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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 18.10.2006
Aktenzeichen: 12 ME 326/06
Rechtsgebiete: LuftVZO


Vorschriften:

LuftVZO § 20 Abs. 2
Altersgrenze für Verkehrsflugzeugführer.
Gründe:

I.

Der am B. 1941 geborene Antragsteller wandte sich mit Schreiben vom 12. Juni 2006 an das Luftfahrt-Bundesamt und wies daraufhin, dass er Inhaber einer bis zum 4. Februar 2007 gültigen Verkehrspilotenlizenz sei, aber von der in JAR-FCL 1.060 enthaltenen Regelung, wonach Piloten nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr bei der gewerbsmäßigen Beförderung eingesetzt werden dürfen, betroffen werde. Diese Altersgrenze sei formell und materiell rechtswidrig; er bitte daher um schriftliche Bestätigung, dass er berechtigt sei, auch nach Vollendung seines 65. Lebensjahres gewerblich als Verkehrspilot zu fliegen, und vorbehaltlich der Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben an die Gesundheit seine Berechtigung auch nach Vollendung seines 65. Lebensjahres verlängerbar sei. Mit Schreiben vom 16. Juni 2006 lehnte das Luftfahrt-Bundesamt die Erteilung der gewünschten Bestätigung ab. Am 9. August 2006 hat der Kläger Feststellungsklage erhoben und zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begehrt, den das Verwaltungsgericht mit dem im Tenor bezeichneten Beschluss versagt hat.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Der Vortrag des Antragstellers im Beschwerdeverfahren, auf dessen Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt es nicht, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und im Wege einer einstweiligen Anordnung festzustellen, dass der Antragsteller über den 18. August 2006 hinaus bis zu einer Entscheidung über die Hauptsacheklage oder - wie hilfsweise beantragt - zunächst für weitere 6 Monate von Luftfahrtunternehmen bei der gewerblichen Beförderung als Pilot eingesetzt werden darf, soweit er eine gültige Lizenz und ein gültiges Tauglichkeitszeugnis besitzt. Auch für die weiter hilfsweise begehrte Zwischenregelung bestand kein Anlass.

1. Der Senat lässt offen, ob bereits - wie die Antragsgegnerin meint - ein Anordnungsgrund fehlt, weil der Antragsteller sein Begehren erst mit Schreiben vom 12. Juni 2006 ihr gegenüber geltend gemacht und trotz unverzüglicher Beantwortung vorläufigen Rechtsschutz erst am 9. August 2006 und damit wenige Tage vor Vollendung seines 65. Lebensjahres und deshalb verspätet und treuwidrig beantragt hat. Jedenfalls ist mit dem Verwaltungsgericht das Bestehen eines Anordnungsanspruchs zu verneinen.

2. Die Regelung über die Altersgrenze beruht auf § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LuftVZO i.V.m. der vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung der Bestimmungen über die Lizenzierung von Piloten von Flugzeugen (JAR-FCL 1 deutsch) vom 15. April 2003 (BAnz. Nr. 80a vom 29. April 2003) und § 20 Abs. 2 Satz 2 LuftVZO i.V.m. der ebenfalls vom Bundesministerium bekannt gemachten Fassung der Bestimmungen über Anforderungen an die Tauglichkeit (JAR-FCL 3 deutsch) vom 15. April 2003 (BAnz. Nr. 81a vom 29. April 2003). Dort (JAR-FCL 1.060 (b) und JAR-FCL 3.060 (b)) heißt es jeweils: "Der Inhaber einer Lizenz darf nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr als Pilot von Flugzeugen (oder Hubschraubern) bei der gewerbsmäßigen Beförderung eingesetzt werden." Der gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LuftVG dazu ermächtigte Verordnungsgeber hat damit im Wege einer gesetzestechnischen Vereinfachung die Anforderungen an das Luftfahrtpersonal nicht unmittelbar in der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung selbst geregelt, sondern auf das Regelwerk der JAR verwiesen.

a) Der Antragsteller hält diese Methode der Übernahme der JAR in deutsches Recht für formell verfassungswidrig und die Begründung des Verwaltungsgerichts bereits deshalb für nicht ausreichend, weil es sich mit seinem Vortrag nicht in der gebotenen Tiefe auseinandergesetzt habe. Damit allein lässt sich indes die Rechtswidrigkeit des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses nicht begründen. Davon abgesehen teilt der Senat - jedenfalls nach der in diesem Verfahren angezeigten summarischen Prüfung - die vorgebrachten Bedenken auch in der Sache nicht und folgt insoweit dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 12. Dezember 2005 (20 ZB 05.2022) ausgeführt hat:

"Ob die Regelungen der JAR - hier JAR-FCL 3..., die selbst keine Rechtsnormen darstellen, durch die (konstitutive) Verweisung in § 20 Abs. 2 Satz 2 LuftVZO in deutsches Recht implementiert, d. h. zum Gegenstand und Inhalt der LuftVZO gemacht und damit zu Rechtsnormen erhoben worden sind... oder ob man diesen Regelungen lediglich den Charakter normkonkretisierender (Verwaltungs)Vorschriften... bzw. bloßer Richtlinien...zuerkennt, kann vorliegend dahinstehen. Denn gegen eine statische Verweisung, bei der - wie hier - auf die bei der Verabschiedung der Verweisungsnorm geltende Fassung der in Bezug genommenen Regelung verwiesen wird..., bestehen in keinem Fall durchgreifende rechtliche, insbesondere verfassungsrechtliche, Bedenken. Eine derartige Verweisung bedeutet lediglich den Verzicht, den Text der in Bezug genommenen Vorschriften in vollem Wortlaut in die Verweisungsnorm - hier: § 20 LuftVZO - aufzunehmen. Durch die Bezugnahme hat der Verordnungsgeber gerade gezeigt, dass er sich die in Bezug genommenen Vorschriften mit diesem Inhalt zu eigen machen will. Dies ist weder kompetenzrechtlich bedenklich, da der Verordnungsgeber nach § 32 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 4 LuftVG zur Regelung der Eignungsvoraussetzungen für erlaubnispflichtige Luftfahrer ausdrücklich ermächtigt ist, noch werden rechtsstaatliche Grundsätze wie das Bestimmtheits- und Publizitätsgebot ... verletzt, nachdem die in Bezug genommenen JAR-FCL 3-Regelungen im Bundesanzeiger ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sind. Im übrigen wären diese Regelungen selbst im Fall ihrer Einstufung als (Gerichte nicht bindende) Richtlinien als Niederschlag sachverständiger Erfahrung von Gewicht auch im Verwaltungsrechtsstreit verwert- und heranziehbar."

Dass jedenfalls unter den auch hier gegebenen Umständen einer statischen Verweisung das zuständige Bundesministerium als Verordnungsgeber Rechtssetzungsbefugnisse nicht auf demokratisch nicht legitimierte Stellen verlagert hat, hat auch der Senat im Übrigen bereits in seinem Beschluss vom 15. Februar 2001 (12 LA 678/01) ausgeführt (siehe ferner Beschluss vom 23.12.2004 - 12 ME 424/04 - und vom 19.7.2006 - 12 LA 75/05 -). Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat ebenfalls - ohne Zweifel zu äußern - auf die JAR abgestellt (Beschluss vom 7. April 2004 - 20 B 23/04 -, dort zu JAR-FCL 3.060; vgl. ferner BAG, Urteil vom 21.7.2004 - 7 AZR 589/03 -, EzA § 620 BGB 2002 Altersgrenze Nr. 5).

Soweit der Senat in seinem Zwischenbeschluss vom 25. Juli 2006 (12 ME 194/06) die in jenem Verfahren vorgebrachte Rüge, die Ermächtigungsgrundlage des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LuftVG sei nicht geeignet, die in § 24 e Abs. 6 Satz 2 LuftVZO enthaltene Regelung der Altersgrenze von 68 Lebensjahren für flugmedizinische Sachverständige zu tragen, als nicht ohne Substanz bezeichnet hat, beruht dies auf speziellen und zugleich vorläufigen Überlegungen, die auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sind.

b) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Altersgrenze von 65 Jahren für Verkehrsflugzeugführer voraussichtlich nicht. Eine Altersgrenze ist eine subjektive Zulassungsbeschränkung. Subjektive Zulassungsbeschränkungen sind zulässig, wenn sie als Voraussetzung zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Berufes oder zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes, das der Freiheit des einzelnen vorgeht, erforderlich sind. Sie dürfen zu dem angestrebten Zweck nicht außer Verhältnis stehen und keine übermäßigen, unzumutbaren Belastungen enthalten (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 4.5.1983 - 1 BvL 46 und 47/80 -, BVerfGE 64, 72, 82). Diesen Anforderungen wird die hier streitige Altersgrenze gerecht. Diese Regelung geht auf medizinische Erfahrungswerte zurück, nach denen Flugzeugführer überdurchschnittlichen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt sind, in deren Folge das Risiko altersbedingter Ausfallerscheinungen und unerwarteter Fehlreaktionen zunimmt. Die Altersgrenze sichert daher nicht nur die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit, sondern dient darüber hinaus dem Schutz von Leben und Gesundheit der Besatzungsmitglieder und der Passagiere. Zwar hängt das zur Minderung der Leistungsfähigkeit führende Altern nicht allein vom Lebensalter ab, sondern ist ein schleichender Prozess, der individuell verschieden schnell vor sich geht. Mit höherem Lebensalter wird jedoch ein Altern mit den damit verbundenen Folgen wahrscheinlicher. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass mit zunehmendem Lebensalter die Reaktionsfähigkeit abnimmt und die Gefahr von Ausfallerscheinungen steigt. Die Gefahren sind dann umso größer, wenn mit der Tätigkeit - wie dies bei einem Flugzeugführer der Fall ist - ein erhebliches Sicherheitsrisiko verbunden ist. Der durchschnittlichen altersbedingten Abnahme der Leistungsfähigkeit darf jedenfalls in den Bereichen generalisierend Rechnung getragen werden, in denen erhebliche Sicherheitsrisiken mit katastrophalen Folgen auftreten können und in denen andere Maßnahmen, wie Tauglichkeitsüberprüfungen in zeitlichen Abständen, nicht in gleicher Weise wirksam sind. Im übrigen zeigen schon die Regelungen in JAR-FCL 1.060 (a) und JAR-FCL 3.060 (a), wonach der Inhaber einer Lizenz nach Vollendung des 60. Lebensjahres nicht mehr als Pilot von Flugzeugen (oder Hubschraubern) bei der gewerbsmäßigen Beförderung eingesetzt werden darf, es sei denn, dass er Mitglied einer Flugbesatzung ist, die aus mehreren Piloten besteht und die anderen Piloten das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dass der Einsatz von Piloten bereits nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus Sicherheitsgründen nicht als unbedenklich und problemlos angesehen wird (vgl. zum ganzen insbesondere BAG, Urteil vom 21.7.2004 - 7 AZR 589/03 -, EzA § 620 BGB 2002 Altersgrenze Nr. 5; bestätigt durch BVerfG, 1. Senat - 2.Kammer -, Beschluss vom 25.11.2004 - 1 BvR 2459/04 -, EuGRZ 2004, 803; OVG NW, Beschluss vom 26.2.2004 - 20 B 2004/03 - und vom 7.4.2004 - 20 B 23/04 -).

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