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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.09.2007
Aktenzeichen: 12 ME 38/07
Rechtsgebiete: BImSchG


Vorschriften:

BImSchG § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BImSchG § 19
Nachbarschutz gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung von Windkraftanlagen; hier: Beeinträchtigung einer gewerblichen (Büro-)Nutzung durch Lärm, Schattenwurf und möglichen Eisabwurf der Anlagen.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 12 ME 38/07

Datum: 17.09.2007

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine der Beigeladenen zu 2. mit Bescheid des Antragsgegners vom 20. März 2003 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung von drei Windkraftanlagen.

Die streitgegenständlichen Windkraftanlagen sollen in der Gemarkung B. (Flur C., Flurstücke D. und E.) in einem südlich der Bundesstraße 71 gelegenen, im Flächennutzungsplan der Beigeladenen zu 1. dargestellten Vorranggebiet für Windenergienutzung errichtet werden. Die Anlagen sollen eine Nennleistung von 600 kW sowie Nabenhöhen von 50 m (WKA 1) bzw. 58 m (WKA 2 und 3) und einen Rotordurchmesser von 44 m haben. Der Genehmigung vom 20. März 2003 wurden u.a. Immissionsschutzauflagen einschließlich solcher zur Begrenzung von Schattenwurfimmissionen (Nrn. 21 bis 23) und zum Schutz vor Lärmimmissionen (Nrn. 25, 26) im Einwirkungsbereich der Anlagen beigefügt. Außerdem wurden die im Genehmigungsverfahren vorgelegten Schattenwurf- und Schallimmissionsberechnungen der F. GmbH vom 10. September 2002 zum Bestandteil der Genehmigung gemacht.

Der Antragsteller ist Eigentümer des nördlich der geplanten Anlagenstandorte und nördlich der Bundesstraße 71 gelegenen Gewerbegrundstücks Am G. (Flurstücke H., I. und J. der Flur C., Gemarkung B.). Dieses gehört ebenso wie das nach Norden und Osten angrenzende Grundstück Am K. zu einem ehemals militärisch genutzten, mit diversen Hallen und sonstigen Gebäuden bebauten Areal, das nach Aufgabe der militärischen Nutzung als Gewerbegebiet festgesetzt worden ist (Bebauungsplan Nr. 8 der Gemeinde B. "Gewerbegebiet L."). Das Grundstück des Antragstellers ist mit einem Bürogebäude (ehemals Fliegerleit- und Meldestelle) bebaut und an die Firma M. GmbH verpachtet, die einen Betrieb zur Instandsetzung und Wartung von Windkraftanlagen führt. Auf dem Grundstück Am N. steht eine Windkraftanlage mit einer Nennleistung von 500 kW, einer Nabenhöhe von 40 m und einer Gesamthöhe von 59,50 m, für die der Antragsgegner der O. GbR - der Rechtsnachfolgerin der zunächst als Bauherrin und seinerzeit in der Rechtsform einer GbR aufgetretenen M. - eine Baugenehmigung vom 27. November 2003 erteilt hat. In südlicher Richtung grenzt das Grundstück des Antragstellers unmittelbar an die Bundesstraße 71. Der Abstand des Standortes der geplanten Windkraftanlage 1 beträgt zur Mitte der Straßenfahrbahn 100 m und zur im Bebauungsplan festgesetzten Bebauungsgrenze auf dem Flurstück H. etwa 123 m; die Windkraftanlagen 2 und 3 sollen weiter südlich errichtet werden und dementsprechend größere Abstände zum Grundstück des Antragstellers einhalten.

Nachdem im März 2006 mit den Bauarbeiten (Fundamentarbeiten) an dem Vorhaben begonnen worden war, legte der Antragsteller gegen den Bescheid vom 20. März 2003 Widerspruch ein. Zu dessen Begründung machte er u. a. geltend, die streitigen Anlagen widersprächen den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 8 über die gewerbliche Nutzung des Baugebietes. Die Errichtung der Windkraftanlagen führe zu unzumutbaren Schattenwürfen und zu einer nicht hinnehmbaren Einschränkung der Ausnutzbarkeit seines Grundstücks.

Auf entsprechenden Antrag der Beigeladenen zu 2. ordnete der Antragsgegner mit Verfügung vom 17. März 2006 die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 20. März 2003 an. Dagegen hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 29. Mai 2006 abgelehnt mit der Begründung, dass die der Beigeladenen zu 2. erteilte Genehmigung sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweise und die Anordnung der sofortigen Vollziehung deshalb nicht zu beanstanden sei. Die genehmigten Windkraftanlagen riefen für den Antragsteller als Nachbarn schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren sowie erhebliche Nachteile nicht hervor. Sowohl die von den Windkraftanlagen zu erwartenden Schattenwurfbelastungen als auch die Schallimmissionen seien durch entsprechende Gutachten ermittelt worden. Beide Gutachten seien nachvollziehbar und bei summarischer Überprüfung verwertbar. Die Genehmigung treffe in den Nebenbestimmungen die notwendigen Vorkehrungen, um unzumutbare Beeinträchtigungen im Sinne des § 5 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 1 und 2 BImSchG zu verhindern. Soweit der Antragsteller auf eine auf seinem Grundstück installierte Fotovoltaik-Anlage verweise, sei seine Behauptung, diese werde durch den Schattenwurf der Windkraftanlagen in ihrer Leistungsfähigkeit um bis zu 50 % gemindert, nicht nachvollziehbar.

Mit seiner dagegen erhobenen Beschwerde macht der Antragsteller teils übereinstimmend mit dem Antrag im Parallelverfahren 12 ME 39/07, teils ergänzend hierzu geltend: In verfahrensrechtlicher Hinsicht sei zu beanstanden, dass das Genehmigungsverfahren nicht gemäß § 10 BImSchG, sondern als vereinfachtes Verfahren gemäß § 19 BImSchG durchgeführt worden sei. Aus der Akte ergebe sich nicht, dass eine standortbezogene Einzelfallprüfung gemäß dem UVPG stattgefunden habe. Er, der Antragsteller, könne den Verfahrensfehler als Verletzung eigener Rechte geltend machen. In materieller Hinsicht trägt der Antragsteller vor, der Abstand der von den drei Anlagen am nördlichsten gelegenen Windkraftanlage 1 zu seinem Grundstück sei mit 105 m ungewöhnlich gering und unzureichend. In Niedersachsen sei eine Entfernung von 1.000 m zur nächsten Wohnbebauung einzuhalten. Für Gewerbebauten dürfe dieser Abstand nicht extrem unterschritten werden, was hier aber der Fall sei. Die weitere Bebauung seines Grundstücks bis zur Bebauungsgrenze werde durch die streitigen Anlagen in nicht hinnehmbarer Weise erschwert. Der geringe Abstand der Windkraftanlage 1 führe zu unzumutbaren Schattenwurf- und Lärmbeeinträchtigungen, die drei Anlagen würden auch eine baurechtlich unzulässige erdrückende Wirkung entfalten. In Bezug auf Beeinträchtigungen durch Schattenwurf sei festzustellen, dass die Genehmigung vom 20. März 2003 nicht ohne Verletzung ihrer Nebenbestimmungen ausgenutzt werden könne. Schattenbeeinträchtigungen seien nahezu durchgehend gegeben. Es sei ausgeschlossen, dass der Schattenwurf der Anlagen auf 8 Stunden im Jahr bzw. 30 Minuten pro Tag beschränkt bleibe. Der Einbau von Abschaltmodulen sei unzureichend, weil zu erwarten sei, dass die Beigeladene zu 2. die Abschaltung aus wirtschaftlichen Gründen nicht vornehmen werde. Die Schattenwürfe der Windkraftanlagen beeinträchtigten auch die Fotovoltaik-Anlage, die er auf den Dachflächen seines Gebäudes installiert habe. Die Beeinträchtigung erfolge ständig. Denn wenn der Schatten eines Rotorflügels eine Kollektorfläche verlasse, streiche bereits der nächste Schatten über sie. Der Wirkungsgrad der mehr als 700 Kollektoren werde dadurch massiv herabgesetzt.

Hinsichtlich der zu erwartenden Lärmimmissionen sei darauf hinzuweisen, dass in dem Schallgutachten vom 10. September 2002 für den Immissionspunkt auf seinem Grundstück eine Lärmbelastung von 49,6 dB(A) prognostiziert worden sei, tatsächlich aber bereits die im Gewerbegebiet auf dem Nachbargrundstück Am K. errichtete Windkraftanlage zu einer Belastung von 52 dB(A) führe, obwohl sie vom Immissionsmesspunkt des Schallgutachtens vom 10. September 2002 weiter entfernt sei als die nächstgelegene der drei streitigen Anlagen. Das Schallgutachten vom 10. September 2002 halte einer Überprüfung nicht Stand. In dem Gutachten sei die Windkraftanlage der Firma M. GmbH nicht als Vorbelastung im Sinne der Nr. 2.4 der TA Lärm berücksichtigt und es seien entgegen dem Erlass des Niedersächsischen Umweltministeriums vom 19. Mai 2005 (Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windenergieanlagen) Zuschläge für Ton- und Impulshaltigkeit der Anlagen nicht in Ansatz gebracht worden. Die Schallemissionen seien ebenso fehlerhaft berechnet worden wie der Abstand der Anlagen zum Immissionspunkt auf seinem Grundstück. Im Übrigen seien zusätzliche Lärmbelastungen durch den Verkehr auf der Bundesstraße 71 und durch verschiedene Lärmquellen im Gewerbegebiet zu berücksichtigen. Sein Grundstück sei auch einem möglichen Eiswurf durch die Windkraftanlage 1 ausgesetzt; dieses Problem sei nicht hinreichend gelöst worden.

Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen. Er verteidigt den angefochtenen Bescheid und trägt vor, die bauliche Ausnutzbarkeit des Gewerbegrundstücks des Antragstellers werde durch die streitigen Windkraftanlagen nicht gehindert. Im Übrigen macht er geltend, dass der Antragsteller sein Gebäude zum Teil ohne die erforderliche Baugenehmigung und damit illegal nutze. Dies gelte insbesondere in Bezug auf die Büronutzung auf der den streitigen Windkraftanlagen zugewandten (Süd-)Seite des Gebäudes. Der Antragsteller habe inzwischen am 26. März 2007 einen Bauantrag eingereicht mit dem Ziel einer Legalisierung der Büronutzung.

Die Beigeladenen haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen eine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht.

Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass die angefochtene Genehmigung aller Voraussicht nach geschützte Nachbarrechte des Antragstellers nicht verletzt (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab BVerwG, Urt. v. 18.5.1982 - 7 C 42.80 -, BVerwGE 65, 313; Jarass, BImSchG, 6. Aufl, § 6 Rdnr. 44). Dabei ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht entscheidend auf den Zeitpunkt der Genehmigung ankommt, vielmehr sind auch nachfolgende Änderungen tatsächlicher oder rechtlicher Art von Interesse (Jarass, a.a.O.). Der in der baurechtlichen Rechtsprechung anerkannte Grundsatz, dass eine Änderung der Sach- und Rechtslage, die zeitlich während eines von einem Nachbarn eingeleiteten Widerspruchsverfahrens eingetreten ist, nicht zu Lasten des Bauherrn berücksichtigt werden dürfe, weil diesem ansonsten eine Rechtsposition entzogen werde, auf die er bislang einen Anspruch gehabt habe und die der Nachbar dementsprechend habe dulden müssen (vgl. dazu Schmaltz, in: Große- Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Aufl., § 72 Rdnr. 142), gelangt in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht zur Anwendung. Im Immissionsschutzrecht gibt es anders als im Baurecht keinen Grundsatz, demzufolge eine dem jeweiligen Antragsteller eingeräumte Rechtsposition auch im Falle einer Änderung der Verhältnisse grundsätzlich geschützt wird (vgl. unter Hinweis auf das Überleitungsrecht des § 67 BImSchG BVerwG, Urt. v. 18.5.1982, a. a. O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13.5.2002 - 10 B 671/02 -, NVwZ 2002, 1131; Urt. v. Sen. v. 26.4.2007, - 12 LB 8/07 -, ZNER 2007, 229). Dementsprechend ist im vorliegenden Verfahren auch die bauliche Entwicklung im Gewerbegebiet "L.", die seit der Genehmigungserteilung am 20. März 2003 eingetreten ist, in den Blick zu nehmen, d.h. insbesondere die Genehmigung und Errichtung einer Windkraftanlage auf dem Grundstück Am K..

Soweit der Antragsteller in verfahrensrechtlicher Hinsicht bemängelt, dass der Antragsgegner der Beigeladenen zu 2. die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ohne Durchführung einer standortbezogenen Einzelfallprüfung nach dem UVPG im vereinfachten Verfahren gemäß § 19 BImSchG und nicht im Genehmigungsverfahren gemäß § 10 BImSchG erteilt habe, vermag er mit diesem Einwand nicht durchzudringen. Entgegen seinem Vortrag hat der Antragsgegner entsprechend der Regelung in § 3 c Satz 2 i.V.m. Anlage 1 Nr. 1.6.3 UVPG (i.d.F. d. G. vom 27.7.2001, BGBl. I S. 1950) die standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vorgenommen. Im Rahmen dieser Prüfung ist er am 19. März 2003 zu dem anschließend öffentlich bekannt gemachten Ergebnis gelangt, dass das Vorhaben der Beigeladenen zu 2. einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedürfe. Im Hinblick auf dieses Prüfergebnis war der Antragsgegner nicht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) aa) der 4. BImSchV (ebenfalls i.d.F. d. G. v. 27.7.2001) verpflichtet, das Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG durchzuführen, sondern konnte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der 4. BImSchV i.V.m. Nr. 1.6 seines Anhangs im vereinfachten Verfahren gemäß § 19 BImSchG entscheiden. Der vom Antragsteller geltend gemachte Verfahrensfehler, der (allein) ohnehin einen Aufhebungsanspruch nicht begründet hätte (vgl. dazu Urt. d. Sen. v. 26.4.2007, a.a.O.), liegt somit nicht vor.

Die streitige Genehmigung führt voraussichtlich nicht dazu, dass schädliche Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 und 2 BImSchG) in der Gestalt von unzumutbaren Schattenwürfen der Windkraftanlagen auf das gewerblich genutzte Grundstück des Antragstellers einwirken. Eine Verletzung der nachbarschützenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist insoweit nicht zu erwarten.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 26. April 2007 (a.a.O.) ausgeführt hat, gibt es für den von Windkraftanlagen verursachten Schattenwurf keine feste, wissenschaftlich abgesicherte Grenze, deren Überschreitung stets die Annahme einer schädlichen Umwelteinwirkung im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 BImSchG und damit eine Nachbarrechtsverletzung nach sich ziehen müsste. Die Rechtsprechung des Senats (vgl. auch 1. Senat des Gerichts, Beschl. v. 15.3.2004 - 1 ME 45/04 -, NVwZ 2005, 233; 7. Senat des Gerichts, Beschl. v. 27.12.2006 - 7 ME 144/03 -; 9. Senat des Gerichts, Beschl. v. 13.4.2005 - 9 ME 470/02 -; ähnlich im Übrigen: OVG Greifswald, Beschl. v. 8.3.1999 - 3 M 85/98 -, NVwZ 1999, 1238; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.6.2004 - 10 B 2151/03 -, NWVBl 2005, 194; skeptisch: OVG Hamburg, Urt. v. 29.4.2004 - 2 Bf 132/00 -, NVwZ-RR 2005, 707; aus der Literatur: Ohms, DVBl. 2003, 963) orientiert sich deshalb an einer sogenannten konservativen Faustformel. Diese ist abgeleitet aus den einschlägigen, den Stand der Wissenschaft berücksichtigenden Handreichungen für die Praxis (Hinweise zur Ermittlung und Beurteilung der optischen Immissionen von Windenergieanlagen - WEA-Schattenwurf-Hinweise -, verabschiedet vom Länderausschuss für Immissionsschutz in der Sitzung vom 6. bis 8. Mai 2002, Nr. 1.3; Windenergieanlagen und Immissionsschutz, Materialien 63 des Landesumweltamtes Nordrhein-Westfalen vom Mai 2002, Nr. 5.2.2; Nordrhein-Westfälischer Windenergieerlass vom 3.5.2002, MBl. S. 772, Nr. 5.3.2 bzw. aktuell vom 21.10.2005, MBl. S. 1288, Nr. 5.1.2). Nach dieser Formel gelten Belästigungen durch den zu erwartenden Schattenwurf von Windkraftanlagen - d. h. das Hinwegziehen der Schatten der Rotorblätter über betroffene Nachbargrundstücke sowie das vom Antragsteller beanstandete Phänomen der herannahenden und "weglaufenden" Schatten - dann als zumutbar für die Nachbarschaft, wenn die nach einer "worst-case"-Berechnung maximal mögliche Einwirkdauer im Sinne der astronomisch maximal möglichen Beschattungsdauer am jeweiligen Immissionsort nicht mehr als 30 Stunden im Jahr - entsprechend einer realen, d. h. im langjährigen Mittel für hiesige Standorte zu erwartenden Einwirkdauer von maximal 8 Stunden im Jahr - und darüber hinaus nicht mehr als 30 Minuten am Tag beträgt. Dabei wird diese Faustformel nicht nach Art eines Rechtssatzes angewandt, vielmehr sind wie allgemein bei der Frage nach dem Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen im Rahmen einer wertenden Betrachtung die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen.

Die Genehmigung vom 20. März 2003 trägt diesen Maßstäben hinreichend Rechnung. Nach der zum Gegenstand der Genehmigung gemachten Schattenwurfberechnung der F. GmbH vom 13. Dezember 2002 kann es an dem Immissionspunkt E (Bürogebäude auf dem Grundstück des Antragstellers) in den Monaten Januar bis März sowie Oktober bis Dezember zu Schattenwürfen durch die Windkraftanlagen 1 und 2 kommen, und zwar vornehmlich in den frühen Morgenstunden und am frühen Nachmittag. Nach der dem Gutachten zugrunde gelegten "worst-case"-Berechnung kann die astronomisch maximale Beschattungsdauer hier einen Jahreswert von ca. 111 Stunden und Tageshöchstwerte von 66 Minuten erreichen. Wegen dieser deutlichen Überschreitung der auch in dem Gutachten als Zumutbarkeitsmaßstab zugrunde gelegten Einwirkdauer im Sinne der oben genannten Faustformel wird in dem Gutachten der Einbau geeigneter Schattenwurfabschaltmodule empfohlen, die allen Herstellern großer Windkraftanlagen inzwischen verfügbar und in ihrer Wirksamkeit im Einsatz nachgewiesen seien. Auf der Grundlage dieser Empfehlungen hat der Antragsgegner in der Genehmigung vom 20. März 2003 unter Nrn. 21 bis 23 der Nebenbestimmungen Auflagen verfügt, durch die eine Begrenzung der tatsächlichen (meteorologischen) Beschattungsdauer auf 8 Stunden/Jahr und 30 Minuten/Tag an im Einzelnen aufgeführten Immissionsorten (einschließlich Büro- und Arbeitsräumen sowie unbebauten Flächen) im Einwirkungsbereich der Anlagen sichergestellt wird. Unter Nr. 23 der Nebenbestimmungen wird weiterhin ausdrücklich der Einbau von Schattenwurfabschaltmodulen vorausgesetzt und dem Antragsteller aufgegeben, die Wirksamkeit der Module von einem unabhängigen Sachverständigen nachzuweisen.

In der Praxis (WEA-Schattenwurf-Hinweise, Nr. 1.3 sowie Nr. 4.1) und in der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 26.4.2007, a.a.O., m.w.N. a.d.Rspr.) ist anerkannt, dass Abschaltautomatiken, die an den Werten der oben genannten Faustformel ausgerichtet sind, ein taugliches Mittel darstellen, um drohenden, durch den Schattenwurf von Windkraftanlagen hervorgerufenen Nachbarunverträglichkeiten zu begegnen. Der Einwand des Antragstellers, die Beigeladene zu 2. werde die ihr erteilte Genehmigung nicht ohne Verstoß gegen die einschlägigen Nebenbestimmungen ausnutzen, ändert an der Rechtmäßigkeit der Genehmigung nichts. Durch die vorgegebene Installation von geeigneten Schattenwurfabschaltmodulen lässt sich hinreichend überprüfen, ob die von den Windkraftanlagen ausgehenden Schattenwurfbelastungen auf das vom Antragsteller hinnehmbare Maß reduziert werden. Sollte die Beigeladene zu 2. die entsprechenden Auflagen missachten, wäre es Sache des Antragsgegners dagegen einzuschreiten. Das notwendige Instrumentarium für ein Einschreiten steht ihm z. B. in § 17 BImSchG zur Verfügung.

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf eine geringere (jährliche oder tägliche) Beschattungsdauer als für ihn maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze berufen. Besonderheiten, die dies rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Sie ergeben sich weder aus der gewerblichen Nutzung seines Grundstücks (durch die M. GmbH) - ob diese auch eine höhere Beschattungsdauer als noch hinnehmbar erscheinen lassen könnte, sei hier dahingestellt - noch aus dem Betrieb einer Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach seines Bürogebäudes. Zwar ist nicht auszuschließen, dass der Wirkungsgrad der installierten Fotovoltaik-Anlage entsprechend dem Vortrag des Antragstellers durch den Schattenwurf der geplanten Windkraftanlagen herabgesetzt wird. Durch die verfügten Auflagen zur maximal zulässigen Schattenwurfdauer, die zu einer erheblichen Reduzierung der Schattenwürfe auf das Gebäude des Antragstellers führen wird, ist aber sichergestellt, dass die Beeinträchtigung auf ein hinnehmbares Maß beschränkt wird. Der Vortrag des Antragstellers, die Beeinträchtigung seiner mehr als 700 Sonnenkollektoren erfolge ständig, weil dann, wenn der Schatten eines Rotorflügels über die Kollektorflächen hinweggestrichen sei, bereits der Schatten des nächsten Rotorflügels auf die Flächen einwirke, ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn insoweit beschreibt der Antragsteller lediglich die Einwirkungen durch Schattenwurf, die in vergleichbarer Weise auch an anderen Immissionsorten wie etwa schutzwürdigen Räumen oder ihnen gleichgestellten Freiflächen auftreten. Dabei ist nicht zu verkennen, dass bei der Berechnung von Schattenwurfimmissionen die Immissionsorte nicht vollflächig (gesamtes Grundstück oder Gebäude), sondern bezogen auf Teilflächen (Immissionspunkte in der Größe von 1 m²) betrachtet werden mit der Folge, dass die Schattenwurfdauer bezogen auf die Gesamtfläche des Immissionsortes - hier der installierten Fotovoltaik-Anlage des Antragstellers, gleiches gilt z.B.aber auch, wenn betroffene Fensteröffnungen größere als 1 m² große Flächen in Richtung von Windkraftanlagen aufweisen - tatsächlich länger sein kann als 8 Stunden im Jahr und 30 Minuten am Tag. Diese Auswirkung ist bei der Anwendung der zitierten Faustformel aber bereits berücksichtigt und bewegt sich im Rahmen dessen, was der betroffene Nachbar hinzunehmen hat. Davon abgesehen überzeugt der in der Sache weniger auf eine Abwehr der durch die Drehbewegungen der Rotoren verursachten Störungen/Irritationen der Schattenwürfe als vielmehr auf die Abwehr einer Beschattung an sich gerichtete Einwand auch deshalb nicht, weil der Antragsteller weder immissionsschutzrechtlich noch baurechtlich, was insoweit wegen der Konzentrationswirkung gemäß § 13 BImSchG ebenfalls in den Blick zu nehmen ist, einen Anspruch darauf hat, von (jedweder) durch Baumaßnahmen auf benachbarten Grundstücken verursachter Beschattung seines Grundstücks einschließlich der darauf stehenden baulichen und sonstigen Anlagen verschont zu bleiben. Der Senat versteht den Einwand des Antragstellers dahin, dass durch die unmittelbar nacheinander auf die Fotovoltaik-Anlage einwirkenden Schattenwürfe der Windkraftanlagen und die Reihenschaltung der Sonnenkollektoren die Beschattung sich letztlich in ähnlicher Weise auswirken soll wie bei einer vollflächigen Beschattung durch ein der Kreisfläche der Rotorblätter entsprechendes geschlossenes Bauwerk ("Scheibe"). Eine derartige Beschattung könnte der Antragsteller nicht mit Erfolg abwenden. Die streitigen Windkraftanlagen, insbesondere auch die am nächsten an das betroffene Gewerbegebiet heranreichende Windkraftanlage 1 mit einer Nabenhöhe von 50 m und einer Gesamthöhe von 72 m, halten den Grenzabstand gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 3 NBauO zu den beeinträchtigten Gewerbeflächen des Antragstellers ein. Dadurch wird eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung des Grundstücks gewährleistet (vgl. Lindorf, in: Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, a.a.O., § 7 Rdnr. 19; Schmaltz, ebd., § 72 Rdnr. 24). Die Situation des Antragstellers unterscheidet sich insoweit nicht von derjenigen anderer Grundstückseigentümer, die ebenfalls Beschattungen ihres Grundstücks durch Bebauung in der Nachbarschaft hinzunehmen haben. Ebenso wie z.B. der Eigentümer eines Wohnhauses - auch eines mit Sonnenkollektoren bestückten Wohnhauses - in einem Wohngebiet die Bebauung eines Nachbargrundstückes nicht mit dem Argument einer befürchteten Beschattung abwenden kann, wenn die Nachbarbebauung die vorgeschriebenen Grenzabstände einhält, kann auch der Antragsteller die Errichtung der streitigen Windkraftanlagen nicht mit entsprechendem Vortrag abwehren.

Abweichend von dieser am Bauordnungsrecht orientierten Betrachtungsweise ist zwar nicht auszuschließen, dass ein Bauvorhaben in Ausnahmefällen trotz Einhaltung der Grenzabstände unter dem Gesichtspunkt einer Beeinträchtigung der Belichtung, Besonnung und Belüftung gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen kann (BVerwG, Beschl. v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 -, DVBl. 1999, 786; allgemein zum Verhältnis zwischen bauordnungsrechtlichen Anforderungen und dem Gebot der Rücksichtnahme einen restriktiveren Ansatz vertretend Schmaltz, a.a.O., Rdnr. 23). Im Hinblick auf die in der Genehmigung vom 20. März 2003 verfügten Auflagen zur Begrenzung des Schattenwurfs der Windkraftanlagen, der nach den Feststellungen in dem Schattenwurfgutachten vom 13. Dezember 2002 ohnehin nur zeitweilig in bestimmten Monaten des Jahres und zu bestimmten Tageszeiten zu erwarten sein wird, ist ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot indes aller Voraussicht nach zu verneinen. Die Auflagen stellen sicher, dass die vom Antragsteller befürchtete Minderung des Wirkungsgrades seiner Fotovoltaik-Anlage auf ein hinnehmbares Maß beschränkt sein wird.

Dass die Windkraftanlagen der Beigeladenen zu 2. im Hinblick auf die Drehbewegungen ihrer Rotorflügel eine erdrückende bzw. optisch bedrängende Wirkung entfalten und deshalb gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 11.12.2006 - 4 B 72/06 -, NVwZ 2007, 275; Beschl. d. 1. Senats d. Gerichts v. 4.4.2005 - 1 LA 76/04 -, NVwZ-RR 2005, 521; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9.8.2006 - 8 A 3226/05 -, DVBl. 2006, 1532), lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Die Beschwerde stellt eine dahingehende Wirkung lediglich in den Raum und verweist darauf, dass in Niedersachsen Windkraftanlagen einen Abstand von 1000 m zur Wohnbebauung einhalten sollen. Der Verweis zielt offenbar auf den Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26. Januar 2004 (303-32346/8.1) ab, der für die Regionalplanung die Empfehlung ausspricht, bei der Entscheidungsfindung im Rahmen des Abwägungsvorgangs zu Gebieten mit Wohnbebauung sei von einem Mindestabstand von 1000 m auszugehen. Abgesehen davon, dass der Erlass lediglich Empfehlungen ausspricht und eine allgemeinverbindliche Festlegung von Abstandsregelungen für die raumordnerische Standortvorsorge ausdrücklich nicht für sachgerecht erachtet, ist hier zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nicht in einer Wohnnutzung beeinträchtigt wird. Sein benachbartes Grundstück liegt in einem Gewerbegebiet, noch dazu am Rande zum Außenbereich, in dem mit der Errichtung von gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 (bis zum EAG Bau 2004: Nr. 6) BauGB privilegierten Windkraftanlagen grundsätzlich gerechnet werden muss. Das Schutzbedürfnis des Antragstellers in Bezug auf negative Auswirkungen der Windkraftanlagen - auch auf die optischen Auswirkungen - ist deshalb deutlich schwächer als es etwa bei einer beeinträchtigten Wohnnutzung in anderer Lage wäre. Hinzu kommt, dass die am nächsten heranrückende Windkraftanlage 1 der Beigeladenen zu 2. immerhin noch einen Abstand zu seinem Bürogebäude (zum Abstellen auf den baulichen Bestand bei der Beurteilung von Lärmbelastungen vgl. unten) einhält, der etwa dem zweifachen der Gesamthöhe der Anlage entspricht. Von einem besonders verkürzten Abstand kann somit keine Rede sein. Die beiden weiteren Anlagen sollen südlich der Windkraftanlage 1 errichtet werden und dürften in ihrer optischen Wirkung noch weniger störend wirken. Durch die Anordnung der drei Anlagen in Nord-Süd-Richtung wird auch verhindert, dass sie das Gewerbegrundstück des Antragstellers "abriegeln" oder in vergleichbarer Weise bedrängen. Ein mit dem Gebot der Rücksichtnahme nicht vereinbares Heranrücken der genehmigten Anlagen ist deshalb aller Voraussicht nach nicht gegeben.

Die streitigen Windkraftanlagen führen aller Voraussicht nach auch nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen in der Gestalt von dem Antragsteller unzumutbaren Lärmimmissionen.

In der Rechtsprechung (Urt. d. Sen. v. 26.4.2007, a.a.O.; 1. Senat d. Gerichts, Beschl. v. 23.11.2005 - 1 ME 174/05 , S. 5 BA; 9. Senat d. Gerichts, Beschl. v. 13.4.2005 - 9 ME 470/02 -, S. 9 BA; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 26.4.2002 - 10 B 43/02 -, NWVBl. 2003, 29 f.; OVG Greifswald, Beschl. v. 8.3.1999, a.a.O., 1239; OVG Hamburg, Urt. v. 29.4.2004, a.a.O., 708 f.; OVG Magdeburg, Beschl. v. 12.9.2005 - 2 M 15/07 -, ZNER 2005, 339 f). ist anerkannt, dass die Messung und Bewertung der Lärmauswirkungen von Windkraftanlagen in Anlehnung an die Regelungen der auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassenen TA Lärm (v. 26.8.1998, GMBl. S. 503) zu erfolgen hat und für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen die in Nr. 6.1 der TA Lärm aufgeführten Immissionsrichtwerte einschlägig sind. Die TA Lärm entfaltet als allgemeine Verwaltungsvorschrift normkonkretisierende Wirkung und legt ein einheitliches Ermittlungs- und Beurteilungssystem zur Feststellung der maßgeblichen Geräuschkenngrößen sowie bestimmte Immissionsrichtwerte als Zumutbarkeitsmaßstab fest. Sie ist für die Verwaltungsbehörde und auch für die Verwaltungsgerichte grundsätzlich verbindlich (BVerwG, Urt. v. 20.12.1999 - 7 C 15/98 -, BVerwGE 110, 216; Urt. d. Sen. v. 14.2.2007 - 12 LC 37/07 - NordÖR 2007, 269). Für Gewerbegebiete sieht die TA Lärm in Nr. 6.1 Satz 1 b) Immissionsrichtwerte von tags 65 dB(A) und nachts 50 dB(A) vor. Soweit zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die Einhaltung der Immissionsrichtwerte an den betroffenen Gebäuden bzw. schutzbedürftigen Räumen oder aber - so der weitergehende Ansatz des Antragstellers - bis zu den Baugrenzen des betroffenen Baugebietes gewährleistet sein muss, ist nach den Bestimmungen der TA Lärm zu differenzieren. Bei bebauten Flächen liegt der maßgebliche Immissionsort nach den Bestimmungen in Nr. 2.3 Abs. 1 in Verbindung mit A.1.3 Satz 1 a) des Anhangs zur TA Lärm 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes nach DIN 4109, Ausgabe November 1989. Zu den schutzwürdigen Räumen gehören danach neben Wohn- und Schlafräumen u. a. auch Büroräume (ausgenommen Großraumbüros), Praxisräume, Sitzungsräume und ähnliche Arbeitsräume (Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Band 4, Stand: Mai 2007, B 3.6 Nr. 2 Rdnr. 30). Bei unbebauten Flächen oder bebauten Flächen, die keine Gebäude mit schutzbedürftigen Räumen enthalten, ist gemäß A. 1.3 Satz 1 b) des Anhangs zur TA Lärm auf den am stärksten betroffenen Rand der Fläche, wo nach dem Bau- und Planungsrecht Gebäude mit schutzbedürftigen Räumen erstellt werden dürfen, abzustellen. Lediglich bei diesen Flächen, die eine entsprechende Bebauung nicht aufweisen, sind somit die bauplanerisch festgesetzten Baugrenzen maßgeblich (vgl. Feldhaus/Tegeder a.a.O., Rdnr. 32 u.a. mit Hinweisen auf die entsprechende Geltung für unbebaute Flächen innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile gemäß § 34 BauGB). Der Antragsteller kann sich hiernach nicht auf die im Bebauungsplan Nr. 8 der Gemeinde B. in südlicher Richtung zur Bundesstraße 71 festgesetzte Baugrenze als Immissionsort berufen. Sein Grundstück ist mit einem Bürogebäude bebaut, das auch für Bürozwecke genutzt wird und das als maßgeblicher Immissionsort gemäß A. 1.3 Satz 1 a) der Anlage zur TA Lärm anzusehen ist. Der Senat geht dabei im vorliegenden Verfahren von der Schutzwürdigkeit des Bürogebäudes aus, auch wenn seine Nutzung im Anschluss an die Aufgabe der militärischen Nutzung des Geländes und nach dem Erwerb des Grundstücks durch den Antragsteller bisher nicht oder jedenfalls nicht vollständig durch eine entsprechende Baugenehmigung legalisiert worden ist. Auf eine formell-illegale Nutzung eines Nachbargrundstücks ist jedenfalls dann Rücksicht zu nehmen, wenn sie genehmigungsfähig ist, d.h. sich materiell-baurechtlich als rechtmäßig erweist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.2.1992 - 1 C 7.90 -, BVerwGE 90, 53; Urt. v. 24.9.1992 - 7 C 6.92 -, BVerwGE 91, 92; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl., § 31 Rdnr. 68). Davon dürfte hier auszugehen sein.

Bei der im vorliegenden Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung spricht einerseits zwar Erhebliches dafür, dass die durch die Genehmigung vom 20. März 2003 zum Schutz vor Lärmbeeinträchtigungen in der Nachbarschaft vorgegebenen Immissionsrichtwerte auf dem Grundstück des Antragstellers nicht eingehalten werden können, andererseits führt dies aller Voraussicht nach aber nicht zu einer entsprechenden Verletzung subjektiver Rechte des Antragstellers. Der Antragsgegner hat in der Genehmigung vom 20. März 2003 unter Nr. 25 der Nebenbestimmungen verfügt, dass beim Betrieb der Windkraftanlagen in deren Einwirkungsbereich im Einzelnen aufgeführte Lärmrichtwerte einzuhalten sind. Für benachbarte Gewerbegebiete sind in Übereinstimmung mit Nr. 6.1 Satz 1 b) der TA Lärm Immissionsrichtwerte von tagsüber 65 dB(A) und nachts 50 dB(A) vorgesehen. Außerdem ist die von der Beigeladenen zu 2. vorgelegte Schallimmissionsberechnung der F. GmbH vom 10. September 2002 zum Gegenstand der Genehmigung gemacht worden. In dem Schallgutachten ist wie auch in der Schattenwurfberechnung vom 13. Dezember 2002 das auf dem Grundstück des Antragstellers stehende, von der M. GmbH genutzte Gebäude als Immissionspunkt berücksichtigt worden. Unter Zugrundelegung eines vom Anlagensteller garantierten Schallleistungspegels von 101,0 dB(A) ergibt sich nach dem Gutachten für diesen Immissionspunkt ein Beurteilungspegel von 49,6 dB(A), der unterhalb des für Gewerbegebiete geltenden Immissionsrichtwerts für die Nachtzeit liegt. In dem Gutachten ist allerdings nicht berücksichtigt worden - und konnte auch nicht -, dass in dem Gewerbegebiet ebenfalls eine Windkraftanlage genehmigt und inzwischen errichtet worden ist. Insoweit ist nunmehr, um der Gesamtbelastung auf dem Grundstück des Antragstellers Rechnung zu tragen, nicht mehr auf das - im Übrigen vom Antragsteller mit weiteren, hier nicht mehr zu vertiefenden Einwendungen angegriffene - Gutachten vom 10. September 2002 abzustellen, sondern die Schallimmissionsberechnung der P. GmbH vom 23. April 2003 zu berücksichtigen, die im Baugenehmigungsverfahren für die auf dem Grundstück Am K. errichtete Windkraftanlage vorgelegt worden ist. In diesem - vom Antragsteller nicht angegriffenen - Gutachten sind die von der Anlage auf dem Grundstück des Antragstellers ausgehenden Lärmimmissionen an verschiedenen Immissionsorten, u.a. erneut am Bürogebäude des Antragstellers, berechnet worden, wobei die Auswirkungen der hier streitigen, bereits zuvor genehmigten Windkraftanlagen der Beigeladenen zu 2. als Vorbelastung berücksichtigt worden sind. Für das Bürogebäude des Antragstellers ergibt sich nunmehr ein Beurteilungspegel von insgesamt 52,29 dB(A), wobei für die zu beurteilende Anlage als Zusatzbelastung ein Pegel von 50,39 dB(A) und für die streitigen Windkraftanlagen der Beigeladenen zu 2. als Vorbelastung Pegel von 46,97 dB(A) (WKA 1), 38,84 dB(A) (WKA 2) und 34,20 dB(A) (WKA 3) prognostiziert worden sind. Bereits das Hinzutreten der auf dem Grundstück Am K. genehmigten Anlage führt deshalb aller Voraussicht nach dazu, dass die der Genehmigung vom 20. März 2003 beigefügte Lärmschutzauflage Nr. 25, derzufolge in Gewerbegebieten im Einzugsbereich der Windkraftanlagen ein Immissionsrichtwert von 50 dB(A)/nachts einzuhalten ist, tatsächlich nicht mehr eingehalten werden kann. Ob dieser Gesichtspunkt die Genehmigung inzwischen (objektiv-rechtlich) als rechtswidrig erscheinen lässt, braucht im vorliegenden Verfahren jedoch nicht weiter vertieft zu werden. Denn selbst wenn das der Fall sein sollte, könnte der Antragsteller daraus nichts für sich herleiten, weil es insoweit an einer Verletzung eigener (Nachbar-)Rechte fehlt.

Der Antragsteller hat aller Voraussicht nach keinen Anspruch darauf, dass durch den Betrieb der streitigen Anlagen der Immissionsrichtwert von 50 dB(A)/nachts auf seinem Gewerbegrundstück eingehalten wird. Dagegen spricht zunächst, dass die Lärmschutzproblematik an dieser Stelle bewusst und quasi "sehenden Auges" durch die Errichtung der - vom Antragsteller nicht angegriffenen - Windkraftanlage auf dem Grundstück Am K. verschärft worden ist. Wie zuvor ausgeführt, führt die Windkraftanlage der O. GbR nach dem Schallgutachten vom 23. April 2003 am Immissionsort 01 (Bürogebäude des Antragstellers) zu einer Lärmbelastung von 50,39 dB(A), d.h. hier ist der Immissionsrichtwert von 50 dB(A) bereits wegen des Betriebs dieser Anlage nicht einzuhalten.

Davon abgesehen kann der Antragsteller die Einhaltung des Immissionsrichtwerts für die Nacht voraussichtlich auch aus einem anderen Grunde nicht beanspruchen. Die Bestimmung von im Vergleich zu den Tageswerten deutlich herabgesetzten Nachtrichtwerten in Nr. 6.1 Satz 1 b) bis f) TA Lärm zielt darauf ab, Störungen des Ruhe- und Schlafbedürfnisses möglichst zu vermeiden. Die strengen Immissionsrichtwerte tragen der um etwa 10 bis 15 dB(A) größeren Empfindlichkeit des vegetativen Nervensystems in der Nacht Rechnung. Ein Bedürfnis für die Anerkennung niedrigerer Immissionsrichtwerte besteht danach nur, wenn sich im Einwirkungsbereich der emittierenden Anlage schutzbedürftige, auch zum Schlafen bestimmte Räume befinden oder jedenfalls errichtet werden dürfen. Sind dagegen ausschließlich Büroräume, sonstige schutzbedürftige Arbeitsräume oder Unterrichtsräume vorhanden, kommen die Immissionsrichtwerte für die Nacht nicht zur Anwendung. Dem Schutzbedürfnis ist in solchen Fällen ausreichend Rechnung getragen, wenn die höheren Tages-Immissionsrichtwerte eingehalten werden (Feldhaus/Tegeder, a.a.O., B 3.6 Nr. 6 RdNr. 24 f.). So verhält es sich hier. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand ist zwar davon auszugehen, dass auf dem Grundstück des Antragstellers schutzbedürftige Räume im Sinne von A.1.3 Satz 1 a) des Anhangs zur TA Lärm errichtet sind, d.h. Büro- und Aufenthaltsräume für die auf dem Grundstück gewerblich Beschäftigten. Es ist aber nicht zu erkennen und wird vom Antragsteller auch nicht behauptet, dass diese zur Nachtzeit genutzt werden, insbesondere zur Befriedigung von Ruhe-, Schlaf- oder sonstigen Wohnbedürfnissen. In der Betriebsbeschreibung, die seinem Bauantrag vom 27. Februar 2007 zur Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung der früheren Fliegerleitstelle als Büro- und Verwaltungsgebäude beigefügt worden ist, hat der Antragsteller vielmehr ausdrücklich erklärt, die Arbeitszeiten im Bürogebäude seien festgelegt auf montags bis freitags 7.00 bis 18.00 Uhr. Ein Bedürfnis, auf dem Grundstück die Einhaltung eines nächtlichen Immissionsrichtwerts von 50 dB(A) zu gewährleisten, liegt danach nicht vor.

Ist nach diesen Erwägungen auf den Immissionsrichtwert für den Tag von 65 dB(A) abzustellen, so kann bei summarischer Prüfung des Sachverhalts davon ausgegangen werden, dass der Betrieb der streitigen Windkraftanlagen nicht zu einer Überschreitung dieses Werts auf dem Grundstück des Antragstellers führen wird. Weder das von der Beigeladenen zu 2. vorgelegte Schallgutachten vom 10. September 2002 - selbst wenn, was hier dahingestellt bleiben kann, der für das Grundstück des Antragstellers ermittelte Beurteilungspegel von 49,6 dB(A) wegen der vom Antragsteller geltend gemachten Mängel bei der Schallemissionsberechnung, wegen zu veranschlagender Zuschläge für Ton- und Impulshaltigkeit der Anlagen und wegen eines gegenüber dem Gutachten um 3,5 m verringerten Abstands der Windkraftanlage 1 zu seinem Gebäude noch um einige dB(A) heraufgesetzt werden müsste - noch das Schallgutachten vom 23. April 2003, das - wie bereits erwähnt - die Gesamtbelastung durch die streitgegenständlichen Windkraftanlagen sowie die auf dem Grundstück Am K. errichtete Anlage ermittelt hat, geben Anlass zu der Annahme, der Immissionsrichtwert von 65 dB(A) könne hier auch nur annähernd erreicht oder sogar überschritten werden. Nach der dem Gutachten vom 23. April 2003 beigefügten ISO-Schallliniengrafik dürfte die stärkste Lärmbelastung in unmittelbarer Nähe der auf dem Grundstück Am K. errichteten Windkraftanlage zu erwarten sein mit Werten, die sich zwischen 55 dB(A) und 60 dB(A) und damit deutlich unterhalb des Immissionsrichtwerts von 65 dB(A) bewegen dürften. Die Lärmbelastung auf dem Grundstück des Antragstellers dürfte aber voraussichtlich noch unter diesen Werten liegen. Sie ist dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Nutzung seines beeinträchtigten Grundstücks zuzumuten und stellt sich nicht als Verletzung von ihn schützenden Nachbarrechten dar.

Das Grundstück des Antragstellers wird weiterhin nicht durch einen möglichen Eisabwurf durch die Windkraftanlage 1 unzumutbar beeinträchtigt. Soweit der Antragsteller geltend macht, sein Grundstück einschließlich Bürogebäude liege in einem durch Eisabwurf der streitigen Anlagen gefährdeten Bereich, lässt sich dies anhand der im Genehmigungsverfahren vorgelegten Unterlagen nicht oder jedenfalls nicht eindeutig nachvollziehen. Der vom Antragsteller in Bezug genommene Eisabwurf-Radius von 153 m bezieht sich gemäß der Berechnung des Dipl.-Ing. Q. vom 30. April 2002 auf eine Windkraftanlage mit einer Nabenhöhe von 58 m, während die zum Grundstück des Antragstellers am nächsten gelegene Windkraftanlage 1 eine Nabenhöhe von nur 50 m haben soll. Durch die geringere Anlagenhöhe bedingt dürften etwaige Eisabwürfe auch nur eine geringere Reichweite haben. Unabhängig davon, ob und/oder in welchen Teilen das Grundstück des Antragstellers im Eisabwurf-Radius der Windkraftanlage 1 liegt, ist die Eiswurfproblematik in der Genehmigung jedenfalls hinreichend gelöst worden. Nach der zum Gegenstand der Genehmigung gemachten Stellungnahme des Anlagenherstellers zum Eisabwurf kann die Bildung von Eisansatz an den Rotorblättern des hier beabsichtigten Anlagentyps zwar nicht komplett verhindert werden. Die Anlagensteuerung, die über das Ansprechen von Sensoren die Bildung von Eisansatz erkenne, führe dann aber zu einer Abschaltung der Anlage. Starker Einsansatz an den Rotorblättern führe außerdem zu einer Unwucht des Rotors, auch darauf reagiere die Steuerung mit einer Abschaltung der Anlage. Die Genehmigung vom 20. März 2003 hat diese Hinweise des Herstellers aufgegriffen und in Nr. 28 der Nebenbestimmungen u.a. verfügt, eine mögliche Eisabwurf-Gefährdung sei durch technische Maßnahmen (Abschaltautomatik, Vibrationsmesser) zu vermeiden. Den Belangen des Antragstellers ist damit hinreichend Rechnung getragen. Ob die in der Nebenbestimmung darüber hinaus zur Auflage gemachten weitergehenden Vorkehrungen (Aufstellung von Hinweis- und Warnschildern u.ä.) hinreichend bezeichnet und in der Sache erforderlich sind, bedarf hier keiner weiteren Vertiefung.

Mit seinen weiteren Einwendungen dringt der Antragsteller ebenfalls nicht durch. Soweit er auf Verkehrsgeräusche durch den allgemeinen Verkehr auf der Bundesstraße 71 verweist, sind diese dem Vorhaben der Beigeladenen zu 2. nicht zuzurechnen und deshalb nicht zu berücksichtigen (vgl. auch Nr. 1 Abs. 2 TA Lärm i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG und Nr. 7.4 TA Lärm; Feldhaus/Tegeder, a.a.O., 3.6 Nr. 1 RdNr. 23 und Nr. 7 RdNr. 37; Jarass, a.a.O., § 2 RdNr. 9, § 3 RdNrn. 78 ff.). Dasselbe gilt für Geräusche, die durch Fahrzeugbewegungen, Montage- und sonstige Arbeiten sowie den auf seinem Grundstück installierten Funkmast mit Satellitenschüsseln und Antennen auf sein Bürogebäude einwirken sollen. Lärmbeeinträchtigungen durch derartige Lärmquellen sind der Beigeladenen zu 2. nicht zuzurechnen, im Übrigen hat der Antragsteller sie nur unsubstantiiert in den Raum gestellt. Inwieweit sie die Nutzung schutzbedürftiger Räume beeinträchtigen sollen, lässt sich seinem nur pauschal gebliebenen Einwand nicht entnehmen. Insoweit ist auch nicht zu übersehen, dass in dem Schallgutachten vom 23. April 2003, das im Genehmigungsverfahren für die vom Antragsteller nicht beanstandete Windkraftanlage auf dem Grundstück Am K. vorgelegt worden ist, als Vorbelastung lediglich die genehmigten Windkraftanlagen der Beigeladenen zu 2. in die Lärmbeurteilung miteinbezogen worden sind, nicht aber weitere Lärmquellen im oder außerhalb des Gewerbegebiets.

Ende der Entscheidung

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