Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.06.2009
Aktenzeichen: 1 MN 172/08
Rechtsgebiete: VV-RVG, VwGO


Vorschriften:

VV-RVG Nr. 3104
VV-RVG Vorb. 3 Abs. 3
VwGO § 47 Abs. 6
1. Eine Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Absatz 3 und Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnises zum RVG kann nur in Verfahren entstehen, in denen eine mündliche Verhandlung obligatorisch ist. Sie kann daher in einem Normenkontroll-Eilverfahren nicht verlangt werden.

2. Zum Umfang der Tätigkeit, die ein Anwalt zum Entstehen einer Terminsgebühr entfalten muss.


Gründe:

Der Antragsteller zu 2 erstrebt eine Terminsgebühr, weil sein Verfahrensbevollmächtigter am 8. September 2008 mit dem Ziel einer gütlichen Beilegung dieses Normenkontrolleil-Abänderungsverfahrens, möglicherweise auch eines vor dem Verwaltungsgericht zu führenden Nachbarstreitverfahrens mit dem Bevollmächtigten der im Ausgangsverfahren (1 MN 58/08, stattgebender Beschluss vom 15. April 2008) obsiegenden Nachbarn telefoniert habe. Das Abänderungsverfahren ging zum Vorteil beider Antragsteller - Gemeinde (Antragsteller zu 1) und zuvor beigeladenem Planbegünstigten (Antragsteller zu 2) aus (B. v. 25.9.2008); nach der Kostengrundentscheidung müssen die früheren Antragsteller und Antragsgegner des Abänderungsverfahrens die Verfahrenskosten tragen.

Mit Kostenrechnung vom 30. September 2008 beanspruchte der Antragsteller zu 2 eine 1,2fache Terminsgebühr iHv 775, 20 €. Deren Festsetzung hat der Kostenbeamte mit dem hier insoweit angegriffenen Beschluss vom 24. April 2009 und folgender Begründung abgelehnt: Nach dem Inhalt der vorliegenden Äußerungen sei nicht ersichtlich, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers zu 2 mit dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners eine Besprechung geführt habe, welche über die Erörterung von Formalien hinausging und auf die Erledigung dieses Verfahrens gerichtet gewesen sei.

Der Kostenbeamte hat der vom Antragsteller zu 2 erhobenen Erinnerung nicht abgeholfen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 165 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Der Antragsteller zu 2 hat keinen Anspruch auf Erstattung einer Terminsgebühr. Diese kann in Eilverfahren, die auf der Grundlage von § 47 Abs. 6 VwGO geführt werden, nicht entstehen. Sie ist zugeschnitten allein auf Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Das ist bei Normenkontrolleilverfahren nicht der Fall. Über Eilanträge nach § 47 Abs. 6 VwGO wird grundsätzlich in Beschlusswege ohne mündliche Verhandlung entschieden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 47 Rdnr. 159; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rdnr. 607).

Im Einzelnen ist auszuführen:

Die Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 der Anlage zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz hat folgenden Wortlaut:

Die Terminsgebühr entsteht für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber.

Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses lautet auszugsweise:

Terminsgebühr, soweit in Nummer 3106 nichts anderes bestimmt ist

(1) Die Gebühr entsteht auch, wenn

1. .....(betrifft den Zivilprozess)

2. nach § 84 Abs. 1 Satz 1, § 130a VwGO oder § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird, oder

3. ... (betrifft das sozialgerichtliche Verfahren)

(2) Sind in dem Termin auf Verhandlungen zur Einigung über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt worden, wird die Terminsgebühr, soweit sie den sich ohne Berücksichtigung der nicht rechtshängigen Ansprüche ergebenden Gebührenbetrag übersteigt, auf eine Terminsgebühr angerechnet, die wegen desselben Gegenstands in einer anderen Angelegenheit entsteht.

Die gesamte Regelung ist allein auf Verfahren zugeschnitten, in denen eine mündliche Verhandlung obligatorisch ist oder vor dem Richter oder einem von ihm beauftragten Sachverständigen eine Erörterung oder eine Beweisaufnahme stattfindet (ebenso Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, RVG 3104 VV Rdnr. 15 f.). Das ergibt sich im Grunde schon aus dem Ausdruck "Terminsgebühr", aber auch aus dem Zusammenhang, in den die "Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts" gestellt ist. Stets geht es um das/ein Verfahren, in dem eine Verhandlung durchzuführen ist oder zumindest eine Erörterung oder eine Beweisaufnahme stattzufinden hat. Das ist auch der Grund, weshalb bei der "speziellen" Nummer 3104 des Vergütungsverzeichnisses erweiternd ("auch") vorgeschrieben wird, diese Terminsgebühr könne ein Anwalt selbst dann verlangen, wenn das Gericht die an sich gebotene mündliche Verhandlung nicht durchgeführt hat, indem statt durch Urteil durch Gerichtsbescheid (§ 84 VwGO) oder durch einstimmigen Beschluss gem. § 130a VwGO entschieden wird, weil das Gericht eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Erweiterung der Terminsgebühr auf Besprechungen der Verfahrensbeteiligten untereinander, d. h. ohne Beteiligung des Gerichts soll lediglich gebührenrechtlich honorieren, wenn/dass sich Bevollmächtigte eines Verfahrens, in dem noch mündlich verhandelt oder zumindest vor dem Gericht eine Beweisaufnahme oder ein Erörterungstermin stattfinden soll, vor einem solchen Termin in Verbindung setzen, um einen dort dann abzuschließenden Vergleich vorzubereiten (vgl. Fraktionsentwurf zum KostRMoG BT-Dr. 15/1971, S. 209 li. Sp. zu Teil 3). Weil dadurch dem Gericht oft langwierige und kostspielige Verhandlungen erspart werden können, sollte gebührenrechtlich selbst für den Fall eine "goldene Brücke" zu Verhandlungen "untereinander" gebaut werden, dass diese dann doch nicht zu einem greifbaren Ergebnis führen. Das ändert aber nichts daran, dass es sich um die Vorbereitung eines Verfahrens handeln muss, in dem grundsätzlich eine mündliche Verhandlung stattfindet. Das ist hier, wie dargelegt, nicht der Fall. Schon deshalb scheidet die Terminsgebühr aus.

Ergänzend und selbständig tragend ist Folgendes auszuführen:

Die Terminsgebühr sollte an die Stelle der früheren Verhandlungs- und Erörterungsgebühr treten (BT-Dr. 15/1971, aaO; s. a. Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl. 2005, VV Teil 3 Vorb. 3, Rdnr. 45). Schon dafür war anerkannt, dass der Anwalt einen "ernsthaften Versuch" unternommen haben musste, dieses, möglicherweise auch andere Verfahren gütlich beizulegen (Hartmann, Kostengesetze, aaO, VV 3104 zum RVG, Rdnr. 10; vgl. a. VG Lüneburg, B. v. 22.1.2008 - 1 A 150/07 -, AGS 2008, 282; JURIS und OVG-Datenbank). Einen solchen hatte der Verfahrensbevollmächtigte hier nicht unternommen. Nach der Schilderung in der Rechtsmittelschrift vom 26. Mai 2009 hatte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers zu 2 im Telefonat mit dem Anwalt der Antragsgegners (Dr. F., seinerzeit bei RA'en Dr. G. u. a.) lediglich die schon unter dem 14. April 2008, d. h. noch während des Verfahrens 1 MN 58/08 unterbreiteten Vorschläge erneuert (vgl. dazu die Schilderung des Erinnerungsführers im Schriftsatz vom 16.9.2008, S. 2; Bl. 83 GA). "Knackpunkt" war unverändert das Bestreben der Grundstücksnachbarn, die ihnen zugewandten Fenster sollten dauerhaft geschlossen bleiben. Wollte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers im Verfahren 1 MN 172/08 eine Tätigkeit entfalten, die möglicherweise schon im Verfahren 1 MN 58/08 zum Entstehen einer "Terminsgebühr" hätte führen können, hätte dies das Bemühen einschließen müssen, diesen "Knoten" durch ein attraktives Angebot, etwa Zahlungen in attraktiver Höhe zu lösen oder "durchzuhauen". Das ist nicht geschehen. Auch im Schriftsatz vom 16. September 2008 wiederholte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers zu 2 lediglich, es sei erforderlich, die Fenster zum Vorteil der Heimbewohner und des Pflegepersonals öffnen zu können. Von daher stellen die Bemühungen des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers zu 2 keinen "ernsthaften Versuch" dar, der mit immerhin 775, 20 € zzgl. Mehrwertsteuer hätte honoriert werden können, sondern allenfalls die leichte Anregung dar, "es sich bitte doch noch einmal zu überlegen."

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist zwar gerichtsgebührenfrei. Jedoch können gerichtliche Auslagen und beim gegnerischen Anwalt eine Gebühr nach Nr. 3500 Anlage RVG entstanden sein (Sodan/Ziekow-Neumann, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 165 Rdnr. 29).

Ende der Entscheidung

Zurück