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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 14.02.2007
Aktenzeichen: 12 LB 433/06
Rechtsgebiete: SportbootFüV-Bin, Bbg. WG


Vorschriften:

SportbootFüV-Bin
Bbg. WG § 43
Bbg. WG § 46
1. Schon das einmalige Befahren eines nicht schiffbaren Gewässers kann die Anordnung des befristeten Ruhens der Fahrerlaubnis für Sportboote nach § 10a Abs. 2 SportbootFüV-Bin rechtfertigen, wenn sich die mit dem Pflichtverstoß verbundene abstrakte Gefahr verwirklicht hat.

2. Bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit des Inhabers einer nach Bundesrecht erteilten Fahrerlaubnis für Sportboote können im Rahmen der Prüfung einer bundesrechtlichen Entziehungs- bzw. Ruhensvorschrift auch Pflichtverletzungen berücksichtigt werden, die dieser im Zusammenhang mit der landesrechtlich gestatteten Ausnutzung der Erlaubnis begangen hat.


NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG URTEIL

Aktenz.: 12 LB 433/06

Datum: 14.02.2007

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen ein von der Beklagten (Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte) angeordnetes befristetes Ruhen seiner Fahrerlaubnis zum Führen von Sportbooten auf den Binnenschifffahrtsstraßen und ein damit verbundenes Fahrverbot.

Der Kläger besitzt seit dem Jahr 1993 eine von dem Deutschen Motoryachtverband nach §§ 2 Abs. 1, 7, 11 der Verordnung über das Führen von Sportbooten auf den Binnenschifffahrtsstraßen (Sportbootführerscheinverordnung-Binnen - SportbootFüV-Bin -) erteilte Fahrerlaubnis und ist Eigner eines Sportmotorbootes (9,05 Meter lang, 3,40 Meter breit, 6,5 t schwer, EBM FIAT, 196 kw). Mit diesem Boot befuhr der Kläger als verantwortlicher Schiffsführer mit den Herren F. und G. an Bord am 15. August 2001 gegen 21.15 Uhr unter Motorkraft und Navigationslichtern mit einer Geschwindigkeit von weniger als 3 Knoten den "Witzker Rhin" (bzw. im Folgenden: Rhinkanal), vom Hohennauer See kommend, in Richtung Witzker See. Der Rhinkanal ist Teil des Großen Havelländischen Hauptkanals. Er ist, worauf zurückzukommen sein wird, nicht als schiffbares Gewässer ausgewiesen.

Zum angegebenen Zeitpunkt befand sich Herr H. mit seinem unbeleuchteten Sportmotorboot (4,15 Meter lang, 1,40 Meter breit, ABM Mercury, 3,68 kw - umgebaute ehemalige Ruderjolle) ca. 300 Meter von der Einmündung des Rhinkanals in den Hohennauer See entfernt und nach Angabe der Mehrzahl der seinerzeit Beteiligten etwa in der Mitte des Kanals, der dort auf eine Länge von ca. 360 Metern eine Breite von ca. 29 Metern aufweist. Herr H. hatte im Rhinkanal von seinem Boot aus geangelt. Der Kläger fuhr mit seinem Boot auf die Backbordseite des Bootes des Herrn H. auf, wodurch dieses schwer beschädigt wurde und sank.

Ein gegen den Kläger geführtes Strafverfahren wegen Gefährdung des Schiffsverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts I. an der Havel vom 29. August 2002 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde nicht durchgeführt.

Nach vorheriger Anhörung ordnete die Beklagte mit Bescheid vom 7. Januar 2003 gegenüber dem Kläger unter Berufung auf § 10a Abs. 2 SportbootFüV-Bin das Ruhen der Fahrerlaubnis des Klägers für eine Frist von drei Monaten - berechnet ab Abgabe seines Führerscheins zur amtlichen Verwahrung - an und verbot dem Kläger für diese Zeit, ein Sportboot auf Binnenwasserstraßen zu führen. In der Begründung des Bescheides führte die Beklagte aus, der Witzker See (Rhinkanal) gehöre nicht zu den schiffbaren Gewässern. Der Kläger habe ihn mit seinem Sportmotorboot auch nicht im Rahmen des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs befahren dürfen. Dadurch, dass er ein bestehendes Befahrensverbot missachtet bzw. es versäumt habe, sich vor dem Befahren des Gewässers über die dort geltenden Vorschriften zu informieren, habe er gegen eine Grundpflicht eines Schiffsführers verstoßen. Dies sei im konkreten Fall ursächlich für die Kollision mit einem anderen Fahrzeug gewesen. Die Schwere der Tat begründe Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers als Schiffsführer und rechtfertige ein Fahrverbot von dreimonatiger Dauer.

Am 13. Januar 2003 erhob der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten Widerspruch. Zur Begründung dieses Rechtsbehelfs führte er mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Februar 2003 aus, Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Fahrerlaubnisinhabers, die Voraussetzung für die Anordnung des Ruhens der Fahrerlaubnis seien, bestünden nach § 10a Abs. 4 SportbootFüV-Bin insbesondere dann, wenn eine durch die Festsetzung einer Geldbuße geahndete grobe oder beharrliche Verletzung der Pflichten eines Schiffsführers vorliege. Diese Merkmale seien in seinem Fall nicht gegeben. Das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren sei nach § 153 StPO wegen geringer Schuld eingestellt, eine Geldbuße sei nicht festgesetzt worden. Der in dem angefochtenen Bescheid allein enthaltene Vorwurf, er sei mit seinem Sportboot in den Rhinkanal eingefahren, beziehe sich allenfalls auf einen leichten Pflichtverstoß, da die ortsüblich erhältlichen Karten über Wasserwanderwege den Rhinkanal als schiffbar auswiesen, die Einfahrt in den Kanal nicht durch besondere Schifffahrtszeichen untersagt sei und dieser deshalb auch durch andere Motorsportboote befahren werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte aus, der Kläger habe sich in zweifacher Hinsicht nicht wie ein verantwortungsbewusster Schiffsführer verhalten. Er habe sich nicht darüber informiert, welche Vorschriften beim Befahren des Rhinkanals/Witzker Sees zu beachten seien. Sodann habe er die Sorgfalt außer Acht gelassen, die er, wenn er annahm, sich auf einem schiffbaren Gewässer zu befinden, hätte walten lassen müssen. Da das Verhalten des Klägers ursächlich für eine Kollision gewesen sei, könne nicht von einem leichten Pflichtverstoß gesprochen werden. Einsicht in sein Fehlverhalten habe der Kläger bisher nicht zu erkennen gegeben. Die entstandenen Zweifel an seiner Zuverlässigkeit hätten nicht ausgeräumt werden können.

Am 2. April 2003 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, der Vorwurf der Beklagten, er habe sich darüber informieren müssen, dass der Rhinkanal nicht schiffbar sei, habe keine Grundlage. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang die Kopie einer Sportschifffahrtskarte "Berlin & Märkische Gewässer" zur Akte gereicht, in der der hier in Rede stehende Teil des Rhinkanals mit der Bemerkung versehen ist, dass der Rhin für kleinere Boote noch 3 Kilometer bis zum Witzker See schiffbar sei und durch eine landschaftlich sehr reizvolle Gegend führe. Der Kläger hat erklärt, er habe seinerzeit über entsprechendes Kartenmaterial verfügt. Er hat sich weiter darauf berufen, das alleinige, jedenfalls aber das überwiegende Verschulden an der Kollision treffe nicht ihn, sondern den Führer des anderen Sportbootes, Herrn H., weil dieser sein Boot quer zur Fahrrinne und ohne Beleuchtung geführt habe. Auf seiner, des Klägers, Seite sei allenfalls ein einmaliges Fehlverhalten mit einem erheblich unter dem Durchschnitt vergleichbarer Fälle liegenden Verschulden gegeben gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2003 und deren Widerspruchsbescheid vom 25. März 2003 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne sich durch den Hinweis auf den Inhalt der vorgelegten Sportschifffahrtskarte nicht entlasten. Diese Karte stelle keine amtliche Veröffentlichung dar. Jedenfalls habe der Kläger der Frage nachgehen müssen, ob es sich bei seinem Sportmotorboot mit einer Wasserverdrängung von 6,5 t noch um ein kleineres Boot im Sinne der Beschreibung in der vorgelegten Karte (in einem ihr, der Beklagten, vorliegenden Exemplar sei von kleineren Jollen die Rede) gehandelt habe. Wenn sich der Kläger im Hinblick auf das Verbot des Befahrens des Rhinkanals in einem Verbotsirrtum befunden habe, sei dieser nicht entschuldbar, weil der Kläger sich nicht in ausreichendem Maße über die für das Befahren des Gewässers geltenden Vorschriften informiert habe. Hieran und nicht an das verbotswidrige Befahren an sich knüpften die angefochtenen Bescheide an. Weiterhin habe der Kläger zwar, weil es auf nicht schiffbaren Gewässern keinen Verkehr gebe, eine spezielle Verkehrsordnung nicht zu beachten gehabt. Wenn er jedoch seinerseits angenommen habe, sich auf einem schiffbaren Gewässer zu befinden, habe er mit anderen dort liegenden oder fahrenden Kleinfahrzeugen rechnen, wegen der schlechten Sichtverhältnisse auf Grund der herrschenden Dämmerung bzw. Dunkelheit gehörig Ausguck halten oder halten lassen und hierfür in der gegebenen Situation insbesondere einen Scheinwerfer benutzen müssen. Dies habe der Kläger unterlassen. Auf ein Fehlverhalten des Herrn H. als Führer des angefahrenen Bootes könne sich der Kläger nicht berufen. Insbesondere sei es diesem Bootsführer mangels einer bestehenden Verkehrsordnung für das nicht schiffbare Gewässer nicht versagt gewesen, die Fahrrinne zu queren und auf eine Beleuchtung seines Bootes zu verzichten. Die Pflichtverletzungen des Klägers kämen den in § 10a Abs. 4 SportbootFüV-Bin angeführten Regelbeispielen gleich. Es sei sowohl unter repressiven als auch unter präventiven Gesichtspunkten ein auf drei Monate befristetes Fahrverbot auszusprechen gewesen.

Mit Urteil vom 18. April 2005 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe das Ruhen der Fahrerlaubnis des Klägers auf der Grundlage des § 10a Abs. 2 SportbootFüV-Bin zu Recht angeordnet. Im Sinne dieser Vorschrift ergäben sich Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers daraus, dass dieser gegen die Grundpflichten eines Schiffsführers verstoßen habe, indem er sich vor der Einfahrt in den Rhinkanal nicht hinreichend über dessen Schiffbarkeit informiert und indem er des Weiteren dort nicht hinreichend aufmerksam gefahren sei. Zwar habe sich der Kläger nach seinem Vorbringen nicht vorsätzlich über das für den Rhinkanal bestehende Befahrensverbot hinweggesetzt. Er könne sich jedoch im Hinblick auf seine Pflicht, sich vor dem Befahren eines Gewässers über die dort geltenden Vorschriften Kenntnis zu verschaffen, nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Einfahren in den Kanal nicht durch Schifffahrtszeichen untersagt und deswegen das Befahrensverbot nicht erkennbar gewesen sei. Vielmehr habe von ihm erwartet werden können, dass er sich bei den Dienststellen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bzw. der Wasserschutzpolizei über die für den Rhinkanal geltenden Vorschriften erkundigte. Von dieser Verpflichtung hätten ihn weder der Umstand, dass andere Sportboote den Rhinkanal unter Motor befuhren, noch die in handelsüblichem Kartenmaterial enthaltene Information, dass eine Befahrbarkeit für kleinere Boote gegeben sei, entbunden. Das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der eingetretenen Kollision sei ebenfalls als sorgfaltswidrig zu qualifizieren, denn er habe gegen die allgemein geltende Verhaltensregel für Schiffsführer verstoßen, Vorsichtsmaßregeln zur sicheren Führung des Fahrzeuges zu treffen, damit kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt werde. Dieser Sorgfaltspflicht sei der Kläger allein durch die Beleuchtung seines Sportbootes nicht ausreichend nachgekommen. Er habe auch nicht darauf vertrauen dürfen, dass andere Boote beleuchtet sein würden, sondern habe mit dem Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer rechnen müssen. Der Kläger habe es versäumt, gehörig Ausguck zu halten bzw. halten zu lassen, um Hindernisse rechtzeitig erkennen zu können. Der Umstand, dass er das Boot des Herrn H. auf gerader Strecke und bei noch nicht vollständiger Dunkelheit in ungebremster Fahrt gerammt habe, spreche dafür, dass er es an der gehörigen Aufmerksamkeit habe fehlen lassen. Sollte es zum Vorfallszeitpunkt bereits so dunkel gewesen sein, dass ohne zusätzliche Lichtquelle Hindernisse nicht mehr hätten ausgemacht werden können, habe es die Sorgfaltspflicht geboten, einen Ausguck mit einer Handlampe auszustatten. Bei der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung angebrachten Einlassung, seine beiden Mitfahrer mit dem Ausguck betraut zu haben, handele es sich um eine bloße Schutzbehauptung. Die Beklagte habe im Rahmen des § 10a Abs. 2 SportbootFüV-Bin eine eigenständige Würdigung vorzunehmen und sei dabei an die Bewertungen anderer Behörden oder Gerichte nicht gebunden. Ohne Belang sei es, dass eine adäquate Kausalität zwischen dem vorschriftswidrigen Einfahren in den Rhinkanal und der späteren Kollision nicht gegeben sei. Denn die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers knüpften bereits an die nicht ausreichende Informationsbeschaffung und das anschließende Befahren des Rhinkanals an. Deshalb komme es auch nicht darauf an, ob sich der Führer des an der Kollision beteiligten Bootes ebenfalls sorgfaltswidrig verhalten habe. Die im Hinblick auf die Zuverlässigkeit des Klägers bestehenden Zweifel seien nicht allein durch die seit den Pflichtverstößen vergangene Zeit nach § 10a Abs. 2 Satz 2 SportbootFüV-Bin entfallen. Der Ruhensanordnung stehe nicht entgegen, dass sich der Vorfall vom 15. August 2001 auf einem Landesgewässer und nicht auf einer Binnenschifffahrtsstraße des Bundes zugetragen habe, denn die Eignung als Schiffsführer könne nicht geteilt beurteilt werden. Schließlich seien die von der Beklagten angestellten Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden.

Auf Antrag des Klägers hat der vormals zuständige 13. Senat des Gerichts mit Beschluss vom 7. September 2005 (Az.: 13 LA 192/05) die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Das Verfahren ist als Berufungsverfahren zunächst vor dem 13. Senat des Gerichts fortgeführt worden (Az.: 13 LB 307/05) und sodann in die Zuständigkeit des erkennenden Senats übergegangen.

Zur Begründung der zugelassenen Berufung hat der Kläger fristgerecht ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt, auf den es seine Entscheidung gestützt habe, nicht hinreichend aufgeklärt. Zwar sei die Tatsache, dass er den Rhinkanal befahren habe, unstreitig, dies gelte jedoch nicht für die näheren Umstände der Kollision mit dem Boot des Herrn H.. Weiterhin habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass § 10a Abs. 2 SportbootFüV-Bin die Anordnung des befristeten Ruhens einer Fahrerlaubnis nach Wortlaut und Systematik der Vorschrift nur im Falle solcher Verstöße gegen die Pflichten eines Bootsführers gestatte, die zwar einerseits noch nicht die Entziehung der Fahrerlaubnis erforderten, andererseits aber gravierend oder wiederholt vorgekommen sein müssten. Derartige Pflichtverstöße habe er nicht begangen. Es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass er sich auf sein Kartenmaterial, das den Rhinkanal als schiffbar ausgewiesen habe, nicht habe verlassen dürfen. Eine gesetzliche Pflicht, vor dem Befahren eines Gewässers grundsätzlich die amtlichen Veröffentlichungen und Karten zu konsultieren sowie bei den zuständigen Behörden anzurufen, existiere nicht. Vor diesem Hintergrund könne das Befahren des Rhinkanals auf Grund eines Verbotsirrtums allenfalls als leicht fahrlässiger Pflichtverstoß qualifiziert werden. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts sei auch sein etwaiger Verstoß gegen die allgemeine Verhaltensregel, so zu fahren, dass niemand anders geschädigt werde, nicht als derart schwerwiegend zu bewerten, dass ein Fahrverbot nach § 10a Abs. 2 SportbootFüV-Bin gerechtfertigt sei. Er habe sein Boot mit geringer Geschwindigkeit bewegt und sei weder bewusst, noch leichtfertig ein Risiko eingegangen. Auch könne bei der Bewertung der Schwere des Verstoßes nicht unberücksichtigt bleiben, dass Herr H. jedenfalls nicht alles ihm Mögliche zur Verhinderung des Unfalls getan, insbesondere nicht die Positionslichter seines Bootes eingeschaltet oder durch Lichtzeichen oder Rufe auf sich aufmerksam gemacht habe. Das Verwaltungsgericht habe weiterhin ebenso wie die Beklagte verkannt, dass § 10a Abs. 2 SportbootFüV-Bin nicht eine begangene Verfehlung sanktionieren solle, sondern eine Maßnahme der Gefahrenabwehr darstelle, die immer auch eine Gefahrenprognose erfordere. Insoweit könne ein einmaliger, leicht fahrlässiger Verstoß in einem Zeitraum von zwölf Jahren nicht ausreichen, um ein Fahrverbot unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr zu rechtfertigen. Schließlich habe die Beklagte die Verhängung eines Fahrverbotes als automatische Folge der Feststellung von Zweifeln an der Zuverlässigkeit angesehen. Die angefochtenen Bescheide ließen insoweit die Ausübung eines Entscheidungsermessens nicht erkennen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 18. April 2005 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens. Sie hebt hervor, die Ruhensanordnung nach § 10a Abs. 2 SportbootFüV-Bin stelle eine schifffahrtspolizeiliche spezialpräventive Maßnahme zur Gewährleistung der Sicherheit im Schiffsverkehr dar. Sie könne entsprechend der ihr zukommenden Denkzettel- und Besinnungsfunktion auch dann angeordnet werden, wenn das vorangegangene verkehrswidrige Verhalten nicht zu einem Unfall geführt habe. Das Verhalten des Klägers sei in hohem Maße unfallträchtig gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Die Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch den vormals zuständigen 13. Senats des Gerichts statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2003 zu Recht abgewiesen. Die Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Verfügung über das Ruhen der Fahrerlaubnis des Klägers und das damit verbundene Fahrverbot, die die für die Beklagte handelnde Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte in Wahrnehmung ihrer Zuständigkeit aus § 11 Abs. 3 Satz 1 und 3 SportbootFüV-Bin gegenüber dem Kläger getroffen hat, wird durch die Rechtsgrundlage des § 10a Abs. 1 bis Abs. 4 SportbootFüV-Bin getragen.

Hiernach kann die nach § 11 Abs. 3 SportbootFüV-Bin zuständige Behörde das Ruhen einer nach § 2 Abs. 1 SportbootFüV-Bin erteilten Fahrerlaubnis befristet anordnen, wenn bei dem Fahrerlaubnisinhaber die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 10 SportbootFüV-Bin noch nicht vorliegen, aber Zweifel an seiner Zuverlässigkeit oder Tauglichkeit bestehen (§ 10a Abs. 2 Satz 1 SportbootFüV-Bin). Werden diese Zweifel vor Ablauf der Frist ausgeräumt, ist die Anordnung aufzuheben (§ 10a Abs. 2 Satz 2 SportbootFüV-Bin). Mit der Anordnung kann befristet verboten werden, ein Sportboot auf allen oder bestimmten Wasserstraßen zu führen (§ 10a Abs. 3 SportbootFüV-Bin). Zweifel an der Zuverlässigkeit des Fahrerlaubnisinhabers können insbesondere bestehen, wenn gegen ihn wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 7 Abs. 1 oder 2 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes (BinSchAufgG), die er unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Schiffsführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt worden ist; hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn die Geldbuße festgesetzt worden ist, weil der Betroffene mehrfach mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,8 Promille oder mehr ein Sportboot geführt oder eine vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit überschritten hat (§ 10a Abs. 4 SportbootFüV-Bin).

Diese Verordnungsvorschriften hat der Bundesminister für Verkehr auf Grund der ihm in § 3 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 BinSchAufgG erteilten Ermächtigung erlassen. Die formell-gesetzliche Grundlage hat der Bundesgesetzgeber auf Grund seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit aus Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 21 GG für die Binnenschifffahrt bzw. für die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen und in Ansehung seiner auf Art. 87 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 2 GG beruhenden Verwaltungskompetenz - insbesondere seiner Befugnis zur Wahrnehmung der ihm durch Gesetz übertragenen, über den Bereich eines Landes hinausgehenden Aufgaben der Binnenschifffahrt - geschaffen. Dabei ist die Gesetzgebungszuständigkeit - und ihr folgend die Verwaltungskompetenz - des Bundes derart begrenzt, dass sie sich nur auf die Wasserstraßen in ihrer Eigenschaft als Verkehrswege bezieht (BVerfG, Urt. v. 30.10.1962 - 2 BvF 2/60, 1, 2, 3/61 -, BVerfGE 15, 1, 9, 16; Beschl. v. 11.4.1967 - 2 BvG 1/62 -, BVerfGE 21, 312, 320; BVerwG, Urt.v. 30.11.1990 - BVerwG 7 C 4.90 -, BVerwGE 87, 181, 184 f). Das Binnenschifffahrtsaufgabengesetz hält sich als formell-gesetzliche Grundlage der Regelungen der Sportbootführerscheinverordnung-Binnen in dem derart gezogenen Rahmen und beschränkt seinen Anwendungsbereich überdies räumlich auf die Bundeswasserstraßen (vgl. die Begründung der Bundesregierung vom 5.7.1955 für den Entwurf des Gesetzes in seiner Ursprungsfassung, BT-Drs. II/1553, S. 6; Kupsch, NuR 2005, 285, 288).

Die in § 10a SportbootFüV-Bin vorgesehenen Maßnahmen weisen insgesamt einen gefahrenabwehrrechtlichen Charakter auf und konnten mit diesem Inhalt auf der Ermächtigungsgrundlage des § 3 Abs.1 Nr. 6 und Abs. 6 BinSchAufgG vorgesehen werden. Obwohl strukturelle Parallelen zu dem ordnungswidrigkeitenrechtlichen Fahrverbot des § 25 StVG nicht zu übersehen sind - etwa weil § 10a Abs. 4 Satz 1 SportbootFüV-Bin jedenfalls in Form eines Regelbeispiels ebenso wie § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG auf die Festsetzung einer Geldbuße wegen grober oder beharrlicher Pflichtverletzungen abstellt -, stehen die gefahrenabwehrrechtlichen Ausgestaltungsmerkmale im Vordergrund. So ordnet § 10a Abs. 2 Satz 2 SportbootFüV-Bin an, dass eine befristete Ruhensanordnung aufzuheben ist, wenn die Zweifel, die zu ihrem Erlass geführt haben, vor Ablauf der Frist ausgeräumt werden. Ansonsten liegt den in Rede stehenden Regelungen - jedenfalls was die Zuverlässigkeit der Fahrerlaubnisinhaber anbetrifft - ersichtlich die Annahme des Verordnungsgebers zu Grunde, dass den Zweifel begründenden Umständen regelmäßig allein durch die Anordnung des Ruhens der Fahrerlaubnis und ohne eine abschließende Kontrolle des Maßnahmeerfolges begegnet werden kann, weil - insbesondere längerfristige - Ruhensanordnungen wegen der Empfindlichkeit der mit ihnen verbundenen Pflichtenmahnung die Vermutung ihres Erfolges gleichsam in sich tragen. Diese Annahme erscheint bei der gebotenen abstrakten Beurteilung nicht als fehlsam.

Im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Ruhensanordnung und des damit verbundenen Fahrverbots lagen im Sinne des § 10a Abs. 2 Satz 1 SportbootFüV-Bin Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers vor. Dies hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht festgestellt.

Für die Bestimmung der Umstände, die geeignet sind, nach § 10a SportbootFüV-Bin die Anordnung des Ruhens der Fahrerlaubnis und ein damit verbundenes Fahrverbot zu rechtfertigen, geben Wortlaut und Systematik des §10a Abs. 2 und 4 SportbootFüV-Bin in zweierlei Hinsicht einen Rahmen vor. Einerseits müssen Pflichtverstöße eines Schiffsführers vorliegen, die in der Gewichtigkeit einzeln, in ihrer Gesamtheit oder in ihrem weiteren Zusammenhang den in § 10a Abs. 4 SportbootFüV-Bin aufgeführten Regelbeispielen - Festsetzung einer Geldbuße wegen Begehung einer Ordnungswidrigkeit unter grober oder beharrlicher Pflichtverletzung, wovon in der Regel bei einer Geldbuße wegen mehrfacher Alkoholfahrten oder Geschwindigkeitsverstöße auszugehen ist - jedenfalls nahe kommen. Andererseits ist eine vorhergehende Verfolgung als Ordnungswidrigkeit nicht zwingend. Weiterhin ist es nicht angezeigt, die für das ordnungswidrigkeitenrechtliche Fahrverbot des § 25 StVG entwickelten Maßstäbe zur Bestimmung grober und beharrlicher Pflichtverletzungen (vgl. dazu m. N.: Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 19. Auflage 2006, § 25 StVG, Rn. 8 ff) ohne weiteres für die Auslegung der gefahrenabwehrrechtlichen Vorschrift des § 10a SportbootFüV-Bin zu übernehmen. Schließlich darf nicht vernachlässigt werden, dass ein nach § 10a Abs. 2 SportbootFüV-Bin relevanter Pflichtverstoß (noch) nicht wie im Fall der Fahrerlaubnisentziehung nach § 10 SportbootFüV-Bin die Unzuverlässigkeit erweisen, sondern nur Zweifel an der Zulässigkeit begründen muss.

Nach diesen Maßstäben sieht der Senat einen hinreichend gewichtigen Pflichtenverstoß des Klägers entscheidend darin begründet, dass dieser am Abend des 15. August 2001 in vorwerfbarer Weise in das nicht schiffbare Gewässer des Rhinkanals eingefahren und es im Zusammenhang mit der hierdurch geschaffenen abstrakten Gefahr zu einer Kollision mit dem durch Herrn H. geführten Sportboot gekommen ist. Abweichend von der Einschätzung des Verwaltungsgerichts bedarf es zur Überzeugung des Senats eines Abstellens auf weitere Pflichtverstöße nicht.

Der Rhinkanal ist nicht schiffbar. Er ist keine Bundeswasserstraße, geschweige denn eine dem allgemeinen Verkehr dienende Binnenwasserstraße des Bundes im Sinne des § 1 Abs. 1 Bundeswasserstraßengesetz (WaStrG), denn er war weder am Vorfallstag des 15. August 2001, noch - sollte es hier darauf ankommen - bei Erlass des Widerspruchsbescheides der Beklagten am 25. März 2003 in der Anlage zu § 1 Abs. 1 WaStrG genannt, die die für die Schifffahrt freigegebenen Bundeswasserstraßen abschließend bezeichnet (vgl. dazu: OVG Frankfurt/Oder, Beschl. vom 25.5.2004 - 4 B 253/03 -, NVwZ-RR 2005, 403 f., betreffend die Hohennauer Wasserstraße).

Der Rhinkanal ist auch als brandenburgisches Landesgewässer nicht für die Schifffahrt nutzbar. Nach § 43 Abs. 1 des Brandenburgischen Wassergesetzes (Bbg. WG) dürfen oberirdische Gewässer im Rahmen des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs durch jedermann u.a. zum Befahren mit Fahrzeugen bis zu 1.500 kg Wasserverdrängung ohne eigene Triebkraft benutzt werden. Bei der Schifffahrt handelt es sich jedoch nicht um eine Ausprägung des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs, sondern um eine andere Art der Nutzung, die einer besonderen Widmung bedarf (BVerwG, Urt. vom 4.7.1969 - VII C 26.65 -, BVerwGE 32, 299, 304; OVG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 25.5.2004, a.a.O.). Für den Rhinkanal fehlt es an einer solchen Widmung.

§ 46 Abs. 1 Satz 2 Bbg. WG ordnete in seiner am Vorfallstag des 15. August 2001 in Geltung befindlichen Fassung (durch das Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Wassergesetzes vom 22. 12. 1997, GVBl. Teil I, S. 168) an, dass schiffbar die in der Anlage 2 zu dem Gesetz aufgeführten Gewässer waren und Gleiches für diejenigen Gewässer galt, die durch die zuständigen Fachminister als schiffbar bestimmt und als Anlage zur Landesschifffahrtsverordnung (LSchiffV) bekannt gemacht worden waren. In seiner bereits bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2003 geltenden geänderten (durch das Gesetz u. a. zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften vom 10. 7. 2002, GVBl. Teil I, S. 62) Fassung verweist § 46 Abs. 1 Satz 2 Bbg. WG für die Bestimmung der schiffbaren Landesgewässer ausschließlich auf die Anlage 1 zur Landesschifffahrtsverordnung. Der Rhinkanal war bzw. ist weder in der seinerzeitigen Anlage 2 zum Brandenburgischen Wassergesetz, noch in der Anlage 1 zur Landesschifffahrtsverordnung - sei es in ihrer am Vorfallstag geltenden Fassung vom 20. April 1999 (GVBl.Teil II, S. 278 - LSchiffV 1999 -), sei es in ihrer zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides anwendbaren Fassung vom 21. Mai 2002 (GVBl. Teil II, S. 294 - LSchiffV 2002 -) - aufgeführt.

Dadurch, dass der Kläger mit seinem Sportmotorboot in den nicht schiffbaren Rhinkanal eingefahren ist, den er in Anbetracht des Gewichts und des Motorantriebs seines Bootes auch nicht im Wege des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs befahren durfte, hat er einen Verstoß gegen die Pflichten eines gewissenhaften Sportbootführers begangen. Dieser Verstoß war jedenfalls fahrlässig und erfüllte damit den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 145 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c) Bbg. WG. Dass ein Ordnungswidrigkeitenverfahren tatsächlich nicht durchgeführt worden ist, hindert die Anwendung der gefahrenabwehrrechtlichen Vorschrift des § 10a SportbootFüV-Bin wie ausgeführt nicht.

Der Kläger kann sich nicht in entlastender Weise darauf berufen, dass er um die Nichtschiffbarkeit des Rhinkanals nicht gewusst habe. Dies gilt zunächst im Hinblick auf den von ihm hervorgehobenen Umstand, dass der Rhinkanal in der von dem Kläger zur Gerichtsakte gereichten Sportschifffahrtskarte als "für kleinere Boote noch 3 km bis zum Witzker See schiffbar" bezeichnet wird. Denn diese Bezeichnung kann zwanglos als untechnischer Hinweis auf die tatsächliche Möglichkeit eines Befahrens des Gewässers mit kleinen Booten im Rahmen des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs verstanden werden. Außerdem liegt es - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - auf der Hand, dass das Sportboot des Klägers mit seinen erheblichen Ausmaßen, seinem beachtlichen Gewicht und seiner starken Motorisierung nach keiner vertretbaren Sichtweise als kleineres Boot bezeichnet werden kann. Ferner musste der Kläger über die Frage der Widmung des Rhinkanals für die Schifffahrt auch deshalb orientiert sein, weil er seinen Wohnort in Rathenow und damit in der Nähe dieses Gewässers hatte. In diesem Zusammenhang geht sein Verweis darauf, dass auch andere Sportboote den Rhinkanal beführen, ins Leere, da derartige Nutzungen außerhalb des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs als nicht erlaubt zu qualifizieren wären. Schließlich kann sich ein Schiffsführer zur Überzeugung des Senats regelmäßig nicht mit entlastender Wirkung darauf berufen, über den rechtlichen Rahmen seiner Tätigkeit, insbesondere über die fehlende Schiffbarkeit eines Gewässers nicht bzw. falsch informiert zu sein. In diesem Zusammenhang ist mit dem Verwaltungsgericht - wenn auch nicht im Sinne einer eigenständigen nach § 10a SportbootFüV-Bin relevanten Pflichtverletzung - darauf zu verweisen, dass sich ein Schiffsführer vor Antritt jeder Fahrt über die Bedingungen und Verhältnisse der Gewässer, die er befahren möchte, zu informieren hat. Dies schreibt § 4 Abs. 10 LSchiffV 1999 bzw. 2002 unter Bußgeldandrohung in § 90 Abs. 1 Nr. 34 Buchst. d) LSchiffV 1999 bzw. § 89 Abs. 1 Nr. 41 Buchst. e) LSchiffV 2002 ausdrücklich vor. Dabei fällt es in die Risikosphäre des Schiffsführers, wenn er sich unzutreffende Informationen beschafft. Denn seine Pflicht besteht darin, sich im Ergebnis richtig zu verhalten.

Sein besonderes Gewicht erhält das dem Kläger zur Last zu legende Befahren eines nicht schiffbaren Gewässers über die in § 145 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c) Bbg. WG enthaltene Ausgestaltung als Ordnungswidrigkeitentatbestand hinaus im gefahrenabwehrrechtlichen Sinne dadurch, dass mit einem solchen Verhalten eine große abstrakte Gefahr für die gemeingebräuchlichen Nutzungen des nicht schiffbaren Gewässers - insbesondere das Befahren mit kleinen Booten ohne eigene Triebkraft - verbunden ist, da die entsprechenden Nutzer mit einer Inanspruchnahme als Schifffahrtsweg nicht rechnen müssen. Die abstrakte Gefährlichkeit besteht in einer zusätzlich gesteigerten Form, wenn das nicht schiffbare Gewässer - wie hier durch den Kläger - bei Dämmerung bzw. anbrechender Dunkelheit befahren wird.

Diese Gefahr hat sich im vorliegenden Fall zudem in Form der Kollision des Sportbootes des Klägers mit dem Boot des Herrn H. verwirklicht. Dabei ist es im Ergebnis nicht entscheidend, dass Herr H. den Rhinkanal mit seinem mit einem Außenbootmotor versehenen Sportboot wohl ebenfalls nicht befahren durfte. Denn zum Vorfallszeitpunkt hatte Herr H. den Motor seines ersichtlich keine 1500 kg schweren Bootes nicht in Betrieb genommen und nutzte das Boot in einer Weise, die einer gemeingebräuchlichen Nutzung gleich- oder doch nahekam. Dass das Verhalten des Herrn H. - nach Angabe der meisten der seinerzeit beteiligten Personen Positionierung seines unbeleuchteten Bootes in der Mitte des Rhinkanals und wohl keine akustische Warnung des Klägers - in einem tatsächlichen Sinne zu der Kollision beigetragen haben mag, kann den Kläger nicht entlasten. Denn die allgemeinen Verkehrsvorschriften der §§ 43 ff. LSchiffV 1999 bzw. 2002, die - in § 44 Abs. 1 LSchiffV 1999 bzw. 2002 - auch auf die Fahrregeln der bundesrechtlichen Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung (BinSchStrO) Bezug nehmen, gelten nur für schiffbare Gewässer. Auf nicht schiffbaren Gewässern sind die Gefahren, die sie verhindern sollen, grundsätzlich nicht vorhanden. Der Kläger ist in einen solchen vor den mit der Schifffahrt verbundenen Gefahren geschützten Bereich durch sein verbotswidriges Befahren des nicht schiffbaren Rhinkanals gleichsam eingebrochen, wobei sich die jederzeit möglichen Konsequenzen eines solchen Verhaltens tatsächlich eingestellt haben. Dies ist im gefahrenabwehrrechtlichen Sinne entscheidend. Insoweit ist es unerheblich, dass das gegen den Kläger wegen Gefährdung des Schiffsverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung geführte Strafverfahren gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt worden ist. Eine Bindung ergibt sich hieraus für den Bereich der Gefahrenabwehr nicht.

Ein Wertungswiderspruch im Hinblick auf die in § 10a Abs. 4 SportbootFüV-Bin für den Erlass einer Ruhensanordnung genannten Regelbeispiele besteht nicht. Diese erhalten ihr Gewicht im gefahrenabwehrrechtlichen Sinne dadurch, dass Pflichten grob oder mehrfach verletzt wurden, ohne dass es dabei zusätzlich entscheidend auf das Ausmaß der mit den Pflichtverletzungen verbundenen abstrakten Gefahren oder deren Verwirklichung ankäme. Dem hier in Rede stehenden (einmaligen) verbotswidrigen Befahren eines nicht schiffbaren Gewässers kommt zwar für sich genommen ein vergleichbares Gewicht nicht zu. Dies wird jedoch dadurch ausgeglichen, dass sich die diesen Pflichtverstoß kennzeichnende große abstrakte Gefährlichkeit realisiert hat.

Die Berücksichtigung des Pflichtverstoßes im Rahmen des § 10a SportbootFüV-Bin wird nicht dadurch gehindert, dass diese Vorschrift sich nur auf Fahrerlaubnisse bezieht, die gemäß § 2 Abs. 1 SportbootFüV-Bin und entsprechend den oben dargestellten eingeschränkten bundesrechtlichen Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen für das Führen von Sportbooten auf den Binnenwasserstraßen des Bundes erteilt worden sind, der Kläger als Inhaber einer solchen Fahrerlaubnis den Verstoß jedoch nicht auf einer derartigen Wasserstraße begangen hat. Denn die bundesrechtlichen Regelungen werden durch landesrechtliche Vorschriften - hier die §§ 8 ff. LSchiffV 1999 bzw. 2002 - ergänzt. § 8 Abs. 1 LSchiffV 1999 bzw. 2002 statuiert, dass derjenige, der auf schiffbaren Landesgewässern im Sinne des § 1 Abs. 1 LSchiffV 1999 bzw. 2002 ein Fahrzeug führen will, das mit einer Antriebsmaschine mit einer effektiven Nutzleistung von mehr als 3,68 Kilowatt ausgerüstet bzw. länger als 15 Meter ist, einer gültigen Fahrerlaubnis nach Landesrecht bedarf. Unter den Voraussetzungen des § 15 LSchiffV 1999 bzw. 2002 kann eine solche landesrechtliche Fahrerlaubnis befristet oder auf Dauer entzogen werden. Darüber hinaus sieht dann § 8 Abs. 5 LSchiffV 1999 bzw. 2002 vor, dass auch auf schiffbaren Landesgewässern die nach der Sportbootführerscheinverordnung-Binnen erteilte Erlaubnis als Fahrerlaubnis für alle Kleinfahrzeuge und Sportboote mit einer Maschinenleistung über 3,68 Kilowatt und einer Länge von weniger als 15 Metern gilt. Die - gegebenenfalls befristete - Entziehung einer solchen durch Landesrecht in Bezug genommenen, gleichwohl aber in erster Linie auf den Binnenschifffahrtsstraßen des Bundes geltenden Fahrerlaubnis kann sich allerdings nicht nach einer landesrechtlichen Vorschrift - hier § 15 LSchiffV 1999 bzw. 2002 - richten, der eine Geltungskraft nur für den Bereich des jeweiligen Bundeslandes zukommt. Demgegenüber spricht nach gefahrenabwehrrechtlichen Grundsätzen nichts dagegen, bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit des Inhabers einer nach Bundesrecht erteilten Fahrerlaubnis im Rahmen einer bundesrechtlichen Entziehungs- bzw. Ruhensvorschrift auch auf diejenigen Pflichtverletzungen abzustellen, die dieser im Zusammenhang mit der landesrechtlich gestatteten Ausnutzung dieser Erlaubnis begangen hat.

Auch der Umstand, dass zwischen dem Vorfallstag des 15. August 2001 und dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 25. März 2003 ein Zeitraum von 19 Monaten vergangen war, begründet keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der getroffenen Ruhensanordnung und des damit verbundenen Fahrverbotes. Die Maßstäbe, die im Rahmen des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Fahrverbotes des § 25 StVG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine Anordnung in zeitlicher Nähe zur Tat erfordern (vgl. hierzu die Nachweise bei: Janiszewski/ Jagow/ Burmann, a.a.O., § 25 StVG, Rn. 1b) können auf die gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen des § 10a SportbootFüV-Bin nicht unbesehen übertragen werden. Vielmehr ist es in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 9.6.2005 - 3 C 25/04 -, NJW 2005, 3081 f.) zum straßenverkehrsrechtlichen Fahrerlaubnisrecht anerkannt, dass es keine feste Frist gibt, binnen derer die Behörde Maßnahmen zur Aufklärung von tatsachengestützten Eignungszweifeln ergreifen muss, sondern dass es insoweit auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles ankommt. Nach diesem auch auf das schifffahrtsrechtliche Fahrerlaubnisrecht sinngemäß anwendbaren Grundsatz ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers, die durch den Vorfall vom 15. August 2001 begründet worden waren, bei Erlass des Widerspruchsbescheides nicht allein auf Grund des Umstandes als ausgeräumt angesehen hat, dass der Kläger in der Zwischenzeit nicht erneut auffällig geworden war.

Schließlich ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte das ihr durch § 10a Abs. 2 und 3 SportbootFüV-Bin eingeräumte Ermessen in einer nach § 114 VwGO zu beanstandenden Weise ausgeübt hätte. Zwar hat die Beklagte, wie sich aus den Begründungen der angefochtenen Bescheide und ihrem Vorbringen im Gerichtsverfahren ergibt, nicht durchweg allein auf den nach Einschätzung des Senats entscheidenden Pflichtverstoß des Klägers in Gestalt des verbotswidrigen Befahrens des Rhinkanals unter Berücksichtigung der damit verbundenen abstrakten und letztlich verwirklichten Gefahr abgestellt. Es gibt auch Anhaltspunkte dafür, dass die Erwägungen, von denen sich die Beklagte hat leiten lassen, nicht vollständig frei von repressiven Gesichtspunkten waren. Insgesamt hat die Beklagte jedoch den Kern der dem Kläger vorzuwerfenden Pflichtwidrigkeit zutreffend erkannt und unter gefahrenabwehrrechtlichen Maßstäben gewürdigt.

Ende der Entscheidung

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