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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 06.04.2009
Aktenzeichen: 1 MN 289/08
Rechtsgebiete: BauGB, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 14
BauGB § 16 Abs. 2 S. 1
BauGB § 2 Abs. 1 S. 2
VwGO § 47 Abs. 6
Will eine Gemeinde durch einfachen Bebauungsplan praktisch gemeindeweit die Zulassung von Tierhaltungsanlagen steuern, setzt eine zur Sicherung dieser Planung eingesetzte Veränderungssperre jedenfalls voraus, dass schon bestimmte Bereiche des Gemeindegebiets für die Ansiedlung solcher Anlagen ins Auge gefasst sind.
Gründe:

Der Antragsteller begehrt die vorläufige Außervollzugsetzung einer Veränderungssperre für das Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 57 "Sondergebiet Tierhaltungsanlagen" der Antragsgegnerin.

Er beabsichtigt die Errichtung einer Schweinemastanlage auf dem Flurstück 48/4, Flur 1, Gemarkung C. (nach dem Liegenschaftskataster inzwischen aufgeteilt in die Flurstücke 48/6 des Antragstellers und 48/7 eines vormaligen Partners). Nach dem Eilantrag geht es um 2.560 Mastschweine; die von der Antragsgegnerin vorgelegte "Anzeige einer beabsichtigten Baumaßnahme" vom 18. September 2008 geht demgegenüber von 7.560 Mastschweineplätzen aus. Die Stallanlagen sind in einem Lageplan zur Anzeige mit 114,71 m x 70,34 m bemaßt.

Am 17. November 2008 fasste der Rat der Antragsgegnerin einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan "Sondergebiet Tierhaltungsanlagen", der durch Aushang vom 21. November bis 11. Dezember 2008 bekannt gemacht wurde. Am gleichen Tag beschloss er die angegriffene Satzung über eine Veränderungssperre, die im Amtsblatt für den Landkreis Emsland vom 28. November 2008 bekannt gemacht wurde. Beider räumlicher Geltungsbereich umfasst das gesamte Gemeindegebiet der Antragsgegnerin mit Ausnahme bestehender Bebauungspläne und in Zusammenhang bebauter Ortsteile, die in einem Übersichtsplan und fünf Detailplänen zur Veränderungssperre als "ausgenommene Bereiche" gekennzeichnet sind.

Der Beschlussvorlage für die Ratssitzung vom 17. November 2008 lag ein Planungskonzept bei, das in allgemeiner Form Konzentrationsprozesse in der landwirtschaftlichen Tierhaltung und gemeindliche Reaktionsmöglichkeiten beschreibt. Es überträgt Grundsätze, die es dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juni 1994 (- 4 C 20.93 -, NVwZ 1995, 64) zu Windenergieanlagen entnimmt, auf die planungsrechtliche Behandlung von Tiermastställen, und stellt aus Anlass von "mehreren Anträgen" auf Errichtung von Tierhaltungsanlagen Planungsziele auf. Ferner beschreibt es die Möglichkeiten zur Steuerung von Tierhaltungsanlagen durch Raumordnungspläne, den Flächennutzungsplan und Bebauungspläne und kommt zu dem Schluss, dass mit einfachem Bebauungsplan Sondergebiete für die gewerbliche und landwirtschaftliche Tierhaltung ausgewiesen werden sollten, soweit diese 10 GV überschreitet. Für bestehende Tierhaltungsbetriebe und deren Entwicklung seien Baufelder im Bereich der Hofstellen oder an geeigneten Standorten im Außenbereich auszuweisen. Sie stellten ausschließlich Options- bzw. Eignungsflächen dar. Eine abschließende Klärung der Zulässigkeit richte sich auch hier nach der konkreten Immissionssituation.

Zur Begründung seines Antrags trägt der Antragsteller vor:

Der Standort sei für den von ihm vorgesehenen Schweinestall in jeder Hinsicht geeignet. Die Bauantragsunterlagen bestätigten die Einhaltung aller Anforderungen. Nennenswerte Geruchsbeeinträchtigungen seien nicht zu befürchten. Der Stall werde mit einer technisch neuen Befilterung ausgerüstet, so dass bereits im Abstand von 100 m Geruchsbeeinträchtigungen nicht mehr wahrnehmbar seien.

Die Veränderungssperre sei rechtswidrig, weil die zugrunde liegende Bebauungsplanung keinen Bestand haben könne. Sie umfasse den Gesamtbereich der Gemeinde mit Ausnahme einzelner Wohnsiedlungen. Im Ergebnis kehre sie die Regelung des § 35 BauGB um, wonach landwirtschaftliche Vorhaben im Außenbereich privilegiert seien. Das gehe viel zu weit. Wolle eine Gemeinde durch Bauleitplanung Vorranggebiete und Eignungsgebiete schaffen, sei es erforderlich, dass eine solche Strukturierung zumindest als Ziel der Raumordnung und der Flächennutzungsplanung definiert sei. Beides sei nicht der Fall. Vorranggebiete für die Landwirtschaft im Sinne von Sondergebieten seien auch schon deshalb nicht durchführbar, weil das Nebeneinander von Stallanlagen unüberschaubare und im Ergebnis nicht mehr kontrollierbare Risiken in der Tierhygiene berge. Komme es in einem Stall zur Tierseuche, würden mit hoher Wahrscheinlichkeit alle Tiere dieser Art im Sondergebiet infiziert.

Vorsorglich werde bestritten, dass ein ordnungsgemäßer, ortsüblich bekannt zu machender Aufstellungsbeschluss vorliege.

Ein Sondergebiet Tierhaltungsanlagen sei im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB nicht erforderlich, weil offen bleibe, wo und wie die Anlagen örtlich zugeordnet werden sollten. Dem Betrachter erschließe sich nicht, was der künftige Planinhalt sein solle. Hier liege der Idealfall einer Negativplanung vor. Es sei nicht einmal ansatzweise erkennbar, in welchen Bereichen die Nutzungen zukünftig verwirklicht werden sollten oder ausgeschlossen seien. Ebenso wenig sei erkennbar, ob es um eine Standortsteuerung im allgemeinen Sinne gehe oder um weitergehende Zielsetzungen wie die Beschränkung der Zersiedelung, die Geruchs- und Staubbelastung und/oder die Erholungsfunktion.

Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen. Zwar greife das Planungskonzept auf Begründungen anderer Gemeinden zurück; das sei aber gerechtfertigt, weil sich das gleiche Problem in nahezu allen Gemeinden im Nordwesten Niedersachsens stelle. Diese Herangehensweise finde zunehmend Fürsprecher (u.a. Söfker, NVwZ 2008, 1273).

Das Planungsziel, den Außenbereich vor der weiteren Zersiedelung durch Tierhaltungsanlagen zu schützen, sei durch Veränderungssperre sicherungsfähig. Grundsätzlich sei möglich, für den gesamten Außenbereich einer Gemeinde einen Bebauungsplan aufzustellen. Die Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe stelle kein prinzipielles Hindernis dar. Auch Landwirte hätten im Außenbereich keineswegs freie Standortauswahl. Im Rahmend der Abwägung werde die Antragsgegnerin konkret beabsichtigte, aber auch längerfristig ins Auge gefasste Vorhaben berücksichtigen. In begründeten Fällen sei auch eine Ausnahme von der Veränderungssperre nicht ausgeschlossen.

Das Baugesetzbuch enthalte keinen Rechtssatz des Inhalts, dass landwirtschaftliche Vorhaben grundsätzlich im Außenbereich durchgeführt werden müssten. Die Gemeinden seien auch nicht verpflichtet, bei der Steuerung von Tierhaltungsanlagen auf Vorgaben des Regionalplanungsträgers zu warten. Soweit sie Tierhaltungsanlagen nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB auf bestimmte "Fenster" im Außenbereich beschränke, bedürfe es auch keiner Entwicklung aus dem Flächennutzungsplan. Im Übrigen plane die Samtgemeinde, im Flächennutzungsplan Sondergebietsstandorte für Tierhaltungsanlagen darzustellen.

Der Antrag hat Erfolg.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Wegen der weitreichenden Folgen, die die Aussetzung eines Bebauungsplanes für diejenigen regelmäßig hat, welche seine Festsetzungen auszunutzen gewillt sind, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Aussetzung ein strenger Maßstab anzulegen. Ein schwerer Nachteil in dem oben genannten Sinn liegt nur vor, wenn rechtlich geschützte Interessen eines Antragstellers in ganz besonderem Maße beeinträchtigt oder ihm außergewöhnliche Opfer abverlangt werden (vgl. Erichsen/ Scherzberg, DVBl. 1987, 168, 174 mwN.). Aus "anderen wichtigen Gründen" ist der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung erst dann geboten, wenn der Normenkontrollantrag mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird (vgl. Beschl. d. Sen. v. 21.3.1988 - 1 D 6/87 -, BRS 48 Nr. 30; Beschl. v. 30.8.2001 - 1 MN 2456/01 -, NVwZ 2002, 109). Denn das Gewicht dieser Gründe muss ungefähr dem des schweren Nachteils entsprechen.

Dass der Antragsteller die von ihm beabsichtigte Schweinemastanlage während der Laufzeit der Veränderungssperre nicht errichten kann, stellt für sich genommen keinen schweren Nachteil dar. Jeder Baugenehmigungsantrag ist nach § 14 BauGB kraft gesetzlicher Regelung der Gefahr ausgesetzt, durch eine Veränderungssperre aufgehalten zu werden. Darauf muss sich der Bauherr in seinen wirtschaftlichen Dispositionen von vornherein einrichten.

Nach derzeitigem Stand ist jedoch ein Erfolg des Normenkontrollantrags in hohem Maße wahrscheinlich.

Schon in formeller Hinsicht bestehen (allerdings ausräumbare) Bedenken. Zwar können der Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans und der Beschluss über die Veränderungssperre in derselben Ratssitzung gefasst werden, wenn die richtige Reihenfolge eingehalten wird (BVerwG, Beschl. v. 9.2.1989 - 4 B 236.88 -, BauR 1989, 432). Beide Beschlüsse können auch gleichzeitig bekannt gemacht werden (vgl. Senatsbeschl. v. 26.3.1999 - 1 K 3502/98 -, juris; OVG Münster, Beschl. v. 10.3.2004 - 10a B 1522/03.NE -, juris; OVG Saarland, Beschl. v. 27.2.2008 - 2 B 450/07 -, juris). Letzteres ist hier jedoch (wohl) nicht geglückt. Während die Veränderungssperre als Rechtsvorschrift gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB iVm § 1 und 5 BekVP-Kom und § 8 Abs. 1 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin am 28. November 2008 im Amtsblatt für den Landkreis Emsland bekannt gemacht wurde, lief noch (vom 21. November bis 11. Dezember 2008) die Aushangfrist für die (nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB erforderliche) Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses, die nach § 8 Abs. 2 der Hauptsatzung zwei Wochen beträgt. Zu welchem Zeitpunkt eine Bekanntmachung bewirkt ist, lässt sich nicht verallgemeinern, sondern richtet sich nach den konkreten Regelungen der stark voneinander abweichenden Bekanntmachungsverordnungen der Länder und Satzungsregelungen der Gemeinden (vgl. z.B. Senatsurt. v. 12.12.2002 - 1 KN 1177/01 -, NVwZ-RR 2003, 670; OVG Münster, Beschl. v. 11.7.2007 - 7 A 3851/06 -, juris). Ist für die Bekanntmachung ein Aushang mit bestimmter Frist vorgeschrieben, dann ist die Bekanntmachung jedenfalls bei Rechtsvorschriften erst mit Ablauf der Frist bewirkt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 14.8.2008 - 7 D 120/07.NE -, BauR 2008, 2014; Urt. v. 24.11.2008 - 7 D 52/07.NE -, juris; OVG Magdeburg, Urt. v. 15.3.2007 - 2 K 128/06 -, juris). Das OVG Saarland hat dies auch für andere Verfahrensakte so gesehen (Urt. v. 17.10.1969 - II R 46/69 -, juris). Die Richtigkeit dieses Standpunktes unterstellt, wäre die Veränderungssperre bereits in Kraft getreten, bevor die Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses bewirkt war; der Fristablauf hätte auch nicht zur Heilung dieses Fehlers geführt.

Das bedarf aber keiner Vertiefung, weil die Veränderungssperre in Ermangelung hinreichend konkretisierter Planungsabsichten durchgreifenden inhaltlichen Bedenken begegnet.

Zwar ist eine Steuerung von Intensivtierhaltungsanlagen durch einfachen, praktisch gemeindeweiten Bebauungsplan nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich zulässig (Urt. v. 7.10.2005 - 1 KN 297/04 -, NordÖR 2006, 120; Beschl. v. 8.2.2008 - 1 MN 346/07 -, n.v.). Der Inhalt der beabsichtigten Planung muss hierfür ausreichend bestimmt sein (BVerwG, Urt. v. 10.9.1976 - IV C 39.74 -, BVerwGE 51, 21 = BRS 30 Nr. 76; Beschl. v. 10.10.2007 - 4 BN 36.07 -, BauR 2008, 328). Das Vorgehen der Gemeinde darf nicht nur der Sicherung der Planungshoheit oder der Zeitgewinnung für die Entwicklung eines bestimmten Planungskonzepts dienen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2004 - 4 CN 16.03 -, ZfBR 2004, 463). Gerade bei Planungen, die große Teile des Gemeindegebietes betreffen, ist deshalb zumindest eine grobe Bezeichnung der Bereiche zu fordern, in denen unterschiedliche Nutzungen verwirklicht werden sollen (BVerwG, Urt. v. 19.2.2004 - 4 CN 13.03 -, ZfBR 2004, 464). Das Konkretisierungserfordernis darf allerdings nicht überspannt werden, weil sonst die praktische Tauglichkeit der Veränderungssperre verloren ginge, zumal sich die Gemeinde in der Regel zu Beginn des Bebauungsplanaufstellungsverfahrens noch nicht auf ein bestimmtes Planungsergebnis festlegen darf.

Nach diesen Maßstäben reicht die Konkretisierung der vorgesehenen Planung hier nicht aus. Die Antragsgegnerin hat ausweislich der Nr. 4 ihres Planungskonzeptes zwei Regelungsbereiche vorgesehen:

Der eine betrifft bestehende Tierhaltungsbetriebe und deren Entwicklung; hierfür sollen "Baufelder" im Bereich der Hofstellen und an geeigneten Standorten im Außenbereich ausgewiesen werden. Eine gewisse Konkretisierung wird dabei allenfalls durch die räumliche Anknüpfung an bestehende Betriebe bewirkt. Mit den "Baufeldern" verbindet die Antragsgegnerin jedoch die Vorstellung, diese stellten Vorrang- und Eignungsgebiete dar. Derartige Instrumente bestehen jedoch nur auf der Ebene der Flächennutzungs- und Raumordnungsplanung; der Katalog des § 9 Abs. 1 BauGB gibt solche Festsetzungen nicht her. Sollte diese Formulierung dagegen nur auf den Umstand hinweisen, dass sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Abs. 3 BauGB bei einfachen Bebauungsplänen "im Übrigen" nach § 35 BauGB richte, legt dies nahe, dass eine nur unzureichende Regelungsdichte vorgesehen ist. Insbesondere dann, wenn die Zulässigkeit der Tierhaltungsanlagen in Bezug auf die Immissionssituation erst im konkreten Einzelfallgenehmigungsverfahren geprüft werden soll, fragt sich, welche Steuerungskraft die beabsichtigte Festsetzung überhaupt entfalten soll. Zwar findet bei der Normenkontrolle einer Veränderungssperre keine antizipierte Überprüfung des Bebauungsplanes statt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.1993 - 4 NB 40.93 -, NVwZ 1994, 685). Lassen sich die vorläufigen Überlegungen zu in Betracht kommenden Festsetzungen jedoch nicht ohne weiteres in die Systematik des § 9 BauGB einordnen, spricht dies gegen eine hinreichende Konkretisierung der Planungsvorstellungen.

Der andere Bereich betrifft die erst beabsichtigte Ansiedlung von Betrieben, wie der Antragsteller sie plant; hierfür ist die Ausweisung von Sondergebieten mit Baufenstern vorgesehen. Sondergebiete für landwirtschaftliche Betriebe einschließlich Tierzucht und Tierhaltung sind grundsätzlich möglich (BVerwG, Urt. v. 28.2.2002 - 4 CN 5.01 -, NVwZ 2002, 1114). Das Planungsziel, die Ansiedlung von Tierhaltungsanlagen im Gemeindegebiet durch einen einfachen Bebauungsplan zu steuern, um die Zersiedlung des Außenbereichs zu begrenzen und die Erholungsfunktion der noch unzersiedelten Landschaft zu stärken, ist jedoch nicht einmal ansatzweise durch Angaben zu in Betracht kommenden Flächen, zu deren etwaigem Umfang und zu der Frage konkretisiert, ob an eine Konzentration oder eher an eine Verteilung solcher Flächen gedacht ist (wobei für letzteres allerdings spricht, dass im Planungskonzept die seuchenhygienischen Risiken einer Konzentration angesprochen sind). Anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 7.10.2005 (- 1 KN 297/04 -, a.a.O.) entschiedenen Fall hat die Antragsgegnerin auch keine konkreten städtebaulichen Fehlentwicklungen in ihrem Gebiet aufgezeigt, die ein Entgegenwirken in eine ganz bestimmte Richtung erfordern und vorzeichnen.

Zwar tritt der Antragsteller dem Vorbringen der Antragsgegnerin nicht entgegen, dass sich die Situation hier angesichts einer Vielzahl von Neubau- und Erweiterungsanträgen für die Errichtung und den Betrieb von Tierhaltungsanlagen im Außenbereich ebenso darstelle wie in nahezu allen Gemeinden im Nordwesten Niedersachsens. Das enthebt die Antragsgegnerin aber nicht eigener Anstrengungen, die Betroffenheit ihres Gemeindegebiets durch eine Massierung von Tierhaltungsanlagen bzw. entsprechende Genehmigungsanträge im Detail zu ermitteln und vor allem - über das Vorzeigen von Planungsinstrumenten hinaus - deutlich zu machen, ob die Genehmigungswünsche nur auf besser geeignete Flächen im Gemeindegebiet umgelenkt oder solche Vorhaben im Wesentlichen oder zu größeren Anteilen vom Gemeindegebiet ferngehalten werden sollen. Insofern lassen sich die hier erfolgten "Vorarbeiten" an Umfang und Substanz nicht mit dem vergleichen, was der Senat bei seinem Urteil vom 7. Oktober 2005 (- 1 KN 297/04 -, NordÖR 2006, 120), aber auch noch bei seinem Beschluss vom 8. Februar 2008 (- 1 MN 346/07 -, n.v.) vorgefunden hat, wobei sich der Senat schon bei letzterem über einige Bedenken hinwegsetzen musste. Auch der Umstand, dass eine gemeindeweite Bauleitplanung für Tierhaltungsanlagen neuartige Probleme aufwirft, für deren Bewältigungen es noch keine praxiserprobten "Fertiglösungen" gibt (vgl. zu neueren Diskussionen um gewerbliche Tierhaltungen Söfker, NVwZ 2008, 1273), rechtfertigt es nicht, die allgemein gültigen Anforderungen an den für Veränderungssperren erforderlichen Konkretisierungsgrad des abzusichernden Bebauungsplans zu Lasten des eigentumsrechtlich geschützten Bauwerbers für diese Fallgruppe zu reduzieren.

Die Richtigkeit dieser Überlegungen zeigt schließlich folgende Überlegung:

Die Antragsgegnerin hat ausweislich ihres "Planungskonzepts" (s. dort insbesondere Seiten 5 ff.) erwogen, ob sie die Tierhaltungsanlagen im Wege der Konzentrationsplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB eindämmt und steuert. Hier interessiert nicht so sehr, ob die gegen diese Altnernative angeführten Gründe triftig sind. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang allein, dass das Baugesetzbuch für diese (als Alternative in Betracht kommende) Art der Anlagensteuerung das in seinem § 15 Abs. 3 geregelte Plansicherungsinstrument der Zurückstellung bereithält. An dieser Parallele muss sich auch diese Veränderungssperre messen lassen, die - wie das bei § 15 Abs. 3 BauGB der Fall sein kann - weite Teile des Gemeindegebiets ergreift. Aus dieser Parallele ergibt sich:

Anders als § 17 Abs. 1 und 2 BauGB (maximale Dauer der Veränderungssperre: 4 Jahre) lässt § 15 Abs. 3 BauGB es nur für maximal ein Jahr zu, ein Bauvorhaben zurückzustellen. Obwohl das so ist, lässt es das Gesetz nicht ausreichen, dass die Gemeinde beschlossen hat, mit dem Flächennutzungsplan die Positionierung der in § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB privilegierten Anlagen zu steuern. Obwohl schon das ein Planungskonzept darstellt, welches dem von der Antragsgegnerin gehegten jedenfalls im Grundsatz sehr ähnelt, darf ein Vorhaben nur dann zurückgestellt werden, wenn außerdem zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das in Rede stehende Vorhaben unmöglich gemacht oder zumindest wesentlich erschwert würde. Hierfür müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg-Stock, BauGB, § 15 Rdnr. 71k).

Daraus ergibt sich im Erst-recht-Schluss: Wenn die Gemeinde sogar für den drei- bis vierfach so langen Zeitraum Eigentümern nach geltendem Städtebaurecht eröffnete Bebauungsmöglichkeiten entschädigungsfrei vorenthalten will, müssen die Planungen einen Stand erreicht haben, der nicht nur das allgemeine Plankonzept einschließt, Tierhaltungsanlagen im Gemeindegebiet zu verteilen bzw. zu konzentrieren. Vielmehr müssen in einer § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB mindestens entsprechenden Weise bereits so konkrete Überlegungen angestellt worden sein, wo und in welcher Weise das geschehen soll, dass für ein zur Genehmigung gestelltes Vorhaben eine Prognose gewagt werden kann, dessen Zulassung werde die Erreichung dieses Konzepts wesentlich erschweren oder gar verhindern.

Das ist hier nicht geschehen. Das ergibt sich namentlich aus der Begründung, mit der die Antragsgegnerin den Weg über eine Konzentrationsplanung nach § 35 Abs. 3 BauGB ausgeschlagen hat. Auf Seite 6 der Plankonzeption heißt es dazu:

"Die Darstellung einer Konzentrationszone für Tierhaltungsanlagen muss nämlich zum einen hinsichtlich der Wahl des Standorts bzw. der Konzentrationszone sowie zum anderen hinsichtlich des Ausschlusses von Anlagen an allen übrigen Stellen des Außenbereichs in der Gemeinde begründbar sein. Die Auswahl der Konzentrationszone setzt eine flächendeckende Überprüfung des Außenbereichs auf in Betracht kommende Standorte (Potenzialflächensuche) sowie eine schlüssige Darlegung der Auswahlgründe voraus."

Eine solche Suche ist zu ganz wesentlichen Teilen auch dann erforderlich, wenn die Gemeinde "lediglich" in bestimmten Bereichen überbaubare Flächen festsetzen und damit anderenorts die Verwirklichung von Tierhaltungsanlagen ausschließen will. Wenn die Antragsgegnerin daher unter anderem mit dieser Begründung das Instrumentarium des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ausschlägt, dann ist dies nichts anderes als das Eingeständnis, sie habe nur ganz allgemeine Vorstellungen über die Plankonzeption, sei aber nicht imstande, im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB zumindest im Groben anzugeben, wo sich die überbaubaren Flächen konzentrieren sollen und wo daher die Zulassung eines Vorhabens geeignet sei, die Realisierung des Plankonzepts zu torpedieren oder wesentlich zu gefährden.

Ende der Entscheidung

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