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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.10.2003
Aktenzeichen: 12 LC 4/03
Rechtsgebiete: BAföG, GG


Vorschriften:

BAföG § 11 III 1 Nr. 3
BAföG § 46 V
GG Art. 6
GG Art. 3
1. Bei der Entscheidung über die Gewährung elternunabhängiger Ausbildungsförderung können auch Kindererziehungszeiten berücksichtigt werden.

2. Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten setzt aber eine wirtschaftliche Unabhängigkeit der oder des Erziehenden von seinen Eltern voraus.


Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihr elternunabhängige Ausbildungsförderung zu gewähren.

Die am F. geborene Klägerin legte im Mai 1990 die Abiturprüfung ab. Von September 1990 bis Ende Januar 1991 leistete sie ein sog. freiwilliges soziales Jahr bei der Arbeiterwohlfahrt in Norderstedt ab. Vom 18. März bis zum 12. April 1991 und vom 6. August bis zum 19. September 1991 arbeitete sie als Aushilfe im Umfang von 38,5 Wochenstunden im Kaufhaus G. in H. Am 8. Januar 1992 wurde ihre Tochter I. geboren.

Vom 1. Oktober 1992 bis Ende März 1994 war die Klägerin an der J. in dem Lehramtsstudiengang für Grund- und Hauptschulen eingeschrieben. Nebenher arbeitete sie vom 1. bis zum 4. Januar 1993 bei der K. als Aushilfe und vom 9. März 1993 bis zum 31. Dezember 1994 bei der L. g.

Vom 1. April 1994 bis zum 30. August 1994 betreute die Klägerin ausschließlich ihre Tochter. Vom 31. August 1994 bis zum 31. Juli 1996 besuchte sie sodann die M. und schloss dort nach zwei Jahren erfolgreich den schulischen Teil der Ausbildung zur Erzieherin ab. Vom 1. August 1996 bis zum 31. Juli 1997 absolvierte sie im Anschluss an den Schulbesuch das Berufspraktikum mit einer eigenen Vergütung beim N.. Vom 1. August 1997 bis zum 30. September 1999 betreute die Klägerin ausschließlich ihre Tochter und ihren am 6. Januar 1998 geborenen Sohn O.. Zum 1. Oktober 1999 nahm die Klägerin an der Universität P. den Diplomstudiengang Sozialpädagogik auf, wechselte jedoch im Oktober 2000 an die Fachhochschule Q. wo sie nunmehr im Studiengang R. eingeschrieben ist. Am 10. Juni 1999 beantragte die Klägerin beim S. eine Vorabentscheidung und erklärte dazu, nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung als Erzieherin wolle sie wieder im pädagogischen Bereich studieren. Ihren Antrag auf Zulassung zum Wintersemester 1999/2000 an der Universität P. für den Studiengang Erziehungswissenschaften (Diplom) habe sie abgegeben.

Mit Bescheid vom 12. Juli 1999 gab das S. dem Antrag der Klägerin statt und entschied, die Klägerin habe dem Grunde nach Anspruch auf Ausbildungsförderung für die Ausbildung an der Universität P., Fachrichtung Sozialpädagogik, Ausbildungsziel: Diplom-Sozialpädagogin. Über Art, Höhe und Dauer der Ausbildungsförderung sowie über etwaige andere Voraussetzungen werde gesondert entschieden.

Die Klägerin stellte am 30. September 1999 einen Antrag auf Ausbildungsförderung beim S. und teilte diesem mit Schreiben vom 10. Dezember 1999 mit, die Voraussetzungen für elternunabhängige Ausbildungsförderung lägen bei ihr vor. Sie könne eine fünfjährige Erwerbstätigkeit nach ihrem 18. Lebensjahr nachweisen, da sie sieben Jahre Kindererziehungszeiten, fünf Monate FSJ, 12 Monate Berufspraktikum und 21 Monate diverse Jobs aufweise. Außerdem sei sie nach ihrer dreijährigen Ausbildung zur Erzieherin ein Jahr in ihrem Beruf erwerbstätig gewesen und habe dann 26 Monate ihre Kinder betreut. Ferner hätten ihre Eltern auch die Unterhaltspflicht ihr gegenüber erfüllt, da sie eine angemessene Berufsausbildung erhalten habe und nun eine weitere, in sich selbständige Ausbildung beginne.

Das S. gewährte ihr mit Bescheiden vom 23. Dezember 1999 und 31. Januar 2000 für den Zeitraum von Oktober 1999 bis Januar 2000 einen monatlichen Förderungsbetrag in Höhe von 700,-- DM zur Hälfte als Zuschuss und zur Hälfte als unverzinsliches Darlehen. Dazu führte es aus, die Bewilligung erfolge unter dem Vorbehalt der Rückforderung, weil einzelne zur Entscheidung über den Antrag erforderliche Feststellungen noch nicht rechtzeitig hätten getroffen werden können. Der bewilligte Betrag sei deshalb pauschal festgesetzt worden.

Die Klägerin beantragte daraufhin am 31. Januar 2000 Vorausleistungen nach § 36 BAföG und hob dabei hervor, dass sie der Meinung sei, ihr stehe elternunabhängige Ausbildungsförderung zu. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen der Beklagten teilten die Eltern der Klägerin am 29. August 2000 mit, die Klägerin lebe mit ihrem Lebenspartner und ihren beiden Kindern mietfrei im Haus der Eltern in T.. Ferner übernähmen sie die Aufwendungen ihrer Tochter für das Auto in Form von Kraftfahrzeugsteuern (212,-- DM jährlich) und Versicherungen (579,70 DM jährlich).

Mit Bescheid vom 31. Januar 2001 gewährte das S. im Auftrag der Beklagten der Klägerin Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 489,-- DM monatlich je zur Hälfte als Zuschuss und als unverzinsliches Darlehen für den Zeitraum von Oktober 1999 bis September 2000. Dabei errechnete es einen monatlichen Bedarf der Klägerin von 955,-- DM, auf den es Unterhaltsleistungen der Eltern in Höhe von 540,33 DM anrechnete. Die von den Eltern erbrachten Leistungen (freies Haus, Kosten für den Pkw) wertete das Studentenwerk als erbrachte Unterhaltsleistung im Wert von 465,99 DM. In Höhe des Unterschiedsbetrages zu der angerechneten Summe von 540,33 DM - also 74,34 DM - wurden der Klägerin Vorausleistungen gemäß § 36 BAföG erbracht. Die Bewilligung erfolgte unter dem Vorbehalt der Rückforderung, weil der für die Einkommensanrechnung maßgebliche Steuerbescheid der Eltern der Klägerin noch nicht vorlag.

Mit weiterem Bescheid vom 11. April 2001 lehnte das Studentenwerk U. im Auftrag der Beklagten die Gewährung elternunabhängiger Förderung für die Klägerin ab. Zur Begründung führte es aus, auch bei Berücksichtigung aller angegebener Erwerbstätigkeiten seien weder die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Nr. 3 BAföG noch der Nr. 4 und Nr. 5 dieser Vorschrift gegeben. Für eine elternunabhängige Förderung nach § 11 Abs. 3 Nr. 3 BAföG sei eine fünfjährige, den Lebensunterhalt absichernde Erwerbstätigkeit erforderlich. Bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt könnten lediglich 48 Monate als Zeiten der Erwerbstätigkeit angerechnet werden. Berücksichtigung würden dabei finden das freiwillige soziale Jahr vom 1. September 1990 bis zum 31. Januar 1991, die Aushilfstätigkeiten bei G. vom 18. März 1991 bis 12. April 1991 und vom 6. August 1991 bis 18. September 1991 sowie die Kindererziehungszeiten vom 8. Januar 1992 bis 30. September 1992, vom 1. April 1994 bis 30. August 1994 und schließlich vom 1. August 1997 bis 30. September 1999. Die Aushilfstätigkeit bei V. vom 1. Januar 1993 bis 4. Januar 1993 könne dagegen nicht als Erwerbstätigkeit im Sinne des § 11 Nr. 3 BAföG angesehen werden. Ferienarbeiten seien nicht unter dem Begriff der Erwerbstätigkeit zu subsumieren. Auch die Teilzeittätigkeit bei W. im Jahre 1993 während des Studiums sei nicht zu berücksichtigen. Eine den Lebensunterhalt sichernde Nebentätigkeit im Jahre 1993 sei nur dann gegeben, wenn der durchschnittliche Bruttomonatslohn der anrechenbaren Zeiträume eines Kalenderjahres zumindest 954,-- DM erreiche. Die Tätigkeit bei W. ergebe aber nur einen durchschnittlichen Bruttomonatslohn von 802,-- DM. Schließlich sei auch das einjährige Berufspraktikum vom 1. August 1996 bis 31. Juli 1997 beim Jugendaufbauwerk X. nicht als Erwerbstätigkeit im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 3 BAföG anzusehen. Das einjährige Berufspraktikum bilde zusammen mit dem zweijährigen Schulbesuch an der Fachschule Sozialpädagogik einen einheitlichen Ausbildungsabschnitt im Sinne des § 2 Abs. 4 BAföG. Nach der Rechtsprechung des BVerwG zähle die Zeit einer Ausbildung aber nicht zu den Zeiten der Erwerbstätigkeit, selbst dann nicht, wenn dafür eine Vergütung gezahlt werde.

Ebenso lägen die Voraussetzungen für eine elternunabhängige Förderung nach § 11 Abs. 3 Nr. 4 BAföG nicht vor. Erforderlich für eine elternunabhängige Förderung nach dieser Vorschrift sei bei Beginn des Ausführungsabschnitts eine dreijährige Ausbildung sowie eine dreijährige Erwerbstätigkeit. Die Zeiten der Berufsausbildung und die der Erwerbstätigkeit müssten daher zusammen mindestens sechs Jahre ausmachen. Dabei müsse die Erwerbstätigkeit nach dem Wortlaut und dem Zweck der Vorschrift zeitlich im Anschluss an den Abschluss der Berufsausbildung erfolgt sein. Nach der dreijährigen Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin könnten bei der Anrechnung der Kindererziehungszeiten vom 1. August 1997 bis 30. September 1999 lediglich zwei Jahre und zwei Monate als den Lebensunterhalt sichernde Erwerbstätigkeit anerkannt werden. Schließlich sei auch eine elternunabhängige Förderung gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 5 BAföG ausgeschlossen, denn diese Regelung gelte nur für diejenigen Auszubildenden, deren Ausbildungsabschnitt vor dem 1. Juni 1990 begonnen habe.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 30. April 2001 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2002, zugestellt am 8. Januar 2002, zurückwies. Ergänzend führte die Beklagte aus, selbst bei Berücksichtigung der Tätigkeiten der Klägerin für die Firmen V. und Y. würde sich höchstens eine Erwerbstätigkeit von 57 Monaten, nicht aber - wie erforderlich - von 60 Monaten errechnen. Die Erziehungszeiten während des Berufpraktikums könnten nicht berücksichtigt werden, da dieses Praktikum Teil der Ausbildung zur Erzieherin gewesen sei und sich die gleichzeitige Anerkennung von Ausbildungs- und Erziehungszeiten ausschließe.

Am 10. Oktober 2000 teilte die Klägerin dem Studentenheim U. mit, dass sie nunmehr an der Fachhochschule in Z. Diplom-Sozialpädagogik weiter studiere und zum Wintersemester 2000/2001 einen Studienplatz für das zweite Fachsemester erhalten habe. Wichtige Gründe für diesen Wechsel seien die kürzeren Studienzeiten und die Nähe zur Praxis gewesen, die ihr an der Universität gefehlt hätten.

Mit Bescheid vom 23. Januar 2002 lehnte das Studentenwerk U. im Auftrag der Beklagten den Antrag der Klägerin auf weitere Förderung ab, weil die Voraussetzungen für eine Förderung gemäß § 7 Abs. 3 BAföG nicht vorlägen. Für den von ihr vorgenommenen Fachrichtungswechsel sei kein wichtiger oder unabweisbarer Grund gegeben.

Dieser Bescheid wurde der Klägerin persönlich zugestellt. Einen Widerspruch legte sie nicht ein. Mit Schreiben vom 30. September 2002 informierte die Beklagte auch den Bevollmächtigten der Klägerin über diese Entscheidung, der daraufhin mit Schreiben vom 28. Oktober 2002 Widerspruch einlegte, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist.

Am 4. Februar 2002 hat die Klägerin gegen die Ablehnung der elternunabhängigen Förderung Klage erhoben.

Sie hat ergänzend vorgetragen, sie erfülle die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Nr. 3 BaföG für eine elternunabhängige Förderung. Dies ergebe sich schon aus den nach Ziffer 11.3.6. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (nachfolgend: BaföGVwV) anrechenbaren Kindererziehungszeiten. Sie habe nämlich ihr Studium in Kiel ebenso wie das nachfolgende Praktikum in AA. nur halbtags betrieben und sich zugleich als Alleinerziehende der Erziehung ihrer Tochter gewidmet. Schon deshalb habe sie mehr als die erforderlichen fünf Jahre Erwerbstätigkeit aufzuweisen, wenn man insoweit die Erziehungszeiten in vollem Umfang berücksichtige. Selbst wenn man entsprechend dem tatsächlichem Umfang diese Zeiten nur zur Hälfte anrechne, werde die Mindestgrenze überschritten.

Ferner sei sie auch im Jahre 1994 bei AB. tätig gewesen. Dort habe sie an den Wochenenden gearbeitet und einen Bruttolohn von 7.624,66 DM im Jahre 1993 und 5,747,49 DM im Jahre 1994 verdient.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2001 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2002 aufzuheben und "ihr elternunabhängiges BAföG zu bewilligen."

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen: Eine sog. Teilzeit-Kinderbetreuung sei nicht berücksichtigungsfähig. Die Klägerin habe auch nicht substantiiert dargelegt, inwieweit eine solche Betreuung von ihr tatsächlich neben der Ausbildung geleistet worden sei.

Die von der Klägerin nachgewiesene Erwerbstätigkeit sei nicht, wie § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG es verlange, auf Dauer angelegt. Durch die Tätigkeit bei AC. habe die Klägerin zudem nicht das erforderliche Mindesteinkommen nach Tz. 11.3.5 BaföGVwV erzielt, das bei 900 DM anzusetzen sei. Vorsorgeaufwendungen seien wohl ebenfalls nicht geleistet worden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 29. Oktober 2002 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Sie sei dahingehend auszulegen, dass die Klägerin eine Entscheidung dem Grunde nach über die Frage begehre, ob ihr für den Oktober 1999 begonnenen gesamten Ausbildungsabschnitt elternunabhängiges BAföG zustehe. Für die Klage bestehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis, denn der Bewilligungsbescheid vom 31. Januar 2001 sei nur unter Vorbehalt ergangen. Nach Sinn und Zweck sei dieser Vorbehalt so auszulegen, dass die Entscheidung über die elternabhängige Förderung im Erfolgsfalle dieser Klage aufgehoben würde und deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage bestehe, denn für beide Parteien des Rechtsstreits sei klar gewesen, dass über die Frage der elternunabhängigen Förderung gesondert durch einen Grundlagenbescheid entschieden werden solle. Die Klage sei jedoch nicht begründet, da der Klägerin für den im Oktober 1999 begonnenen Ausbildungsabschnitt kein Anspruch auf elternunabhängige Förderung nach dem BAföG zustehe. Dass die Voraussetzungen für eine elternunabhängige Förderung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 4 und 5 BAföG nicht gegeben seien, sei in dem angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt worden. Bedenken hiergegen seien auch von der Klägerin nicht geltend gemacht worden. Die Voraussetzungen der danach allein noch in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlage des § 11 Abs. 3 Nr. 3 iVm Satz 2 BAföG seien ebenfalls nicht gegeben. Die Klägerin erreiche nicht die dafür nach Vollendung des 18. Lebensjahres erforderlichen fünf Jahre der Erwerbstätigkeit, aus deren Ertrag sie sich selbst habe unterhalten können. Wie zwischen den Parteien zu Recht unstreitig sei, reichten dafür die Zeiten, in denen die Klägerin abhängig beschäftigt gewesen sei, bei weitem nicht aus. Selbst bei (zweifelhafter) Einbeziehung der Zeiten, in denen sie sich allein der Kindererziehung gewidmet habe, würden die notwendigen fünf Jahre nicht erreicht. Diese fünf Jahre erreiche sie nur dann, wenn ganz oder anteilig diejenigen Zeiten zusätzlich berücksichtigt würden, in denen sie während ihres Studiums an der Hochschule AD. bzw. ihre Ausbildung zur Erzieherin ergänzend ihre Tochter erzogen habe. Für die Berücksichtigung dieser Zeiten gebe es im BAföG jedoch keine hinreichende Grundlage. Diese Kindererziehungszeiten erfüllten jedenfalls die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 2 BAföG nicht. Danach müsse der Auszubildende in der Lage gewesen sein, sich aus dem Ertrag dieser Erwerbstätigkeit selbst zu unterhalten. Daran gemessen könnten die streitigen (Teilzeit-) Kindererziehungszeiten der Klägerin nicht berücksichtigt werden. Denn selbst wenn man darin eine Erwerbstätigkeit sehe, so habe die Klägerin daraus in den hier zwischen den Beteiligten streitigen Zeiten doch keinen den Lebensunterhalt im Sinne der vorliegenden Ausführungen sichernden Ertrag erzielt, da sie als Einkommen allenfalls Erziehungsgeld bezogen habe. Die in Ziffer 11.3.6 Satz 5 BAföG VwV enthaltene Fiktion, wonach die Haushaltsführung eines Elternteils, der zumindest ein Kind unter zehn Jahren im eigenen Haushalt zu versorgen habe, als unterhaltssichernde Erwerbstätigkeit gelte, finde im Gesetzeswortlaut keine hinreichende Stütze und sei damit für das Gericht unverbindlich, und zwar unabhängig davon, ob dies den subjektiven Vorstellungen des Gesetzgebers entsprochen habe. Maßgebend sei der erklärte Wille des Gesetzgebers, hingegen nicht seine subjektiven Vorstellungen, die im Gesetzeswortlaut keinen hinreichenden Ausdruck gefunden hätten. Diese Auslegung des § 11 Abs. 3 Satz 1 BAföG sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, denn es liege ein hinreichender Grund für die genannte Unterscheidung vor. Aus der Geburt und der Erziehung eines Kindes könne nicht geschlossen werden, dass der Auszubildende, der das Kind erziehe, sich bereits eine - Unterhaltsansprüche gegen seine Eltern ausschließende - eigene Lebensgrundlage geschaffen habe. Der Auszubildende sei dadurch nicht unverhältnismäßig belastet, zumal eine Förderung über das 30. Lebensjahr hinaus möglich sei. Werde nicht der Beginn der Ausbildung, sondern ihre Dauer durch Kindererziehung verzögert, so rechtfertige dies eine Förderung über die Höchstdauer hinaus. In diesem Sinne sei die Regelung des § 11 BAföG konsequent: Die Zeiten der Kindererziehung blieben unberücksichtigt, so dass vom Fortbestand des Unterhaltsanspruchs gegenüber den Eltern ausgegangen werde. Im übrigen sei bei der typisierenden Betrachtung zu berücksichtigen, dass die Regelung in § 11 BAföG eine elternunabhängige Förderung des Betroffenen nur vorläufig ausschließe. Der Auszubildenden könne nach § 36 BAföG Vorausleistungen erhalten, wenn die Eltern den angerechneten Unterhaltsbetrag tatsächlich nicht erbringen würden oder mangels bürgerlich-rechtlicher Verpflichtungen dazu nicht verpflichtet seien.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen, da der streitentscheidenden Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Ziffer 11.3.6 Satz 5 BAföGVwV mit § 11 Abs. 3 Satz 1, 2 BAföG, § 31 SGB I zu vereinbaren sei, grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Gegen das ihr am 21. November 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. Dezember 2002, einem Montag, Berufung eingelegt.

Sie trägt vor, es sei richtig, dass eine tatsächliche Erwerbstätigkeit mit den erforderlichen Voraussetzungen von ihr nicht dargelegt worden sei. Die von ihr durchgeführte Kindererziehung in einer Zeit von mehr als sieben Jahren sei jedoch einer Erwerbstätigkeit unter den von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG genannten Voraussetzungen gleichzustellen. Sie sei so zu behandeln, als habe sie in diesem Zeitraum eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, die in ihrer Lohn- und Einkommensqualität einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit gleichzustellen sei. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich gewollt, dass Auszubildende, die zunächst nach Abschluss ihrer Schulausbildung einer Erwerbstätigkeit nachgingen und dann einen gesellschaftlich wichtigen Beitrag leisteten, nämlich Kinder erzögen, nicht gegenüber nach dem Abitur durchgehend erwerbstätigen Auszubildenden benachteiligt würden. Diejenige Personen, die in diesem Zeitraum Erziehungsleistungen erbrächten und sich erst dann für ein Studium entschieden, seien ohne Anrechnung der Kindererziehungszeiten ungerechtfertigt benachteiligt. Auch das Bundesverfassungsgericht fordere in ständiger Rechtsprechung, die Kindererziehungszeiten von Frauen in besonderer Weise zu berücksichtigen und Benachteiligungen auszugleichen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 29. Oktober 2002 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin dem Grunde nach elternunabhängige Ausbildungsförderung für den im Oktober 1999 begonnenen gesamten Ausbildungsabschnitt zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt ergänzend vor: Im Falle der Klägerin habe die der fachlichen Verwaltungsvorschrift zugrundeliegende Konstellation, dass ein Elternteil für die finanzielle Absicherung Sorge trage, während der andere Elternteil den eigenen Haushalt führe und mithin ein Kind unter zehn Jahre betreue, nicht vorgelegen. Die Klägerin sei im fraglichen Zeitraum im wesentlichen von ihren Eltern finanziell unterstützt worden. Die Eltern der Klägerin hätten daher auch nicht - wie es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zu § 11 Abs. 3 Satz 1 BAföG grundsätzlich der Fall sein solle - davon ausgehen können, ihre Tochter würde wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen, so dass sie in Zukunft nicht mehr auf Ausbildungsunterhalt in Anspruch genommen würden. Dies gelte um so mehr, als die Klägerin Zeiten als Erwerbstätigkeit anerkannt haben wolle, in denen sie sich jeweils in einer Ausbildung befunden habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klage ist zulässig als Verpflichtungsklage, gerichtet auf eine Verpflichtung der Beklagten, eine Vorabentscheidung zur elternunabhängigen Ausbildungsförderung für den im Oktober 1999 von der Klägerin begonnenen Ausbildungsabschnitt zu treffen.

Nach § 46 Abs. 5 des Bundesgesetzes über individuelle Ausbildungsförderung (BAföG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 (BGBl. I, S. 645) und der letzten Änderung durch das 12. Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 22. Mai 1990 (BGBl. I, S. 936) hat das Amt für Ausbildungsförderung dem Grunde nach vorab zu entscheiden, ob die Förderungsvoraussetzungen für eine nach Fachrichtung und Ausbildungsstätte bestimmt bezeichnete

1. Ausbildung nach § 5 Abs. 2, 3 und 5,

2. weitere Ausbildung nach § 7 Abs. 2,

3. andere Ausbildung nach § 7 Abs. 3,

4. Ausbildung nach Überschreitung der Altersgrenze nach § 10 Abs. 3 vorliegen. Die Entscheidung nach den Nummern 2 bis 4 ist für den ganzen Ausbildungsabschnitt zu treffen. Das Amt ist an die Entscheidung nicht mehr gebunden, wenn der Auszubildenden die Ausbildung nicht binnen einen Jahres nach Antragstellung beginnt.

Vorabentscheidungen dem Grunde nach sind feststellende Verwaltungsakte, die grundlegende Fragen des Ausbildungsförderungsverhältnisses, die für einen Ausbildungsabschnitt nur einheitlich beantwortet werden können, vorab mit Bindungswirkung für den ganzen Ausbildungsabschnitt entscheiden (vgl. § 46 Abs. 5 Satz 2 BAföG und BVerwG, Urteil v. 18.7.1989 - 5 C 28/85 - , BVerwGE 82, 235; Urteil v. 23.2.1994 - 11 C 55/92 - , BVerwGE 95, 138). Durch den Anspruch auf Vorabentscheidung nach § 46 Abs. 5 BAföG soll vor allem das berechtigte Interesse des Auszubildenden an der Planbarkeit seines Ausbildungsvorhabens geschützt werden; der Auszubildende soll bei der oft aufwendigen Vorbereitung eines Ausbildungsvorhabens die förderungsrechtlichen Folgen sicher überblicken können (vgl. die Begründung zu § 46 Abs. 5 des Regierungsentwurfs zum 2. BAföGÄndG, BT-Drucks 7/2098, S. 23 zu Nr. 30 sowie BVerwG, Urteil v. 18.7.1989 - 5 C 28/85 - , a.a.O.; Urteil v. 23.2.1994 - 11 C 55/92 - , a.a.O.). Mit dem Anspruch auf eine für den gesamten Ausbildungsabschnitt geltende Vorabentscheidung über die Förderungsfähigkeit einer Ausbildung will das Gesetz den Auszubildenden davor bewahren, eine einmal in Übereinstimmung mit dem Ausbildungsförderungsrecht begonnene Ausbildung wegen Fehlens der hierfür erforderlichen Mittel abbrechen zu müssen. Das Gesetz stattet deshalb jedenfalls rechtmäßige Vorabentscheidungen dem Grunde nach mit einer besonderen Bestandsgarantie aus und stabilisiert sie gegen spätere Gesetzesänderungen (vgl. Kreutz, in: Rothe/Blanke, BAföG, Kommentar zum BAföG, Stand Januar 2003, § 46 Rn. 20.1). Denn im Gegensatz zu § 34 Abs. 3 SGB X, der die Bindungswirkung einer Zusicherung bei späterer Änderung der Sach- oder Rechtslage entfallen lässt, enthält § 46 Abs. 5 BAföG einen entsprechenden Vorbehalt nicht. Er folgt auch nicht aus § 53 BAföG oder § 48 SGB X. § 53 BAföG ist auf Bescheide über Leistungsanträge zugeschnitten und gilt für positive Vorabentscheidungen dem Grunde nach wegen deren Bindungswirkung (§ 46 Abs. 5 Satz 2 BAföG) nicht. Aus dem gleichen Grunde, also weil die Vorabentscheidung dem Grunde nach die festgestellte Rechtslage zugunsten des Auszubildenden für den gesamten Ausbildungsabschnitt festschreibt, scheidet auch eine Aufhebung nach § 48 SGB X aus (vgl. BVerwG, Urteil v. 1.10.1998 - 5 C 31/97 - , FEVS 49, 193).

Die Zulässigkeit einer derartigen Vorabentscheidung ist nicht an die Voraussetzung geknüpft, dass es sich dabei um eine der in den Nummern 1 bis 4 genannten Fallkonstellationen handeln muss (vgl. BVerwG, Urteil v. 23.2.1994 -11 C 55.92 - , Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 110; VGH Kassel, Beschluss v. 22.3.1998 - 9 UE 1658/84 - juris Nr. MWRE109218816 [zur elternunabhängigen Förderung], Kreutz, in: Rothe/Blanke, a.a.O., § 46 Anm. 19; a.A. Ramsauer/Stallbaum, Kommentar zum BAföG, 3. Aufl. 1991, § 46 Rn. 12; OVG Berlin, Beschluss v. 15.2.1982 - 7 S 3.82 - , FamRZ 1983, 219 [zur elternunabhängigen Förderung]). Für die Frage, ob eine Ausbildung elternunabhängig zu fördern ist, besteht ein vergleichbares Bedürfnis für eine Vorabentscheidung wie in den Fallgruppen des § 46 Abs. 5 BAföG. Ihre Klärung zu Beginn des Ausbildungsabschnittes ist für die Studienplanung des Auszubildenden ebenfalls von grundlegender Bedeutung und sie kann getrennt von den weiteren Förderungsvoraussetzungen vorab für den gesamten Ausbildungsabschnitt beantwortet werden.

Nachträglich eingetretene Änderungen wie hier der Fachrichtungswechsel und der Streit über die weitere Förderungsfähigkeit der Ausbildung der Klägerin können dabei nicht berücksichtigt werden. Denn aus den oben dargestellten Grundsätzen ergibt sich, dass bei rechtzeitiger Antragstellung für eine Vorabentscheidung dem Grunde nach (§ 46 Abs. 5 BAföG) Änderungen der Sach- und Rechtslage unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Anspruchsgewährleistung jedenfalls dann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nach Beginn des Ausbildungsabschnitts (vgl. § 15 Abs. 1, § 15 b Abs. 1 BAföG) eintreten, für den die Vorabentscheidung begehrt wird (vgl. BVerwG, Urteil v. 1.10.1998 - 5 C 31/97 - , FEVS 49, 193). Selbst wenn aber die zum Wintersemester 2000/2001 nunmehr an der Fachhochschule Nordostniedersachsen in Lüneburg begonnene Ausbildung im Studiengang Sozialwesen nicht mehr förderungsfähig wäre, so bliebe die hier zu treffende Vorabentscheidung für die Zeiten des Studiums der Klägerin an der Universität Lüneburg (Diplomstudiengang Sozialpädagogik) von Bedeutung.

Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte bereits mit Bescheid vom 31. Januar 2001 der Klägerin Ausbildungsförderung unter Anrechnung von Unterhaltsleistungen ihrer Eltern gewährt hat, denn die Beklagte hat mit ihrem Bescheid vom 11. April 2001, der eine neue Prüfung der Sach- und Rechtslage enthält und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, den Rechtsweg neu eröffnet. Ist eine erneute Sachentscheidung ergangen, kann sich die Behörde gegenüber einem dagegen erhobenen Rechtsbehelf nicht auf die frühere Unanfechtbarkeit des Erstbescheides berufen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, § 51 Rn. 59, 60). Hier hat die Beklagte bewusst nicht etwa eine sog. wiederholende Verfügung erlassen, also nur auf den unanfechtbaren Bescheid verwiesen (vgl. dazu Sachs, a.a.O., § 51 Rn. 57), sondern die Frage der elternunabhängigen Förderung erneut in der Sache entschieden.

Auf die Frage, ob der im Bescheid vom 31. Januar 2001 enthaltene Vorbehalt im Wege der Auslegung auch auf eine spätere Entscheidung über die elternunabhängige Förderung ausgedehnt werden kann, wovon das Verwaltungsgericht ausgeht, kommt es daher nicht an.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat für den im Oktober 1999 begonnenen Ausbildungsabschnitt keinen Anspruch auf elternunabhängige Ausbildungsförderung gegen die Beklagte.

Die Beklagte ist nach § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Ausführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes im Hochschulbereich vom 12. März 1998 (Nds. GVBl. S. 294) für die Entscheidung über die Gewährung von Ausbildungsförderung sowohl für Studierende an der Universität Z. als auch an der Fachhochschule AE. zuständig.

Als Anspruchsgrundlage kommt nach dem Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren nur noch § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 des Bundesgesetzes über individuelle Ausbildungsförderung (BAföG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 (BGBl. I, S. 645) und der letzten Änderung durch das 12. Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 22. Mai 1990 (BGBl. I, S. 936) in Betracht. Maßgeblich ist insoweit die Rechtslage zu Beginn des Ausbildungsabschnittes im Oktober 1999, so dass die zum 1. April 2001 durch das Gesetz zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung vom 19. März 2001 (BGBl. I, S. 390) in Kraft getretene Änderung des § 11 BAföG hier noch nicht anwendbar ist.

Nach der o.g. Vorschrift bleiben Einkommen und Vermögen der Eltern außer Betracht, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts nach Vollendung des 18. Lebensjahres fünf Jahre erwerbstätig war. Dies gilt nur, wenn der Auszubildende in den Jahren seiner Erwerbstätigkeit in der Lage war, sich aus deren Ertrag selbst zu unterhalten.

Vom Wortsinn her umfasst der Begriff der Erwerbstätigkeit zwar generell jede Beschäftigung, mit der Einkommen erzielt werden soll. Der Begriff ist jedoch nach dem jeweiligen Bedeutungszusammenhang im Gesetz auszulegen. Die Erwerbstätigkeit in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 BAföG ist der Anknüpfungspunkt dafür, dass der Auszubildende von seinen Eltern die Finanzierung der Ausbildung nicht mehr verlangen kann (vgl. Humborg, in: Rothe/Blanke, a.a.O., § 11 Rn. 27.4). Wie dem Zusammenhang mit der Regelung in § 11 Abs. 3 Satz 2 BAföG entnommen werden kann, setzt der Begriff der Erwerbstätigkeit in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG nämlich voraus, dass der Auszubildende früher nicht nur eine - sei es selbständige, sei es nichtselbständige - Tätigkeit ausgeübt hat, sondern darüber hinaus auch in der Lage war, sich aus dem Ertrag dieser Tätigkeit selbst, d.h. unabhängig von Dritten, zu unterhalten. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Auszubildende vor Beginn der jetzt von ihm angestrebten Ausbildung Tätigkeiten verrichtet hat, die, auch wenn sie nicht notwendig ohne jede zeitliche Unterbrechung erbracht worden sein müssen, insgesamt durch eine gewisse Beständigkeit gekennzeichnet, d.h. im Prinzip auf Dauer angelegt waren. Außerdem bedeutet die Fähigkeit, sich aus dem Ertrag einer Tätigkeit selbst zu unterhalten, im vorliegenden Zusammenhang mehr als nur die Möglichkeit, die laufenden Bedürfnisse des täglichen Lebens aus eigenen Mitteln zu befriedigen. Denn zu einem Selbstunterhalt in der hier maßgeblichen ausbildungsförderungsrechtlichen Bedeutung rechnet auch die auf die Zukunft gerichtete Vorsorge gegen die Folgen von Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit. Von einer den Lebensunterhalt sichernden Erwerbstätigkeit im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Satz 2 BAföG kann deshalb nur gesprochen werden, wenn die von dem Auszubildenden vor Aufnahme seiner Ausbildung ausgeübte Tätigkeit so beschaffen war, dass aus deren Ertrag auch Vorkehrungen gegen die insoweit bestehenden Lebensrisiken finanziert werden konnten (vgl. BVerwG, Urteil v. 14.5.1992 - 5 C 27/89 - , NVwZ 1992, 1204; Humborg, a.a.O., § 11 Rn. 27.4).

Die Klägerin ist nach eigener Darstellung in der Klageschrift wie folgt "erwerbstätig" gewesen:

In der Zeit vom 1. September 1990 bis zum 31. Januar 1991 absolvierte sie bei der AWO in Norderstedt ein freiwilliges soziales Jahr mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Vom 18. März 1991 bis zum 12. April 1991 und vom 6. August 2001 bis zum 18. September 2001 arbeitete sie als Aushilfe im Kaufhaus G. in AF. für ein Brutto-Arbeitsentgelt von 2.808,00 DM bzw. 1677,00 DM . Anfang Januar 1993 arbeitete sie vier Tage als Inventuraushilfe bei der Firma V. sowie in der Zeit vom 9. März 1993 bis zum 31. Dezember 1994 jeweils an den Wochenenden bei der Firma Y. am Wohnort ihrer Eltern, wo sie 1993 brutto 7.624,66 DM und 1994 5.747,49 DM verdiente.

Ferner leistete sie vom 1. August 1996 bis zum 31. Juli 1997 im Rahmen ihrer Ausbildung zur Erzieherin ein Anerkennungsjahr beim Jugendwerk in X., wo sie bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden ein Bruttoverdienst von monatlich ca. 1070 DM erzielte.

Bereits die Zusammenstellung dieser Tätigkeiten macht deutlich, dass die Klägerin im Grunde keine auf Dauer angelegte Tätigkeit im Sinne der o.g. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeübt hat. Hat der Auszubildende sich ohne jede Kontinuität und feste Anstellung durch Gelegenheitsarbeiten unterhalten, um jeweils nach eigenem Gutdünken festzulegen, wo, wie lange und für welches Entgelt er arbeiten wollte, können derartige Zeiten nicht als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Sinne des Absatzes 3 angesehen werden, weil sie den Auszubildenden nicht langfristig in die Lage setzen, sich angemessen zu unterhalten (vgl. VGH Mannheim, Urteil v. 13.8.1981 - 7 S 1204/81 - , juris Nr. MWRE106568115; Urteil v. 5.4.1979 - V 2931/78 - , juris Nr. BWRE104627907 ; Humborg, a.a.O., § 11 Rn. 27.5.). Zeiten einer Erwerbstätigkeit, die ihrem Wesen nach keinen existenzsichernden Charakter hat, können im Rahmen von § 11 Abs.3 Satz 1 Nr. 3 BAföG nicht berücksichtigte werden (vgl. VGH Mannheim, Urteil v. 30.6.1986 - 7 S 696/86 - , juris Nr. MWRE106138614).

Bei den von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten handelt es sich bis auf ihr Praktikum in X., das Teil der Ausbildung zur Erzieherin war, um reine Aushilfstätigkeiten, denen es an der zu fordernden Kontinuität und Perspektive fehlte. Weder die offensichtlich sozialabgabenfreie Tätigkeit bei AB., die die Klägerin nur an den Wochenenden ausübte, noch die Tätigkeit bei G., die zweimal jeweils etwa einen Monat dauerte, stellen mehr als bloße Gelegenheitsarbeiten dar, denen kein existenzsichernder Charakter zukommt. Eine derartige Tätigkeit genügt nicht, um eine von den Eltern unabhängige Stellung zu vermitteln. Aus der Höhe des Entgeltes ist ferner zu entnehmen, dass die Klägerin Sozialversicherungsbeiträge nur während ihrer Tätigkeit für AG. entrichtet hat. Aufgrund der reinen Erwerbstätigkeit, die zudem selbst bei der hier nicht in Frage kommenden Anrechnung aller Tätigkeiten nicht die Dauer von 60 Monaten erreicht, kann daher nicht davon ausgegangen werden, die Klägerin habe schon eine berufliche Stellung erlangt, die sie in den Stand versetze, sich ohne Inanspruchnahme ihrer Eltern selbst zu unterhalten.

Zu den Zeiten der Erwerbstätigkeit können nicht die Zeiten der Ausbildung der Klägerin hinzugerechnet werden. Die Zeit einer Ausbildung zählt im allgemeinen nicht zu den Zeiten der Erwerbstätigkeit, auch wenn der Auszubildende sich während dieser Zeit etwa aufgrund einer Ausbildungsbeihilfe des Trägers der Ausbildungsstätte selbst unterhalten konnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 1980 - 5 C 37/78 -, BVerwGE 60, 231; Urteil vom 16. März 1994 - 11 C 19/93 - , BVerwGE 95, 252) Zum einen ergibt sich dies aus der Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG, in der der Gesetzgeber begrifflich zwischen den Zeiten der Ausbildung und solchen der Erwerbstätigkeit unterscheidet; diese Differenzierung muss auch für die Nr. 3 des Satzes 1 der Vorschrift gelten. Zum anderen wird der Erwerbstätige tätig, um vom Erwerb seiner Tätigkeit den Lebensunterhalt zu bestreiten, während der Auszubildende tätig wird, um durch seine Tätigkeit während der Ausbildungszeit die beruflichen Voraussetzungen erst zu schaffen, die es ihm nach Abschluss der beruflichen Ausbildung ermöglichen, erwerbstätig zu sein (vgl. Humborg, a.a.O., § 11 Rn. 27.9). Daher können für die Klägerin die Zeiten des Lehramtsstudiums in AH. (Oktober 1992 bis 31. März 1994) und der Ausbildung zur Erzieherin (Fachschule Sozialpädagogik vom 31. August 1994 bis zum 31. Juli 1996, Berufspraktikum vom 1. August 1996 bis zum 31. Juli 1997) nicht als Zeiten der Erwerbstätigkeit angerechnet werden.

Auch das "freiwillige soziale Jahr" der Klägerin kann nicht als Zeit der Erwerbstätigkeit angerechnet werden. Nach Ziffer 11.3.7. BaföGVwV gelten Zeiten des freiwilligen sozialen Jahres nach dem Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres als Zeit der den Lebensunterhalt sichernden Erwerbstätigkeit. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres sind Freiwillige im Sinne diese Gesetzes Personen, die sich aufgrund einer Vereinbarung mit einem nach § 5 anerkannten Träger zur Leistung dieses Dienstes für eine ununterbrochene Zeit von mindestens sechs Monaten und höchstens 18 Monaten verpflichtet haben. Demgegenüber ist die Klägerin nach eigenem Vortrag nur von September 1990 bis Ende Januar 1991, also lediglich fünf Monate, bei der Arbeiterwohlfahrt in AI. freiwillig tätig gewesen. Ihre Tätigkeit erreicht damit die gesetzlichen Mindestanforderungen nicht.

Schließlich ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf elternunabhängige Ausbildungsförderung nicht aus einer Anrechnung von Kindererziehungszeiten.

Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten wird in der gesetzlichen Regelung des § 11 Abs.3 BAföG nicht erwähnt. Ebenso verhielt es sich mit der im ursprünglichen Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes der Bundesregierung vom 14. Mai 1974 (BT-Drucks. 7/ 2098, S. 5) enthaltenen Fassung des § 11 Abs. 3 Nr. 3 BAföG, die wie folgt lautete :

"Nur das Einkommen und Vermögen des Auszubildenden und seines Ehegatten sind anzurechnen, wenn der Auszubildende ...

3. bei Beginn des Ausbildungsabschnitts nach Abschluss einer früheren berufsqualifizierenden Ausbildung

a) fünf Jahre erwerbstätig oder

b) drei Jahre erwerbstätig und 27 Jahre alt und in diesen Jahren in der Lage war, sich aus dem Ertrag seiner Erwerbstätigkeit selbst zu unterhalten."

Gleichwohl war schon damals das Problem einer etwaigen Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten gesehen worden. So erklärte die Bundesregierung in der Begründung zu diesem Gesetzentwurf u.a.:

"Für die Ausführung des Gesetzes geht die Bundesregierung davon aus, dass die Hausfrauentätigkeit einer Mutter, die zumindest ein Kind unter zehn Jahren zu versorgen hat, sowie der Wehr- und Zivildienst und andere ihnen gleichgestellte Dienste als den Lebensunterhalt sichernde Erwerbstätigkeiten angesehen werden" (vgl. BT-Drucks. 7/2098, S. 19 zu Nr. 9).

Diesem Gesetzentwurf zu § 11 Abs. 3 Nr. 3 BAföG wie auch seiner Begründung ist im Gesetzgebungsverfahren zum 2. BAföG-Änderungsgesetz nicht widersprochen worden (vgl. Stellungnahme des Bundesrates , BT-Drucks. 7/2098, S. 28).

Entsprechend der Ankündigung der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren sieht die Verwaltungsvorschrift zum BAföG unter 11.3.6 folgende Regelung vor:

"Die Haushaltsführung eines Elternteils, der zumindest ein Kind unter zehn Jahren oder ein Kind, das behindert und auf Hilfe angewiesen ist, im eigenen Haushalt zu versorgen hat, gilt als den Lebensunterhalt sichernde Erwerbstätigkeit."

Bei dieser Regelung handelt es sich um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift.

Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung oder oberster Bundesbehörden enthalten, auch wenn sie mit Zustimmung des Bundesrats erlassen worden sind (Art. 84 Abs. 2 GG), auf der Grundlage bestehender Rechtsnormen - insbesondere im Bereich der Massenverwaltung, etwa im Steuer-, Ausbildungsförderungs- oder öffentlichen Dienstrecht - innerbehördlich bindende Anweisungen über die Auslegung und Anwendung von Gesetzen, insbesondere bei unbestimmten Gesetzesbegriffen ohne Beurteilungsspielräume (vgl. Bonk/Schmitz, in Stelkens/Bonk/Sachs , a.a.O., § 1 Rn. 193). Sie geben den nachgeordneten Behörden Interpretationshilfen und gewährleisten eine einheitliche Anwendung der Gesetze (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 24 Rn. 9; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Auflage 1994, § 24 Rn. 24).

Davon zu unterscheiden sind die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften, die sich auf "offene" Tatbestände mit unbestimmten Gesetzesbegriffen beziehen, in denen für die Behörden ein Beurteilungsspielraum besteht, und zwar insbesondere im Sicherheits- und Technikbereich, soweit der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zulässiger Weise auf eine exakte normative Festlegung verzichtet und Handlungsanweisungen mit Spielräumen für die Verwaltung erlässt, weil er - aus unterschiedlichen Gründen - auf eine genaue normative Festlegung, etwa von Schädlichkeitsgrenzen im Umwelt- und Immissionsschutzrecht, verzichtet und der Verwaltung Beurteilungs- und Entscheidungsspielräume eröffnet und nur einen Handlungsrahmen vorgibt, aber Einzelheiten offen lässt (vgl. Bonk/Schmitz, a.a.O., § 1 Rn. 194; Maurer, a.a.O., § 24 Rn. 9 u. 25 a; Wolff/Bachof/Stober, a.a.O., § 24 Rn. 24; BVerwG, Urteil v. 20.12.1999 - 7 C 15/98 - , BVerwGE 110, 216).

Die Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG enthält mit dem Tatbestandsmerkmal "erwerbstätig" einen unbestimmten Rechtsbegriff, aber keinen Beurteilungsspielraum. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber der Verwaltung insoweit die Letztentscheidungskompetenz zuweisen wollte; es handelt sich auch nicht um technische Standards, bei denen der Vorschriftengeber sich etwa technischen Sachverstand Dritter zunutze machen wollte. Auf die in den Einzelheiten streitige Frage, in welchem Umfang normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften gerichtlich überprüfbar sind (vgl. dazu Gerhardt, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, Stand Januar 2002, § 114 Rn. 64), kommt es daher nicht an.

Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften binden zwar im Innenverhältnis die Behörden, aber im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht auch die Gerichte und können von ihnen daher grundsätzlich vollinhaltlich auf ihre Vereinbarkeit mit Gesetz und Verfassung überprüft werden (vgl. Bonk/Schmitz, a.a.O., § 1 Rn. 193; Gerhardt, a.a.O., § 114 Rn. 65).

Hier ist Ziffer 11.3.6 der Verwaltungsvorschrift zum BAföG - wie bereits oben dargestellt - vom Willen des Gesetzgebers gedeckt, der selbst davon ausgegangen ist, dass es einer gesonderten Erwähnung der Kindererziehung in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG nicht bedürfe. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die betreffende Verwaltungsvorschrift nicht mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar. Vielmehr ergibt sich das Gegenteil aus der mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 3 GG gebotenen verfassungskonformen Auslegung. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet allerdings dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde; im Übrigen muss das Gesetz auch bei einer solchen Auslegung sinnvoll bleiben (vgl. BVerfG, Urteil v. 14.12.1999 - 1 BvR 1327/98 - BVerfGE 101, 312, 329). Diese Vorgaben sind hier erfüllt.

Bei der Auslegung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG ist zunächst vom allgemeinen Sprachsinn des Begriffs "erwerbstätig" auszugehen (vgl. zur Methodik Wolff/Bachof/Stober, a.a.O., § 28 Rn. 56). Danach bedeutet erwerbstätig "für den Lebensunterhalt tätig" oder "berufstätig" (vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch, 1970) bzw. nach älterem Verständnis "in Arbeit stehend" (vgl. Mackensen, Neues Deutsches Wörterbuch, 1953). Bereits die Definition im Duden weist auf eine allmähliche Wandelung des Verständnis des Begriffes hin, zumal nach heutigem Rollenverständnis auch derjenige in einer Partnerschaft zum Lebensunterhalt beiträgt, der sich mit Haushaltsführung und Kindererziehung beschäftigt, um dem anderen Partner eine entgeltliche Beschäftigung zu ermöglichen. Danach ist im weiteren Sinne auch für den Lebensunterhalt tätig, wer durch Haushaltsführung und Kindererziehung seinem Partner ermöglicht, einer bezahlten Arbeit nachzugehen.

§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG legt entsprechend seiner Zielsetzung fest, wann ein Auszubildender eine elternunabhängige Stellung erreicht hat. Dies lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber einen weiten Begriff von Erwerbstätigkeit gemeint hat; denn nach Ansicht der Bundesregierung sollen auch der Wehr- und Zivildienst sowie ihnen gleichgestellte Dienste als den Lebensunterhalt sichernde Erwerbstätigkeit angesehen werden (vgl. Begründung der Bundesregierung, BT-Drucks. 7/2098, zu Nr. 9 Buchstabe b , S. 19), obwohl derartige Dienste nicht in erster Linie der Sicherung des Lebensunterhaltes dienen und auch nicht als klassische Arbeitsverhältnisse angesehen werden können. Bei ihnen steht die Erfüllung einer gegenüber dem Staat bestehenden Pflicht im Vordergrund, nicht die Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes. Im Übrigen ist der in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG genannte Begriff der "Erwerbstätigkeit" in seinen Randbereichen nicht so scharf abgrenzbar, dass die sich hier ergebende Auslegung, die dem erklärten Willen des Gesetzgebers entspricht, dadurch ausgeschlossen wäre. Damit steht der Gesetzeswortlaut der in Ziffer 11.3.6 der Verwaltungsvorschrift getroffenen Regelung nicht entgegen.

Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an den Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht (vgl. Urt. v. 3.4. 2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242, 265) und der Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 2 GG gehalten ist, auf eine Angleichung der Lebensverhältnisse von Männern und Frauen hinzuwirken (vgl. Beschluss v. 12.3.1996 - 1 BvR 609 , 692/90 - BVerfGE 94, 241, 259). Im Hinblick auf die von § 11 Abs. 3 BAföG geregelte Frage, wann Auszubildende eine von ihren Eltern unabhängige Stellung erreicht und damit einen Anspruch auf Ausbildungsförderung ohne Anrechnung von Einkommen ihrer Eltern haben, gebieten es die Gleichbehandlung von Männern und Frauen wie auch das staatliche Interesse an Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern, den Verzicht auf eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der Betreuung der eigenen Kindern dann einer Erwerbstätigkeit gleichzustellen, wenn und soweit dadurch eine gleichermaßen elternunabhängige Stellung vermittelt wird.

Der Regelung der Verwaltungsvorschrift lag das Leitbild zugrunde, dass es in einer Familie mit einem oder mehreren Kindern noch häufig dem einen Elternteil obliegt, den Haushalt zu führen und das Kind oder die Kinder zu versorgen, jedenfalls dann, wenn diese Kinder noch klein sind, während der andere Elternteil berufstätig ist. Ist ein Elternteil mehrere Jahre lang in dieser Art tätig, ehe er eine Ausbildung aufnimmt, hat er sich in der Regel von seinen eigenen Eltern in gleicher Weise losgelöst wie ein anderer Auszubildender, der während dieser Zeit beruflich tätig gewesen ist (so Humborg, a.a.O., § 11 Rn. 27.7). In diesem Fall wäre es mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht zu vereinbaren, nur für den berufstätigen Elternteil von einer elternunabhängigen Stellung im Sinne von § 11 Abs. 3 BAföG auszugehen, weil sonst derjenige, der sich der Erziehung und Haushaltsführung widmet und damit in gleichwertiger Weise zum gemeinsamen Lebensunterhalt beiträgt, ohne sachlichen Grund benachteiligt wäre.

Nach alledem bestehen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Bedenken dagegen, die in Ziffer 11.3.6 Satz 5 der Verwaltungsvorschrift zum BAföG enthaltene Regelung bei der Auslegung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG zu berücksichtigen. Dies hilft der Klägerin im Ergebnis aber nicht weiter. Denn auch unter Beachtung des Maßstabes der Ziffer 11.3.6 der Verwaltungsvorschrift zum BAföG können die Zeiten, in denen die Klägerin zugleich eine Ausbildung betrieben und ihre Tochter erzogen hat, nicht als Zeiten der Erwerbstätigkeit angerechnet werden.

Die - wie oben dargestellt - norminterpretierende Verwaltungsvorschrift ist (im Gegensatz zu normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften) wie eine Willenserklärung entsprechend § 133 BGB auszulegen (vgl. Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 13. Auflage 2003, § 114, Rn. 42; Wolff/Bachof/Stober, a.a.O., § 24 Rn. 26), also nach dem objektiven Empfängerhorizont. Diese Regel steht jedoch unter dem Vorbehalt der Gesetzeskonformität.

Die Verwaltungsvorschrift verlangt die "Haushaltsführung" eines Elternteils und geht damit ersichtlich von dem oben beschriebenen Leitbild der partnerschaftlichen Rollenteilung aus, bei dem ein Partner sich um die Erziehung und Haushaltsführung kümmert, während der andere durch sein Arbeitseinkommen wirtschaftlich den Unterhalt der Familie sichert. Dadurch haben beide Partner eine von den Eltern wirtschaftlich unabhängige Lebensstellung erreicht und sollen bei der Ausbildungsförderung nicht mehr auf deren Unterhalt verwiesen werden.

Die Grenze für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten bildet die Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 BAföG, die für eine elternunabhängige Ausbildungsförderung neben einer fünfjährigen Erwerbstätigkeit auch verlangt, dass der Auszubildende in der Lage war, sich aus dem Ertrag dieser Erwerbstätigkeit selbst zu unterhalten. Diese Maßgabe ist auch bei der Verwaltungsvorschrift, die das Gesetz ergänzend dahingehend auslegt, dass auch Kindererziehung Erwerbstätigkeit sein kann, einschränkend zu berücksichtigen; denn insoweit findet auch die verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes ihre Grenze an den vom Wortlaut des Gesetzes geforderten wirtschaftlichen Voraussetzungen.

Die Kindererziehung kann nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann wie eine Erwerbstätigkeit behandelt werden, wenn der Auszubildende sich während der Erziehungszeit tatsächlich wirtschaftlich vom elterlichen Haushalt gelöst hat. Keine ausdrückliche Aussage trifft die Verwaltungsvorschrift allerdings dazu, wie verfahren werden soll, wenn der Sachverhalt in der Weise von dem Leitbild abweicht, dass der oder die Auszubildende allein erzieht, also nicht in Partnerschaft oder Ehe mit dem anderen Elternteil lebt. In diesem Fall fehlt - sofern für den oder die Auszubildende(n) kein Unterhalt seitens des anderen Elternteils gezahlt wird - die wirtschaftliche Absicherung durch das Einkommen des berufstätigen Partners, die ein wichtiger Faktor zur Feststellung einer von den eigenen Eltern unabhängigen Stellung ist.

Bei einer Alleinerziehenden, die wie die Klägerin eine Ausbildung betreibt und selbst über keine ausreichenden Einkünfte verfügt, liegt jedenfalls dann keine gleichartige wirtschaftliche Unabhängigkeit vor, wenn sie während der in Rede stehenden Zeiten weiterhin von ihren Eltern unterstützt worden ist.

Die Klägerin bezog während der Ausbildung an der Universität in AH. elternabhängige Ausbildungsförderung, die ihr mit Bescheid des Studentenwerkes AJ. vom 30. Dezember 1992 bewilligt wurde. Dabei wurde kein eigenes Einkommen der Auszubildenden angerechnet. In einem weiteren, vom ihr am 14. November 1995 unterzeichneten Antrag auf Ausbildungsförderung für ihre Ausbildung an der Fachschule für Sozialpädagogik, den der AK. wegen des Abbruchs der vorangegangenen Ausbildung mit Bescheid vom 14. Februar 1996 ablehnte, erklärte die Klägerin, dass sie lediglich Unterhalt für ihre Tochter I. und Kindergeld erhalte. Im Antrag auf Ausbildungsförderung für ihr Studium an der Universität P. vom 30. September 1999 erklärte die Klägerin, sie wohne derzeit mietfrei im Haus ihrer Eltern in T.; als Einkommen beziehe sie Kindergeld für beide Kinder sowie Leistungen nach dem UVG für I.. Unter dem 10. August 2000 erklärten die Eltern der Klägerin, dass sie ihr das Haus in T. mietfrei zur Verfügung stellten und die Kosten ihres Pkw finanzierten, damit ihre Tochter nach P. gelangen könne. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Klägerin jedenfalls während der Zeiten ihrer Ausbildungen über kein wesentliches eigenes Einkommen verfügte und auf die Unterstützung ihrer Eltern in wirtschaftlicher Hinsicht angewiesen war. Daher ist eine Anrechnung ihrer Kindererziehungszeiten als Zeiten der Erwerbstätigkeit nicht möglich.

Diese Auslegung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 BAföG i.V.m. der dazu ergangenen Verwaltungsvorschrift steht auch im Einklang mit den oben dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsätzen, wie sie aus Art. 3 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 GG abzuleiten sind.

Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin in seiner Berufungsbegründung vorträgt, es sei eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Gruppe der Kinder Erziehenden mit denjenigen gegeben, die nach dem Abitur eine Arbeit aufnähmen, um dann anschließend bei einem Studium elternunabhängig gefördert zu werden, folgt der Senat dieser Bewertung nicht. Der Gesetzgeber hat als sachliches Differenzierungskriterium für die Frage, ob elternunabhängige Ausbildungsförderung zu leisten ist, mit § 11 Abs. 3 Satz 2 BAföG auf die wirtschaftliche Situation des Auszubildenden während der anzurechnenden Zeiten der Erwerbstätigkeit bzw. Kindererziehung abgestellt. Diese Unterscheidung ist sachgerecht, zumal sie dazu dient, festzulegen, wann von dem sich aus § 11 Abs. 2 BAföG ergebenden Grundsatz des Nachranges der Ausbildungsförderung abzuweichen ist, weil typischerweise davon auszugehen ist, dass ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch des Auszubildenden gegen seine Eltern nicht mehr besteht (vgl. zur Systematik des § 11 BAföG BVerwG, Urteil v. 16.3.1994 - 11 C 19/94 - BVerwGE 95, 252). Die Erziehung eines eigenen Kindes allein schließt aber Unterhaltsansprüche gegen die eigenen Eltern nicht aus, während eigenes Einkommen die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit entfallen lässt (vgl. §§ 1602, 1610 BGB).

Diese Bewertung führt auch nicht zu einer unzumutbaren beruflichen oder anderweitigen Benachteiligung infolge der Kindererziehung, denn es verbleibt den Auszubildenden die Möglichkeit, Vorausleistungen nach § 36 BAföG zu beantragen und damit in gleicher Höhe gefördert zu werden. Tatsächlich wurden der Klägerin mit Bescheid des Studentenwerkes AL. vom 31. Januar 2001 auch schon in Höhe eines Teilbetrages derartige Vorausleistungen bewilligt und dann vom Studentenwerk ausgezahlt, ohne dass bislang ihre Eltern auf Unterhaltsleistungen in Anspruch genommen worden sind.

Der Anrechnung der Kindererziehungszeiten der Klägerin während des Studiums an der Universität in AD. und der Ausbildung zur Erzieherin als Erwerbstätigkeit steht ferner der bereits oben dargestellte Grundsatz entgegen, dass sich Erwerbstätigkeit und Ausbildung ausschließen. Allerdings hält das Bundesverwaltungsgericht beim Besuch eines Abendgymnasiums die gleichzeitige Durchführung einer Aus- oder Weiterbildung für keinen Hinderungsgrund, um - daneben - von einer "Erwerbstätigkeit im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 i.V.m. Satz 2 BAföG ausgehen zu können. Erforderlich ist allerdings, dass es sich nicht um eine Tätigkeit innerhalb eines Ausbildungsverhältnisses handelt (vgl. BVerwG, Beschluss v. 22.6.1993 - 11 B 28/93 - , FamRZ 1994, 127; ebenso , wenn der Auszubildende während des zweijährigen Besuchs der Fachoberschule im wochenweisen Wechsel die Schule besucht und arbeitet: BVerwG, Beschluss v. 20.1.1997 - 5 B 113/96 - Juris Nr. WBRE410002984). In Anknüpfung an diese Rechtsprechung soll nach Ziffer 11.3.6. BaföGVwV auch Teilzeitarbeit während der Ausbildung zu berücksichtigen sein. In Anwendung dieser Grundsätze geht das Oberverwaltungsgericht Münster ( Beschluss v. 13.11. 2000 - 16 E 779/00 - , NWVBl. 2001, 146) davon aus, dass die Betreuung eines Kindes während des Fachoberschulbesuches als im Ausbildungsverhältnis ausgeübte Tätigkeit anzusehen ist und deshalb nicht als Erwerbstätigkeit im Sinne des § 11 Abs. 3 BAföG gelten kann (so auch Humborg, a.a.O., § 11 Rn. 27.7). Für diese Bewertung der Kinderbetreuung während einer Ausbildung spricht der Gesichtspunkt, dass sich Ausbildung und Kinderbetreuung zeitlich und räumlich nicht eindeutig abgrenzen lassen, während in den beiden vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fällen feste Arbeitsverträge vorlagen, die den zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit genau bestimmten. Die während des Studiums betriebene Kinderbetreuung ist - soweit ist dem OVG Münster zuzustimmen - eher als Tätigkeit innerhalb eines Ausbildungsverhältnisses einzuordnen denn als eine außerhalb der Ausbildung durchgeführte Erwerbstätigkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 188 Satz 2, 154 Abs. 2 VwGO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2, 173 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da insbesondere die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Ziffer 11.3.6 Satz 5 BAföGVwV mit § 11 Abs. 3 Satz 1, 2 BAföG und § 31 SGB I zu vereinbaren ist, stellt sich hier nicht mehr, da die Voraussetzungen für eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten in keinem Fall gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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