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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 05.03.2007
Aktenzeichen: 10 ME 64/07
Rechtsgebiete: AsylVfG, AufenthG, VwGO


Vorschriften:

AsylVfG § 42 S. 1
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 6
AufenthG § 82 Abs. 1 S. 1
VwGO § 114 S. 1
Bezogen auf die Belange des Ausländers, die gegen den Widerruf eines Aufenthaltstitels sprechen, hat die Ausländerbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung neben den offenkundigen und ihr bekannten Belangen des Ausländers auch die im Rahmen der Anhörung vom Ausländer geltend gemachten Belange mit einzustellen; insoweit ist der Ausländer verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände gegenüber der Ausländerbehörde geltend zu machen (aufenthaltsrechtliche Mitwirkungspflicht)

Macht der Ausländer erst im gerichtlichen Verfahren Belange oder für ihn günstige Umstände geltend, die weder offenkundig noch der Ausländerbehörde bekannt gewesen sind, ergibt sich eine Ermessensfehlerhaftigkeit der Widerrufsentscheidung nicht aus dem Umstand, dass die Ausländerbehörde diese Gesichtspunkte bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigen konnte.

Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausländerbehörde bei ihrer Widerrufsentscheidung nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG u.a. maßgeblich darauf abstellt, ob der Ausländer wirtschaftlich integriert ist.

Ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit eines Widerrufs eines Aufenthaltstitels kann sich auch aus fiskalischen Gründen ergeben (hier: staatliche Sozialleistungen im erheblichen Umfang)


NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 10 ME 64/07

Datum: 05.03.2007

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden sind, hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der 1947 in A. (Serbien/Kosovo) geborenen Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Widerruf der ihr erteilten Niederlassungserlaubnis wiederherzustellen und hinsichtlich der Abschiebungsandrohung anzuordnen, abgelehnt mit der Begründung, aller Voraussicht nach werde die Klage ohne Erfolg bleiben. Der Widerruf der Niederlassungserlaubnis sei offensichtlich rechtmäßig. Das der Antragsgegnerin eingeräumte Ermessen habe sie entsprechend dem Zweck der Ermächtigung fehlerfrei ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten. Die von der Antragsgegnerin angestellten Ermessenserwägungen seien nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin könne keine dem öffentlichen Interesse am Widerruf des Aufenthaltstitels gleichgewichtigen Interessen entgegensetzen. Insoweit folge es den Erwägungen der Antragsgegnerin. So sei es der Antragstellerin nicht gelungen, sich in die Lebensverhältnisse einzufügen, weil sie Leistungen nach dem SGB II beziehe, sich nicht um Arbeit bemüht habe, wiederholt strafrechtlich verurteilt worden sei und nur mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache habe. Die Antragsgegnerin habe auch das Lebensalter der Antragstellerin sowie die Schwierigkeiten einer Integration im Heimatland hinreichend berücksichtigt. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin ihre Ermessensentscheidung vorrangig auf den Bezug von Sozialleistungen abgestellt habe. Bezogen auf Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG sei die Antragsgegnerin an die Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 42 Satz 1 AsylVfG gebunden, dass der Antragstellerin in ihrem Heimatland solche Gefahren nicht drohten. Die Antragsgegnerin müsse sich ein widersprüchliches Verhalten nicht entgegenhalten lassen, da sie einen Vertrauenstatbestand auf den Bestand der Niederlassungserlaubnis nicht geschaffen habe. Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs und damit an der Aufenthaltsbeendigung liege hier im Bezug staatlicher Sozialleistungen, weil die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln sicherstellen könne. Zu Recht sei auch die Abschiebung der Antragstellerin angedroht worden. Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den vorstehenden Gründen keine hinreichenden Erfolgsaussichten habe, sei der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen.

Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Die Antragstellerin macht geltend, die Entscheidung der Antragsgegnerin über den Widerruf überschreite die Grenzen ordnungsgemäßen Ermessens, weil ihre schutzwürdigen Belange an ihrem Verbleib im Bundesgebiet dazu hätten führen müssen, von einem Widerruf der Niederlassungserlaubnis abzusehen. Die Antragsgegnerin sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das öffentliche Widerrufsinteresse in der Regel auch gegenüber gleichgewichtigen gegenläufigen Belangen überwiege.

Dieser Einwand greift nicht durch. Die Antragsgegnerin hat zutreffend die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 20. Februar 2003 - BVerwG 1 C 13.02 -, BVerwGE 117, 380) ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, indem sie im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung davon ausgegangen ist, dass bei Wegfall der für das bisherige Aufenthaltsrecht allein ausschlaggebenden Asylberechtigung in der Regel ein gewichtiges öffentliches Interesse an dem Widerruf des Aufenthaltstitels besteht. Zwar wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, da zugunsten der Antragstellerin ein Aufenthaltsrecht aus anderen Rechtsgründen nicht gegeben sei, bestehe "bereits grundsätzlich der Vorrang des öffentlichen Interesses am Widerruf" der Niederlassungserlaubnis. Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Antragsgegnerin einen Vorrang des öffentlichen Interesses am Widerruf der Niederlassungserlaubnis ohne Abwägung mit den schutzwürdigen Interessen der Antragstellerin angenommen hat. Vielmehr hebt die Antragsgegnerin nachfolgend (Seite 3 und 4 des angefochtenen Bescheides) hervor, dass im Rahmen des von ihr auszuübenden Ermessens das öffentliche Interesse am Widerruf des Aufenthaltstitels mit dem Interesse der Antragstellerin am Bestand der Niederlassungserlaubnis abzuwägen sei. Bei ihrer Ermessensentscheidung hat die Antragsgegnerin die ihr bekannten und die von der Antragstellerin im Rahmen ihrer Anhörung vorgebrachten Belange, nämlich das Alter der Antragstellerin, die Dauer ihres rechtmäßigen Aufenthaltes und ihre schutzwürdigen Bindungen im Bundesgebiet sowie die Folgen der Aufenthaltsbeendigung, gewürdigt. Die Antragsgegnerin hat in einer gelungenen beruflichen und wirtschaftlichen Integration einen privaten Belang gesehen, der den öffentlichen Belang am Widerruf überwiegen könne. Jedoch sei der Antragstellerin eine solche Integration nicht gelungen und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Zuwanderung überwiege das öffentliche Interesse an dem Widerruf der Niederlassungserlaubnis das private Interesse an deren Bestand. Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Antragstellerin wendet weiter ein, dass das Verwaltungsgericht den Umstand verkannt habe, dass es aufgrund ihres Alters und ihres Ausbildungsstandes in Anbetracht der Sprachbarriere äußerst schwierig gewesen sei, sich beruflich und wirtschaftlich zu inte-grieren. Ihre Möglichkeiten, sich wirtschaftlich zu integrieren, seien von Anfang an eng begrenzt gewesen. Sie habe sich stets bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen. Weiter könne sie nur in Deutschland sich um das Grab ihres Ehemannes kümmern. Ihre engere Familie lebe in Deutschland, so dass Art. 6 GG und Art. 8 EMRK heranzuziehen seien.

Auch dieser Einwand rechtfertigt eine Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht. Aufgrund dieses Vorbringens lässt sich nicht feststellen, dass der Widerruf der Niederlassungserlaubnis seitens der Antragsgegnerin ermessensfehlerhaft ist. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass die Ausübung des Ermessens durch die Antragsgegnerin nur dahin zu überprüfen ist, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 114 Satz 1 VwGO).

Hier liegt ein Ermessensfehlgebrauch nicht in der Weise vor, dass die Antragsgegnerin nicht alle entscheidungserheblichen Tatsachen und Gesichtspunkte in die Abwägung der widerstreitenden Interessen einbezogen hat. Sie hat die zugunsten der Antragstellerin sprechenden Belange, soweit ihr diese mitgeteilt worden oder aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich gewesen sind, in ihre Widerrufsentscheidung eingestellt. Nach Rechtskraft der Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge über den Widerruf der Anerkennung der Antragstellerin als Asylberechtigte hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter dem 10. November 2006 zum beabsichtigten Widerruf der Niederlassungserlaubnis angehört. Sie hat die Antragstellerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass alle für die Integration erbrachten Leistungen - etwa Arbeitsaufnahme, Arbeitsbemühungen, Gründe für Zeiten einer Arbeitslosigkeit, Ausbildung, schulische Ausbildungen, Sprachkurse, besondere Tätigkeiten im öffentlichen Interesse - für die Entscheidung von Bedeutung sind und berücksichtigt werden. Weiter hat sie die Antragstellerin ausdrücklich auf ihre Mitwirkungspflicht nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hingewiesen, nämlich ihre Belange und die für sie günstigen Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bereits bekannt sind, unverzüglich geltend zu machen und entsprechende Nachweise beizubringen. Hierauf hat die Antragstellerin allein ärztliche Atteste über die Behandlung bestehender Erkrankungen, u.a. Diabetes mellitus (Typ II), eingereicht; weitergehende, dem Widerruf der Niederlassungserlaubnis entgegenstehende Belange hat sie aber nicht vorgetragen. Die der Antragsgegnerin im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Entscheidung bekannten Gesichtspunkte, die für ein Verbleiben der Antragstellerin sprechen, hat die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung entsprechend ihrer Bedeutung gewürdigt. Sie hat bei ihrer Ermessensentscheidung die ihr bekannten familiären und sonstigen Bindungen sowie die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts berücksichtigt. Soweit die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren erstmals Belange vorträgt, die gegen den Widerruf der Niederlassungserlaubnis sprechen, kann sich hieraus die Ermessensfehlerhaftigkeit der Widerrufsentscheidung nicht deshalb ergeben, weil die Antragsgegnerin diese Umstände ihrer Ermessensentscheidung nicht zugrunde gelegt hat. Abgesehen von solchen Belangen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung infolge ihrer Offenkundigkeit der Antragsgegnerin bekannt gewesen sind, ist es ihr nicht möglich gewesen, diese Belange bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen.

Soweit die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vorträgt, ihre Möglichkeiten, sich wirtschaftlich zu integrieren, seien im Hinblick auf ihr Alter, eine fehlende Ausbildung und die Sprachbarriere von Anfang an eng begrenzt gewesen und sie habe sich stets bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen, führt dies unabhängig davon, dass diese Gesichtspunkte erst im gerichtlichen Verfahren vorgetragen worden sind, nicht zur Ermessensfehlerhaftigkeit des angefochtenen Widerruf der Niederlassungserlaubnis. Zutreffend ist die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass es der Antragstellerin trotz eines Aufenthaltes von mehr als 15 Jahren nicht gelungen ist, sich in die hiesige Gesellschaft fest zu integrieren. Hierfür spricht zunächst, dass die Antragstellerin wiederholt straffällig geworden ist und die deutsche Sprache trotz ihres langjährigen Aufenthalts nicht beherrscht. Zu Recht ist die Antragsgegnerin auch von einer fehlenden wirtschaftlichen Integration der Antragstellerin ausgegangen. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die zuständige Ausländerbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung über den Widerruf nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG u.a. maßgeblich darauf abstellt, ob es dem Ausländer gelungen ist, sich in die hiesigen Verhältnisse wirtschaftlich zu integrieren. In §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG kommt das öffentliche Interesse zum Ausdruck, dass ein legalisierter Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet in der Regel davon abhängig ist, dass der Lebensunterhalt (§ 2 Abs. 3 AufenthG) des Ausländers und der seiner Familienangehörigen gesichert ist und Sozialhilfeleistungen nicht in Anspruch genommen werden. Dabei ist entscheidungserheblich, ob die Integration in wirtschaftlicher Hinsicht tatsächlich gelungen ist. Sollte eine wirtschaftliche Integration nicht gelungen sein, könnte es im Einzelfall aufgrund bestimmter Umstände gerechtfertigt sein, diesem gegen den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet streitenden Gesichtspunkt im Rahmen der Abwägung ein geringeres Gewicht beimessen. Aber solche Gründe lassen sich hier nicht feststellen. So hat die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt, dass sie sich - jedenfalls in den vergangenen zehn Jahren - stets und nachhaltig um eine Beschäftigung bemüht hat. Aus dem Vorbringen der Antragstellerin lässt sich weiter nicht entnehmen, dass sie ihre Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt wesentlich verbessert hat, etwa durch den Erwerb der deutschen Sprache oder durch berufsqualifizierende Maßnahmen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es der Antragstellerin auch unter Berücksichtigung ihres Alters und ihrer Sprachschwierigkeiten im Zeitpunkt der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland selbst bei intensiven Bemühungen tatsächlich unmöglich gewesen ist, während des langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet eine Beschäftigung zu erlangen.

Soweit die Antragstellerin weiter geltend macht, aufgrund der schwierigen Verhältnisse in ihrem Heimatland könne ihr eine Wiedereingliederung dort nicht zugemutet werden, u.a. weil für sie dort eine berufliche Perspektive nicht bestehe, und im Hinblick hierauf ihre schweren gesundheitlichen Probleme nicht berücksichtigt worden seien, rechtfertigt dies eine Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass die Antragsgegnerin gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG an die mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. April 2005 bestandskräftig getroffene Feststellung gebunden ist, dass bezogen auf die Antragstellerin Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Dies hat zur Folge, dass die Antragstellerin bei ausländerrechtlichen Entscheidungen sich nicht darauf berufen kann, ihr sei eine Rückkehr in ihr Heimatland unmöglich oder unzumutbar, weil erhebliche konkrete Gefahren für Leib und Lebens, etwa aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Situation, der medizinischen Versorgungslage oder Sicherheitslage, im Zielstaat drohen. Mit einem solchen Vorbringen ist der Ausländer zunächst gehalten, gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Änderung der Feststellung zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu bewirken. Soweit unterhalb der Gefahrenschwelle des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Gesichtspunkte gegen eine Aufenthaltsbeendigung in Betracht kommen, etwa Schwierigkeiten bei der Sicherstellung des Lebensunterhalts oder bei der Beschaffung notwendiger Medikamente, hat die Antragstellerin diese nicht im Rahmen ihrer Anhörung gegenüber der Antragsgegnerin in hinreichend konkretisierter Weise geltend gemacht. Zudem kann daneben von den drei ebenfalls ausreisepflichtigen Kindern der Antragstellerin erwartet werden, dass sie ihre Mutter bei der Bewältigung solcher Schwierigkeiten unterstützen.

Der von der Antragstellerin geltend gemachte Belang, ihre engere Familie lebe in der Bundesrepublik Deutschland, ist bei der Widerrufsentscheidung entsprechend seiner Bedeutung berücksichtigt worden. Die Antragsgegnerin hat insoweit ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt, dass drei der sechs Kinder der Antragstellerin ebenfalls ausreisepflichtig sind, so dass zu erwarten ist, dass ein wesentlicher Teil ihrer Familie ebenfalls in ihr Heimatland zurückkehrt und die Antragstellerin damit nicht allein in ihr Heimatland zurückkehren muss. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ein widersprüchliches Verhalten der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin verneint. Die Antragstellerin sieht ein solches Verhalten darin, dass die Antragsgegnerin noch am 10. November 2006 in den Nationalpass eine Niederlassungserlaubnis eingetragen hat. Ihr hierauf bezogener Einwand, sie habe zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen können, dass die Antragsgegnerin den Widerruf der Niederlassungserlaubnis bereits "in den Blick genommen" habe, greift nicht durch. Denn am Tag der Eintragung der Niederlassungserlaubnis am 10. November 2006 ist der Antragstellerin zugleich die Anhörung zum beabsichtigten Widerruf der Niederlassungserlaubnis ausgehändigt worden, deren Empfang die Antragstellerin bestätigt hat (Bl. 110 der Beiakte A). Demnach kann sich die Antragstellerin auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen.

Schließlich macht die Antragstellerin geltend, die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Niederlassungserlaubnis sei rechtswidrig, weil aufgrund ihres langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland ein "dringender unverzüglicher Handlungsbedarf" nicht gegeben sei; ein solcher könne nicht mit dem Bezug von Sozialhilfe begründet werden. Das Verwaltungsgericht hat dagegen zu Recht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Niederlassungserlaubnis im Bezug von staatlichen Sozialleistungen gesehen. Voraussetzung für die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist ein besonderes öffentliches Interesse, das sich von dem öffentlichen Interesse, das dem Erlass eines jeden Verwaltungsaktes zugrunde liegt, unterscheidet und gerade darin besteht, dass Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung entfalten. Von seiner Bedeutung her muss dieses besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes so gewichtig sein, dass es gerechtfertigt ist, den Rechtschutzanspruch des Betroffenen vorläufig zurückzustellen (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Verwaltungsrechtsschutz im Verwaltungsverfahren - 4. Auflage 1998 -, Rdnr. 732 f.; Puttler, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung - 2. Auflage 2006 -, § 80 Rdnr. 84). Auch fiskalische Interessen stellen öffentliche Interessen dar, die für sich allein oder zusammen mit anderen Umständen ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung begründen können (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 7. April 2004 - 2 BS 91/04 -, SächsVBl. 2004, 238; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. November 2003 - 16 B 1945/03 -, NWVBl. 2004, 273; Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 744; Puttler, a.a.O., Rdnr. 88; Schoch. in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 Rdnr. 156; J. Schmidt, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung - 12. Auflage 2006 -, § 80 Rdnr. 37). Da die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt nicht durch eigene Mittel bestreiten kann, wird sie bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerruf im erheblichen Umfang staatliche Sozialleistungen einschließlich der Aufwendungen für ihre medizinische Versorgung in Anspruch nehmen müssen. Angesichts der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung der Antragsgegnerin kommt hier dem besonderen öffentlichen Interesse, den Aufenthalt der Antragstellerin sofort zu beenden, ein im Vergleich zu dem Interesse der Antragstellerin, von der Vollziehung des Widerrufs bis zur Rechtskraft der Entscheidung verschont zu bleiben, größeres Gewicht zu.

Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zur Vertretung in dem Verfahren erster Instanz versagt, weil ihr Begehren aus den vorstehenden Erwägungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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