehen sollte, ist daraus nicht zu ersehen, möglicherweise weil sich die gelbe Farbe - anders als die Rotschraffur auf der Anlage zur anderen Baulasterklärung - auf der Schwarzweißkopie nicht abbildete.

Der Landkreis H. weigerte sich zunächst, die Baulast (Urk.-Nr. 43/90) einzutragen. Er wies unter anderem darauf hin, dass diese zu unbestimmt sei, weil die Bemessungsfläche der Baulastfläche in dem bislang eingereichten Lageplan nicht verzeichnet sei. Da auch der Rechtsvorgänger des Klägers auf seinem Grundstück Baumaßnahmen erwäge, sei nicht klar, welche Baulastfläche zu kennzeichnen sei. Zur Klärung bitte er zu einem Gespräch. Dieses fand unter anderem unter Beteiligung des Notars J., des Rechtsvorgängers des Klägers sowie des Klägers selbst am 12. Juli 1990 in den Diensträumen des Landkreises H. statt. Aus der Ergebnisniederschrift vom 19. Juli 1990 (Bl. 12 BA B) ergibt sich: Der Rechtsvorgänger des Klägers war unter dem Vorbehalt eines Gespräches mit seinem Architekten grundsätzlich bereit, den Standort seines neuen Wohnhauses um 64 cm auf dann 5,36 m Abstand von der gemeinsamen Grundstücksgrenze nach Norden zu verschieben und so dem Umbauvorhaben von Frau G. C. zur Rechtmäßigkeit zu verhelfen. Dem Plan, die auf der Grenze stehende Scheune umzunutzen/umzubauen, hielten Mitarbeiter des Landkreises H. entgegen, dieses würde sowohl der beabsichtigten Baulast als auch den geltenden Grenzabstandsvorschriften widersprechen. Eine neue, höherwertige Nutzung müsse mit der in Aussicht genommenen Baulast einen Abstand von 4,50 m, ohne diese noch immer einen Abstand von 3,00 m zur Grenze einhalten. Auf dem Grundstück des Beigeladenen könne keine Baulast eingetragen werden, welche seinem Grenzgebäude zur Baurechtmäßigkeit verhelfe.

Unter Beifügung dieser Ergebnisniederschrift teilte der Landkreis H. unter dem 19. Juli 1990 dem Notar J. mit, dass eine Eintragung der bestellten Baulast nicht in Betracht komme; denn der Rechtsvorgänger des Klägers habe mit Schreiben vom 14. Juli 1990 zwischenzeitlich erklärt, eine Baulast zugunsten von Frau G. C. komme nicht mehr in Frage.

Dasselbe teilte er unter dem 6. August 1990 Frau G. C. mit. In diesem Schreiben führte er auch aus, der Rechtsvorgänger des Klägers habe zwischenzeitlich seinen Bauantrag für den Neubau eines Wohnhauses geändert und statt des bei Bestellung der Baulast erforderlichen Abstandes von 5,36 m nur noch einen Abstand von (5,36 m - die in der Baulast bezeichneten 1,50 m =) 3,86 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze angegeben. Die Baulast sei zudem aus formellen Gründen nicht eintragungsfähig, weil sie zu unbestimmt sei. Er frage daher an, ob sie ihren Bauantrag aufrechterhalte.

Auf Aufforderung des Landkreises H. vom 29. August 1990 reichte der Notar J. die Baulastbestellung am 31. August 1990 erneut, wiederum aber nur in Ablichtung, beim Landkreis H. ein. Nunmehr war in dem beigefügten Lageplan auf dem Grundstück des Klägers ein breiter gelber Strich eingezeichnet, welcher in etwa in der Höhe des Nordflügels des ehemaligen Scheunengebäudes auf dem Grundstück des Beigeladenen und durch die auf der Grenze stehende Scheune hindurch verläuft. Anfang und Ende dieses gelben Striches sind nicht genau auszumachen.

Ausweislich eines Schreibens des Landkreises H. vom 5. September 1990 an den Notar J., das in Abschrift an Frau G. C. und den Rechtsvorgänger des Klägers ging, änderte der Rechtsvorgänger des Klägers seine Baupläne für das neue Wohnhaus in einer dem Vorhaben von Frau G. C. günstigen Weise ab. Mit Rücksicht darauf stellte der Landkreis H. seine Bedenken bezüglich der fehlenden präzisen Abmessung der Abstandsfläche zurück und teilte seine Absicht der Eintragung mit. Mit der Eintragung könne Frau G. C. einen 1,50 m breiten Streifen entlang der gemeinsamen Grenze für den Ausbau der ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäude in Anspruch nehmen. Der vorgelegte Entwurf sei allerdings noch immer nicht ganz genehmigungsfähig, da der darin (am östlichen Ausläufer des Daches) vorgesehene Erker in die Abstandsfläche hineinrage. Hier sei eine Umplanung erforderlich.

Am 20. September 1990 trug der Landkreis H. die Baulast mit folgendem Wortlaut unter der Nr. 993 in das Baulastenverzeichnis ein:

"Der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Flurstück 87/1 der Flur 3 Gemarkung F. stellt eine Teilfläche seines vg. Grundstücks in einer Breite von 1,50 m und in einer Länge, die in dem der Baulasterklärung - Urk.Ro.Nr. 43/90 - beigefügten Lageplan gelb gekennzeichnet ist, für die geplante Bebauung auf dem Nachbargrundstück Flurstück 88/2 für die Bemessung des Grenzabstandes zur Verfügung. Gleichzeitig verpflichtet er sich, mit seinen baulichen Anlagen von dieser Teilfläche den erforderlichen Grenzabstand einzuhalten."

Unter dem 20. September 1990 unterrichtete der Landkreis H. den Rechtsvorgänger des Klägers, den Notar sowie Frau G. C. von der Eintragung. Der Wortlaut der Eintragung war der Erklärung beigefügt. Die Nutzungsänderung auf dem Grundstück des Beigeladenen nahm der Rechtsvorgänger des Klägers hin. Mit Schreiben vom 16. August 1992 (Bl. 37 BA B) beklagte er allerdings gegenüber dem Landkreis H., er habe keinen "Lageplan, wo die besagte Fläche eingezeichnete ist, erhalten". Daraufhin sandte ihm der Landkreis H. unter dem 24. August 1992 einen Auszug aus dem aktuellen Lageplan und erläuterte die neuen Flurstücksbezeichnungen.

2001 ließ der Beigeladene den östlichen Teil des einst für Wohnzwecke genehmigten Nordflügels der Scheune nebst deren Ostflügel zu einem Beherbergungsbetrieb umbauen. Die erst nachträglich erteilte Baugenehmigung focht der Kläger mit dem Widerspruch an. Über diesen ist noch nicht abschließend entschieden. Bei in diesem Zusammenhang angestellten Nachforschungen erfuhr der Kläger, dass die am 7. Juni 1990 zur Urkunden-Nr. 44/90 bestellte Baulast nicht eingetragen worden war. Seinen daraufhin gestellten Antrag, die von seinem Rechtsvorgänger zugunsten des Grundstücks des Beigeladenen zur Urk.-Nr. 43/90 erklärte Baulast zu löschen, lehnte der Beklagte ab. Der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen und mit dem Antrag geführten Klage, den Bescheid der Beklagten vom 19. September 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung H. vom 10. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Baulast im Baulastenblatt B. -F. 993 zu löschen, hat das Verwaltungsgericht mit der hier angegriffenen Entscheidung stattgegeben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht insbesondere das Folgende ausgeführt:

Dem Kläger stehe entsprechend den Ausführungen im Senatsurteil vom 27. September 2001 (- 1 LB 1137/01 -, BauR 2002, 770 = NdsVBl. 2002, 188) ein Löschungsanspruch zu. Denn die Baulast sei zu unbestimmt (verwiesen wird auf OVG Münster, Urt. v. 29.9.1978 - XI A 112/78 -, BRS 33 Nr. 156). Die Baulasterklärung sei nicht im gebotenen Maße unzweideutig. Da die Abstandsbaulast einem Verzicht auf nachbarliche Abwehrrechte gleichkomme, hätte das Vorhaben der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen unmissverständlich umrissen sein müssen. Das sei nicht geschehen. Insbesondere ergebe sich aus der Baulasterklärung nicht, welchen Umfang die Umbaumaßnahmen am ehemaligen Scheunengebäude haben sollten und ob dessen Dach durch Gauben o.Ä. habe erweitert werden sollen. Unbestimmt sei die Baulasterklärung außerdem deswegen, weil ihre Reichweite völlig unzureichend bezeichnet worden sei; weder der Anfangs- noch der Endpunkt des gelben Striches seien genau auszumachen. Unwirksam sei die Baulast schließlich deshalb, weil in ihrem Bereich auf dem Grundstück des Klägers ein Gebäude stehe. Die Abstandsfläche stehe damit nicht, wie erforderlich, auch tatsächlich zur Verfügung. Deswegen könne sie ihre Aufgabe, dem damaligen Vorhaben der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen zur Baurechtmäßigkeit zu verhelfen, nicht erfüllen.

Auf Antrag des Beigeladenen hat der Senat durch Beschluss vom 17. Februar 2004 - 1 LA 135/03 - die Berufung zugelassen. Zu deren Begründung macht dieser geltend:

Das Verlangen des Klägers verstoße gegen Treu und Glauben. Denn aufgrund der streitigen Baulast sei seiner Rechtsvorgängerin eine Baugenehmigung erteilt worden, welche längst bestandskräftig sei. Der Löschungsanspruch sei zudem verwirkt, weil sich der Kläger bzw. sein Rechtsvorgänger 10 Jahre lang nicht gerührt habe. Ein Löschungsanspruch bestehe nur dann, wenn die Baulast zur Herstellung rechtmäßiger Zustände nicht mehr benötigt werde oder nichtig sei. Beides sei nicht der Fall. Die Baulast sei noch immer für die Rechtmäßigkeit der im Grenzbereich seines Grundstücks betriebenen Nutzung erforderlich. Die Baulast sei auch nicht nichtig. Insbesondere sei sie entgegen der Annahme des Klägers nicht annähernd so unbestimmt oder fehlerbehaftet, wie dies zur Annahme ihrer Nichtigkeit erforderlich sei. Schon aus den Maßangaben (Abstand: 1,50 m) und der Bezeichnung des Vorhabens (Umbau des ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäudes zu Wohnzwecken) sei abzuleiten, in welchem Umfang das Grundstück des Klägers benötigt werde, um dem vorhandenen Baubestand zur Rechtmäßigkeit zu verhelfen. Hierdurch werde zugleich geklärt, ob und welchen Umfangs das Gebäude Erker, Gauben oder sonstige abstandsrechtlich relevante Dachaufbauten erhalten dürfe. Mehr an Bestimmtheit sei nicht zu fordern. Anders als in dem vom Senat unter dem 27. September 2001 entschiedenen Fall gehe es hier nicht um eine Baulast nach § 8 Abs. 2 NBauO, welche einen "entsprechenden" Anbau erfordere, sondern um die Anwendung von § 9 NBauO. Deren Wirksamkeit stehe auch nicht entgegen, dass im belasteten Bereich das Grenzgebäude des Klägers stehe. Denn nach zutreffender Auffassung dürften Gebäude, welche nach den Vorschriften der NBauO unmittelbar auf der Grenze errichtet werden dürften, auch dann dort stehen, wenn sich der Eigentümer des belasteten Grundstücks im Übrigen verpflichtet habe, von dieser Abstand zu halten.

Der Beigeladene beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Beklagte unterstützt das Vorbringen des Beigeladenen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie verweist auf die Entscheidung des OVG Saarlouis vom 18. Juni 2002 (- 2 R 2/01 -, NJW 2003, 768) und ergänzt:

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts müsse das Vorhaben, dem die Baulast diene, nicht sozusagen zentimetergenau beschrieben werden. Die Verknüpfung mit der zweiten Baulast sei rein privatrechtlicher Natur; ihre unterlassene Eintragung führe daher in dem hier allein interessierenden öffentlich-rechtlichen Verhältnis nicht zur Unwirksamkeit oder gar Nichtigkeit der angegriffenen Baulast.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beigeladenen zurückzuweisen.

Er erwidert:

Sein Begehren verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Ein solcher Verstoß falle vielmehr dem Beigeladenen zur Last. Der habe in doloser Weise und unter Ausnutzung der rechtlichen Unerfahrenheit seines Bruders dafür gesorgt, dass lediglich die ihn begünstigende Baulast eingetragen worden sei. Die angegriffene Entscheidung halte den Angriffen des Beigeladenen stand. Auch nach der Fassung, welche § 92 Abs. 1 Satz 1 NBauO durch die NBauO-Novelle 1986 erhalten habe, könne eine bestandskräftig eingetragene Abbaulast nach Ablauf der Anfechtungsfrist nicht nur im Falle ihrer Nichtigkeit wieder gelöscht werden. Sinn und Zweck des § 92 Abs. 1 Satz 2 NBauO bestehe darin, dem Baulastverzeichnis eine Art Gutglaubensschutz entsprechend dem Grundbuch zu verschaffen. Auf Mängel in der Baulasterklärung könne sich der Eigentümer des belasteten Grundstücks daher so lange berufen, wie ein Bedürfnis nach Gutglaubensschutz im grundbuchrechtlichen Sinne nicht bestehe. Das entstehe erst dann, wenn am bisherigen Geschehen nicht beteiligte Dritte das Eigentum an einem der Grundstücke erhielten. Ein solcher Fall sei hier gegeben. Zudem könne die konstitutive Wirkung, welche der Eintragung von Baulasten nach der NBauO-Novelle1986 zukommen solle, nicht so weit gehen, dass sich der Verwaltungsakt "Eintragung" trennend zwischen die Willenserklärung "Baulast" und die Entstehung der Baulast schiebe. Darauf komme es hier unter anderem deshalb wesentlich an, weil der Wortlaut der Eintragung von dem der Baulastbestellung abweiche. Jedenfalls in der eingetragenen Variante sei die Baulasterklärung in einer zur Nichtigkeit führenden Weise zu unbestimmt. Der Löschungsanspruch ergebe sich außerdem daraus, dass die zweite Baulast, deretwillen sein Rechtsvorgänger die ihm außerordentlich nachteilige Baulast bestellt habe, nicht eingetragen worden sei. Das belaste die eingetragene Baulast mit einem Kondiktionsanspruch, den er schon der Zulässigkeit der Berufung entgegensetzen könne. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Baulast, um deren Beseitigung er kämpfe, dem Beigeladenen gar nicht mehr von Nutzen sein könne; denn dieser habe mit der Einrichtung eines Hotels eine Nutzung aufgenommen und dem Dach eine Gestalt gegeben, welche nach dem Inhalt der Baulast nicht zulässig seien. Zu seinen Gunsten streite schließlich, dass im Bereich der Baulast auf seinem Grundstück ein Gebäude stehe, das mit deren Inhalt nicht zu vereinbaren sei; Baulastflächen müssten unbebaut sein. Jedenfalls das hier in Rede stehende Gebäude (Scheune) sei nicht durch § 12 NBauO abstandsrechtlich privilegiert und könne daher nicht trotz der Baulast zugelassen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten von Vortrag und Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, welche in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beigeladenen ist zulässig. Der Kläger kann keine ihm positiven Rechtsfolgen daraus herleiten, dass es die Beklagte (ihre Rechtsvorgängerin) dem Beigeladenen überlassen hat, gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts ein Rechtsmittel zu ergreifen. Auch wenn die Beklagte die Entscheidung damit für sich akzeptiert zu haben scheint, ist der Beigeladene damit nicht, wie der Kläger andeutet, gehindert, sein Rechtsmittel in zulässiger Weise zu verfolgen. Denn es handelt sich um einen Fall der notwendigen Beiladung. Diese Rechtsposition verleiht dem Rechtsmittelführer das Recht, jede Entscheidung anzugreifen, welche die ihm durch die Eintragung der streitigen Baulast zugewachsene Rechtsposition zu beseitigen droht.

Die auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Dem Kläger steht kein Recht auf Löschung der streitigen Baulast zu.

Seine Klage ist entgegen der Annahme des Beigeladenen allerdings nicht (schon) unzulässig. Der behauptete Löschungsanspruch ist insbesondere nicht verwirkt. Die Annahme der Verwirkung kommt erst dann in Betracht, wenn ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht worden ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die nunmehrige Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Dazu muss beim Verpflichteten ein Vertrauenstatbestand, d.h. der berechtigte Eindruck entstanden sein, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Das daraufhin gebildete Vertrauen muss der Verpflichtete zudem betätigt, d.h. er muss sich so auf diesen Zustand eingerichtet haben, dass die nunmehrige Geltendmachung des Rechts unzumutbare, durch Interessen des Berechtigten nicht mehr kompensierte Nachteile zur Folge haben würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.5.1991 - 4 C 4.89 -, NVwZ 1991, 1182 = BauR 1991, 597 = BRS 52 Nr. 218).

Ein solcher Fall ist hier schon deswegen nicht gegeben, weil der Kläger seinen Anspruch unter anderem daraus herleitet, dass der Beigeladene die Nutzung des unter Ausnutzung der streitigen Baulast umgebauten Gebäudeteils geändert habe. Der mit der Klage behauptete Anspruch wäre danach gerade erst entstanden. Da der Kläger gegen diese Maßnahme alsbald Widerspruch eingelegt hat, fehlt es schon an dem längeren Zeitraum fehlender Geltendmachung des (nunmehr) behaupteten Rechts.

Für die Klage besteht auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Beigeladene leitet die Rechtmäßigkeit der Umnutzung unter anderem aus der hier umstrittenen Baulast her. Dem Kläger wäre daher "damit gedient", wenn die Baulast entfiele.

Der behauptete Löschungsanspruch besteht indes in der Sache nicht. Er wäre nur dann begründet, wenn entweder an der Beibehaltung der streitigen Baulast kein öffentliches oder privates Interesse mehr bestünde und damit § 92 Abs. 3 Satz 1 NBauO zugunsten des Klägers eingriffe, oder wenn die streitige Baulast nichtig wäre. Beides ist nicht der Fall.

Die Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 NBauO scheitert schon daran, dass der Beigeladene ein privates Interesse an ihrer Aufrechterhaltung hat. Es unterliegt zwar beträchtlichen Zweifeln, ob diese schon nach dem Wortlaut der Eintragung ("geplante Bebauung auf dem Nachbargrundstück"), erst recht nach ihrer Bewilligung ("Umbau des ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäudes zum Wohnhaus") eingeschränkte Baulast auch die Nutzung einschließt und abstandsrechtlich zu rechtfertigen vermag, welche der Beigeladene zwischenzeitlich mit nachträglicher, nicht bestandskräftiger Genehmigung der Beklagten aufgenommen hat. Darauf, insbesondere ob Einschränkungen im Bestellungsvorgang die Rechtswirkungen der Baulast bei späterer Nutzungsänderung entfallen lassen, kommt es indes für die hier zu entscheidende Frage nicht wesentlich an. Selbst wenn der Rechtsbehelf des Klägers erfolgreich sein würde, behielte der Beigeladene ein die Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 NBauO ausschließendes privates Interesse an deren Beibehaltung. Denn in diesem Falle würde er zur "Rettung" der Nutzbarkeit des Nordflügels der ehemaligen Scheune aller Voraussicht nach zur Wohnnutzung zurückkehren, diese allerdings nur bei Fortdauer der streitigen Baulast auch betreiben lassen können. Schon diese Möglichkeit schließt es aus, dem Kläger einen Löschungsanspruch aus § 92 Abs. 3 Satz 1 NBauO einzuräumen.

Der Kläger kann dem Beigeladenen in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg entgegenhalten, seine Rechtsvorgängerin habe seinerzeit ihre Bauabsichten auf der Grundlage einer Befreiung nach § 86 Abs. 1 NBauO verwirklichen können, der Beigeladene sei auch jetzt gebunden, dies unter Wegfall der angegriffenen Baulast zu tun. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Selbst wenn diese Möglichkeit uneingeschränkten Umfangs bestünde, entfiele das private Interesse an der Beibehaltung der Baulast nicht. Denn dieser Weg stellte dann allenfalls ein gleich gutes Instrument zur legalen baulichen Nutzung des Nordflügels der ehemaligen Scheune dar. Das private Interesse an der Beibehaltung der Rechtsposition entfällt erst dann, wenn dem Baulastbegünstigten ein rechtlich gesicherter und baurechtlich "besserer" Weg nicht nur offen stünde, sondern schon verwirklicht wäre, welcher die bauliche Ausnutzung des vorhandenen Baubestandes sicherte.

Hier kommt entscheidend hinzu, dass der vom Kläger gewiesene Weg dem Beigeladenen nicht annähernd die Rechtsvorteile verspricht, die er mit der Innehaltung der Baulastbegünstigung bereits genießt. Es trifft zwar zu, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 16.5.1991 - 4 C 17.90 -, BVerwGE 88, 191 = DVBl. 1991, 819 = NJW 1991, 3293 = BRS 52 Nr. 157) die Anwendung der landesrechtlichen Befreiungsvorschriften, hier also des § 86 Abs. 1 NBauO in Betracht kommt, wenn die Frage ansteht, ob vorhandene und verwertbare Bausubstanz einer neuen Nutzung zugeführt werden kann, obwohl dies dem gegenwärtig geltenden Grenzabstandsrecht widerspricht. § 86 Abs. 1 NBauO ist hier indes nicht so verlässlich zum Vorteil des Beigeladenen anzuwenden, dass dieser auf diesen Weg verwiesen und ihm zugemutet werden könnte, schon mit Blick darauf sein privates Interesse im Sinne des § 92 Abs. 3 Satz 1 NBauO fahren zu lassen. Eine Anwendung der Befreiungsvorschriften setzt nach der zitierten Entscheidung unter anderem voraus, dass das Gebäude in Einklang mit dem seinerzeit geltenden Grenzabstandsrecht errichtet worden ist und der Umnutzung berechtigte und mehr als geringfügige Belange der Allgemeinheit an der neuen Nutzung nicht entgegenstehen. Dabei ist unter anderem das Gewicht des Interesses einzustellen, welches der Gesetzgeber mit der neuen Ausgestaltung der Grenzabstandsvorschriften verfolgt, und sind außerdem nachbarliche Interessen zu berücksichtigen, nunmehr die Vorteile des neuen Grenzabstands genießen zu dürfen.

Gemessen daran bietet die Beibehaltung der angegriffenen Baulast dem Beigeladenen einen weit größeren Schutz. Angesichts der ausgesprochen geringen Abstände zur nördlichen Grundstücksgrenze ist schon zweifelhaft, ob die Scheune bei ihrer Errichtung die damals geltenden Grenzabstandsvorschriften eingehalten hat. Es ist außerdem jedenfalls nicht sicher "ausgemacht", dass es sich bei der 1990 vorhandenen Bausubstanz um eine handelte, welche sich im Sinne der zitierten Entscheidung noch als so erhalten und verwertbar darstellte, dass deshalb das Interesse des Klägers/seines Bruders hätte zurücktreten müssen, welches an der Durchsetzung der nunmehr geltenden Grenzabstandsvorschriften besteht. Der Weg über § 86 Abs. 1 NBauO verschafft dem Beigeladenen - ungeachtet der Schwierigkeiten, welche sich aus der Umnutzung ergeben möchten - daher nicht annähernd die Sicherheit, welche ihm die Beibehaltung der hier angegriffenen Baulast verheißt.

Eine dem Kläger günstige Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 NBauO ist auch nicht mit Rücksicht darauf gerechtfertigt, dass die Baulast mit einem anderen als dem notariell beurkundeten Inhalt eingetragen worden ist. Das öffentliche Interesse an der Baulast fehlt im Sinne des § 92 Abs. 3 Satz 1 NBauO nicht schon dann, wenn der Inhalt ihrer Bestellung und der Eintragung - wie hier - nicht vollständig übereinstimmen. Dazu ist Folgendes auszuführen:

§ 92 Abs. 1 Satz 2 NBauO hat seine heute und auch schon bei Bestellung und Eintragung der hier streitigen Baulast maßgebliche Fassung durch Art. I Nr. 86 lit. a) des Fünften Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Bauordnung (vom 11.4.1986, GVBl. S. 103) mit Wirkung zum 1. Mai 1986 (Art. V des Änderungsgesetzes 1986) erhalten. Nunmehr wird ausdrücklich angeordnet, dass Baulasten (nicht etwa schon mit ihrer Bestellung, sondern erst) mit der Eintragung in das Baulastenverzeichnis wirksam werden und (das ist keine Änderung) auch gegenüber den Rechtsnachfolgern gelten. Der Zweck dieser Neufassung besteht nicht nur darin, erst ab dem Zeitpunkt Gutglaubensschutz zu vermitteln, zu dem das Eigentum an dem Grundstück gewechselt hat, d.h. sich im Konfliktfall nicht mehr die seinerzeitigen Vertragspartner gegenüberstehen. Abgesehen davon, dass auch dies hier der Fall wäre - sowohl das belastete als auch das durch die hier streitige Baulast begünstigte Grundstück stehen nicht mehr im Eigentum derselben Person -, ergibt sich der weitergehende Zweck, nach Ablauf der Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen die (konstitutive Wirkung der) Eintragung den Inhalt der Eintragung grundsätzlich auch dann maßgeblich sein zu lassen, wenn er nicht der geltenden Rechtslage entspricht, mit hinreichender Eindeutigkeit aus den Gesetzesmaterialien. Im Regierungsentwurf (LT-Dr. 10/3480, S. 86 zu Art. I Nr. 86 des Entwurfs) wird ausgeführt: Bislang habe die Eintragung der Baulast nur deklaratorische Wirkung. Das führe in den Fällen zu Schwierigkeiten, in denen die Baulasterklärung aus der Sicht der Bauaufsichtsbehörde fehlerhaft sei. Dabei bleibe offen, ob eine fehlerhafte Übernahmeerklärung die Baulast gar nicht entstehen lasse oder auch fehlerhaft bestellte Baulasten entstehen könnten. Abgesehen davon könne nach dem bisher geltenden Recht niemand darauf vertrauen, dass außer den im Baulastenverzeichnis eingetragenen Baulasten nicht noch weitere, wirksam bestellte bestünden. Diesen Schwierigkeiten wolle die Neuregelung abhelfen. Die Eintragung erhalte mit ihr konstitutive Wirkung.

Die Neuregelung ist damit von einem doppelten Gedanken getragen. Zum einen soll zum Schutze Dritter (namentlich von Kaufinteressenten) ausgeschlossen werden, dass auf dem Grundstück unerkannt und nicht erkennbar öffentlich-rechtliche Lasten ruhen, welche dessen bauliche Ausnutzbarkeit einschränken. Zum anderen - und das ist hier von ausschlaggebendem Interesse - soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich Baulasten in der Vergangenheit trotz Einschaltung von Notaren als rechtswidrig erwiesen haben und daher zum Teil noch nach Jahren, aber eben auch zwischen denselben Beteiligten Streitfragen um deren Wirksamkeit und die Rechtmäßigkeit daraufhin durchgeführter Baumaßnahmen stellen.

Insbesondere dieser letzte Gedanke ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht modifiziert worden. Der Ausschuss für Bau- und Wohnungswesen schlug in seiner Beschlussempfehlung (LT-Dr. 10/5620, S. 55) insoweit keine Änderung des Regierungsentwurfes vor. In seinem Schriftlichen Bericht (LT-Dr. 10/5715, S. 27 f.) wird lediglich - mit dann Gesetz gewordenem Ergebnis - diskutiert, ob man nicht entgegen dem Regierungsentwurf trotz bisher gemachter und in die Erwägungen zur neuen Gesetzesfassung damit einbezogener schlechter Erfahrungen die Baulastbestellung vor Notaren zulassen solle. Die konstitutive Wirkung, welche die Baulasterklärung nunmehr erhalten solle, wurde nur unter dem Gesichtspunkt diskutiert, wie sich dann Änderungen auswirken könnten, welche zwischen der Baulastbestellung und ihrer Eintragung einträten. Außerdem wurde diskutiert, ob Baulasten nicht ins Grundbuch eingetragen werden sollten, um dem Käufer zu ersparen, zwei Register konsultieren zu müssen; das wurde unter Hinweis auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Grundbuchrecht verworfen.

Das heißt: Entgegen der Annahme des Klägers soll die konstitutive, d.h. die mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist Einwendungen einschränkende, wenn nicht sogar ausschließende Wirkung der Baulasteintragung nicht erst dann eintreten, wenn das belastete Grundstück im Sinne der zivilrechtlichen Gutglaubensschutzvorschriften Objekt eines Verkehrsgeschäftes geworden war. Ganz maßgebliches Motiv für die Einführung der konstitutiven Wirkung war vielmehr unter anderem und insbesondere die - im Ausschuss für Bau- und Wohnungswesen unter dem Gesichtspunkt "Bestellung durch Notare oder nur vor den Bauaufsichtsbehörden?" diskutierte - Beobachtung, dass die Bestellung von Baulasten jedenfalls in der Vergangenheit fehleranfällig war und solche Fehler auch in Zukunft auftreten können. Hier sollte gerade im Verhältnis der ursprünglichen Grundstückseigentümer für Rechtsklarheit gesorgt werden. Dritten gegenüber sollte Rechtsklarheit außerdem dadurch geschaffen werden, dass der Inhalt des Baulastenverzeichnisses nunmehr den Anschein der Vollständigkeit genießen sollte; außerhalb dieses Verzeichnisses sollte es keine (weiteren) wirksamen Baulasten mehr geben können.

In diesem Zweck eingeschlossen ist, dass eine Baulast auch/selbst dann noch immer im öffentlichen Interesse liegen kann, wenn - wie hier hinsichtlich der Bezeichnung des begünstigten Vorhabens in gewissem Umfang der Fall - der eingetragene vom bestellten Inhalt abweicht. Gerade dann besteht zwischen den an ihrem Zustandekommen unmittelbar Beteiligten ein erhebliches Interesse an der konstitutiven Wirkung. Denn die Bauaufsichtsbehörde wird sich bei der Entscheidung über die Zulassung des begünstigten Vorhabens in aller Regel an den eingetragenen Inhalt halten. Dementsprechend stark ist das Interesse des Bauherrn an der Aufrechterhaltung des ihn begünstigenden Zustandes ausgeprägt. Die Interessen des Baulastgebers werden mit dieser Auffassung nicht unangemessen hintangestellt. Denn dieser kann durch schlichten, besondere baurechtliche Kenntnisse nicht voraussetzenden Vergleich zwischen dem Inhalt der Bestellung und der im Wortlaut mitgeteilten Eintragung ergründen, ob dabei Differenzen bestehen, und entsprechende Einwendungen durch Widerspruch geltend machen. Dafür stand dem Bruder des Klägers hier sogar ein volles Jahr zur Verfügung, da der Eintragungsnachricht keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt worden war. Diese Möglichkeit hat er nicht genutzt.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich damit zugleich, dass dem Kläger ein Anspruch auf Löschung der Baulast - von dem oben erörterten § 92 Abs. 3 Satz 1 NBauO abgesehen - nur dann zustünde, wenn diese nichtig wäre (vgl. a. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, Komm., 7. Aufl., § 92 Rdnr. 67; OVG Bremen, Urt. v. 21.10.1997 - 1 BA 23/97 -, BRS 60 Nr. 120 = NVwZ 1998, 1322). Auf die Senatsentscheidung vom 27. September 2001 (- 1 LB 1137/01 -, BauR 2002, 70 = NdsVBl. 2002, 188 = NdsRpfl. 2002, 177) kann sich der Kläger dabei nicht berufen. Denn die damalige Klägerin hatte rechtzeitig, d.h. innerhalb der Rechtsbehelfsfristen Einwendungen erhoben. Die Entscheidung des OVG Münster vom 29. September 1978 (- XI A 112/78 -, BRS 33 Nr. 156) kann der Kläger entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht fruchtbar machen; denn diese betrifft eine nordrhein-westfälische Gesetzeslage, welche die konstitutive Wirkung der Baulasteintragung (noch) nicht kannte. Die durch Art. I Nr. 86 des Fünften Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Bauordnung (vom 11.4.1986, GVBl. S. 103) eingeführte konstitutive Wirkung der Baulasteneintragung hat zur Folge, dass diese nur im Falle ihrer rechtzeitigen Anfechtung uneingeschränkt auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und im Übrigen nur dann aus dem Baulastenverzeichnis zu entfernen ist, wenn sie nichtig ist. Nichtigkeitsgründe im Sinne von § 44 Abs. 2 VwVfG liegen nicht vor und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Besonders schwerwiegende und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtliche Fehler, welche gem. § 44 Abs. 1 VwVfG zur Nichtigkeit führen, sind ebenfalls nicht gegeben. Zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes führen nur solche Fehler, welche ihm einen Inhalt geben, der mit der rechtsstaatlichen Ordnung und den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verwaltung unter keinen Umständen vereinbar sein kann, und es damit ausgeschlossen ist, der Baulast den Anschein der Wirksamkeit oder auch nur eine vorläufige Geltung zu belassen. Das sind nur solche Rechtsfehler, welche tragende Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanente Wertvorstellungen widersprechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.2.1985 - 8 C 107.85 -, DVBl. 85, 624 = BRS 43 Nr. 130 = NJW 1985, 2658). Besonders schwerwiegend im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG sind daher nur solche Fehler, welche die Aufrechterhaltung seiner Wirksamkeit als schlechterdings unerträglich erscheinen lassen. Eine Faustformel bietet dafür die Kontrollfrage, ob der Gesetzgeber eine solche Rechtsfolge hätte anordnen können, ohne damit die genannten Verfassungsprinzipien und der Rechtsordnung immanente Wertvorstellungen zu verletzen. Das ist hier nicht der Fall.

Der Umstand, dass die von der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen zur Urk.-Nr. 44/1990 bestellte Baulast zugunsten des klägerischen Grundstücks nicht eingetragen worden ist, ist für die Gültigkeit der hier angegriffenen öffentlich-rechtlich ohne jede Bedeutung. Beide Erklärungen verschränken nach ihrem Wortlaut beide Baulasten nicht derart miteinander, dass ihre Gültigkeit von der jeweils anderen abhinge. Die Erklärung des Rechtsvorgängers des Klägers (Urk.-Nr. 43/1990) enthält überhaupt keinen Bezug zu der Erklärung der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen. Deren Erklärung (Urk.-Nr. 44/1990) nimmt zwar Bezug auf die Baulasterklärung der Klägerseite, jedoch nur zu dem Zweck, ihren Inhalt zu bezeichnen. Nach Art korrespondierender Bedingungen wird die Rechtswirksamkeit beider Baulasterklärungen vom Bestand der jeweils anderen damit nicht abhängig gemacht.

Der Kläger kann der eingetragenen Baulast auch nicht mit der Nichtigkeitsfolge entgegenhalten, diese sei wegen der fehlenden Eintragung der ihn begünstigenden Baulast seinem Kondiktionsanspruch ausgesetzt. Abgesehen davon, dass beide Baulasterklärungen nach den vorstehenden Ausführungen nicht in einer Weise rechtlich verschränkt sind, welche dem Kläger einen Kondiktionsanspruch verschaffte, kann dieser Einwand hier schon deshalb nicht durchdringen, weil der Kondiktionsanspruch nur gegenüber dem Beigeladenen und damit nicht in dem prozessrechtlichen Verhältnis bestünde, das er mit der Klage - gegenüber der Bauaufsichtsbehörde - begründet hat.

Der behauptete Kondiktionsanspruch steht dem Recht auf Aufrechterhaltung der Baulast zudem nicht in der Weise entgegen, dass es - was rechtlich allein ausreichen würde - sofort ("statim redditurus") wieder zurückzugeben wäre. Jedenfalls für eine Rückkehr zur Wohnnutzung kann der Beigeladene deren Aufrechterhaltung beanspruchen.

Mangelnde Bestimmtheit führt ebenfalls nicht zur Annahme der Nichtigkeit. Stellt man auf den Inhalt der beurkundeten Baulasterklärung ab, so stellte sich sogar die Frage, ob diese den Anforderungen vollauf genügt, welche der Senat in seiner Entscheidung vom 27. September 2001 - 1 LB 1137/01 -, BauR 2002, 70 = NdsVBl. 2002, 188 formuliert hat. Dort heißt es unter anderem:

Das Maß der Bestimmtheit, welche eine Verpflichtungserklärung gemäß §§ 8 Abs. 2 Satz 1, 92 Abs. 1 NBauO haben muss, richtet sich nach den allgemeinen, u.a. auch für Verwaltungsakte geltenden und in der Rechtsprechung geklärten Kriterien. Danach ist dem Bestimmtheitserfordernis (§ 37 Abs. 1 VwVfG) genügt, wenn der Wille der Behörde/des Erklärenden für die Beteiligten des Verfahrens, in dem der Verwaltungsakt erlassen/die Willenserklärung abgegeben wird, unzweideutig erkennbar und keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.1.1993 - 8 C 57.91 -, KStZ 1993, 93 = ZMR 1993, 480 unter Hinweis auf Beschl. v. 27.7.1982 - 7 B 122.81 -, Buchholz 316 § 37 VwVfG Nr. 1; Urt. v. 15.5.1986 - 5 C 33.84 -, Buchholz 424.01 § 19 FlurbG Nr. 12). Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, hängt vom jeweiligen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes und dem mit ihm verfolgten Zweck ab (BVerwG, Beschl. v. 14.3.1990 - 4 C 45.90 -, Buchholz 316 § 37 VwVfG Nr. 7). Auch Willenserklärungen müssen dementsprechend so formuliert werden, dass sich ihr Inhalt und ihre Tragweite objektiv hinreichend, d.h. ohne unterschiedlichen subjektiven Bewertungen zugänglich zu sein, ermitteln lässt. Das abverlangte Tun muss mit anderen Worten so eindeutig bezeichnet werden, dass der Umfang von Vollstreckungsmaßnahmen ausreichend umrissen werden kann. Etwaige Auslegungsprobleme sind so lange unschädlich, wie der Inhalt des geforderten Tuns aus dem Text oder beigefügten Plänen hinreichend verlässlich ermittelt werden kann.

Baulasterklärungen müssen daher nicht nur so eindeutig und klar formuliert/abgegeben worden sein, dass die Bauaufsichtsbehörde die Baulast im Konfliktfall durchsetzen kann (vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, a.a.O., § 92 Rdnr. 38 und 46). Der Grad, in dem die abgegebene Erklärung dem Bestimmtheitsgebot zu genügen hat, hat sich vielmehr auch an den Wirkungen zu orientieren, welche die Baulast im Verhältnis der beiden beteiligten Grundstückseigentümer entfaltet. Dabei ist zu differenzieren.

Einerseits ist geklärt, dass die Baulast einen Grundstückseigentümer nicht auch zivilrechtlich zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichtet (vgl. BGH, Urt. v. 8.7.1983 - V ZR 204/82 -, BGHZ 88, 97 = DVBl. 1983, 1149 = BRS 40 Nr. 180; Urt. v. 19.4.1985 - V ZR 152/83 -, BGHZ 94, 160 = BauR 1985, 716). .....

Andererseits und daneben entfaltet die Baulast im Verhältnis der beteiligten Grundstückseigentümer aber auch öffentlich-rechtliche Wirkungen. Ihre Tragweite - und dementsprechend auch die Anforderungen an ihre Bestimmtheit - ergibt sich nach den speziellen Bestimmungen, nach denen sie bestellt worden ist. .....

Angesichts dieser Ausführungen ist es vertretbar, mit dem Beigeladenen anzunehmen, aus der Zusammenschau des Abstandes (nur 1,50 m), der Bezeichnung des Vorhabens (die Baulast bezieht sich ersichtlich nur auf den Nordflügel des bis dahin landwirtschaftlich genutzten, hufeisenförmigen Baukörpers) und der Berücksichtigung ihres Zieles, den Einklang mit dem damals geltenden Grenzabstandsrecht herzustellen, sei sozusagen millimetergenau der Bereich abzugrenzen, der vom Grundstück des Klägers benötigt wurde. Das gilt auch für die Viertelkreise, welche an den jeweiligen Ecken des Nordflügels benötigt wurden. Allenfalls in kleinen Randbereichen könnte sich die Frage nach der uneingeschränkt verlässlichen Abgrenzung stellen, nämlich im Hinblick auf den Erker, welchen die Rechtsvorgängerin des Beigeladenen seinerzeit für den nach Osten weisenden Teil des Daches geplant hatte: Wäre auch dieser zulässig, müsste die Baulastfläche ein klein wenig nach Osten verlängert werden. Insofern wäre also die millimetergenaue Bezeichnung des östlichen Endes erforderlich gewesen. Das aber sind Randunschärfen, welche - erstens - durch einen Blick auf die seinerzeit (nur) genehmigten Bauunterlagen betreffend das Beigeladenengrundstück geklärt werden könnten, vor allem und zweitens aber jedenfalls nicht die Annahme rechtfertigten, die Baulast sei wegen fehlender Bestimmtheit nichtig.

Aber auch mit ihrem eingetragenen Inhalt ist die Baulast nicht so unbestimmt, dass sie als nichtig angesehen werden könne.

Es wäre jedenfalls unter Zuhilfenahme der darin genannten Unterlagen möglich, ihre Reichweite so genau zu bestimmen, dass ein Verstoß gegen die o.g. Wertmaßstäbe ausgeschlossen ist. Das belastete und das begünstigte Grundstück werden zweifelsfrei bezeichnet. Die Tiefe ("Breite") wird mit 1,50 m zentimetergenau angegeben. Das Vorhaben ("geplante Bebauung"), dessen Verwirklichung die Baulast begünstigen soll, lässt sich durch Heranziehung der Bauunterlagen, welche die Rechtsvorgängerin des Beigeladenen seinerzeit für ihr Grundstück eingereicht hatte, zweifelsfrei ermitteln. Die Bauakten für das Grundstück des Beigeladenen (BA F) zeigen, dass seinerzeit keine weiteren Bauabsichten gehegt wurden; eine Verwechslungsgefahr ist damit nicht gegeben. Damit ist es sogar möglich zu entscheiden, dass Dachaufbauten seinerzeit nicht zulässig und damit auch nicht von der Baulast erfasst sein sollten. Zugleich lässt sich aus diesen Unterlagen ermitteln, in welcher Länge das Grundstück des Klägers im Grenzbereich für die Bauabsichten des Beigeladenen/seiner Rechtsvorgängerin zur Verfügung stehen sollte. Es mag zwar sein, dass der gelbe Strich allein das nicht hergibt. Es ist aber möglich, diesen Bereich unter Einschluss der beiden oben angeführten abstandsrechtlichen Viertelkreise so genau zu bestimmen, dass den Anforderungen an das rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheitsminimum genügt wird.

Auch mit ihrem eingetragenen Inhalt weicht die Baulast damit nicht in einem Umfang von tragenden Verfassungsprinzipien und der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen ab, welche die Annahme eines besonders schwerwiegenden Fehlers im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG zu rechtfertigen vermöchte. Zudem wäre dieser Fehler nicht im Sinne dieser Vorschrift "offensichtlich". Nicht jeder unvoreingenommene Betrachter des Baulastenverzeichnisses würde der Annahme zuneigen, eine Baulast so unbestimmten Inhalts könne nicht bestellt werden.

Entgegen der Annahme des Klägers führt der Umstand, dass in dem von der Baulast erfassten Grenzbereich ein Gebäude steht, dessen fortdauernde Existenz mit der Baulast nicht zu vereinbaren ist, ebenfalls nicht zur Nichtigkeit der eingetragenen oder notariell beurkundeten Erklärung. Es kommt aus mehreren Gründen in Betracht anzunehmen, der Gesetzgeber hätte jedenfalls für die hier vorliegende Sachlage eine entsprechende Anordnung treffen können, ohne gegen tragende Verfassungsprinzipien oder der Wertordnung immanente Wertvorstellungen zu verstoßen.

Erstens: Es wird durchaus diskutiert, dass die durch Baulast begründete Verpflichtung des belasteten Grundstücks, von einer gedachten Linie mit Bauvorhaben Abstand zu halten, nicht sämtliche Bauaktivitäten in diesem Bereich unterbindet. Namentlich die Gebäude, welche nach den Bestimmungen der jeweiligen Bauordnung auf der Grenze des Buchgrundstücks verwirklicht werden dürfen, sollen trotz durch die Baulast bewirkten Verschiebung auf der Grenze des Buchgrundstücks und damit innerhalb der durch Baulast beanspruchten Fläche errichtet werden können. Dazu hat der Senat in seinem Zulassungsbeschluss vom 30. Oktober 2003 - 1 LA 239/03 - (das Verfahren trägt jetzt das Az.: 1 LB 298/03) das Folgende ausgeführt:

Es sprechen jedenfalls in einer die Zulassung der Berufung rechtfertigenden Weise die besseren Gründe für die Annahme, der in der Kommentierung von Große-Suchsdorf/Lindorf/ Schmaltz/Wiechert (NBauO, Komm., 7. Aufl. 2002, § 9 Rdnr. 16 f.) entwickelten Auffassung sei zu folgen. Danach soll dem Bauherrn trotz einer Abstandsbaulast, die er zugunsten seines Nachbarn bewilligt hat, grundsätzlich die Möglichkeit offen stehen, Garagen nicht auf der durch die Baulast beschriebenen fiktiven, sondern der Grenze des Buchgrundstücks auszuführen. Diese Auffassung ist zwar nicht unbestritten (anderer Ansicht unter anderem Barth/Mühler, Abstandsvorschriften der Niedersächsischen Bauordnung, 2. Auflage 2000, § 9 Rdnrn. 34 - 36). Sie erscheint jedoch zumindest für das Zulassungsverfahren vorzugswürdig. Sie rechtfertigt sich entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts und des Beigeladenen nicht (so sehr) aus der Beobachtung, § 9 Abs. 2 NBauO weise eine Regelungslücke auf und sei deshalb unter Rückgriff auf § 12 Abs. 4 NBauO ausfüllungsbedürftig und -fähig. Maßgebliche Erwägung dafür, unter Beachtung der Regelung des § 12 Abs. 4 NBauO deren § 9 Abs. 2 für Nebengebäude nicht uneingeschränkt "zum Nennwert" zu nehmen, ist vielmehr eine Besinnung auf die Funktion von Abstandsbaulast und Privilegierung des § 12 NBauO und damit letztlich eine teleologische Reduktion des § 9 Abs. 2 NBauO. Haupt- und Nebengebäude folgen unterschiedlichen Abstandsregimen. § 12 NBauO beruht auf der Erkenntnis, dass Nebengebäude wie namentlich Garagen zum beiderseitigen Vorteil der Grundstücksnachbarn an der Grenze konzentriert werden sollen. "Schmutzstreifen", welche bei Einhaltung der übrigen Grenzabstandsvorschriften häufig entstünden, sollen vermieden, die Immissionen und - wegen der Höhen- und Längenbeschränkungen tolerablen - Einschränkungen an Licht- und Luftzufuhr sollen grundsätzlich hingenommen und an den Buchgrundstücksgrenzen konzentriert werden. Dem würde es widersprechen, den Baulastverpflichteten stets und uneingeschränkt zur Beachtung der durch die Baulast gezogenen Grenzen zu verpflichten, während die Baulast dem Begünstigten zum Beispiel nicht das Recht verleiht, seine Grenzgarage unmittelbar an die fiktive Grenze heranzurücken, welche die Baulast zum Nachteil des Baulastverpflichteten zieht, und so das vom Gesetzgeber favorisierte Ergebnis zu erzielen, Grenzgaragen paarweise zusammenzufassen. Eine Berücksichtigung der in § 12 Abs. 4 NBauO enthaltenen Regelung ermöglicht in diesem Dilemma eine geschmeidige flexible Lösung, welche den Interessen beider Grundstücksnachbarn gerecht wird/werden kann, ohne die Baurechtmäßigkeit des Hauptgebäudes in Zweifel zu ziehen, um dessentwillen die Baulast in der Regel allein bestellt worden ist.

Anderes dürfte zwar gelten, wenn die Baulast auch mit dem Ziel bestellt worden ist, dem Verpflichteten aufzulegen, von der fiktiven Grenze Abstand zu halten. Wortlaut und Sinnzusammenhang der hier bewilligten Baulast zwingen indes nicht zu einer solchen den Klägern nachteiligen Deutung. In die Erklärung ist nicht der verdeutlichende Hinweis aufgenommen worden, der Baulastverpflichtete solle mit jedweder Baulichkeit von der fiktiven Grenze Abstand halten. Ziel ist vielmehr nur die "beabsichtigte/vorhandene" Bebauung. In diesem Zusammenhang kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach dem seinerzeit eingereichten Lageplan, auf dem in gelber Farbe die Baulast-Abstandsfläche eingezeichnet worden ist, in schematisierender Vereinfachung die Anlegung von Einstellplätzen/Garagen auf dem begünstigten Grundstücken und seinen westlichen Nachbargrundstücken vermerkt worden ist. Diese sind dort (nicht durchgängig, aber) auch als Doppelanlagen verzeichnet worden. Es fehlt jeder Hinweis für die Annahme, die von der Rechtsvorgängerin der Kläger bewilligte Baulast habe vollumfänglich und allein das Beigeladenengrundstück begünstigen und alle Nachteile dieser Baulastbestellung auf sich nehmen sollen. Es ist zwar richtig, dass das östliche Endgrundstück der Reihe, welcher das Grundstück des Beigeladenen zugehört, deutlich schmaler ausfällt als das westliche Abschlussgrundstück der sich östlich daran anschließenden Reihe. Es fehlt aber jeder Anhaltspunkt für die Annahme, dass dieser durch die vorhandenen Grundstückszuschnitte für das (jetzt) klägerische Grundstück entstehende Vorteil mit der Baulast im Wesentlichen vollständig und auch hinsichtlich der Nebengebäude auf das (jetzige) Beigeladenengrundstück übergehen sollte.

Gegen eine derartige Annahme spricht auch, dass es zwar nicht zwangsläufig ist, den Bereich der von der Baulast betroffenen Fläche in dem Umfang in Anspruch zu nehmen, wie dies nach den Vorstellungen der Kläger der Fall ist. Selbst wenn diese sich auf ein anders dimensioniertes Vorhaben einließen, wäre die Teil-Inanspruchnahme dieser Fläche jedoch mehr oder minder unvermeidlich. Denn nach § 2 Abs. 1 GaVO muss der Garage eine Zu- und Abfahrt von mindestens 3 m zur öffentlichen Verkehrsfläche vorausgehen. Die von der Baulast betroffene Fläche beginnt aber schon in einer Entfernung von 7,70 m zur öffentlichen Verkehrsfläche.

Ob diese Erwägungen im Berufungsverfahren bekräftigt werden, braucht der Senat im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu entscheiden. Schon die Möglichkeit, dass dies als Inhalt der schon bestehenden gesetzlichen Regelung anzunehmen in Betracht kommt, zeigt, dass der Gesetzgeber derartiges hätte anordnen dürfen, ohne gegen tragende Verfassungsprinzipien zu verstoßen. Schon das schließt die Annahme aus, die hier angegriffene Baulast sei wegen der Existenz der auf dem klägerischen Grundstück stehenden "Grenzscheune" nichtig.

Dass eine derartige gesetzliche Regelung in Betracht kommt, zeigen - zweitens - die Ausführungen des Klägers in der Berufungserwiderungsschrift vom 21. Juni 2004. Wenn der Kläger darin (S. 15 f.) erwägt, der damals bestehende Nutzungskonflikt hätte statt durch Bestellung der hier angegriffenen Baulast unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 1991 (- 4 C 17.90 -, BVerwGE 88, 191 = DVBl. 1991, 819 = BRS 52 Nr. 157) auf der Grundlage von § 86 NBauO gelöst werden können, so zeigt dies eines: Das von der Baulast gewollte Ergebnis widerspricht jedenfalls nicht flagrant allen Verfassungs- oder baurechtlichen Grundsätzen. Von Nichtigkeit kann auch deshalb nicht die Rede sein.

Drittens: Jedenfalls für die hier in Rede stehende Konstellation hätte der Gesetzgeber anordnen dürfen, die Existenz des Scheunengebäudes stehe der Wirksamkeit der Baulast nicht entgegen. Das ergibt sich zum einen daraus, dass dieses ähnlich wie die schon nach geltender Gesetzeslage auf der Grenze zulässigen Gebäude kaum auf den ungehinderten Zufluss von Licht, Luft, Sonne und ggf. Wohnintimität angewiesen ist, deretwegen Gebäude grundsätzlich Abstand von der Grenze halten müssen. Zum anderen stand nach den Ergebnisniederschriften des Landkreises H. (vgl. nochmals Bl. 12 und 14 der BA B) ernstlich in Rede, dass der Rechtsvorgänger des Klägers die Scheune zwecks höherwertiger baulicher Nutzung dieses Grenzbereichs abträgt und - unter Einhalt des Grenzabstandes - durch ein neues Gebäude ersetzt. § 8 Abs. 2 Satz 1 NBauO zeigt, dass die Berücksichtigung künftigen Verhaltens der wirksamen Bestellung von Baulasten keineswegs fremd ist und der Gesetzgeber dementsprechend für eine Konstellation der hier vorliegenden Art durchaus hätte anordnen dürfen, die Existenz eines noch vorhandenen Gebäudes in der durch Baulast betroffenen Fläche stehe deren Wirksamkeit nicht schlechthin entgegen.

Ende der Entscheidung

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