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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 27.08.2007
Aktenzeichen: 2 LA 1208/06
Rechtsgebiete: VwGO, StGB


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
StGB § 242
StGB § 243
StGB § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
StGB § 244
StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3
Anfechtung einer Prüfungsentscheidung in der ersten juristischen Staatsprüfung
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 2 LA 1208/06

Datum: 27.08.2007

Gründe:

I.

Die Klägerin unterzog sich im Oktober 2001 zum zweiten Mal der ersten juristischen Staatsprüfung. Die aufgrund der schriftlichen Aufsichtsarbeiten erreichte Punktzahl genügte nicht für die Zulassung zur mündlichen Prüfung. Nachdem das Widerspruchsverfahren erfolglos geblieben war, erhob sie Klage (6 A 4849/02). Im Rahmen dieses Klageverfahrens schlossen die Beteiligten zur Beendigung des Verfahrens einen gerichtlichen Vergleich (vgl. Beschl. v. 22.5.2003) dahingehend, dass die Strafrechtsklausur (bisher 4 Punkte) und die Klausur im öffentlichen Recht (bisher 2,5 Punkte) durch andere Prüfer neu korrigiert werden sollten; diese Neukorrektur führte zu einer Verschlechterung der Bewertung dieser Klausuren (Strafrecht: 3 Punkte; öffentliches Recht: 2 Punkte), sodass die erste juristische Staatsprüfung nach wie vor als nicht bestanden anzusehen ist. Hiergegen hat die Klägerin erneut Klage erhoben. Mit Urteil vom 22. Juni 2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 22. Juni 2006, mit dem dieses es abgelehnt hat, den Beklagten zu verpflichten, über ihre erste juristische Staatsprüfung nach Neubewertung der Klausuren 2 (SR) und W3 (VR) eine erneute Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen, hat keinen Erfolg. Die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Abweichung des Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO), auf die der Senat bei der Überprüfung ihres Begehrens beschränkt ist, greifen nicht durch.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163; Nds. OVG, Beschl. v. 17.1.2006 - 2 LA 1259/04 -). Es kommt nicht darauf an, ob einzelne Begründungselemente der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung unrichtig sind, sondern darauf, ob diese im Ergebnis unrichtig ist (Nds. OVG, Beschl. v. 17.1.2006, a. a. O.). Das ist hier nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil dargelegt und begründet, warum es zu der Auffassung gelangt ist, dass der Beklagte nicht verpflichtet ist, über die erste juristische Staatsprüfung nach Neubewertung der beiden von der Klägerin angeführten Klausuren eine erneute Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen. Die Einwände der Klägerin hiergegen greifen nicht durch.

Die schriftliche Begründung der Bewertung der Klausuren durch die Prüfer genügt den Anforderungen. Die Begründung muss ihrem Inhalt nach so beschaffen sein, dass das Recht des Prüflings, Einwände gegen die Bewertung wirksam vorzubringen, ebenso gewährleistet ist wie die Möglichkeit einer sich daran anschließenden gerichtlichen Kontrolle. Daher müssen die maßgeblichen Gründe, die den Prüfer zu der abschließenden Bewertung veranlasst haben, zwar nicht in den Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein. Entscheidend für die Bestimmung der Anforderungen, die an Inhalt und Umfang einer solchen Begründung zu stellen sind, ist, dass sie es dem Prüfling und auch den Gerichten ermöglichen muss, die grundlegenden Gedankengänge des Prüfers nachzuvollziehen, die ihn zu der abschließenden Bewertung veranlasst haben. Bei alledem ist nicht der Umfang der Begründung maßgeblich, sondern es kommt darauf an, ob sie inhaltlich die negative Bewertung rechtfertigen kann oder aber ein Bewertungsdefizit erkennen lässt (Niehues, Prüfungsrecht, 4. Aufl. 2004, Rdnr. 712 ff. m. w. N.). Nach diesen Grundsätzen sind die schriftlichen Bewertungen der Klausuren im Strafrecht und im öffentlichen Recht durch die Prüfer nicht zu beanstanden. Die Prüfer haben sowohl in ihren schriftlichen Bewertungen als auch in ihren Stellungnahmen auf die Einwände der Klägerin hin in ausreichendem Umfang nachvollziehbar darlegt, aus welchen Erwägungen sie zu ihren abschließenden Bewertungen gelangt sind.

Im Hinblick auf die von der Klägerin angegriffenen Bewertungen ihrer Klausuren geht das angefochtene Urteil zutreffend davon aus, dass bei der Bewertung von Prüfungsleistungen zwischen fachwissenschaftlichen Aspekten, die grundsätzlich einer vollen gerichtlichen Kontrolle zugänglich sind, und prüfungsspezifischen Wertungen, bei denen den Prüfern ein prüfungsrechtlicher Bewertungsspielraum zusteht und die deshalb gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sind, zu trennen ist. Danach darf eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung nicht als falsch bewertet werden. Innerhalb des von den Gerichten zu respektierenden Bewertungsspielraumes liegt eine Bewertung insbesondere aber dann, wenn der Prüfer die Vertretbarkeit der Lösung nicht ausschließt, jedoch die Qualität der Darstellung bemängelt (Niehues, a. a. O., Rdnr. 852 m. w. N.). Nach diesen Grundsätzen greifen die Bewertungsrügen der Klägerin im Ergebnis nicht durch.

Soweit sie mit Blick auf die von ihr erörterten Straftatbestände der §§ 242, 243, 244 StGB unter Hinweis auf Aufbauempfehlungen im Strafrechtslehrbuch von Rudolph Rengier, Band I, 2000, bemängelt, die Prüfer hätten einen von ihr als vertretbar anzusehenden Aufbau der Prüfungsaufgabe als fehlerhaft eingestuft, spricht sie zwar eine fachwissenschaftliche Frage an, die der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Ob die von ihr zitierte Fundstelle für die vorliegend streitbefangene Fallbearbeitung aber tatsächlich etwas hergibt und damit zur Vertretbarkeit des Lösungsansatzes führt und ob die Prüfer für den Fall einer solchen Annahme eine vertretbare Lösung als fehlerhaft angesehen hätten, braucht hier nicht abschließend beurteilt zu werden, weil sich ein dann anzunehmender Bewertungsfehler nicht auf die endgültige Bewertung der Strafrechtsklausur ausgewirkt hätte. Beide Prüfer haben nämlich der Aufbaufrage keine für das Gesamtergebnis ausschlaggebende Bedeutung beigemessen.

Der im Widerspruchsverfahren eingeholten ergänzenden Stellungnahme der Erstprüferin vom 24. November 2003 ist zu entnehmen, dass auch unter der Voraussetzung, dass der von der Klägerin gewählte Aufbau der §§ 243, 244 StGB als vertretbar zu werten wäre, dies allein keinen Notensprung rechtfertigen würde, da dieser Mangel - wie bereits in der ersten Stellungnahme vom 26. September 2003 ausgeführt - nur einer von vielen zu der Bewertung führenden Kritikpunkten gewesen sei. Die Arbeit der Klägerin habe im Gesamteindruck nicht einer ausreichenden Leistung entsprochen, die entscheidenden Probleme seien nicht angesprochen worden, es fehle an einer ausreichenden Argumentation und die Bearbeitung sei unvollständig. Deshalb bleibe sie, die Erstkorrektorin, auch bei Nichtberücksichtigung des Aufbaus bei ihrer Bewertung. In ihrer ersten Stellungnahme vom 26. September 2003 heißt es hierzu unter anderem, entscheidend für die Bewertung sei vielmehr gewesen, dass die Klausur gerade nicht als "grundsätzlich vollständige Arbeit" bezeichnet werden könne. Es fehlten wesentliche Tatbestände, Überschriften und Stichworte reichten insoweit nicht aus. Entscheidende Fragen und Probleme der Klausur würden gar nicht erörtert, wie zum Beispiel die Hehlerei im ersten und dritten Tatkomplex oder die die Tatbestände würden nicht vertieft genug geprüft, wie zum Beispiel bei der Beurteilung der Zahlenkombination als Schlüssel. Die Gesamtbetrachtung ergebe eine Vielzahl von Mängeln im ersten und dritten Tatkomplex, die durch die nur als oberflächlich zu bezeichnende Behandlung des zweiten Abschnittes nicht ausgeglichen werden könnten. Die durchschnittlichen Anforderungen würden durch diese Bearbeitung nicht erfüllt.

Dieser Einschätzung ist der Zweitprüfer in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. November 2003 gefolgt. Hier heißt es, dass der von der Klägerin gewählte Prüfungsaufbau für die Benotung der Klausur als mangelhaft nicht ausschlaggebend gewesen sei. Bedeutsam sei vielmehr, dass die Klägerin im Hinblick auf die Prüfung der §§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB das eigentliche Problem unzureichend behandelt habe. Schon aus diesem Grund sei die Frage des Aufbaus der Prüfung nicht ausschlaggebend, um die Grenze einer mangelhaften zu einer ausreichenden Arbeit zu markieren.

Diese Stellungnahmen der Prüfer rechtfertigen daher die Annahme, dass sich die negativen Anmerkungen zu der Aufbaufrage nicht entscheidend auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt haben mit der Folge, dass insoweit auch mögliche Bewertungsfehler ohne Einfluss auf die Benotung geblieben sind. Zwar ist vom Grundsatz her anzunehmen, dass kritische Prüferanmerkungen ebenso wie mögliche Bewertungsfehler in der Regel in die Notenbildung Eingang gefunden haben und sich nur in Ausnahmefällen nicht auf die Bewertung auswirken (vgl. hierzu Niehues, Rdnr. 690 f.). Der Senat sieht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG, Urt. v. 4.5.1999 - 6 C 13.98 -, NVwZ 2000, 915) eine solche Ausnahme in einem Fall wie dem vorliegenden jedoch dann als gegeben an, wenn die Prüfer vermeintliche Fehler des Prüflings ausdrücklich und nachvollziehbar als geringfügig oder sogar als unerheblich bezeichnen und bei der Notenbildung wie hier nur auf ganz bestimmte Aspekte der Aufgabenbewältigung abstellen (vgl. hierzu Urt. d. Senats v. 2.2.2005 - 2 LB 4/03 -, juris). Deshalb ist es den Prüfern nicht verwehrt, sich nach Auseinandersetzung mit den Einwendungen des Prüflings gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistung unter Vermeidung früherer als Mängel bezeichneter Begründungselemente darauf zu berufen, dass und aus welchen Gründen sie ihre bei der ersten Bewertung der Prüfungsleistung vergebene Note auch bei selbstkritischer Würdigung nach wie vor für zutreffend halten. Die für die Beibehaltung angegebenen Gründe dürfen nur nicht auf einer Änderung des Bewertungssystems beruhen (BVerwG, Urt. v. 14.7.1999 - 6 C 20.98 -, BVerwGE 109, 211 = NJW 2000, 1055; Beschl. v. 28.4.2000 - 6 B 6/00 -, juris). Von letzterem ist angesichts der für die Bewertung maßgeblichen Aspekte, die die Prüfer in ihren Voten und zusätzlichen Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht haben, nicht auszugehen. Dass die Prüfer zur Rechtfertigung ihres Ergebnisses im Widerspruchsverfahren ihre Bewertungsmaßstäbe in unzulässiger Weise verschoben hätten, wird von der Klägerin zwar behauptet, aber nicht hinreichend dargelegt. Der allgemeine Verweis der Klägerin in ihrer Begründungsschrift auf die Ausführungen in erster Instanz reicht hierfür nicht aus; vielmehr verlangt das Darlegungserfordernis, dass die Antragsbegründung aus sich selbst heraus verständlich sein muss (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 2. Aufl. 2006, § 124 a Rdnr. 198 ff. m. w. N.).

Die Kritik der Klägerin an der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, sie könne auch mit ihren Rügen im Zusammenhang mit der Verwerflichkeitsprüfung (§ 253 StGB) im dritten Tatkomplex der Strafrechtsklausur nicht durchdringen, greift ebenfalls nicht durch. Der Zweitkorrektor hält der Klägerin in seiner ersten Stellungnahme vom 14. Oktober 2003 insoweit vor, sie habe die Frage, ob mit einem erlaubten Verhalten gedroht werde, nach einer in der Literatur durchaus verbreiteten Meinung bereits ein Tatbestandsmerkmal darstelle, nicht erkannt. Denn aus diesem Grunde könne die Empfindlichkeit eines Übels abzulehnen sein, da derjenige, dem etwas Erlaubtes in Aussicht gestellt werde, eben das zu dulden habe. Mit dieser Kritik wertet der Zweitprüfer die von der Klägerin in Übereinstimmung mit einem Teil der Rechtsprechung, die die Frage der Drohung mit einem erlaubten Verhalten erst im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung bei der Zweck-Mittel-Relation ansiedelt, gewählte Antwort nicht als falsch. Auf das Ergebnis der Prüfung durch die Klägerin kommt es ihm hierbei ersichtlich nicht an. Er bemängelt vielmehr, die Klägerin habe diese Frage - mit welchem Ergebnis auch immer - nicht bereits auf der Tatbestandsebene erörtert; was angesichts einer in der Literatur verbreiteten Meinung aber zu erwarten gewesen sei. Damit bezieht sich die Kritik auf die Vollständigkeit der Klausurbearbeitung, so dass sie dem prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum des Prüfers zuzuordnen ist. Mit ihr wird nicht die Vertretbarkeit der Lösung ausgeschlossen, sondern die Qualität der Darstellung bemängelt.

Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, die Bewertungen der Erstprüferin und des Zweitprüfers lägen in der Sache so weit auseinander, dass von einem unauflöslichen Wertungswiderspruch auszugehen sei. Beide Prüfer bewegen sich mit ihren kritischen Anmerkungen vielmehr im Rahmen ihres prüfungsspezifischen Bewertungsspielraumes, der - wie ausgeführt - nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Jeder der beteiligten Prüfer muss in eigenverantwortlicher Entscheidung die Leistungen des Prüflings selbst, unmittelbar und vollständig beurteilen (Niehues, a. a. O., Rdnr. 565). Aber auch wenn die Prüfer unterschiedliche Fehler rügen oder unterschiedliche Beurteilungsschwerpunkte setzen, können sie im Ergebnis zu einer identischen Bewertungsnote gelangen. Überdies begründen im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht der Klägerin beide Prüfer ihre Bewertungsnote im Wesentlichen gleichlautend, nur in Nuancen unterscheiden sich ihre Begründungen. Dass der Zweitkorrektor in seiner Bewertung einerseits die Bemühungen der Klägerin um eine weitgehend saubere Subsumtion hervorhebt, andererseits sich aber der Bewertung der Erstkorrektorin anschließt, führt nicht zu einem Wertungswiderspruch. Der Zweitkorrektor führt diesen für die Klägerin positiven Aspekt zwar an, stellt aber zugleich im nächsten Satz ausdrücklich klar, dass dem so viele Fehler gerade bei entscheidenden Passagen des Falles gegenüberstünden, dass die Arbeit nur mit mangelhaft beurteilt werden könne.

Hinsichtlich der Bewertung der öffentlich-rechtlichen Klausur hat der Kläger bereits ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht in einem § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlichen Umfang dargelegt. Allein der Hinweis der Klägerin, sie habe in ihrer Klagebegründung ihre Vorgehensweise in der Klausur unter Bezugnahme auf Literaturhinweise untermauert, reicht nach dem oben Gesagten nicht aus.

Soweit die Klägerin Bewertungsfehler hinsichtlich beider Klausuren daraus herleitet, dass die Bewertungen dieser Klausuren im Jahr 2003 im Vergleich zu den Vorbewertungen aus dem Jahr 2001 schlechter ausgefallen sind, liegt hierin kein Verstoß gegen allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius), das auf dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz beruhe, dass im Rahmen der Neubewertung einer Prüfungsleistung auch die neuen Prüfer im Rahmen des Möglichen denselben Bewertungsmaßstab wie die bisherigen Prüfer zugrunde zu legen hätten. Da die Neubewertung der beiden streitgegenständlichen Klausuren durch neue Korrektoren schlechter ausgefallen sei als die alte Bewertung, sei gegen diesen Grundsatz verstoßen worden. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die neuen Prüfer eine von Grund auf neue Bewertung vorzunehmen hätten, resultiere "im Wesentlichen auf einer früheren (NVwZ 1993, 686) Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Brehm, NJW 2003, 2808)" und sei "somit zwischenzeitlich obsolet". Damit weiche das Verwaltungsgericht "von der oben zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts" ab. Mit diesem Vorbringen kann sie nicht durchdringen.

Der Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes steht zum einen bereits der rechtsgültig geschlossene gerichtliche Vergleich der Beteiligten im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Mai 2003 entgegen. In Ziffer 3. dieses Vergleichsbeschlusses ist geregelt, dass die bisherigen Bewertungen der beiden Aufsichtsarbeiten in jedem Fall durch Neubewertungen ersetzt werden sollten. Die Klägerin hat in dem Vergleich zudem ausdrücklich das Risiko übernommen, dass eine oder beide Neubewertungen schlechter als die bisherigen Bewertungen ausfallen konnten. Sie kann daher nicht verlangen, dass die Neubewertung einer Aufsichtsarbeit mindestens die bisherige Note erreicht, und die Anfechtung einer dieser Neubewertungen daher nicht darauf stützen, dass die vorherige Bewertung besser ausgefallen war. Gründe, warum diese Bestimmungen in dem Vergleich nunmehr nicht mehr gelten sollen, hat die Klägerin nicht dargelegt.

Zum anderen hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 24. Februar 1993 - 6 C 38.902 - (BayVBl. 1993, 504 = NVwZ 1993, 686 ) in dem Leitsatz 4 zwar den Grundsatz aufgestellt, dass die Neubewertung einer Prüfungsarbeit (sei es durch die bisherigen oder neue Prüfer) aufgrund begründeter Beanstandungen des Prüflings nicht zu einer Verschlechterung der Prüfungsnote führen dürfe. Aus den Gründen dieser Entscheidung ergibt sich aber, dass dieser Grundsatz zu relativieren ist. Denn dort ist ausgeführt, dass die neuen Prüfer, da sie erstmals in dieser Sache tätig würden, eine von Grund auf neue Gesamtbewertung vornehmen müssten. Des Weiteren ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gilt, sondern nur für den Fall, dass schlicht ein den Prüfling belastender Bewertungsfehler zu korrigieren ist, ohne dass dies Folgewirkungen im Sinne nunmehr notwendiger weiterer Bewertungen hat. Eine unzulässige "reformatio in peius" liegt demnach nicht vor, wenn der Prüfer eine früher als falsch bewertete, nunmehr (aufgrund gerichtlicher Entscheidung) als vertretbar anzusehende Lösung erstmals auf ihre sachgerechte Durchführung untersucht und sich auf dieser Grundlage neue Einwendungen ergeben (BVerwG, Urt. v. 14.7.1999 - 6 C 20.98 -, a. a. O.; vgl. hierzu auch Niehues, Prüfungsrecht, 4. Aufl. 2004, Rdnr. 700 ff., 728 m. w. N.). In diesem Fall kann der (alte oder neue) Prüfer mithin zu einem schlechteren Ergebnis kommen. So liegt es auch in dem vorliegenden Fall: Bereits aufgrund des zwischen den Beteiligten geschlossenen gerichtlichen Vergleiches in dem Klageverfahren 6 A 4849/02 war eine neue selbständige, von der bisherigen Bewertung völlig losgelöste Bewertung der beiden Aufsichtsarbeiten vorzunehmen. Dass dies ausnahmsweise nicht zulässig ist oder dass dies aus anderen Gründen nicht gelten soll, hat die Klägerin nicht dargelegt.

2. Die Divergenzrüge der Klägerin greift ebenfalls nicht durch.

Eine Divergenz ist gegeben, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte (Divergenzgerichte) aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht und die erstinstanzliche Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Die fehlerhafte Rechtsanwendung allein, d. h. etwa die Verkennung oder das Übersehen der obergerichtlichen Rechtsprechung, begründet hingegen keine Divergenz (Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, Kommentar, 3. Aufl. 2005, § 124 Rdnr. 52, 56 m. w. N.). Des Weiteren rechtfertigt die Abweichung von einer Rechtsprechung, an der in späteren Entscheidungen nicht mehr festgehalten worden ist, nicht die Divergenzzulassung (Seibert, in: Sodan/Ziekow, a .a. O., § 124 Rdnr. 175 m. w. N.).

Um dem Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO im Rahmen der Divergenzrüge zu genügen, ist die Darlegung erforderlich, mit welchem Rechtssatz das Verwaltungsgericht von einem in der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte aufgestellten Rechtssatz abgewichen sein soll. Dazu muss der Rechtsmittelführer zum einen die Entscheidung des Gerichts, von der abgewichen werden soll, sowie einen in dieser Entscheidung enthaltenen entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz so bezeichnen, dass er ohne langes Suchen auffindbar ist. Zum anderen muss er einen gleichfalls entscheidungserheblichen ebenso abstrakten Rechtssatz aus der angefochtenen Entscheidung anführen oder herausarbeiten und aufzeigen, dass der Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung von dem in der Divergenzentscheidung aufgestellten Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift abweicht (Seibert, in: Sodan/Ziekow, a. a. O., § 124 a Rdnr. 215 m. w. N.).

Diesen Erfordernissen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Sie verweist auch in diesem Zusammenhang lediglich auf das Verschlechterungsverbot und meint, die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die neuen Prüfer eine von Grund auf neue Bewertung vorzunehmen hätten, beruhe "im Wesentlichen auf einer früheren (NVwZ 1993, 686) Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Brehm, NJW 2003, 2808)" und sei "somit zwischenzeitlich obsolet". Damit weiche das Verwaltungsgericht "von der oben zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts" ab. Mit diesem Vorbringen kann sie nicht durchdringen.

Der Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes steht zum einen - wie ausgeführt - bereits der rechtsgültig geschlossene gerichtliche Vergleich der Beteiligten im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Mai 2003 entgegen. In Ziffer 3. dieses Vergleichsbeschlusses ist geregelt, dass die bisherigen Bewertungen der beiden Aufsichtsarbeiten in jedem Fall durch Neubewertungen ersetzt werden sollen.

Dieses Vorbringen der Klägerin genügt zum anderen nicht dem oben erwähnten Darlegungserfordernis. Sie hat bereits an keiner Stelle ihres Begründungsschriftsatzes vom 11. Dezember 2006 in der erforderlichen konkreten und unmissverständlichen Weise eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der das Verwaltungsgericht abgewichen sein soll, benannt.

Die auf Seite 3 oben dieses Schriftsatzes zitierte "Entscheidung des BVerwG 91, 262 ff" (gemeint ist mit diesem Hinweis offensichtlich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 -, BVerwGE 91, 262 = NVwZ 1993, 677) befasst sich mit der hier maßgeblichen Problematik des Verschlechterungsverbotes für den Fall, dass die Neubewertung nicht durch die bisherigen, sondern durch neue Korrektoren erfolgt, nicht. In dieser Entscheidung wird vielmehr - neben der Frage der Art und dem Inhalt der Begründung der Bewertung von schriftlichen Prüfungsarbeiten - (unter Ziffer 3 c der Entscheidungsgründe) die Frage problematisiert, welche Prüfer im Falle einer fehlenden Begründung die neue Bewertung und Begründung vorzunehmen haben.

Auch auf Seite 5 des genannten Schriftsatzes der Klägerin wird eine einschlägige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in der erforderlichen Weise benannt. Bei der von ihr genannten Fundstelle ("vgl. BayVBl. 1994, 263") handelt es sich nicht um die Fundstelle einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, sondern um den Teil eines fachwissenschaftlichen Aufsatzes des Autors von Golitschek, in dem die bis dahin ergangene Rechtsprechung im Hinblick auf die "Bewertung der Prüfungsleistungen in juristischen Staatsprüfungen und deren gerichtliche Kontrolle" erörtert wird. Unter Ziffer 4. dieses Aufsatzes wird zwar die Problematik des Verbotes der reformatio in peius vorgestellt und in diesem Zusammenhang wird die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 1993 - 6 C 38.902 - genannt. Aber auch hier gilt das im Zusammenhang mit dem Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel Gesagte: Diese Entscheidung stellt in dem Leitsatz 4 zwar den Grundsatz auf, dass die Neubewertung einer Prüfungsarbeit (sei es durch die bisherigen oder neue Prüfer) aufgrund begründeter Beanstandungen des Prüflings nicht zu einer Verschlechterung der Prüfungsnote führen dürfe. Aus den Gründen dieser Entscheidung ergibt sich aber zum einen, dass dieser Grundsatz zu relativieren ist. Zum anderen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gilt. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Auch im Rahmen der Divergenzrüge hat die Klägerin dem nichts Durchgreifendes entgegengesetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 47 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. II.36.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 7/2004 (NVwZ 2004, 1327).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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