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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.04.2008
Aktenzeichen: 18 LP 5/05
Rechtsgebiete: NPersVG


Vorschriften:

NPersVG § 68 Abs. 2 S. 6
NPersVG § 75 Abs. 1 S. 6
NPersVG § 76 Abs. 1 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Antragsteller und der Beteiligte streiten über die Mitwirkung der Personalvertretung bei der Aufstellung eines Geschäftsverteilungsplanes für einen Fachdienst.

Seit dem Jahr 2003 verhandelte der Beteiligte mit dem Antragsteller über den Geschäftsverteilungsplan für den Fachdienst 103 (Personal- und Organisationsentwicklung). Nach Ablehnung eines früheren Entwurfs legte der Beteiligte dem Antragsteller den Geschäftsverteilungsplan für den Fachdienst 103 nach dem Stand vom 1. Januar 2004 zur Herstellung des Benehmens nach § 75 Abs. 1 Nr. 6 NPersVG vor. Der Antragsteller beriet darüber am 13. Januar 2004 und lehnte mit Schreiben vom gleichen Tage die Herstellung des Benehmens ab: Die vom Beteiligten angestrebte Vertretung der Leitung des Fachdienstes durch zwei Mitarbeiter sei nicht zwingend erforderlich. Im Übrigen sollten zumindest die Fachdienstleitung oder deren Vertretung umfassende und tiefgreifende Kenntnisse der allgemeinen Verwaltung haben, die der Befähigung zum gehobenen Verwaltungsdienst entsprächen. Der Antragsteller bat um Vorlage eines Geschäftsverteilungsplanes, in dem die Vertretung der Fachdienstleitung durch einen Mitarbeiter mit entsprechender Verwaltungsausbildung geregelt sei.

Der Beteiligte teilte dem Antragsteller unter dem 31. Januar 2004 schriftlich mit, dass er diese Ablehnung für unbeachtlich halte. Die Einwendungen hätten keinen Bezug zu den Gründen für die Beteiligung der Personalvertretung. Die beabsichtigte Maßnahme gelte deshalb als gebilligt, so dass der Geschäftsverteilungsplan in Kraft treten werde.

Darauf rief der Antragsteller mit Schreiben vom 11. Februar 2004 den Verwaltungsausschuss als höheren Dienstvorgesetzten an. Seine Einwendungen seien durchaus beachtlich und stünden der Durchführung der Maßnahme entgegen, solange das Benehmen nicht hergestellt sei. Zu Unrecht nehme der Beteiligte eine Billigungsfiktion an.

Am 26. Mai 2004 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet, um die Aufhebung des Geschäftsverteilungsplans zu erreichen. Ohne Herstellung des Benehmens dürfe die Geschäftsverteilung nicht geändert werden. Die Begründung seiner Ablehnung liege im Rahmen der Benehmensherstellung. Bei der vom Beteiligten in Kraft gesetzten Geschäftsverteilung fänden die Mitarbeiter der Stadt im Fachdienst keine ausreichend befähigten Ansprechpartner. § 76 Abs. 1 NPersVG sehe anders als § 68 Abs. 2 Satz 6 NPersVG die Unbeachtlichkeit von Gründen nicht vor, selbst wenn sie offensichtlich außerhalb der Mitbestimmung lägen.

Der Antragsteller hat beantragt,

den Beteiligten zu verpflichten, den Geschäftsverteilungsplan für den Fachdienst Personal- und Organisationsentwicklung in der Fassung vom 1. Januar 2004 außer Kraft zu setzen.

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Seiner Ansicht nach liegen die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe offensichtlich außerhalb der Benehmensherstellung. Die Vertretungsregelung könne allenfalls dann Gegenstand der Benehmensherstellung sein, wenn die Bediensteten durch sie besonders belastet würden. Dies sei jedoch offensichtlich nicht der Fall. Es sei nicht Aufgabe der Personalvertretung, Qualifikation oder Kompetenz der Fachdienstleitungen zu beurteilen. Da die Dienststelle über die Besetzung der Fachdienstleitung ohne Beteiligung der Personalvertretung entscheiden könne, sei sie erst recht befugt, Vertretungsregelungen ohne Mitwirkung der Personalvertretung zu treffen. Auch bei der Benehmensherstellung nach § 76 NPersVG müsse die Personalvertretung sich auf Gründe beschränken, die den Maßnahmen des § 75 NPersVG jeweils zuzuordnen seien. Insoweit gelte für die Billigungsfiktion des § 76 Abs. 1 Satz 3 NPersVG nichts anderes als für die Zustimmungsfiktion in § 68 Abs. 2 Satz 6 NPersVG.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 28. Februar 2005 abgelehnt. Beteiligungsrechte des Antragstellers seien nicht verletzt. Zwar könne der Geschäftsverteilungsplan für den Fachdienst Personal- und Organisationsentwicklung nicht ohne Beteiligung des Antragstellers aufgestellt werden, weil die Dienststelle bei dieser Maßnahme nach § 75 Abs. 1 Nr. 6 NPersVG das Benehmen mit der Personalvertretung herzustellen habe. Obwohl der Antragsteller die beabsichtigte Maßnahme abgelehnt habe, gelte das Benehmen als hergestellt und die Geschäftsverteilung nach § 76 Abs. 1 Satz 3 NPersVG als gebilligt. Die Billigungsfiktion greife nicht nur dann ein, wenn der Personalrat sich nicht innerhalb der Frist schriftlich unter Angabe von Gründen äußere, sondern auch dann, wenn die vom Personalrat erhobenen Einwendungen offensichtlich nicht den Gegenstand und Schutzzweck des jeweiligen Beteiligungstatbestandes beträfen. Die Ablehnungsgründe müssten ebenso wie bei der Mitbestimmung ihre Grundlage im jeweiligen Benehmensherstellungstatbestand haben und dürften nicht abwegig oder unvertretbar sein. Die Beteiligungsrechte des Personalrats seien bei den Maßnahmen nach § 75 NPersVG gegenüber den Mitbestimmungstatbeständen schwächer ausgeprägt. Dies rechtfertige den Schluss, dass der Ausschluss unbeachtlicher Gründe bei der Ablehnung einer Maßnahme mit stärkerem Beteiligungsrecht erst recht beim schwächeren zum Tragen kommen müsse. Ebenso wenig wie im Mitbestimmungsverfahren könne der Personalrat eine Befassung der übergeordneten Dienststelle mit Ablehnungsgründen verlangen, für die er nicht zuständig sei. So liege es aber hier. Bei der Aufstellung von Geschäftsverteilungsplänen seien nicht nur die Auswirkungen auf die unmittelbar betroffenen Beschäftigten, sondern auch die auf die von der Organisationseinheit betreuten Mitarbeiter beachtlich. Der Antragsteller habe jedoch keine Gründe geäußert oder offensichtlich erkennbar werden lassen, die die persönlichen Belange der in dem Fachdienst eingesetzten Beschäftigten zum Gegenstand hätten. Auswirkungen der Geschäftsverteilung auf Interessen der übrigen Beschäftigten seien ebenfalls nicht Gegenstand der Ablehnung gewesen. Der Antragsteller habe lediglich sein Werturteil über die Eignung und die Leistung der eingesetzten Mitarbeiter an die Stelle der Bewertung der Dienststelle gesetzt. Damit greife er in deren Aufgabenbereich ein. Auch bleibe es dem Dienstherrn überlassen, ob die Fachdienstleitung durch zwei Beschäftigte für jeweils getrennte Bereiche oder nur durch einen Beschäftigten umfassend vertrete werde. Ferner sei es nicht Aufgabe des Personalrats, darüber zu bestimmen, welche Qualifikation und Vorbildung die Fachdienstleitung oder deren Vertretung habe. Ob zumindest einer der Vertreter die Befähigung zum gehobenen Verwaltungsdienst haben müsse, entziehe sich der Einflussnahme der Personalvertretung.

Gegen den ihm am 29. März 2005 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 27. April 2005 Beschwerde erhoben und diese nach Fristverlängerung mit dem am 28. Juni 2005 eingegangenen Schriftsatz begründet: Eine Billigungsfiktion sei nach § 76 Abs. 1 Satz 3 NPersVG nur dann vorgesehen, wenn der Personalrat sich nicht innerhalb der Frist zu der beabsichtigten Maßnahme schriftlich unter Angabe von Gründen äußere. Demgegenüber gelte im Mitbestimmungsverfahren die Zustimmung nach § 68 Abs. 2 Satz 6 NPersVG nicht nur dann als erteilt, wenn der Personalrat die beabsichtigte Maßnahme nicht innerhalb der Frist schriftlich unter Angabe von Gründen verweigere, sondern auch dann, wenn die aufgeführten Gründe offensichtlich außerhalb der Mitbestimmung nach den §§ 64 bis 67 NPersVG gelegen seien. Aus dem Fehlen einer entsprechenden Regelung in § 76 Abs. 1 NPersVG müsse auf den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, dass sich die Dienststelle bei der Benehmensherstellung darauf nicht berufen könne, sondern in jedem ablehnenden Fall die Entscheidung der übergeordneten Dienststelle, hier des Verwaltungsausschusses, herbeiführen müsse.

Im Übrigen seien die gegen den Geschäftsverteilungsplan des Beteiligten vorgebrachten Gründe aber auch nicht offensichtlich unbeachtlich. Die vorgesehene Vertretungsregelung sei zum einen nicht akzeptabel, weil die Größe des Fachdienstes es nicht zwingend erfordere, dass die Leitung durch zwei Mitarbeiter vertreten werde. Zum anderen müsse die Vertretung über umfassende und tiefgreifende Verwaltungskenntnisse verfügen. Anderenfalls seien Nachteile für die betroffenen Beschäftigten zu befürchten.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 9. Kammer - vom 28. Februar 2005 zu ändern und den Beteiligten zu verpflichten, den Geschäftsverteilungsplan für den Fachdienst Personal- und Organisationsentwicklung in der Fassung vom 1. Januar 2004 außer Kraft zu setzen.

Der Beteiligte beantragt schriftsätzlich,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Auf die Begründung der Beschwerdeerwiderung vom 20. Juli 2005 wird im Einzelnen Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt. Der Senat folgt den zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses (§ 83 Abs. 2 NPersVG i.V.m. § 91 ArbGG und § 69 Abs. 2 ArbGG entsprechend). Bei der Aufstellung und Umsetzung des Geschäftsverteilungsplanes für den Fachdienst Personal- und Organisationsentwicklung - Fachdienst 103 - ist das Recht des Antragstellers, mit ihm das Benehmen herzustellen, nicht verletzt worden. Der Beteiligte ist deshalb nicht verpflichtet, die Geschäftsverteilung für den Fachdienst außer Kraft zu setzen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers gilt die sog. Zustimmungsfiktion nicht nur im Mitbestimmungsverfahren nach § 68 Abs. 2 Satz 6 NPersVG, sondern auch bei der Benehmensherstellung nach § 76 Abs. 1 Satz 3 NPersVG. Auch wenn nach dem Wortlaut dieser Regelung die beabsichtigte Maßnahme (nur) als gebilligt gilt, wenn der Personalrat sich nicht innerhalb der Frist schriftlich unter Angabe von Gründen äußert, die Vorschrift die anzugebenden Gründe inhaltlich nicht beschränkt und § 76 Abs. 1 Satz 2 NPersVG die entsprechende Geltung von § 68 Abs. 2 Satz 6 NPersVG nicht vorsieht, kann daraus nicht geschlossen werden, dass der Personalrat sie aus jedem beliebigen Grunde ablehnen könnte. Dem stehen schon verfassungsrechtliche Gründe entgegen, wonach eine Ablehnung nur dann beachtlich sein kann, wenn sie mit den Belangen der Beschäftigten begründet wird (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.5.1995 - 2 BvF 1/ 92 -, PersV 1995, 553/563). Der in Literatur und Rechtsprechung insoweit offenbar übereinstimmenden Auffassung (vgl. Dembowski/Ladwig/Sellmann, Das Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, § 76 NPersVG, Rn. 6 m.w.N.; jetzt auch Bieler/Müller-Fritsche, NPersVG, 11. Aufl., § 76 Rn. 2 unter Aufgabe der noch in der 10. Auflage vertretenen gegenteiligen Ansicht) schließt sich der Senat an. Die Ablehnungsgründe müssen auch im Rahmen des Verfahrens der Benehmensherstellung nach § 76 Abs. 1 wie bei der Mitbestimmung ihre maßgebliche Grundlage im jeweiligen Benehmensherstellungstatbestand haben und dürfen nicht unvertretbar oder abwegig und damit außerhalb seines Gegenstandes und Schutzzweckes liegen. Davon abgesehen müssen für die Ablehnung einer Maßnahme im Rahmen der schwächeren Beteiligungsform der Benehmensherstellung erst recht die Grenzen gelten, die ihr bei der Mitbestimmung gezogen sind. Im Übrigen kann aus dem Fehlen einer § 68 Abs. 2 Satz 6 NPersVG entsprechenden Regelung in § 76 Abs. 1 NPersVG nicht bereits der Wille des Gesetzgebers geschlossen werden, dass die Dienststelle in jedem Falle einer fristgerecht begründeten Ablehnung der Benehmensherstellung die Entscheidung der übergeordneten Dienststelle herbeiführen müsse. Die insoweit einschlägigen Gesetzesmaterialien (Nds. LT-Drs. 12/4370, S. 168/169) geben hierfür nichts her.

In Anwendung dieser Grundsätze ist die Feststellung gerechtfertigt, dass die Gründe des Antragstellers gegen den infrage stehenden Geschäftsverteilungsplan für den Fachdienst Personal- und Organisationsentwicklung außerhalb des § 75 Abs. 1 Nr. 6 NPersVG - Aufstellung oder wesentliche Änderung von Organisationsplänen und Geschäftsverteilungsplänen - liegen. Er hat in seinem Schreiben vom 13. Januar 2004 keine beachtlichen Gründe geltend gemacht, die mit dem Benehmenstatbestand im Zusammenhang stehen. Diesbezügliche Einwendungen der Personalvertretung können sich sowohl auf die schutzwürdigen und schutzbedürftigen Belange der Beschäftigten beziehen, die selbst von der Maßnahme unmittelbar betroffen sind, sie können aber auch die Auswirkungen auf die von der Organisationseinheit betreuten Beschäftigten zum Gegenstand haben. Auf die Mitarbeiter der Organisationseinheit beziehen sich die Ablehnungsgründe des Antragstellers indessen nicht. Es werden zwar durchaus Auswirkungen der Neuorganisation im Fachdienst Personal- und Organisationsentwicklung auf die Gesamtheit der Beschäftigten benannt, dies jedoch nur vordergründig und letztlich mit Argumenten, die unbeachtlich sind, weil sie nicht der Beurteilung des Personalrates unterliegen. Es ist allein Sache der Dienststelle, darüber zu befinden, ob die Fachdienstleitung durch einen oder zwei Mitarbeiter vertreten werden soll. Gleiches gilt für die Frage der fachlichen und persönlichen Eignung der Fachdienstleitung und ihrer Vertretung. Wenn die Dienstelle bestimmte Mitarbeiter(innen) auch ohne den Nachweis ihrer Befähigung für den gehobenen Verwaltungsdienst für geeignet hält, diese Führungspositionen zu besetzen, weil sie eine anderweitige akademische Ausbildung durchlaufen haben, fällt es nicht in die Kompetenz der Personalvertretung, der Entscheidung der Dienststelle eine eigene Eignungsprognose entgegenzusetzen. Dem die Geschäftsverteilung betreffenden Schriftwechsel zwischen dem Antragsteller und dem Beteiligten seit Anfang 2003 lässt sich mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass es dem Gesamtpersonalrat auch nicht um die Formulierung eines abstrakten Anforderungsprofils gegangen ist, sondern im Zentrum der erhobenen Einwände vielmehr die für die Führungspositionen vorgesehenen Mitarbeiter gestanden haben (Stellungnahmen des Gesamtpersonalrats vom 13. März, 8. April und 2. Juni 2003) Es ist aber nicht Sache des Personalrats, die Qualifikation der Mitarbeiter für die ihnen zugewiesenen Aufgaben der Leitung des Fachdienstes in Abrede zu stellen und auf diese Weise eine eigene Personalpolitik zu betreiben. Werturteile über die Eignung und Leistung der eingesetzten Mitarbeiter stehen allein der Dienststelle, nicht aber dem Personalrat zu. Die hier von dem Antragsteller für die Ablehnung der Zustimmung vorgetragenen Gründe liegen damit offensichtlich außerhalb des Benehmenstatbestandes und sind nicht geeignet, die Umsetzung der Maßnahme aufzuhalten und eine Entscheidung der übergeordneten Dienststelle herbeizuführen.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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