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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.03.2006
Aktenzeichen: 11 LC 180/05
Rechtsgebiete: AMG, EGV, LFGB, NemV, Richtlinie 2001/83 EG, Richtlinie 2002/46/EG, Verordnung (EG) Nr. 178/2002


Vorschriften:

AMG § 2
AMG § 21
AMG § 69 Abs. 1
EGV Art. 28
EGV Art. 30
LFGB § 2
NemV § 1
Richtlinie 2001/83 EG idF der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG
Richtlinie 2002/46/EG
Verordnung (EG) Nr. 178/2002
1. Bei der Abgrenzung zwischen Lebensmitteln/Nahrungsergänzungsmitteln und Arzneimitteln gilt der aus dem Gemeinschaftsrecht folgende Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften auch im deutschen Recht.

2. Für die Beurteilung, ob ein Produkt unter die Definition des Arzneimittels "nach der Funktion" fällt, ist schwergewichtig auf die pharmakologischen Wirkungen abzustellen.

3. Bei Stoffen, für die eine dosisabhängige pharmazeutische Wirkung wissenschaftlich nicht eindeutig bestimmt ist, stellen der Vergleich mit zugelassenen Arzneimitteln sowie mögliche gesundheitliche Risiken wichtige Abgrenzungskriterien dar.

4. Die Anwendbarkeit der Zweifelsregelung in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG idF der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG setzt nicht voraus, dass die Arzneimitteleigenschaft positiv festgestellt worden ist. Es reicht vielmehr aus, dass der insoweit maßgebliche Nachweis der pharmakologischen Wirkung nicht mit letzter Sicherheit erbracht werden kann.

5. Das Produkt "Red Rice 330 mg GPH Kapseln" ist als zulassungspflichtiges Arzneimittel anzusehen.


Tatbestand:

Die Klägerin - eine GmbH - ist ein pharmazeutischer Großhandel mit Sitz in D.. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2002 informierte die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker die Bezirksregierung Lüneburg darüber, dass die Klägerin angekündigt habe, ab dem 1. September 2002 ein Produkt mit dem Namen "Red Rice 330 mg GPH Kapseln" in den Handel zu bringen, das den Wirkstoff Monacolin K enthalte. Dieser sei identisch mit Lovastatin, einem Cholesterol-Synthesehemmer, der in Deutschland als verschreibungspflichtiges Arzneimittel im Verkehr sei. Sie bezog sich dabei auf ein Schreiben der Bundesanstalt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 26. August 2002.

Am 31. Oktober 2002 entnahm die Bezirksregierung Lüneburg im Außenlager der Klägerin in Hollenseth eine Probe des Produkts. Es befand sich in einer braunen Kunststoffflasche mit weißem Kunststoffdeckel und folgender Etikettierung:

"Red Rice 330 mg GPH Kapseln Nahrungsergänzung mit rot fermentiertem Reis Inhalt: 180 Kapseln = 83,4 g"

Auf der Flaschenetikettierung ist weiter u.a. angegeben:

"Eine Kapsel enthält 330 mg rot fermentiertem Reis entsprechend 1,33 mg Monacolin K.

Zutaten: Red Rice Pulver (71%), Ascorbinsäure (6,4%), Aneurin HCI (<0,2%), Pyridoxin HCI (<0,2%); Fließmittel: Magnesiumstearat; Gelatine (Kapselhülle); Farbstoffe in der Kapselhülle: E171

Verwendungsempfehlung: Als Nahrungsergänzungsmittel 1 - 3 x täglich 1 Kapsel

...

Herstellung: GALL-PHARMA, E.."

Unter dem 4. Dezember 2002 warnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in einer Pressemitteilung vor dem Verzehr von Red Rice-Produkten. Durch die gleichzeitige Einnahme von rotem Reis und Arzneimitteln zur Senkung erhöhter Cholesterinwerte sei das gehäufte Auftreten von Nebenwirkungen zu befürchten; diese könnten sich insbesondere als Muskelschädigungen äußern. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2002 teilte das Bundesinstitut der Bezirksregierung Lüneburg auf deren Anfrage mit, dass es sich bei dem von der Klägerin vertriebenen Produkt aufgrund seiner überwiegenden Zweckbestimmung um ein Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 AMG handele, das als Fertigarzneimittel vor dem Inverkehrbringen in der Bundesrepublik der Zulassung bedürfe. Die in dem Produkt enthaltenen Stoffe seien geeignet, den Körper oder dessen Zustand zu beeinflussen. Es handele sich nicht um ein Lebensmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 LMBG.

Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit - Lebensmittelinstitut Oldenburg - kam in seinem Bericht vom 6. Dezember 2002 über die bei der Klägerin entnommenen Probe zu dem Ergebnis, dass die Einstufung des Produkts als Nahrungsergänzungsmittel und damit als Lebensmittel nicht gerechtfertigt sei, obwohl die Probe - soweit erkennbar - Vitamine C, B 1 und B 6 in einer ernährungsphysiologisch günstigen Menge enthalte. Der Hinweis auf der Verpackung lenke insbesondere auf den Inhaltsstoff Monacolin K hin, der keinen Nährstoff, sondern einen therapeutischen Wirkstoff darstelle. Das Lebensmittelinstitut Oldenburg führte ferner aus, dass rot fermentierter Reis, auch Angkak genannt, aus Reis mit Hilfe von Schimmelpilzen der Gattung Monascus gewonnen werde. Im asiatischen Raum werde Angkak seit Jahrhunderten traditionell zur Geschmacksgebung und Färbung von Lebensmitteln sowie als Arzneimittel verwendet.

Auf das Anhörungsschreiben der Bezirksregierung Lüneburg vom 9. Dezember 2002 erklärte die Klägerin, dass es sich bei dem streitigen Produkt um ein Lebensmittel und nicht um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel handele. Wie aus der Stellungnahme des Österreichischen Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen vom 8. Juli 2002 hervorgehe, sei das Erzeugnis in Österreich als Verzehrprodukt und nicht als Arzneimittel eingeordnet worden. Die dort durchgeführte Prüfung spreche dagegen, dass von diesem Produkt gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgingen.

Mit Verfügung vom 19. Dezember 2002 untersagte die Bezirksregierung Lüneburg der Klägerin unter Anordnung des Sofortvollzuges das Inverkehrbringen des streitigen Produkts in Deutschland (Nr. 1) und gab ihr außerdem auf, bereits ausgelieferte Chargen dieses Produkts zurückzurufen (Nr. 2), den Rückruf zu dokumentieren und bis zum 15. Januar 2003 nachzuweisen (Nr. 3). Zur Begründung führte sie aus, es handele sich um ein gemäß § 2 Abs. 1 AMG zulassungspflichtiges, aber nicht zugelassenes Arzneimittel. Sie berief sich dabei auf die fachlichen Aussagen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und die Stellungnahme des Lebensmittelinstitutes Oldenburg. Für die Abgrenzung, ob es sich um ein Lebensmittel oder ein Arzneimittel handele, sei es ohne Bedeutung, wie das Produkt in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft eingeordnet werde.

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, bei dem streitigen Produkt handele es sich um ein Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels. Unter einem Lebensmittel verstehe man jedes Produkt, das einem Ernährungszweck diene. Da das von ihr vertriebene Produkt - wie aus dem Bericht des Lebensmittelinstituts Oldenburg hervorgehe - bestimmte Vitamine in einer ernährungsphysiologisch günstigen Menge enthalte, sei es als Lebensmittel einzustufen. Es gebe keine Hinweise darauf, dass das Produkt gesundheitsschädliche Wirkungen haben könne. Das Lebensmittelinstitut Oldenburg habe selbst mitgeteilt, dass Angkak als toxikologisch unbedenklich angesehen werde. Der von ihr vorgelegten gutachtlichen Stellungnahme des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Reuss vom 22. August 2002 sei ferner zu entnehmen, dass das Produkt als Ganzes unter der Verkehrsbezeichnung "Nahrungsergänzung" uneingeschränkt nach deutschem und europäischem Lebensmittelrecht verkehrsfähig sei. Eine pharmakologische Wirkung sei bei der gegebenen Verzehrempfehlung auszuschließen. Nach dem von der Herstellerfirma GALL-PHARMA eingeholten Prüfbericht des Instituts für Geschmacksforschung "arotop food creation" vom 23. Januar 2003 weise das Produkt an Gesamteiweiß einen Gehalt von 23,8 % und an Kohlehydraten einen Gehalt von 30,8 % auf.

Nach Einholung eines Prüfberichts des Arzneimitteluntersuchungsinstituts-Nord GmbH (AMI-Nord GmbH) vom 31. März 2003 und einer weiteren Stellungnahme des Lebensmittelinstituts Oldenburg vom 2. Mai 2005 wies die Bezirksregierung Lüneburg den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 11. Juni 2003 zurück. Soweit es die den Rückruf des Produkts betreffenden Anordnungen (Nr. 2 und 3 der Verfügung vom 19.12.2002) betraf, sah sie diese als erledigt an.

Die Klägerin hat am 11. Juli 2003 Klage erhoben. Den ebenfalls gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage lehnte das Verwaltungsgericht Stade mit Beschluss vom 28. August 2002 - 6 B 1091/03 - ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 29. September 2004 - 11 ME 303/03 - (LRE 49, 397 = ZLR 2005, 143) zurück.

Die Klägerin hat zur Begründung der Klage ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie geltend gemacht:

Eine Einstufung als Arzneimittel komme nur dann in Betracht, wenn das Produkt aufgrund seiner Dosierung und täglichen Verzehrempfehlung eine pharmakologische Wirkung entfalte, die zwingend von der Behörde nachgewiesen werden müsse, was hier nicht geschehen sei. Soweit beanstandet werde, dass das streitige Produkt aufgrund fehlender Warnhinweise in zu hohen Dosen eingesetzt werden könne, hätte der Weg des geringsten Eingriffs darin bestanden, sie entsprechend den Deklarierungsvorschriften in § 4 der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel vom 24. Mai 2004 zu verpflichten, entsprechende Hinweise auf der Packung anzubringen. Ein Vertriebsverbot sei jedoch unverhältnismäßig. Das von ihr vertriebene Produkt reihe sich nahtlos in die Reihe anderer Lebensmittel ein, die ebenfalls eine positive Wirkung auf den Cholesterinspiegel hätten, wie etwa Margarine ("Becel") oder Lachsölkapseln. Die Einordnung als Arzneimittel, die von der Einstufung in Österreich als Lebensmittel abweiche, stelle ein unzulässiges Handelshemmnis dar.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 19. Dezember 2002 und ihren Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2003 aufzuheben.

Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg, das mit Wirkung vom 1. Januar 2005 an die Stelle der Bezirksregierung Lüneburg getreten ist, hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, dass für die Abgrenzung der Arzneimittel von den Lebensmitteln bzw. Nahrungsergänzungsmitteln die an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung des Produkts entscheidend sei, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher darstelle. Der in Kapselform verzehrte fermentierte rote Reis diene seiner objektiven Zweckbestimmung nach nicht der Nahrungsergänzung. Er könne nicht mit Produkten wie Margarine oder Lachsölkapseln verglichen werden, da diesen nach gefestigter Verkehrsauffassung Lebensmitteleigenschaft zukomme. Wenn man - wie hier - zu dem Ergebnis komme, dass es sich um ein Arzneimittel handele, so bedürfe es keiner Beweisführung mehr, dass eine Gefahr von dem in den Verkehr gebrachten Produkt ausgehe. Da es sich bei dem streitigen Erzeugnis um ein Arzneimittel handele, könne auch nicht der Argumentation der Klägerin gefolgt werden, als milderes Mittel reiche es aus, entsprechende Warnhinweise auf der Packung anzubringen. Die dafür in Bezug genommene Richtlinie 2002/46/EG vom 10. Juni 2002 beziehe sich nämlich ebenso wie die Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel ausschließlich auf Lebensmittel.

Mit Urteil vom 28. April 2005 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Das streitige Produkt sei ein Arzneimittel, nicht hingegen ein Lebensmittel. Es treffe nicht zu, dass dem Produkt ausschließlich eine ernährungsphysiologische Wirkung zukomme. Die Senkung des Cholesterinspiegels stelle keinen objektiven Ernährungszweck dar. Es bleibe nach wie vor nicht ersichtlich, welchen Effekt die Kapseln im Hinblick auf eine "Nahrungsergänzung" bewirken sollten. Sie zielten nicht auf objektive Ernährungszwecke wie etwa die Behebung von Mangelzuständen oder auch von diätetischen Lebensmitteln abgedeckte besondere Ernährungserfordernisse ab, sondern ihnen werde eine pharmakologische Wirkung in der Weise beigemessen, dass mit dem Wirkstoff Monacolin K die Cholesterinsynthese in der Leber gehemmt und somit erhöhte Cholesterinwerte behandelt werden sollten. Entgegen der Auffassung der Klägerin führe auch die Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften nicht zur Einordnung des streitigen Produkts als Nahrungsergänzungsmittel. Das Produkt habe pharmakologische Eigenschaften. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte habe in seiner Stellungnahme ausgeführt, dass Hemmstoffe der Cholesterinsynthese, die zur Senkung erhöhter Blutfette eingesetzt würden, schwerwiegende Nebenwirkungen an den Muskeln und Nieren mit sich brächten. Auf Risiken und Wechselwirkungen solcher Stoffe werde in den Packungsbeilagen von Arzneimitteln, die zur Senkung des Cholesterins auf dem Markt seien, ausdrücklich hingewiesen. Hinzu trete nach den Ausführungen des Bundesinstituts das Risiko, dass als Nahrungsergänzungsmittel deklarierte Präparate in der Regel unkontrolliert und in höherer als der empfohlenen Menge eingenommen würden. Schließlich verstoße die angefochtene Untersagungsverfügung auch nicht gegen den Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit in Art. 28 EG. Es handele sich um eine erforderliche angemessene Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Gesundheit im Sinne des Art. 30 EG.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassene Berufung.

Die Klägerin wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und trägt zusätzlich vor:

In der Verbrauchererwartung habe sich im Hinblick auf den Inhaltsstoff "Roter Reis" eine Wandlung vollzogen. Er sei inzwischen als Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel anerkannt. Dies belegten zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und im Internet. Verschiedene Firmen würden Red Rice Kapseln oder ähnliche Produkte in Online-Shops als Nahrungsergänzungsmittel anbieten. Wenn vor diesem Hintergrund allein das von ihr vertriebene Produkt verboten werde, lasse sich dies nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbaren. Dies gelte auch für die Firma Becel, die offen damit werbe, dass ihre Produkte dazu geeignet seien, den Cholesterinspiegel zu senken. Sie selbst sei bereit, umfassende Warnhinweise auf den Packungen der von ihr vertriebenen Produkte zu geben, um sicherzustellen, dass es nicht zu einem unkontrollierten Verzehr komme. Auch sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass nach der Nahrungsergänzungsmittelverordnung das Schwergewicht eines Nahrungsergänzungsmittels nicht mehr zwingend auf Ernährungszwecken liegen müsse. Stoffe, die sich positiv auf den Cholesterinspiegel auswirkten, seien in jedem menschlichen Körper vorhanden. Würden entsprechende Mangelerscheinungen durch Zuführung dieser Stoffe ausgeglichen, könne erst dann ein Arzneimittel angenommen werden, wenn eine zu hohe Dosis erfolge. Auch Art. 2 der Verordnung Nr. 178/2002 stelle auf den Ernährungscharakter im Gegensatz zu § 1 LMBG nicht mehr ab.

Der Europäische Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 9. Juni 2005 eine weitgehende Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften für Nahrungsergänzungsmittel betont. Danach bestehe nur eine begrenzte Möglichkeit, das Inverkehrbringen solcher Nahrungsergänzungsmittel zu beschränken, die - wie hier in Österreich - bereits in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen seien.

Die Regelung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2004/27 EG, wonach in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von "Arzneimittel" als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen könne, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt sei, Arzneimittelrecht anzuwenden sei, greife erst dann, wenn positiv sowohl die Arzneimitteleigenschaft als auch die Lebensmitteleigenschaft festgestellt worden sei. Zweifel hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft des betreffenden Produkts reichten dagegen nicht aus. Ein Präsentationsarzneimittel liege hier nicht vor, da sie das Produkt nicht als Arzneimittel, sondern als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr bringe. Sie habe nie eine Werbung mit Krankheitsbezug vorgenommen. Aussagen Dritter oder ausländische Werbeauftritte insbesondere im Internet seien ihr nicht zuzurechnen. Dass es sich um ein Funktionsarzneimittel handele, habe der Beklagte lediglich behauptet. Er habe weder nachgewiesen, dass bei der vorgegebenen Verzehrmenge eine pharmakologische Wirkung eintrete, noch andere evtl. schädigende Wirkungen zu erwarten seien. Im Übrigen komme der Inhaltsstoff Monacolin K nicht nur natürlicherweise in Rotem Reis vor, sondern in noch viel höherer Konzentration im Speisepilz "Austernsaitling". Dies zeige ebenfalls, dass Roter Reis nicht den Charakter eines Arzneimittels habe. Dass der Verzehr sich positiv auf den Cholesterinspiegel auswirke, sei eine lebensmitteltypische Wirkung.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 19. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält an seiner Auffassung fest, dass es sich bei dem streitigen Produkt um ein Arzneimittel handele. Ergänzend trägt er vor:

Der Verbraucher stelle sich bei dem Produkt "Roter Reis Nahrungsergänzung" nicht ein Lebensmittel vor. Der Hinweis auf entsprechende Internetseiten sei insofern ungeeignet, da das Internet nicht von allen Schichten der Bevölkerung genutzt werde. Im Übrigen seien die Internetauftritte der verschiedenen Anbieter sehr uneinheitlich und damit nicht aussagekräftig. Bei Produkten wie Becel-Margarine und Becel-Öle sei unstreitig, dass es sich um Lebensmittel handele. Auf die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG könne sich die Klägerin nicht berufen, weil keiner der von ihr genannten Hersteller seinen Betrieb in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich habe.

Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung des Produkts könne auch durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthalten Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie durch die Aufmachung beeinflusst sein. Die Klägerin stelle in ihrer Etikettierung den Wirkstoff Monacolin K heraus. Außerdem könne dem Internetauftritt der Herstellerfirma, die über den Geschäftsführer F. Gall mit der Klägerin verbunden sei, entnommen werden, dass mit den physiologischen Eigenschaften der für Rotreispulver typischen sog. Monacoline und die Unterbrechung der Vorstufe der Cholesterinsynthese geworben werde.

Der Verweis der Klägerin auf die Richtlinie 2002/46/EG gehe fehl. Diese gelte ausweislich ihres Art. 1 Abs. 2 nicht für Arzneimittel. Darauf verweise auch der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 9. Juni 2005. Wenn es um eine im Streit stehende Abgrenzung eines Nahrungsergänzungsmittels zu einem Arzneimittel gehe, bestehe immer ein Vorrang für die arzneimittelrechtlichen Vorschriften. Dies ergebe sich auch aus Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der Änderungsfassung vom 31. März 2004. Der gemeinschaftsrechtliche Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften sei auch bei der Anwendung nationalen Rechts zu berücksichtigen. Soweit der Vorrang der lebensmittelrechtlichen Vorschriften im Zusammenhang damit vor allem aus den Formulierungen im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz geschlossen worden sei, sei dies überholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Bezirksregierung Lüneburg bzw. des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Die angefochtene Untersagungsverfügung vom 19. Dezember 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2003 stellt ihrem Inhalt nach einen Dauerverwaltungsakt dar. Sie verbietet auf der Grundlage von § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3586) das Inverkehrbringen des Produkts "Red Rice 330 mg GPH Kapseln zur Nahrungsergänzung" in Deutschland und erschöpft sich damit nicht im Verlangen eines einmaligen Tuns oder Unterlassens. Es ist allgemein anerkannt, dass die Gerichte bei der Beurteilung derartiger Dauerverwaltungsakte die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung jedenfalls dann zu berücksichtigen haben, wenn das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.1.1998 - 3 C 6/97 -, BVerwGE 106, 141 = NJW 1999, 881 = DVBl. 1999, 43; Urt. v. 14.4.2005 - 3 C 9/04 -, Buchholz 418.21 ApBO Nr. 16 = NVwZ 2005, 1198; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 113 RdNr. 43). Dies ist bei dem hier in Rede stehenden Regelungskomplex nicht der Fall. Dementsprechend hat der Senat auf die Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung abzustellen. Es sind deshalb das Arzneimittelgesetz - AMG - in der Fassung des Gesetzes vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das am 1. Dezember 2005 in Kraft getreten ist, und das seit dem 7. September 2005 geltende Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetz - LFGB - vom 1. September 2005 (BGBl. I S. 2617), das an die Stelle des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) getreten ist, anzuwenden. Für die im Mittelpunkt des Rechtsstreits stehende Frage der Abgrenzung von Arzneimitteln und Lebensmitteln kommt es daneben ganz entscheidend auf die entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen an, die - wie noch aufgezeigt wird - seit dem Erlass der angefochtenen Untersagungsverfügung ebenfalls Änderungen erfahren haben. Diese teilweise neue Rechtslage wirkt sich aber nicht zugunsten der Klägerin aus.

Zwar fällt das von der Klägerin vertriebene Produkt unter den nunmehr geltenden weiten Lebensmittelbegriff, doch erfüllt es auch die Definition des Arzneimittels. Damit gilt der sich aus gemeinschaftsrechtlichen Normen ergebene Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften. Da das streitige Produkt weder in Deutschland noch sonst im Bereich der Europäischen Union eine Verkehrsgenehmigung als Arzneimittel hat (vgl. § 21 AMG), ist die zuständige Behörde gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG berechtigt, das Inverkehrbringen zu untersagen.

Lebensmittel werden in § 2 LFGB wie folgt definiert:

Lebensmittel sind Lebensmittel im Sinne des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.

Zuvor galt die Lebensmitteldefinition des § 1 Abs. 1 LMBG in der Fassung vom 9. September 1997 (BGBl. I S. 2296) mit folgendem Wortlaut:

Lebensmittel im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden.

Allerdings ist die in § 2 LFGB in Bezug genommene Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28. Januar 2002 - im folgenden Lebensmittel-BasisVO - (ABl. L 31, S. 1) bereits am 21. Februar 2002 in Kraft getreten. Als Verordnung ist sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (vgl. Art. 65 der Lebensmittel-BasisVO). Einer Umsetzung bedurfte es mithin nicht. Das Gemeinschaftsrecht hat gegenüber dem nationalen Recht grundsätzlich einen Anwendungsvorrang (vgl. etwa OVG Saarland, Urt. v. 3.2.2006 - 3 R 7/05 -, veröff. in juris; Klaus, Der gemeinschaftsrechtliche Lebensmittelbegriff, 2005, S. 36 f u. 276). Dies bedeutet, dass § 1 Abs. 1 LMBG bereits seit dem 21. Februar 2002 durch Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 überlagert wurde.

Die Legaldefinition in Art. 2 Abs. 1 Lebensmittel-BasisVO lautet:

Im Sinne dieser Verordnung sind "Lebensmittel" alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.

Die gemeinschaftsrechtliche Definition stellt damit nicht mehr - wie die frühere deutsche Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 1 LMBG - ausdrücklich auf den Ernährungs- oder Genusszweck ab. Sie ist von dem Europäischen Verordnungsgeber bewusst weit gefasst (vgl. OVG Saarland, a.a.O.; OVG NRW, Urt. v. 10.11.2005 - 13 A 463/03 -, LRE 51, 287 = ZLR 2006, 96). Dies bedeutet, dass der Verzehr aus Genuss- oder Ernährungsgründen nicht Voraussetzung für die Einstufung als Lebensmittel ist. Andererseits schließt das Fehlen dieser Eigenschaften aber auch nicht eine solche Qualifizierung aus.

Das streitige Produkt fällt unter diese weite europäische Positivdefinition eines Lebensmittels. Es enthält 330 mg rot fermentiertes Reispulver pro Kapsel und erfüllt deshalb den Begriff des "Stoffes". Dieser ist auch dazu bestimmt, in verarbeitetem Zustand mit bestimmten Zutaten, die auf dem Flaschenetikett angegeben sind, in Kapselform von Menschen verzehrt zu werden. Damit ist der weite gemeinschaftsrechtliche Lebensmittelbe-griff erfüllt, ohne dass es insoweit noch darauf ankommt, ob das Produkt zusätzlich Ernährungszwecken dient.

Nahrungsergänzungsmittel stellen eine spezielle Kategorie von Lebensmitteln dar. Art. 2 a der Richtlinie 2002/46/EG vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel - Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie - (ABl. L 183, S. 51) definiert den Begriff "Nahrungsergänzungsmittel" als Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, d.h. in Form von z.B. Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen...".

Diese Richtlinie wurde durch die Nahrungsergänzungsmittelverordnung - NemV - vom 24. Mai 2004 (BGBl. I S. 1011) mit Wirkung vom 28. Mai 2004 in das deutsche Recht umgesetzt. Sie enthält in § 1 eine inhaltsgleiche Definition.

Nahrungsergänzungsmittel müssen danach zunächst einmal Lebensmittel sein. Dies ist - wie dargelegt - bei dem streitigen Produkt der Fall. Weiter kommt es auf den Nahrungsergänzungszweck an. Dieser ist hier ebenfalls erfüllt. Das streitige Produkt enthält u.a. die Vitamine C, B1 und B6. Diese gehören nach § 3 Abs. 1 und Anlage 1 der NemV sowie Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang 1 der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie zu den Nährstoffen, die bei der Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden dürfen. Nach dem Befundbericht des Lebensmittelinstituts Oldenburg vom 6. Dezember 2002 sind diese Vitamine in dem streitigen Produkt in einer ernährungsphysiologisch günstigen Menge enthalten. Ferner muss nach Art. 2 a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie und § 1 Abs. 1 Nr. 3 der NemV ein Produkt in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, vorliegen. Dies trifft auf das streitige Produkt ebenfalls zu.

Nach alledem handelt es sich um ein Lebensmittel in Form des Nahrungsergänzungsmittels.

Kommt es aber - wie im vorliegenden Fall - auf die Abgrenzung zu Arzneimitteln an, führt die Bejahung der Lebensmitteleigenschaft allein nicht weiter, weil ein Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften besteht. Zwar geht dies nicht unmittelbar aus dem deutschen Recht hervor, da § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG lediglich bestimmt, dass Arzneimittel nicht Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 LFGB sind. Jene Vorschrift verweist aber - wie bereits erwähnt - auf Art. 2 der Lebensmittel-BasisVO. Dieser enthält in seinem Abs. 3 d neben der Positivdefinition der Lebensmittel auch eine Negativabgrenzung. Danach gehören zu den Lebensmitteln nicht Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG. Durch die in Art. 128 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel - Humanarzneimittelrichtlinie - (ABl. L 311, S. 67) enthaltene "dynamische Verweisung" auf die jeweils geltende Fassung sind alle Bezugnahmen auf ältere Arzneimittelrichtlinien ersetzt. Dies hat zur Folge, dass zu den Lebensmitteln nicht solche Produkte zählen, die Arzneimittel im Sinne der Humanarzneimittelrichtlinie sind (vgl. OVG NRW, Urt. v. 10.11.2005, a.a.O.; Kraft/Röcke, Auswirkungen der neuen Zweifelsregelung in Art. 2 Abs. 2 der Arzneimittelrichtlinie 2001/83/EG auf die Einstufung von "Grenzprodukten" als Lebens- oder Arzneimittel, ZLR 2006, 19, 34). Aus dieser Verweisungskette ergibt sich, dass auch nach nationalem Recht in Abgrenzungsfällen im Ergebnis die Richtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG - Änderungsrichtlinie - (ABl. L 136, S. 43) zur Anwendung gelangt. Dort ist nunmehr in Art. 2 Abs. 2 vorgesehen, dass in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von "Arzneimittel" als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist, diese Richtlinie gilt. Auch wenn die Aufnahme einer dem Art. 2 Abs. 2 der Änderungsrichtlinie entsprechenden Zweifelsregelung in das Arzneimittelgesetz trotz Ablaufs der Umsetzungsfrist am 30. Oktober 2005 nicht erfolgt ist, besteht damit der gemeinschaftsrechtliche Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften gleichwohl auch bei der Anwendung des deutschen Rechts (so auch OVG Saarland, a.a.O.; OVG NRW, Urt. v. 10.11.2005, a.a.O.). Zu dem selben Ergebnis würde man auch mit Hilfe einer richtlinienkonformen Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften im nationalen Recht gelangen (vgl. Mahn, Veränderungen bei der Einordnung von Nahrungsergänzungsmitteln, ZLR 2005, 529, 541).

Nach Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Änderungsrichtlinie sind Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind (a), oder die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen (b). Es wird also zwischen Präsentationsarzneimitteln einerseits (a) und Funktionsarzneimitteln andererseits (b) unterschieden. Allerdings ist in der Änderungsverordnung der bisherige Begriff "bezeichnen" durch den Begriff "bestimmen" ersetzt worden. Doch ist damit keine inhaltliche Modifikation des Begriffs des Präsentationsarzneimittels verbunden (vgl. dazu Klaus, a.a.O., S. 137). Denn ausschlaggebend bleibt nach wie vor, wie sich das Erzeugnis gegenüber dem Verbraucher "präsentiert". Dagegen sind im Hinblick auf die Funktionsarzneimittel wesentliche Änderungen vorgenommen worden (vgl. zum Nachstehenden Klaus, a.a.O., S. 138 ff). Neben der Einfügung der bereits zitierten Zweifelsregelung ist die Definition für Funktionsarzneimittel durch die Richtlinie 2004/27/EG objektiviert worden. Darüber hinaus wurden die Begriffe der pharmakologischen, immunologischen und metabolischen Wirkung als gesetzliche Tatbestandsmerkmale aufgenommen, um für die Behörden und Gerichte handhabbare Abgrenzungskriterien angesichts der weit gefassten Lebensmitteldefinition in Art. 2 der Lebensmittel-BasisVO zu schaffen.

Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass das streitige Produkt jedenfalls unter die Definition des Funktionsarzneimittels fallen kann. Der Senat konnte deshalb offen lassen, ob möglicherweise auch die Einordnung als Präsentationsarzneimittel in Betracht kommt.

Nach der neusten Definitionsfassung des Funktionsarzneimittels in Art. 1 Nr. 2 b der Änderungsrichtlinie kommt es maßgeblich auf die pharmakologische Wirkung (eine immunologische oder metabolische Wirkung scheidet hier von vornherein aus) an. Aus wissenschaftlicher Sicht ist unter Pharmakologie die Lehre von den Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen und Organismus zu verstehen (vgl. Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Aufl. 2004, Stichwort Pharmakologie). Dabei kann es sich sowohl um positive als auch um negative Auswirkungen auf die Gesundheit handeln. Diesem wissenschaftlichen Verständnis entspricht auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat im Urteil vom 29. April 2004 - C - 387/99 - (ZLR 2004, 464) folgende Definition des Funktionsarzneimittels gegeben (Rz. 58):

Für die Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel nach der Funktion müssen sich die Behörden daher vergewissern, dass es zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt ist und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben kann.

In seinem neuesten Urteil vom 9. Juni 2005 (a.a.O., Rz. 52) hat der Europäische Gerichtshof diese Rechtsprechung fortgeschrieben und ausgeführt:

Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind der Faktor, auf dessen Grundlage die mitgliedstaatlichen Behörden ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten dieses Erzeugnisses zu beurteilen haben, ob es im Sinne des Artikels 1 Nummer 2 Absatz 2 der Richtlinie 2001/83 dazu bestimmt ist, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden.

Allerdings hat der Europäische Gerichtshof den Begriff der pharmakologischen Eigenschaften nicht inhaltlich konkretisiert. Auch gibt es nach wie vor keine allseits anerkannte Definition dieses Begriffs (vgl. Kraft/Röcke, ZLR 2006, 35). Daraus ergeben sich Abgrenzungsschwierigkeiten insbesondere bei Produkten, die sich - wie hier - im Grenzbereich zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln bewegen. So können auch Lebensmitteln pharmakologische Wirkungen innewohnen, wenn sie in Stoffwechselvorgänge des Körpers eingreifen und damit Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Dass aber nicht alle Erzeugnisse mit physiologischen und insbesondere gesundheitserhaltenden oder krankheitsvorbeugenden Wirkungen vom Arzneimittelbegriff umfasst werden sollen, hat der Gesetzgeber durch die Normierung der Nahrungsergänzungsmittel und auch der diätetischen Lebensmittel (vgl. Verordnung über diätetische Lebensmittel i.d.F. der Bekanntmachung v. 28.4.2005, BGBl. I S. 1161) zum Ausdruck gebracht. Probleme bereitet in diesem Zusammenhang vor allem die Bestimmung der Grenze, bis zu welcher Dosierung der jeweilige Inhaltsstoff eine nur ernährungsphysiologische und noch keine pharmakologisch-arzneiliche Wirkung hat. So sind beispielsweise Vitaminpräparate als Arzneimittel einzustufen, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 29.4.2004, a.a.O.). Andererseits ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urt. v. 9.6.2005, a.a.O., Rz. 63) geklärt, dass ein Erzeugnis, das in Mengen verabreicht wird, die unter einer eventuellen sicheren Höchstgrenze liegen, gleichwohl ein Arzneimittel darstellen kann. Letztlich wird es darauf ankommen, ob das betreffende Produkt primär einen therapeutischen Zweck erfüllen kann, der bei einem Funktionsarzneimittel in der Verhütung, Heilung und Linderung menschlicher Krankheiten besteht. Wann ein solcher vorliegt, ist nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft zu entscheiden. Fehlen dazu einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse, bedarf es zusätzlicher Kriterien, um auf das Vorliegen einer pharmakologischen Wirkung schließen zu können. Zwar wird den Interessen des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes auch durch die lebensmittelrechtlichen Vorschriften Rechnung getragen (vgl. dazu näher Klaus a.a.O., S. 378 - 380), doch kann der Schutz der Bevölkerung vor unbekannten bzw. noch nicht ausreichend erforschten Gesundheitsgefahren wirksamer durch das arzneimittelrechtliche Zulassungsverfahren gewährleistet werden. Dieser dem Gemeinschaftsrecht innewohnende Schutzzweckgedanke legt es nahe, Produkte mit ambivalenten Eigenschaften sicherheitshalber dem strengeren Arzneimittelrecht zu unterstellen. Insbesondere kann nach Auffassung des Senats ein therapeutischer Zweck in Betracht kommen, wenn der Stoff oder die Stoffzusammensetzung dem in einem zugelassenen Arzneimittel enthaltenen Wirkstoff entspricht, weil die Zulassung als Arzneimittel regelmäßig den Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit voraussetzt (vgl. §§ 22 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 und 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AMG). Bei Stoffen, für die eine dosisabhängige pharmakologische Wirkung wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt ist, können auch Merkmale wie potenzielle Nebenwirkungen, Wechselwirkungen oder Gegenanzeigen, die typischerweise arzneimitteleigen sind, jedenfalls als Indiz herangezogen werden (vgl. Klaus, a.a.O. S. 377). Denn die Einnahme von Lebensmitteln bringt grundsätzlich keine Wirkungen dieser Art mit sich. Auch der Europäische Gerichtshof hat das Merkmal der Nebenwirkungen zur Einordnung eines Erzeugnisses als Funktionsarzneimittel genannt (Urt. v. 21.3.1991 - C - 60/89 -, Slg. 1991, 1547).

Allerdings bedarf es nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 9.6.2005, a.a.O., Rz. 30 u. 53) für die Beurteilung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Arzneimittels "nach der Funktion" fällt, nicht nur der Berücksichtigung seiner pharmakologischen Eigenschaften, wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen, sondern aller seiner Merkmale, insbesondere seiner Zusammensetzung, der Modalitäten seines Gebrauchs, des Umfangs seiner Verbreitung, seiner Bekanntheit bei den Verbrauchern und der Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um Hilfskriterien, da der Schwerpunkt auf der pharmakologischen Wirkung liegt (vgl. OVG Saarland a.a.O.; OVG NRW, Urt. v. 10.11.2005, a.a.O.).

Nach diesen Kriterien ist das streitige Produkt aller Wahrscheinlichkeit nach als Funktionsarzneimittel einzustufen.

Das streitige Produkt, das in Form von Kapseln vertrieben wird, besteht ausweislich der Flaschenetikettierung zu 71 % aus "Red Rice Pulver". Dieses Pulver ist ein natürlicher Rohstoff und wird durch Fermentation von Reis mit Hilfe von Schimmelpilzen der Gattung Monascus gewonnen. Das Lebensmittelinstitut Oldenburg führte in seinem Bericht vom 6. Dezember 2002 dazu aus, dass rot fermentierter Reis, auch Angkak genannt, im asiatischen Raum seit Jahrhunderten traditionell zur Geschmacksgebung und Färbung von Lebensmitteln sowie als Arzneimittel verwendet werde. Auch die Herstellerfirma Gall-Pharma (E. /Österreich), die über Herrn F. Gall - er ist einer der beiden Geschäftsführer der Klägerin (vgl. den Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Otterndorf, Bl. 374 GA) - mit der Klägerin verbunden ist, weist in ihrer Internetpräsentation (http://www.gall.co.at/products) darauf hin, dass Angkak in asiatischen Ländern seit Jahrhunderten als Lebensmittel oder traditionelles Heilmittel gegen verschiedene Krankheiten bekannt sei. Zwischen den Beteiligten ist ferner unstreitig, dass Angkak neben einer Reihe von Vitaminen den Wirkstoff Monacolin K enthält. Nach der Stellungnahme des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 9. Dezember 2002 ist dieser Wirkstoff synonym mit Mevinolin oder Lovastatin, einem bekannten Hemmstoff der Cholesterinsynthese. Der Stoff Lovastatin sei als arzneilich wirksamer Bestandteil in verschiedenen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln enthalten, z.B. in Mevinacor. Die tägliche Dosis betrage dort 10 bis 80 mg. Hemmstoffe der Cholesterinsynthese und andere Arzneimittel, die zur Senkung erhöhter Blutfette eingesetzt würden, könnten schwerwiegende Nebenwirkungen an den Muskeln und Nieren haben. Das gelte insbesondere für die Kombination von Hemmstoffen der Cholesterinsynthese (HMG-CoA-Reduktase Hemmstoffe) mit Fibraten und Nikotinsäure. Auf Risiken und Wechselwirkungen solcher Stoffe werde in den Packungsbeilagen von Arzneimitteln, die zur Senkung des Cholesterins auf dem Markt seien, ausdrücklich hingewiesen. Auch die Herstellerfirma gibt in ihrer Internetpräsentation (a.a.O.) an, dass es sich bei den Monacolinen um sog. HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren handele, deren Wirkung in der Leber an der Cholesterinsynthese direkt ansetze. Damit werde die Vorstufe der Cholesterinsynthese unterbrochen. Monacolin K hemme dosisabhängig die Cholesterinproduktion der Leber, setze somit den Cholesterinspiegel des Blutes bei Menschen herab und stabilisiere den Fettstoffwechsel. Diese im Wesentlichen übereinstimmend beschriebenen Wirkungen des in dem streitigen Produkt enthaltenen Monacolin K können als aktueller Stand der Wissenschaft angesehen werden. Danach ist die Einnahme des streitigen Produkts geeignet, zur Senkung erhöhter Cholesterinwerte, die als Risikofaktor für Herz und Kreislauf gelten, und damit zur Erfüllung eines therapeutischen Zwecks beizutragen. Dies spricht für das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels. Die gegen diese Bewertung gerichteten Einwände der Klägerin vermögen nicht zu überzeugen.

Die Klägerin vertritt unter Berufung auf eine gutachtliche Stellungnahme des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Reuss vom 22. August 2002 die Auffassung, dass eine pharmakologische Wirkung des streitigen Produkts bei der angegebenen Verzehrempfehlung auszuschließen sei. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat in seiner Stellungnahme vom 9. Dezember 2002 ausgeführt, dass der auf dem Flaschenetikett angegebene Inhalt von 1,33 mg Monacolin K je Kapsel sowie die Verwendungsempfehlung "1 - 3 x täglich eine Kapsel" zu einer Tagesdosis von 1,33 - 4 mg Monacolin K führten. Diese sei allerdings im Vergleich mit der für Lovastatin empfohlenen täglichen Dosis von 10 - 80 mg niedrig. Daraus kann die Klägerin aber nicht herleiten, dass dem von ihr vertriebenen Produkt eine pharmakologische Wirkung fehle. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes kann - wie bereits erwähnt - ein Erzeugnis, das in Mengen verabreicht wird, die unter einer eventuellen sicheren Höchstgrenze liegen, gleichwohl ein Arzneimittel darstellen (Urt. v. 9.6.2005 a.a.O.). Vielmehr kommt es nach Auffassung des Senats maßgeblich darauf an, ob eine Vergleichbarkeit mit regulär zugelassenen Arzneimitteln besteht. Das ist hier der Fall. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat in seiner Stellungnahme vom 9. Dezember 2002 darauf hingewiesen, dass der Wirkstoff Monacolin K identisch sei mit dem Stoff Lovastatin, der als arzneilich wirksamer Bestandteil in verschiedenen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln enthalten sei. Auch wenn bei Einhaltung der Verzehrempfehlung für das streitige Produkt die Tagesdosis im Vergleich zu den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit Lovastatin niedrig sei, müsse berücksichtigt werden, dass als "Nahrungsergänzungsmittel" deklarierte Präparate in der Regel unkontrolliert und in höheren als der empfohlenen Menge eingenommen würden. Hemmstoffe der Cholesterinsynthese und andere Arzneimittel, die zur Senkung erhöhter Blutfette eingesetzt würden, könnten schwerwiegende Nebenwirkungen an den Muskeln und Nieren haben. Allerdings fehlen in dieser Stellungnahme nähere Aussagen dazu, ab welcher Dosis mit derartigen Gesundheitsgefahren zu rechnen ist. Es gibt zu dieser Frage - soweit ersichtlich - auch sonst keine ausreichenden wissenschaftlichen Daten. Die von der Klägerin vorgelegte Stellungnahme des Sachverständigen Reuss hilft nicht weiter. Sie umfasst lediglich eine Seite, ist sehr allgemein gehalten und setzt sich mit den Wirkungen des Monacolin K nicht näher auseinander. Die von dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte aufgezeigten gesundheitlichen Risiken und möglichen Nebenwirkungen dürften sich deshalb erst im Rahmen eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens klären lassen. Diese potentiellen Gesundheitsgefahren stellen aber - wie vom Senat im einzelnen dargelegt - ein sachgerechtes Abgrenzungskriterium dar. Damit ist ein wesentliches Indiz für das Vorliegen einer pharmakologischen Wirkung erfüllt.

Aus den in der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 9.6.2005, a.a.O., Rz. 30 u. 53) ergänzend genannten (Hilfs-)Kriterien lassen sich keine durchgreifenden Zweifel an dem Vorliegen eines Funktionsarzneimittels herleiten.

Die Zusammensetzung des Produkts spricht nicht für eine ausschließlich oder überwiegende ernährungsphysiologische Bedeutung. Zwar sind in ihm Nährstoffe wie Eiweiß und Kohlenhydrate sowie Vitamine enthalten, doch stellen diese nach den plausiblen Darlegungen des Lebensmittelinstituts Oldenburg vom 2. Mai 2003 bei der empfohlenen Verzehrmenge von 3 Kapseln pro Tag keinen nennenswerten Beitrag zur Ernährung dar, zumal sie dem Körper auch anderweitig zugeführt werden könnten. Da das Produkt auch nicht wegen seines Geschmacks ("säuerlich-herb, im Nachgeschmack bitter": so das Lebensmittelinstitut Oldenburg in seiner Stellungnahme vom 6.12.2002) Verwendung finden dürfte, ist es unwahrscheinlich, dass der Verbraucher es vorrangig aus Gründen der Nahrungsergänzung oder des Geschmacks erwirbt. Dass die Klägerin selbst den in dem Produkt vorhandenen Nährstoffen und Vitamine keine wesentliche Bedeutung beimisst, wird auch daran deutlich, dass sie auf der Flaschenetikettierung diese Stoffe nicht einmal erwähnt, geschweige denn angibt, welchen Effekt die Kapseln im Hinblick auf die deklarierte "Nahrungsergänzung" bewirken sollen. Stattdessen stellt sie den Wirkstoff "Monacolin K" heraus. Dass dieser Stoff nach Angaben der Klägerin in noch viel höherer Konzentration im Speisepilz "Austernsaitling" vorkommen soll, macht ihn nicht zu einem lebensmitteltypischen Merkmal. Im Gegenteil trägt der Verzehr vieler Lebensmittel gerade dazu bei, den Cholesterinspiegel im Blut zu erhöhen. Dass es sich bei Austernsaitlingen anders verhalten soll, ändert nichts daran, dass er in erster Linie als Speisepilz verwendet wird und damit der Ernährung dient. Das gleiche gilt für Produkte der Fa. Becel, die in den typischen Lebensmittelformen in den Handel gelangen und im Rahmen einer cholesterinbewussten Ernährung als Teil der normalen Kost verzehrt werden (vgl. Klaus, a.a.O., S. 110-113).

Aus den Modalitäten des Gebrauchs können ebenfalls keine der Einstufung als Funktionsarzneimittel entgegenstehende Folgerungen gezogen werden. Die Dosierungsempfehlung "1 - 3 x täglich 1 Kapsel" ist auch im Arzneimittelbereich üblich. Die Darreichung in Form von Kapseln ist im Übrigen nicht nur für Arzneimittel, sondern auch für Nahrungsergänzungsmittel typisch (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 der NemV).

Dass das streitige Produkt nach den vorliegenden Erkenntnissen weder potenziell toxisch ist noch der Wirkstoff Monacolin K bei Beachtung der Verzehrempfehlungen gesundheitsschädliche Wirkung hat, spricht ebenfalls nicht gegen die Annahme eines Arzneimittels. Denn das Vorliegen einer Gesundheitsgefahr ist keine zwingende Voraussetzung für die Bejahung des Begriffs pharmakologische Eigenschaften (vgl. Mahn, ZLR 2005, 544; Schroeder, Die rechtliche Einstufung von Nahrungsergänzungsmitteln als Lebens- oder Arzneimittel, ZLR 2005, 411, 416). Allerdings kann ein Gesundheitsrisiko ein Faktor für die Einstufung eines Erzeugnisses als Medikament "nach der Funktion" sein (EuGH, Urt. v. 9.6.2005, a.a.O., Rz. 53 f.).

Was den Umfang der Verbreitung angeht, kann lediglich festgestellt werden, dass das Erzeugnis in Österreich als Verzehrprodukt eingestuft und dort als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht wird. Wie es sich in anderen EU-Staaten verhält, ist nicht bekannt. Jedenfalls wird dadurch die Annahme eines Funktionsarzneimittels nicht in Frage gestellt.

Im Hinblick auf die Bekanntheit bei den Verbrauchern liegen keine eindeutigen Informationen vor. Zwar wird über Red Rice-Produkte im Internet und auch in Zeitschriften berichtet, doch können daraus keine sicheren Rückschlüsse auf den Bekanntheitsgrad gezogen werden. Da der Begriff des Funktionsarzneimittels - wie bereits erwähnt - objektiviert worden ist, hat dies zur Folge, dass die Vorstellung der möglichen Anwender über Wirkung oder Verwendungszweck des Produkts in den Hintergrund treten muss. Aus diesem Grund kann auch nicht mehr uneingeschränkt der Auffassung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 11. Juli 2002 (BGHZ 151, 286 = NJW 2002, 3469) zugestimmt werden, dass ein verständiger Durchschnittsverbraucher im allgemeinen nicht annehmen wird, dass ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Präparat tatsächlich ein Arzneimittel ist, wenn es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologische Wirkungen hat (vgl. Mahn zu dem Senatsbeschl. v. 8.7.2004 - 11 ME 12/04 - in LRE 49, 132). Die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beruht auf dem in der Vergangenheit auch vom Senat übernommenen Ansatz, dass die lebensmittelrechtlichen Vorschriften im Zweifelsfall vorrangig seien, der aber gemeinschaftsrechtlich nicht (mehr) haltbar ist. Außerdem kann ein Verbraucher regelmäßig nicht beurteilen, ob bei der empfohlenen Dosierung von dem Produkt tatsächlich pharmakologische Wirkungen ausgehen oder nicht (OVG NRW, Urt. v. 10.11.2005, a.a.O.). Insofern kommt auch der allgemeinen Verkehrsauffassung keine wesentliche Bedeutung mehr bei der Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln zu (so zu Recht OVG Saarland, a.a.O.).

Nach alledem gelangt der Senat im Rahmen einer Gesamtabwägung zu dem Ergebnis, dass das streitige Produkt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Merkmale eines Funktionsarzneimittels erfüllt.

Da der Nachweis der pharmakologischen Wirkung aber nicht mit letzter Sicherheit erbracht ist, kommt die Zweifelsregelung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung zum Zuge. In ihr ist festgelegt, dass ein Produkt, welches sowohl die Voraussetzungen eines Lebensmittels als auch diejenigen eines Arzneimittels erfüllen kann, im Zweifelsfall unter die Regelungen des Arzneimittelrechts fällt (vgl. Kraft/Röcke, ZLR 2006, 19 ff.; Gerstberger, Anm. zum Urteil des OVG NRW v. 11.10.2005, a.a.O., ZLR 2006, 110, 113 u. 118; Schroeder, ZLR 2005, 411, 421; Mahn, ZLR 2005, 529, 534 ff.; Sickmüller/Porstner, Europarechtliche Veränderungen des Arzneimittelbegriffs und seine Umsetzung in das deutsche Arzneimittelgesetz, GesR 2005, 392 f.; Klaus, a.a.O., S. 367 ff.). Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, das Arzneimittelrecht sei in solchen Fällen erst dann anzuwenden, wenn auch die Arzneimitteleigenschaft positiv festgestellt worden sei; Zweifel reichten insofern nicht aus. Da der Beklagte die Arzneimitteleigenschaft des streitigen Produkts nicht nachgewiesen habe, könne die Zweifelsregelung nicht eingreifen. Diese Argumente der Klägerin sind aber mit dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, der Systematik und dem Zweck der Zweifelsregelung nicht vereinbar.

Zur Auslegung der Zweifelsregelung ist zunächst das entsprechende Gesetzgebungsverfahren in den Blick zu nehmen. Die Europäische Kommission hatte sich in ihrem ersten Änderungsvorschlag vom November 2001 für die Einfügung eines neuen Art. 2 Abs. 2 in die Richtlinie 2001/83/EG wie folgt ausgesprochen:

"Wenn ein Stoff oder eine Zusammensetzung der Definition des Arzneimittels entspricht, gelten die Bestimmungen dieser Richtlinie auch dann, wenn der Stoff oder die Zusammensetzung ebenfalls in den Geltungsbereich anderer gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften fällt "(zitiert nach Kraft/Röcke, ZLR 2006, 27).

Dieser Vorschlag lässt erkennen, dass die Europäische Kommission ursprünglich den Vorrang der Arzneimittelgesetzgebung nur nach erfolgter positiver Feststellung der Arzneimitteleigenschaft eines Produktes kodifizieren wollte. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens kam es aber zu erheblichen Änderungen. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG lautet in der Endfassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG wie folgt:

"In Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von "Arzneimittel" als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftsrechtliche Rechtsvorschriften geregelt ist, gilt diese Richtlinie."

Wesentlich sind zwei Änderungen, die den Unterschied zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag deutlich machen (vgl. Kraft/Röcke, ZLR 2006, 27): Einmal die Bezugnahme auf einen bestehenden Zweifelsfall, und zum zweiten der Verweis darauf, dass die Arzneimittelgesetzgebung (bereits dann) anwendbar ist, wenn ein Produkt unter die Definition des Arzneimittels fallen "kann" (anstatt "fällt" bzw. wie im Kommissionsvorschlag vorgesehen: "der Definition des Arzneimittels entspricht"). Die Behauptung der Klägerin, die Anwendbarkeit der Zweifelsregelung setze die positive Feststellung der Arzneimitteleigenschaft voraus, steht deshalb bereits mit dem Wortlaut der Norm nicht in Übereinstimmung. Käme es auf die positive Feststellung der Arzneimitteleigenschaft an, so wäre der Hinweis des Gesetzgebers auf das Vorliegen eines Zweifelfalls verfehlt, da bei positiver Feststellung der Arzneimitteleigenschaft begriffstechnisch schon gar kein Zweifel im Hinblick auf die Rechtsnatur eines Produktes vorläge (Kraft/Röcke, a.a.O., ZLR 2006, 26). Zudem käme in einem solchen Fall nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ohnehin der gemeinschaftsrechtliche Vorrang des Arzneimittelrechts zum Tragen (vgl. Urt. v. 9.6.2005, a.a.O., Rz. 43 unter Verweis auf das Urteil vom 28.10.1992 - C - 219/91- , Slg. 1992, I - 8485, RdNr. 19 u. 20).

Eine andere Auslegung gebietet auch nicht der Erwägungsgrund Nr. 7 der Richtlinie 2004/27/EG. Nach Satz 7 dieses Erwägungsgrundes sollte diese Richtlinie nicht gelten, wenn ein Produkt eindeutig unter die Definition anderer Produktgruppen wie Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel fällt. Diese Überlegung hat aber gerade keinen Eingang in den Wortlaut der Zweifelsregelung gefunden. Die Begründungserwägungen eines Gemeinschaftsrechtsaktes können nicht herangezogen werden, um von den Bestimmungen dieses Rechtsakts abzuweichen (vgl. EuGH, Urt. v. 12.5.2005 - C - 444/03 -, Rz. 25). Maßgeblich ist deshalb der Text der Richtlinie (vgl. Kraft/Röcke, a.a.O., ZLR 2006, 28; Gerstberger, ZLR 2006, 113; Mahn, ZLR 2005, 536 f.; Schroeder, ZLR 2005, 420 f.). Hinzu kommt, dass der europäische Gesetzgeber unter Hervorhebung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit (Erwägungsgrund Nr. 4 Satz 1) und der damit zusammenhängenden Arzneimittelsicherheit sowie mit Blick auf die steigende Zahl von sog. Grenzprodukten (Sätze 1 und 2 des Erwägungsgrundes Nr. 7) die Zweifelsregelung geschaffen hat, so dass auch der Zweck des Gesetzes für die hier vertretene Auslegung spricht. Schließlich würde das Abgrenzungskriterium des Satzes 7 des Erwägungsgrundes Nr. 7 bei der Produktgruppe der Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel versagen und insoweit die Zweifelsregelung leer laufen lassen, weil die geforderte Eindeutigkeit angesichts der Weite der in Art. 2 Abs. 1 Lebensmittel-BasisVG normierten Lebensmitteldefinition regelmäßig gegeben sein dürfte (vgl. OVG NRW, Urt. v. 10.11.2005, a.a.O.; Kraft/Röcke, ZLR 2006, 25; Gerstberger, ZLR 2006, 113).

Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Zweifelsregelung die Einstufung von Grenzprodukten durch die Behörden wesentlich erleichtern soll, so dass ihre Anwendung nicht die positive Feststellung der Arzneimitteleigenschaft erfordert. Sie greift deshalb dann ein, wenn der Nachweis der pharmakologischen Wirkung nicht mit letzter Sicherheit/Gewissheit (so Kraft/Röcke, ZLR 2006, 30 u. 34) bzw. nicht zu 100 Prozent (so Klaus, a.a.O., S. 368) erbracht werden kann, d.h. wenn - wie hier - ein gewisser Restzweifel verbleibt.

Die Klägerin kann sich ferner nicht mit Erfolg auf die Aussage des Europäischen Gerichtshofes im Urteil vom 9. Juni 2005 (a.a.O., Rz. 72) berufen, dass den Mitgliedstaaten nur begrenzte Möglichkeiten verbleiben, das Inverkehrbringen von Nahrungsergänzungsmitteln, die den Vorschriften der Richtlinie 2002/46/EG entsprechen, zu beschränken. Da das streitige Produkt - wie oben dargelegt - unter die Definition eines Arzneimittels fallen kann, sind auch nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 9. Juni 2005 nur die speziell für Arzneimittel geltenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden (a.a.O., Rz. 45).

Dass das streitige Erzeugnis in Österreich als Verzehrprodukt eingeordnet und dementsprechend als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben wird, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Da eine völlige Harmonisierung der zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes erforderlichen Maßnahmen im Bereich der EU bisher fehlt, ist es gemeinschaftsrechtlich weiterhin zulässig, dass dem betreffenden Erzeugnis in einem anderen Staat die Eigenschaft eines Arzneimittels zuerkannt wird, wenn es dessen Merkmale aufweist, insbesondere pharmakologische Wirkungen hat (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 29.4.2004, a.a.O.). Diese Einschätzung hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. Juni 2005 (a.a.O.) ausdrücklich bekräftigt und Folgendes ausgeführt:

Beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts ist es möglich, dass bei der Einstufung von Erzeugnissen als Arzneimittel oder als Lebensmittel noch Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. Dass ein Erzeugnis in einem anderen Mitgliedstaat als Lebensmittel eingestuft ist, hindert somit nicht daran, ihm im Einfuhrmitgliedstaat dann die Eigenschaft eines Arzneimittels zuzuerkennen, wenn es die entsprechenden Merkmale aufweist (Rz. 56).

Ein Erzeugnis, das ein Arzneimittel im Sinne der Richtlinie 2001/83 darstellt, (kann) nur dann in einen anderen Mitgliedstaat eingeführt werden, wenn eine gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen erwirkt wurde, und zwar auch dann, wenn das Erzeugnis in einem anderen Mitgliedstaat als Lebensmittel in zulässiger Weise vertrieben wird (Rz. 60).

Als Arzneimittel unterliegt das streitige Produkt - anders als ein Lebensmittel - nicht dem freien Handelsverkehr der Mitgliedstaaten (vgl. Art. 28 u. 30 EGV). Es bedarf in jedem Mitgliedstaat einzeln einer Zulassung (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG). Umgesetzt ist diese Regelung im deutschen Recht in § 21 AMG. Über eine derartige arzneimittelrechtliche Zulassung verfügt das streitige Produkt jedoch nicht. Damit liegt der Untersagungstatbestand des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG vor. Es ist nicht erkennbar, dass die Rechtsvorgängerin des Beklagten von dem ihr eingeräumten Ermessens fehlerhaften Gebrauch gemacht hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die angefochtene Untersagungsverfügung weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gegen das Gleichbehandlungsgebot.

Da das streitige Produkt nach dem oben gesagten als Arzneimittel einzustufen ist, hätten statt eines Vertriebsverbots Auflagen entsprechend den Deklarierungsvorschriften in § 4 der NemV als weniger belastende Maßnahmen nicht ausgereicht.

Den Vorwurf der Klägerin, es lasse sich mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbaren, wenn allein das von ihr vertriebene Produkt verboten werde, obwohl im Internet auch andere Firmen Red Rice Kapseln oder vergleichbare Produkte anböten, hat der Beklagte zu Recht entgegengehalten, dass keiner der von der Klägerin genannten Hersteller seinen Betrieb im Zuständigkeitsbereich des Beklagten habe, so dass er - ebenso wie früher seine Rechtsvorgängerin - nicht zum Einschreiten berechtigt sei. Im Übrigen hat der Beklagte belegt, dass er die örtlich zuständigen Behörden informiert, wenn ihm bekannt wird, dass andere Firmen etwa im Internet für derartige Produkte werben.



Ende der Entscheidung

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