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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.12.2008
Aktenzeichen: 15 MF 19/08
Rechtsgebiete: FlurbG, VwVfG


Vorschriften:

FlurbG § 65 Abs. 1 S. 1
VwVfG § 49 Abs. 1
Zu den Anforderungen an die Änderung einer vorläufigen Besitzeinweisung in Flurbereinigungsverfahren.

Voraussetzungen für die Annahme eines offensichtlichen Eingriffs in die Betriebsstruktur.


Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung in dem vereinfachten Flurbereinigungsverfahren Fürstenau-Schwagstorf.

Das Amt für Agrarstruktur Osnabrück ordnete durch Beschluss vom 2. Januar 2002 das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren Fürstenau-Schwagstorf an, um den zersplitterten und teilweise unwirtschaftlich geformten Grundbesitz im Verfahrensgebiet nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zusammenzulegen und zweckmäßig zu gestalten sowie die mit dem Verfahren bezweckte Verbesserung der Agrarstruktur durch eine Straffung und den Ausbau eines zeitgemäßen Wegenetzes zu ergänzen. Das im Landkreis Osnabrück gelegene Verfahrensgebiet umfasst eine Fläche von rd. 1.875 ha mit rd. 250 Teilnehmern. Der Antragsteller ist als Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen Teilnehmer an diesem Flurbereinigungsverfahren. Er brachte rd. 44,4 ha vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen mit einem Wertverhältnis (WV) von 1892,77 in das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren ein, davon rd. 25,9 ha Ackerland (1297,72 WV) und rd. 15,2 ha Grünland (572,72 WV).

Die Antragsgegnerin ordnete unter dem 5. Juli 2007 mit Wirkung zum 1. September 2007 die vorläufige Einweisung der Beteiligten in den Besitz und Nutzung der neuen Flächen an. Der Antragsteller und weitere Teilnehmer wandten sich gegen die neue Feldeinteilung. Im April 2008 kündigte die Antragsgegnerin an, die vorläufige Besitzeinweisung mit Wirkung vom 1. September 2008 ändern zu wollen. Der Antragsteller machte unter dem 29. Mai 2008 im Wesentlichen geltend, das Flurstück 92/32 der Flur 4, Gemarkung C., sei nicht korrekt vermessen. Der dieses Flurstück durchtrennende Weg solle entfernt werden. Die bisherige Erschließung des Flurstücks 45/13 der Flur 4, Gemarkung C., sei nicht mehr gewährleistet. Die Zufahrt zum Flurstück 171 der Flur 2, Gemarkung D., sei für größere Maschinen erschwert. Das Flurstück 446 der Flur 3, Gemarkung D., sei nicht vollständig nutzbar; ein bewaldeter Teil sei durch einen Graben abgetrennt. Die Erneuerung der Teerdecke der Straße Bedinghausen führe zu einem Ablaufen des Oberflächenwassers in seinen Hofraum.

Die Antragsgegnerin änderte unter dem 1. Juli 2008 die vorläufige Besitzeinweisung vom 5. Juli 2007 mit Wirkung vom 1. September 2008. Zugleich ordnete sie die sofortige Vollziehung ihrer ab dem 17. Juli 2008 öffentlich bekannt gemachten Verfügung an. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an: Im Zusammenhang mit der laufenden Aufstellung des Flurbereinigungsplans seien zwischenzeitlich Veränderungen der neuen Feldeinteilung geplant. Diese Änderungen seien zur Umsetzung in der Zwischenzeit erzielter Vereinbarungen, aber auch von Amts wegen erforderlich geworden, um die Abfindungen für alle Beteiligten insgesamt wertgleich und wirtschaftlich optimal zu gestalten. Aus dem gesetzlichen Anspruch der Teilnehmer auf wertgleiche Abfindung ergebe sich die Notwendigkeit, die bisherige Feldeinteilung zu ändern und den Teilnehmern die Verbesserungen in der Bewirtschaftung unverzüglich zu verschaffen. In einem Flurbereinigungsverfahren könne der Besitz- und Nutzungsübergang in die Abfindungsflächen nur einheitlich für alle betroffenen Beteiligten erfolgen. Nur unter dieser Voraussetzung sei eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der neuen Flächen gegeben. Eine Weiterbewirtschaftung nach der bisherigen Feldeinteilung würde zu erheblichen betriebswirtschaftlichen Nachteilen der Beteiligten sowie zu landeskulturellen Nachteilen führen. Deshalb überwiege das öffentliche Interesse und das Interesse der betroffenen Grundstückseigentümer an einem unverzüglichen Besitzwechsel in die künftige Feldeinteilung das private Interesse etwaiger Widerspruchsführer, die bisher zugeteilten Flächen bis zur Entscheidung über ihren Rechtsbehelf weiter bewirtschaften zu können.

Der Antragsteller legte gegen die Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung am 6. August 2008 Widerspruch ein.

Am 17. Oktober 2008 hat der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die angefochtene Verfügung der Antragsgegnerin wiederherzustellen. Er macht im Wesentlichen geltend: Die Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung stelle einen offensichtlich unzumutbaren Eingriff in die bisherige Struktur seines Betriebes dar. So seien ihm betriebs- und hofnahe Flächen abgenommen worden. Das Flurstück 171 könne nur über das Hofgrundstück erreicht werden. Mit schweren landwirtschaftlichen Maschinen könne diese Fläche nicht bewirtschaftet werden. Die Nordostseite des Stalles auf dem Hofgelände könne mit einem Güllefass nicht mehr ordnungsgemäß erreicht werden, weil eine Teilfläche dem Nachbarn wieder zugewiesen worden sei. Auch das Befahren mit breiten Arbeitsgeräten sei dort nicht möglich. Das Flurstück 446 habe keine eigene Zufahrt mehr. Zudem könne die Waldfläche, die diesem Flurstück zugewiesen worden sei, nicht erreicht werden. Mit der Wegnahme der Flurstücke 170 und 180 der Flur 2, Gemarkung D., sei ein Eingriff in die Betriebsstruktur verbunden; so könne er seine Flurstücke 38 und 45/13 der Flur 4, Gemarkung C., nicht mehr wie zuvor erreichen und nur noch eingeschränkt nutzen. Gleiches gelte für die Durchtrennung der hofnahen Fläche des bisherigen Flurstücks 174 der Flur 2, Gemarkung D.. Diese Fläche werde durch die vorläufige Besitzeinweisung großflächig geteilt, so dass eine vernünftige Bewirtschaftung nicht mehr möglich sei. Sein Betrieb betreibe auf den Wiesen extensive Milchviehwirtschaft mit bis zu 30 Milchkühen. Um Futterkosten einzusparen sei es erforderlich, dass die Kühe im Frühjahr sowie nach der Ernte bis Mitte November eines jeden Jahres auf hofnahen Ackerflächen zur Größe von fünf bis sechs Hektar eine Zwischenfrucht wie Ackergras, Raps oder Stoppelrüben abweiden könnten. Hierzu müssten die Kühe gefahrlos auf die entsprechenden Flächen getrieben werden können. Durch die geänderte Besitzeinweisung stehe das Flurstück 204 der Flur 2, Gemarkung D., und damit auch das Flurstück 174 als Zwischenfruchtflächen nicht zur Verfügung; die Tiere könnten nicht gefahrlos vom Flurstück 205 der Flur 2, Gemarkung D., zum Flurstück 174 getrieben werden. Auf Grund der Entfernung der Flurstücke 71 der Flur 1, Gemarkung D., und 210 der Flur 5, Gemarkung E., zum Hof sei auf diesen Flächen der beschriebene Anbau von Zwischenfrüchten nicht möglich. Der für diese Form der Fütterung notwendige Zyklus in der Bewirtschaftung könne nicht mehr durchgeführt werden. Da sein Milchvieh die Zwischenfrucht künftig nicht abweiden könne, müsse es ganzjährig mit Silage gefüttert werden. Ferner befänden sich auf den Flurstücken 71 und 210 Altlasten in Form von Müll sowie PKW mit Motoren und Altöl. Zudem lägen diese Flächen in einem Wasserschutzgebiet, so dass dort Gülle nicht aufgebracht werden könne. Weiter befänden sich dort Masten, die eine wirtschaftliche Bearbeitung der Flächen beeinträchtigten. Wegen der umliegenden Waldflächen seien Wildschäden festzustellen. Weiterhin müsse zumindest eine Teilfläche hiervon drainiert werden. Im Übrigen sei die Größe dieser Flurstücke nicht korrekt berechnet worden. Durch das Flurstück 92/32 führe ein Weg, der eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Fläche unmöglich mache. Dennoch sei die Gesamtfläche einschließlich Wegfläche in die Abfindung eingerechnet worden, so dass die angesetzte Flächengröße nicht korrekt sein könne. Die Wertermittlung der Flurstücke 31, 41/2 und 92/32 der Flur 4, Gemarkung C., sei nicht zutreffend.

Die Antragsgegnerin tritt den Einwänden des Antragstellers entgegen.

II.

Der nach § 138 Abs. 1 Satz 2 des Flurbereinigungsgesetzes - FlurbG - in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Anordnung der Antragsgegnerin vom 1. Juli 2008 über die Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 5. Juli 2007 wiederherzustellen, hat keinen Erfolg.

Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung der Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens besonders angeordnet (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) und das besondere Interesse an der Vollziehung in ausreichendem Maße und in nachvollziehbarer Weise schriftlich begründet (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Die angeführte Begründung genügt den gesetzlichen Anforderungen, weil sie die maßgeblichen Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Bezug auf die geänderte vorläufige Besitzeinweisung angibt und damit es dem Antragsteller ermöglicht, seine Rechte wahrzunehmen. Dass hier die Gründe, die die vorläufige Besitzeinweisung und ihre Änderung für geboten erscheinen lassen, mit denen, die die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigen, im Wesentlichen übereinstimmen, unterliegt keinen rechtlichen Bedenken, weil an die zusätzliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in einem solchen Fall keine übermäßig strengen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980 - 2 BvR 1068/80 -, RzF § 65, S. 43; Bay. VGH, Beschluss vom 28. Februar 2007 - 13 AS 07.168 -, juris).

Im Rahmen eines Antrages nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann der Senat die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Dabei ist neben der Einhaltung der formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu prüfen, ob das Interesse des Antragstellers, von einer Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit in einem Verfahren zur Hauptsache verschont zu bleiben, das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Durchsetzung überwiegt. Bei der in diesem Rahmen zu treffenden eigenen Ermessensentscheidung des Senats kommt es maßgeblich darauf an, ob der Rechtsbehelf, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, voraussichtlich Erfolg haben wird. Hat der Rechtsbehelf auf Grund der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes aller Voraussicht nach Erfolg, ist dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattzugeben, weil der Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht im öffentlichen Interesse liegen kann. Ein überwiegendes öffentliches Interesse ist hingegen in der Regel dann gegeben, wenn bereits im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu erkennen ist, dass der Rechtsbehelf des Antragstellers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet; denn an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich zu Unrecht angefochtenen Verwaltungsaktes besteht regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 1988 - 2 BvR 1147/88 -, VBlBW 1989, 130; Beschluss vom 11. Februar 1982 - 2 BvR 77/82 -, NVwZ 1982, 241). Ist jedoch der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache bei der im Aussetzungsverfahren grundsätzlich nur gebotenen summarischen Überprüfung offen, kommt es auf eine reine Abwägung der widerstreitenden Interessen an (BVerwG, Beschluss vom 29. April 1974 - BVerwG 4 C 21.74 -, DVBl. 1974, 566; st. Rspr. d. Senats, vgl. Beschluss des Senats vom 4. Juli 2008 - 15 MF 6/08 -, RdL 2008, 270 = NL-BzAR 2008, 436).

Nach Maßgabe dessen liegen die Voraussetzungen für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragsstellers gegen die Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung in dem Flurbereinigungsverfahren Fürstenau-Schwagstorf nicht vor. Der Widerspruch des Antragstellers gegen die angefochtene Verfügung der Antragsgegnerin, die vorläufige Besitzeinweisung vom 5. Juli 2007 zu ändern, wird offensichtlich ohne Erfolg bleiben. Nach der in dem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die angefochtene Verfügung der Antragsgegnerin rechtmäßig ist.

Die Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung findet ihre rechtliche Grundlage in §§ 1 Abs. 1 NVwVfG, 49 Abs. 1 VwVfG in Verbindung mit § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG.

Die Änderung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat als zuständige Flurbereinigungsbehörde (§§ 65 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 2 Satz 2, 3 Abs. 1 Satz 1 FlurbG) gehandelt. Sie hat sowohl entsprechend den Anforderungen des § 65 Abs. 1 Satz 2 FlurbG den Beteiligten die geänderte Neueinteilung der Flächen bekannt gegeben als auch die vorläufige Besitzeinteilung nach § 65 Abs. 2 Satz 3 FlurbG öffentlich bekannt gemacht. Ferner hat sie dem Antragsteller Gelegenheit gegeben, sich zu der Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung zu äußern.

Die Änderung der vorläufige Besitzeinweisung genügt auch materiell-rechtlich den Anforderungen der §§ 49 Abs. 1 VwVfG, 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG. Nach § 49 Abs. 1 VwVfG kann ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste. Dabei umfasst der Widerruf eines Verwaltungsaktes nicht nur seine nachträgliche (vollständige oder teilweise) Aufhebung, sondern zugleich auch seine Änderung ohne Rücksicht auf seine Rechtswidrigkeit durch eine Behörde außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens (vgl. Senatsbeschluss vom 26. August 2008 - 15 MF 15/08 -, RdL 2008, 293 = NL-BzAR 2008, 471; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Auflage 2008, § 49 Rdnr. 5). Diese Voraussetzungen für die Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung liegen hier vor.

Bei einer vorläufigen Besitzeinweisung nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG handelt es sich um einen nicht begünstigenden Verwaltungsakt im Sinne des § 49 Abs. 1 VwVfG. Ein begünstigender Verwaltungsakt in diesem Sinne liegt unter Rückgriff auf die Regelung in § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG nur dann vor, wenn er ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt. Hingegen greift die vorläufige Besitzeinweisung in den bisherigen Besitz und damit in die Nutzung der Flächen durch eine Trennung von Nutzungs- und Verfügungsrecht über das Grundstück ein und trifft vorläufig eine (in Teilen abweichende) Regelung über den Besitz an den Flächen im Verfahrensgebiet. Die vorläufige Besitzeinweisung ist darauf gerichtet, durch die faktische Vorwegnahme der geplanten Abfindung vor Eintritt der rechtlichen Wirkungen des Flurbereinigungsplanes das Flurbereinigungsverfahren im Interesse der Teilnehmer zu beschleunigen und nach Möglichkeit Entschädigungszahlungen nach § 51 FlurbG zu vermeiden (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 26. September 2002 - 8 D 30/99.G -, RdL 2004, 326; Schwantag, in: Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, Kommentar, 8. Auflage 2008, § 65 Rdnr. 1; Haselhoff, RdL 1987, 1). Dass sich durch die vorläufige Besitzeinweisung die mit der Flurbereinigung beabsichtigten Verbesserungen für die Teilnehmer vorab einstellen, begründet aber weder ein Recht noch einen rechtlich erheblichen Vorteil. Insoweit handelt es sich nicht um gezielte Rechtswirkungen der vorläufigen Besitzeinweisung, sondern lediglich um ihre Folgen im Tatsächlichen (Reflexwirkungen). Dies folgt auch daraus, dass lediglich eine vorläufige (Besitz-)Regelung getroffen wird, der mit Blick auf die endgültige Abfindung nach dem Flurbereinigungsplan (§ 58 FlurbG) eine verbindliche Wirkung nicht zukommt. Vielmehr werden durch die vorläufige Besitzeinweisung regelmäßig keine Tatsachen geschaffen, die im weiteren Verlauf des Flurbereinigungsverfahrens nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Durch sie wird der Flurbereinigungsplan zwar in gewisser Weise vorgeprägt, nicht aber in rechtlicher Hinsicht vorweggenommen oder vorverwirklicht (std. Rechtsprechung des BVerwG, vgl. Urteil vom 19. Oktober 1994 - BVerwG 11 C 7.93 -, Buchholz 424.01 § 87 FlurbG Nr. 15; Urteil vom 6. Juli 1989 - BVerwG 5 C 13.86 -, Buchholz 424.01 § 65 FlurBG Nr. 7; Urteil vom 23. Juni 1988 - BVerwG 5 C 1.86 -, Buchholz 424.01 § 65 FlurbG Nr. 4). Deshalb ist durch die vorläufige Besitzeinweisung in 2007 kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden (vgl. Senatsbeschluss vom 26. August 2008, a.a.O.).

Der Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 5. Juli 2007 kann nicht entgegengehalten werden, dass diese Regelung erneut erlassen werden müsste (§ 49 Abs. 1 VwVfG). Denn die Antragsgegnerin ist gesetzlich nicht verpflichtet, die bisherige vorläufige Besitzeinweisung nach § 65 Abs. 1 FlurbG erneut unverändert anzuordnen.

Die angefochtene Verfügung der Antragsgegnerin genügt ferner den Anforderungen des § 65 Abs. 1 FlurbG. Nach dieser Bestimmung können die Beteiligten in den Besitz der neuen Grundstücke eingewiesen werden, wenn deren Grenzen in die Örtlichkeit übertragen worden sind und die endgültigen Nachweise für Flächen und Werte der neuen Grundstücke vorliegen sowie das Verhältnis der Abfindung zu dem von jedem Beteiligten Eingebrachten feststeht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Verfügung der Antragsgegnerin ist entgegen der Annahme des Antragstellers auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Zunächst hat der Antragsteller gegen die Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung sinngemäß eingewendet, die Abfindung sei nicht wertgleich, weil die mit der Änderung vorgesehenen Abfindungsflächen in Teilen schlechter zu bewirtschaften seien und es sich bei ihnen teilweise um geringwertigere Flächen handele. Insoweit hat er ausgeführt, auf den Flurstücken 71 und 210 befänden sich Altlasten und die Bewirtschaftung dieser Flächen sei auf Grund ihrer Lage im Wasserschutzgebiet und wegen vorhandener Masten eingeschränkt. Des Weiteren seien künftig Wildschäden zu befürchten und eine Teilfläche müsse im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung drainiert werden. Ferner seien die zugrunde gelegten Größen und die Wertermittlung bestimmter Flurstücke nicht korrekt.

Diese Einwände vermögen rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Anordnung nicht zu begründen. Sie betreffen den Gesichtspunkt der wertgleichen Abfindung im Sinne des § 44 FlurbG, der aber allein Gegenstand der Prüfung der Rechtmäßigkeit des betreffenden Flurbereinigungsplanes ist. Das Recht der Teilnehmer an der Flurbereinigung, gegen die ihnen im Flurbereinigungsplan zugewiesene Abfindung mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen vorzugehen, wird durch vorläufige Maßnahmen im Sinne der §§ 65 und 66 FlurbG nicht berührt (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 1985 - BVerwG 5 C 7.82 -, BVerwGE 71, 369 [371]). Deshalb wird bei der Prüfung der besonderen Voraussetzungen für die im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde liegende vorläufige Besitzeinweisung im Regelfall nicht näher untersucht, ob die zugedachte Abfindung wertgleich ist, weil insoweit dem Verfahren über Planwidersprüche nicht vorgegriffen werden darf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Oktober 1966 - BVerwG IV B 2.66 -, RdL 1967, 219; Beschluss vom 30. August 1968 - BVerwG IV B 78.68 -, Buchholz 424.01 § 65 FlurbG Nr. 2; Urteil vom 30. Oktober 1979 - BVerwG 5 C 40.79 -, BVerwGE 59, 79 [85]; Bay. VGH, Beschluss vom 12. Oktober 2004 - 13 AS 04.2750 -, juris; Beschluss vom 7. Februar 2003, a.a.O.; Urteil des Senats vom 27. Juni 2007 - 15 KF 14/06 -, RdL 2008, 16, mit weiteren Nachweisen; Schwantag, a.a.O., § 65 Rdnr. 20). Die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Besitzeinweisung wird nur durch ein offensichtliches grobes Missverhältnis zwischen Alt- und Neubesitz oder einen offensichtlich unzumutbaren Eingriff in die bisherige Struktur des Betriebes eines Teilnehmers in Frage gestellt (BVerwG, Beschluss vom 31. Oktober 1966, a.a.O.; Beschluss vom 30. August 1968, a.a.O.; Urteil vom 17. August 1988 - 5 C 78.84 -, Buchholz 424.01 § 65 FlurbG Nr. 5; Urteil vom 4. Juli 1985, a.a.O., BVerwGE 71, 369 [372]; Urteil des Senats vom 27. Juni 2007, a.a.O. mit weiteren Nachweisen; Schwantag, a.a.O, § 65 Rdnr. 20).

Im Hinblick auf die Frage, ob ein offensichtliches grobes Missverhältnis zwischen Alt- und Neubesitz oder ein unzumutbarer Eingriff in die bisherige Struktur des Betriebes des Teilnehmers vorliegt, ist die bisherige vorläufige Besitzeinweisung nicht von Belang. Eine sich gegenüber der bisherigen vorläufigen Besitzeinweisung ergebende Verschlechterung vermag deshalb ein offensichtliches grobes Missverhältnis zwischen Alt- und Neubesitz oder einen unzumutbaren Eingriff in die Betriebsstruktur nicht zu begründen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. August 2008, a.a.O.).

Von einem offensichtlichen groben Missverhältnis kann auf Grund der Gegenüberstellung des vom Antragsteller eingebrachten Altbesitzes und des künftigen Neubesitzes sowie der Lage der Flächen im Flurbereinigungsgebiet nicht ausgegangen werden. Unter Berücksichtigung des allgemeinen Landabzugs nach § 47 Abs. 1 FlurbG ergibt sich für den Antragsteller sogar eine Mehrabfindung in Land im Umfang von 31,34 WV. Auch die Größen und die Bonitäten der eingebrachten Acker- und Grünlandflächen einerseits und der eingewiesenen Flächen andererseits weisen keine derart erheblichen Abweichungen auf, die auf ein grobes Missverhältnis hindeuten. Die vorgesehene Zuteilung an Ackerflächen liegt im Wertverhältnis unter Berücksichtigung des allgemeinen Landabzugs um rd. 120 WV höher als die Einlage des Antragstellers. Unter Berücksichtigung der bedingt ackerfähigen Grünlandflächen liegt das Wertverhältnis der zugewiesenen ackerfähigen Flächen um rd. 26 WV höher als die Einlage. Die durchschnittliche Bonität der ackerfähigen Flächen wird sich von 46,73 Punkten um 1,12 Punkte erhöhen. Im Hinblick auf die übrigen Grünlandflächen ist eine Verschlechterung in Größe und Wertverhältnis ebenfalls nicht festzustellen. Soweit der Antragsteller zu einzelnen Flächen eine unzutreffende Ermittlung der Größe und des Wertes geltend macht, kann angesichts der beschriebenen Mehrabfindung von einem offensichtlich groben Missverhältnis zwischen Eigentums- und Zuweisungsflächen zu Lasten des Antragstellers nicht ausgegangen werden.

Weiter kann ein offensichtlicher unzumutbarer Eingriff in die Struktur des Betriebs des Antragstellers durch die geänderte vorläufige Besitzeinweisung nicht festgestellt werden. Ein solcher Eingriff in die Struktur des Betriebes liegt nur dann vor, wenn der bisherige Betrieb in seinen Kernbereichen nicht mehr fortgeführt werden kann und deshalb der Betriebsinhaber gezwungen wäre, den bisher bestimmenden landwirtschaftlichen Produktionsbereich aufzugeben und gegebenenfalls einen anderen Produktionsbereich auszubauen oder neu aufzubauen. Der Grund für eine solche wesentliche Änderung in einem Produktionsbereich eines landwirtschaftlichen Betriebs kann u.a. darin liegen, dass die für diesen Produktionsbereich erforderlichen Produktionsmittel nicht mehr zur Verfügung stehen oder zu einem vertretbaren Aufwand nicht mehr beschafft werden können. Ein solcher Fall ist beispielsweise anzunehmen, dass der Betriebsinhaber seinen Futterbaubetrieb (Tiermast) auf Grund einer wesentlich geänderten Flächenausstattung in einen Marktfruchtbetrieb umwandeln muss oder umgekehrt. Hingegen stellten ein vorübergehender Unterschied zwischen dem Wert der alten Grundstücke und dem Wert der Landabfindung sowie andere vorübergehende Nachteile - etwa in Form von Bewirtschaftungserschwernissen - keinen unzumutbaren Eingriff in die Struktur des Betriebs dar, vielmehr können sie unter bestimmten Voraussetzungen allein einen Ausgleichsanspruch im Flurbereinigungsplan nach § 51 Abs. 1 FlurbG begründen.

Auf Grund der geänderten vorläufigen Einweisung in den Besitz der geplanten Landabfindung lässt sich ein derartiger Eingriff in die Struktur des Betriebs des Antragstellers nicht feststellen. Die für den bisherigen Betrieb des Antragstellers erforderlichen Produktionsgrundlagen hinsichtlich der Landausstattung erfahren durch die vorläufige Besitzeinweisung keine wesentliche Änderung. Das Verhältnis zwischen Ackerland- und Grünland und deren durchschnittliche Bonität hat sich nicht verschlechtert. Gegenüber der Situation zu Beginn des Flurbereinigungsverfahrens hat sich durch die künftige Feldeinteilung der Zusammenlegungsgrad der Betriebsflächen sogar erheblich verbessert. Weiter werden sich die Entfernungen des Hofes zu den landwirtschaftlichen Nutzflächen auf Grund der Zusammenlegung in Hofnähe im Vergleich zu den eingebrachten und verstreut liegenden Flächen erheblich verringern.

In diesem Zusammenhang macht der Antragsteller in erster Linie geltend, dass er auf Grund der vorläufigen Besitzeinweisung künftig sein Milchvieh ganzjährig mit Silage füttern müsse, weil ihm die Möglichkeit, sein Milchvieh mit bis zu 30 Milchkühen mit einer Zwischenfrucht auf seinen hofnahen Ackerflächen zur Größe von fünf bis sechs Hektar zu füttern, künftig genommen werde. Auf Grund des betrieblichen Anbauzyklus könne auf der jeweiligen Ackerfläche nur alle zwei Jahre eine Zwischenfrucht angebaut werden. Eine Fütterung des Milchviehs mit einer Zwischenfrucht, auf die der Betrieb angewiesen sei, sei auf den Ackerflächen nur möglich, wenn die Kühe gefahrlos auf die entsprechenden Flächen getrieben werden könnten. Dies werde künftig auf den Flurstücken 204 und 174 nicht mehr möglich sein. So könnten die Tiere nicht gefahrlos vom Flurstück 205 zum Flurstück 174 getrieben werden. Auf Grund der Entfernung der Flurstücke 71 und 210 zum Hof bestünde auf diesen Flächen diese Möglichkeit ebenfalls nicht.

Mit diesem Vorbringen legt der Antragsteller einen unzumutbaren Eingriff in die Struktur seines Milchwirtschaftsbetriebes nicht dar. Es ist nicht davon auszugehen, dass die bisherige Form der Fütterung des Milchviehs mit auf hofnahen Ackerflächen gewonnenen Zwischenfrüchten nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Die Ausstattung des Betriebes mit hofnahen Ackerflächen hat sich nicht erheblich verschlechtert. Für die Fütterung des Milchviehs durch Anbau einer Zwischenfrucht auf Ackerflächen steht zunächst das Flurstück 205 zur Größe von rd. 4,12 ha zur Verfügung. Entgegen der Ansicht des Antragstellers kann er für die Fütterung seines Milchviehs auch das Flurstück 174 zur Größe von rd. 8,54 ha nutzen. Dieses Flurstück ist lediglich rd. 140 m von dem Flurstück 205 entfernt, so dass ein Wechsel des Milchviehs auf diese Fläche möglich ist. Aber selbst wenn das Milchvieh nicht auf dem neu erstellten Wirtschaftsweg zum Flurstück 174 getrieben werden könnte, würde der für diesen Fall erforderlich Viehtransport allenfalls eine betriebliche Erschwernis darstellen, die der Fortführung der Milchwirtschaft aber nicht entgegensteht. In der Landwirtschaft ist es nicht unüblich, Vieh selbst über deutlich längere Strecken mit entsprechenden Transportfahrzeugen umzusetzen. Daneben stehen das Flurstück 171 mit einer Größe von rd. 2,6 ha sowie weitere Teile des Flurstücks 172 der Flur 2, Gemarkung D., zur Größe von rd. 3 ha für den angesprochenen Zwischenfruchtanbau zu Verfügung.

Hiernach ist es mit Blick auf die Milchwirtschaft des Antragstellers nicht erheblich, dass ihm für die vormals vorläufig zugewiesene Fläche des jetzigen Flurstücks 204 zur Größe rd. 4,5 ha nunmehr die o.a. Flurstücke 71 und 210 zur Größe von mehr als 5 ha zugewiesen worden sind. Unabhängig davon erachtet der Senat eben auch hier eine Umsetzung des Milchviehs des Antragstellers auf diese ackerfähigen Flächen, die rd. 900 m vom Hof des Antragstellers entfernt liegen, als möglich und zumutbar. In Bezug auf die zwischenzeitlich entfernten Altfahrzeuge und anderen Abfälle auf diesen Flurstücken findet sich zudem kein Anhalt, dass die landwirtschaftliche Nutzung dieser Fläche zu großen Teilen ausgeschlossen wäre. Vielmehr sind diese Flächen nach dem in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen befindlichen Luftbild nahezu vollständig landwirtschaftlich genutzt worden; lediglich eine kleine bewaldete Teilfläche, die an das Flurstück 209 grenzt, ist hiervon ausgenommen gewesen.

Ebenso ist das Vorbringen des Antragstellers zur Erreichbarkeit der Flurstücke 171, 446, 38 und 45/13 nicht geeignet, einen unzumutbaren Eingriff in die Betriebsstruktur zu begründen. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass die außerhalb des Verfahrensgebietes liegenden Flurstücke 38 und 45/13 vom Antragsteller nicht erreichbar sind. Zum einen handelt es sich bei den Flurstücken 41/2, 39, 38 und 45/13 um einen geschlossenen Flächenkomplex, so dass die Erreichbarkeit der Flurstücke 38 und 45/13 zunächst über die innere Erschließung dieser zusammenhängenden Fläche gegeben ist. Zum anderen sieht die Antragsgegnerin eine 5 m breite Erschließung entlang des Rumkebaches vor. Soweit eine Befahrbarkeit mit schwerem Gerät wie Güllewagen und Erntefahrzeugen auf diesem unbefestigten Randstreifen bei ungünstiger Witterung nicht gegeben ist, so kann hieraus nicht gefolgert werden, dass die Flurstücke 38 und 45/13 regelmäßig nicht erreichbar wären und eine landwirtschaftliche Nutzung damit ausgeschlossen wäre. Soweit allein in Zeiten ungünstiger Witterung die Erreichbarkeit dieser Flächen erschwert ist, kann hierin allenfalls eine Erschwernis in der Bewirtschaftung der Fläche, nicht aber ein Eingriff in die Betriebsstruktur gesehen werden. Ebenso vermag die fehlende Erreichbarkeit einer bewaldeten Teilfläche des Flurstücks 446 zur Größe von rd. 0,2 ha auf Grund ihrer geringen Bedeutung einen solchen Eingriff in die Betriebsstruktur nicht zu begründen.

Das Vorbringen des Antragstellers zu Abfindungsvereinbarungen mit anderen Teilnehmern der Flurbereinigung sowie zur Notwendigkeit einer Oberflächenwasserabführung auf Grund einer Straßenbaumaßnahme ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG nicht von Belang.

Schließlich lässt die Entscheidung der Antragsgegnerin, die vorläufige Besitzeinweisung vom 5. Juli 2007 mit Blick auf die nunmehr beabsichtigte Abfindung im künftigen Flurbereinigungsplan anzupassen und entsprechend zu ändern, um eine wertgleiche Abfindung aller Teilnehmer zu gewährleisten, Ermessensfehler nicht erkennen.

Ende der Entscheidung

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