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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.05.2007
Aktenzeichen: 2 LA 410/05
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3
Zur Überprüfbarkeit der Eignung, des Schwierigkeitsgrades und des Umfangs einer Aufgabenstellung des Ersten Juristischen Staatsexamens.

Zur Einbeziehung von Konzeptblättern in die zu bewertende Bearbeitung.


NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 2 LA 410/05

Datum: 07.05.2007

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe, auf die der Senat bei der Überprüfung seines Begehrens beschränkt ist, nicht gegeben sind.

Die Voraussetzungen des maßgeblich geltend gemachten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), das dem Klagebegehren im Hinblick auf die ausgesprochene Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung nur teilweise entsprochen hat, liegen nicht vor.

Ernstliche Zweifel sind dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist dann der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163; Nds. OVG, Beschl. v. 17.01.2006 - 2 LA 1259/04 -). Es kommt dabei nicht darauf an, ob einzelne Begründungselemente der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung unrichtig sind, sondern allein darauf, ob diese im Ergebnis unrichtig ist (Nds. OVG, Beschl. v. 17.01.2006, a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall.

Im Hinblick auf die Bewertung der Klausur 3 (öffentliches Recht) ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu der Einschätzung gelangt, dass Bewertungsfehler nicht vorliegen. Insbesondere vermag der Kläger insoweit mit seinem Einwand nicht durchzudringen, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Prüfer der Klausur 3 dadurch, dass sie die von ihm in der Fallbearbeitung bevorzugte Verfahrensart als unzutreffend angesehen hätten, gegen den allgemeinen Bewertungsgrundsatz verstoßen hätten, dass eine mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung nicht als fehlerhaft bewertet werden dürfe. Die Vorinstanz ist im Ergebnis ihrer Betrachtung vielmehr zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Prüfer der verfassungsrechtlichen Aufsichtsarbeit mit ihrer Kritik innerhalb des ihnen zustehenden prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums gehalten haben. Dafür, dass die Prüfer mit Blick auf die von dem Kläger gewählte und auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 a GG gestützte Antragsart ein vertretbares Ergebnis nicht als fehlerhaft eingestuft, sondern die Qualität der Darstellung sowie die Überzeugungskraft der Argumentation kritisch hinterfragt haben (zur Einbeziehung dieser Bewertungsmerkmale in den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum BVerfG, Beschl. v. 17.04.1991 - 1 BvR 419/81 u.a. -, BVerfGE 84, 34, 54 f.; BVerwG, Beschl. v. 17.12.1997 - 6 B 55.97 -, Buchholz 421.0, Prüfungswesen Nr. 385; Nds. OVG, Urt. v. 27.01.1999 - 10 L 6146/96 -), sprechen zunächst die Hinweise des Erstprüfers in der Beurteilung vom 29. Februar 2004, dass es der Kläger bei der von ihm gewählten Verfahrensart an einer Abgrenzung zu Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG habe fehlen lassen und dass - so die zusammenfassende Würdigung - die Wahl der Verfahrensart nicht gänzlich überzeuge. Auf die Einwendungen des Klägers im Widerspruchsverfahren hat sich der Erstprüfer zwar zunächst dahin eingelassen, dass die von dem Kläger gewählte Verfahrensart entgegen seiner Auffassung nicht zutreffend sei. Diese Feststellung hat der Prüfer jedoch nicht ergebnisorientiert getroffen, sondern auf die Art und Weise der Darstellung in der Fallbearbeitung bezogen. Dies belegen unzweideutig die unmittelbar folgenden Anmerkungen der zusätzlichen Stellungnahme vom 22. August 2004, wo es heißt:

"Die Wahl der Verfahrensart ist entgegen der Auffassung des Prüflings im Ergebnis nicht zutreffend. Zwar sind die Voraussetzungen der Verfahrensarten nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 2 a GG weitgehend gleich. Entscheidender Kritikpunkt ist, dass der Verfasser eine Abgrenzung anhand des Antrags zu Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG nicht ausreichend vornimmt. Dies war aber der einzig problematische Punkt in der ansonsten leichteren Zulässigkeit."

Insoweit muss sich der Kläger entgegenhalten lassen, dass auch eine möglicherweise vertretbare Lösung mit gewichtigen Gegenargumenten und folgerichtig begründet werden muss und nicht schon für sich gesehen eine bessere Bewertung rechtfertigt. Dies verdeutlicht insbesondere auch die zusätzliche Stellungnahme des Zweitprüfers vom 1. September 2004, der sich der Bewertung des Erstkorrektors angeschlossen hatte und den Einwendungen des Klägers im Widerspruchsverfahren nachvollziehbar mit der Feststellung entgegengetreten ist, dass die Bearbeitung der Klausur keine Rückschlüsse auf eine ausführliche Erörterung und Diskussion des Problems zulasse, inwieweit die Überprüfung des Gesetzgebungsverfahrens in einen auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 a GG gestützten Antrag einzubeziehen sei, sondern insoweit nur eine schlichte Rechtsbehauptung ohne Begründung und gutachtliche Herleitung enthalte.

Beziehen sich danach die kritischen Anmerkungen der Prüfer zum Umfang des Antragsverfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 a GG auf die Begründungstiefe der Fallbearbeitung, so ist ausschließlich der prüfungsspezifische Bewertungsspielraum berührt, der mit Blick auf die Sachlichkeit und Angemessenheit der Kritik vorliegend auch nicht überschritten wird. Hieran ändert auch der mit der Klagebegründung verbundene Hinweis auf den Aufsatz von B. "Der Charakter des Verfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 a GG" (JuS 2004, 770 ff.) nichts, der im Ergebnis seiner Betrachtung das Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 a GG als prinzipales Normenkontrollverfahren ansieht, das sich auf die formellen Voraussetzungen der Gesetzgebung des Bundes bezieht, ohne allerdings näher darauf einzugehen, ob von diesem Antragsverfahren - wie es der Kläger für seine Bearbeitung der Klausur in Anspruch nimmt - auch das Zusammenwirken der Verfassungsorgane im Gesetzgebungsverfahren umfasst wird. Abgesehen davon, dass die im Zusammenhang mit der vorangegangenen Charakterisierung von Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 a GG stehenden Äußerungen des vom Kläger angeführten Autors

"Erwartet wird von ihm eine Entscheidung über die Gültigkeit einer Rechtsvorschrift, für die streitig ist, ob sie den Normerzeugungsregeln des Grundgesetzes bei der föderativen Verteilung der Gesetzgebungsbefugnis im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung entspricht."

für die in der Klausur befürwortete Ausdehnung von Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 a GG möglicherweise gar nichts hergeben, lässt sich der von den Prüfern vermisste und nachvollziehbar angemahnte Prüfungs- und Begründungsumfang nicht durch eine das Ergebnis der Bearbeitung möglicherweise tragende Fundstelle eines rechtswissenschaftlichen Aufsatzes ersetzen.

Das angefochtene Urteil unterliegt auch nicht insoweit ernstlichen Zweifeln, als es die Aufgabenstellung der Klausur W 3 (öffentliches Recht) im Hinblick auf ihren Schwierigkeitsgrad und Umfang als geeignet und zulässig angesehen und einen Verstoß gegen das Gebot von Fairness und Chancengleichheit verneint hat.

Ob der vom Prüfungsamt für die Stellung einer Aufsichtsarbeit ausgewählte Prüfungsstoff zulässig ist, beurteilt sich zunächst nach den einschlägigen Vorgaben der maßgeblichen Prüfungsordnung, vorliegend nach §§ 16 Nr. 3, 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NJAVO a.F., nach denen unter anderem das Staatsrecht und aus dem Verfassungsprozessrecht die Verfassungsbeschwerde die Aufgabengestaltung einer öffentlich rechtlichen Klausur bestimmen dürfen. Dass sich der Beklagte mit der Auswahl des Prüfungsstoffes innerhalb dieses Rahmens gehalten hat, wird von dem Zulassungsantrag nicht in Frage gestellt.

Wählt die Prüfungsbehörde wie hier einen zulässigen Prüfungsstoff aus, so unterliegt die Frage, ob die Aufgabengestaltung einer Aufsichtsarbeit für die juristische Staatsprüfung geeignet ist, nur eingeschränkter gerichtlichen Kontrolle. Die Erstellung der Aufgabe und die Auswahl der Prüfungsthemen beruht ebenso wie die Bewertung der Prüfungsleistungen auf fachwissenschaftlich wie auch auf prüfungsspezifischen Gesichtspunkten, so dass der Prüfungsbehörde hierfür ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen ist mit der weiteren Folge, dass die Auswahl einer Aufgabenstellung gerichtlich lediglich anhand der einschlägigen prüfungsrechtlichen Vorschriften und auf einen Verstoß gegen das Willkürverbot und den Grundsatz der Chancengleichheit, nicht jedoch auf die sonstige Zweckmäßigkeit hin überprüft werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.07.1987 - 7 C 118.96 -, Buchholz 421.0, Prüfungswesen Nr. 242; Beschl. v. 01.02.1995 - 6 B 87.94 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 344; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.03.1989 - 9 S 3264/88 -, NVwZ-RR 1989, 482). Mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dürfen die Leistungsanforderungen einer juristischen Staatsprüfung nicht außer Verhältnis zu den Anforderungen stehen, zu denen die Prüfung den Zugang eröffnen soll (BVerwG, Urt. v. 17.07.1987, a.a.O.). Dieser zuletzt genannte Gedanke ist auch der Bestimmung des § 2 NJAG in der für die Prüfung des Klägers anwendbaren a.F. zu entnehmen, nach dem die erste Staatsprüfung der Feststellung dient, ob der Prüfling das Recht mit Verständnis erfassen und anwenden kann, in den Prüfungsfächern einschließlich der europarechtlichen Bezüge, der rechtswissenschaftlichen Methoden und der philosophischen, geschichtlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Grundlagen über die erforderlichen Kenntnisse verfügt und damit für den juristischen Vorbereitungsdienst fachlich geeignet ist.

Die an die Auswahl und damit an die Eignung des Prüfungsstoffes für eine Aufsichtsarbeit zu stellenden Anforderungen umschreibt § 19 Abs. 2 NJAVO a.F. dahin, dass die Aufgaben rechtlich und tatsächlich einfach liegen, jedoch dem Prüfling hinreichend Gelegenheit geben sollen, die Fähigkeit zur Erörterung von Rechtsfragen zu zeigen. Dass § 19 Abs. 2 NJAVO a.F. einen rechtlich und tatsächlich einfachen Fall als Klausuraufgabe verlangt, besagt nicht, dass sich die Lösung des Prüfungsfalles als leicht und anspruchslos erweisen muss, dem Prüfling also nicht etwas abverlangen darf, das er sich an Hand der im Studium erworbenen Kenntnisse erst erarbeiten oder hinterfragen muss. Das folgt schon aus dem Satzzusammenhang, in dem der Hinweis auf eine rechtlich und tatsächlich einfache Aufgabenstellung mit der nachfolgenden Anforderung steht, dass die Aufgaben hinreichend Gelegenheit geben sollen, die Fähigkeit zur Erörterung von Rechtsfragen zu zeigen. Einfach im Sinne von leicht und anspruchslos darf die Falllösung daher nicht sein, da sie dann dem Prüfling die ebenfalls geforderte Gelegenheit nicht vermitteln würde, seine Fähigkeit zur Erörterung von Rechtsfragen zu zeigen. Die Klausuraufgabe darf und soll daher rechtliche Probleme enthalten, deren Erörterung zur Lösung gehört oder die sie vertieft (vgl. dazu Herzberg, JuS 1988, 239, 240). Nur so lässt sich auch die in § 2 NJAG a.F. zum Zweck der ersten juristischen Staatsprüfung postulierte Feststellung treffen, dass der Prüfling das Recht mit Verständnis erfassen und anwenden kann, in den Prüfungsfächern über die erforderlichen Kenntnisse verfügt und damit die fachliche Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst erworben hat. Eine Gleichschaltung von "einfach" und "leicht" sowie die damit verbundene Forderung nach einer anspruchslosen Aufgabengestaltung könnte die an die Feststellung von Eignung und Befähigung zu stellenden Anforderungen nicht erfüllen, weil sich in der Prüfung der Prüfling, der sich im Verlauf seiner Universitätsausbildung Wissen und Kenntnisse angeeignet hat, von einem anderen Prüfling, der auf ein gewissenhaft betriebenes Studium verzichtet hat und nur auf die Leichtigkeit und Anspruchslosigkeit der Prüfungsaufgaben vertraut, so gut wie nicht unterscheiden würde.

An den vorstehenden, aus der Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck der maßgeblichen Prüfungsnorm abgeleiteten Erwägungen gemessen erweist sich der Sachverhalt einer Klausur der ersten juristischen Staatsprüfung dann als einfach und nicht als kompliziert, wenn er aus sich heraus verständlich, für den Prüfling innerhalb einer im Verhältnis zur Gesamtbearbeitungszeit überschaubaren Zeitrahmens erfassbar und auslegungsfähig ist, ohne dass es - etwa wie bei den Prüfungsarbeiten der zweiten juristischen Staatsprüfung - vorab einer für die rechtliche Würdigung verbindlichen Sachverhaltsfeststellung bedarf. Im Hinblick auf den Schwierigkeitsgrad der zu erörternden Rechtsfragen hält sich die Aufgabengestaltung einer Prüfungsklausur dann im Rahmen des § 19 Abs. 2 NJAVO a.F., wenn sie es dem Prüfling ermöglicht, aufgrund der von ihm im Verlauf der Ausbildung erworbenen Fachkenntnisse innerhalb der vorgegebenen Bearbeitungszeit ohne weitere Hilfsmittel als den einschlägigen Gesetzestexten eine brauchbare Falllösung zu erarbeiten.

Nach diesen Maßstäben übersteigt der Schwierigkeitsgrad der Klausur W 3 (VR) nicht den durch § 19 Abs. 2 NJAVO a.F. vorgegebenen Rahmen. Sie enthält einen überschaubaren, schnell erfassbaren und in zwei Aufgabenteile gegliederten Sachverhalt, dessen erster Teil der sogenannten Glykolweinentscheidung (BVerfGE 105, 252 ff.) nachgebildet wurde. Die rechtlichen Anknüpfungspunkte bilden Verfassungsbeschwerden gegen eine letztinstanzliche verwaltungsgerichtliche Entscheidung sowie gegen eine Legalenteignung und eine landesverfassungsrechtliche Kommunalverfassungsbeschwerde im Hinblick auf die Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Damit umfasste die Aufgabengestaltung einen einschlägigen Prüfungsstoff aus den Bereichen der Grundrechtsdogmatik und des Verfassungsprozessrechts und verlangte dem Prüfling Kenntnisse ab, die zu dem Ausbildungsprogramm des zuvor durchlaufenen Hochschulstudiums zählten. Soweit die Erstprüferin wie der Zweitprüfer in Anbetracht des mit der Aufgabenstellung verbundenen Umfangs der Bearbeitung den Schwierigkeitsgrad als hoch eingeschätzt haben, haben sie diesen Aspekt in ihre Bewertung einbezogen, die Prüfungsarbeit aber nicht nur wegen der fehlenden Vollständigkeit der Bearbeitung, sondern auch deshalb nur mit "mangelhaft" (1 Punkt) bewertet, weil die im ersten Teil der Aufgabe zu prüfenden Probleme nicht beanstandungsfrei erörtert und gelöst worden sind. Zu diesem auch in dem angefochtenen Urteil erwähnten Umstand verhält sich der Zulassungsantrag im Übrigen nicht.

Hält sich die Fallgestaltung nach allem im Rahmen von § 19 Abs. 2 NJAVO a.F. und erweist sie sich auch sonst nicht als unverhältnismäßig sondern lösbar, so verstößt sie darüber hinaus auch nicht deshalb gegen das Gebot der Chancengleichheit und der fairen Behandlung der Prüflinge, weil eine oder mehrere Aufsichtsarbeiten in einer vorangegangenen Klausurenkampagne nach der Einschätzung eines Prüflings - wie des Klägers - einen geringeren Schwierigkeitsgrad aufgewiesen haben könnten. Ein aus dem Grundsatz der Chancengleichheit abzuleitendes zwingendes Gebot, einen absolut einheitlichen Schwierigkeitsgrad bei der Aufgabenstellung aller Prüfungsarbeiten zu wahren, würde die für das Prüfungsverfahren erforderliche Gestaltungsfreiheit der Prüfungsbehörde wie auch der Prüfer unzulässig einengen (BVerwG, Beschl. v. 01.02.1995, a.a.O.).

Auch der mit der Bewertung der Klausur W 3 verbundene Hinweis des Klägers, das Verwaltungsgericht habe fehlerhaft eine Verpflichtung der Prüfer verneint, die ebenfalls mit der Bearbeitung abgegebenen Konzept- und Gliederungsblätter in die Bewertung einzubeziehen, begründet keinen Bewertungsfehler und führt nicht zu einer Zulassung der Berufung. Angesichts dessen, dass die Konzeptaufzeichnungen eines Prüflings nur dessen vorläufige Überlegungen zur Lösung der Prüfungsaufgabe wiedergeben, hat das Verwaltungsgericht die Forderung des Prüflings, Konzeptblätter in die Bewertung einfließen zu lassen, nur dann als gerechtfertigt angesehen, wenn er dieses Begehren ausdrücklich verdeutlicht hat (vgl. dazu auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.10.1996 - 9 S 2437/95 -, VBlBW 1997, 70; VG Ansbach, Urt. v. 30.01.2001 - AN 2 K 00.00648 -, zitiert nach Juris; Wassermann/Kirchner/Kröpil, Das Recht der Juristenausbildung, § 12 NJAO, RdNr. 7). Diese Forderung nach einer eindeutigen und unmissverständlichen Äußerung des Prüflings rechtfertigt sich insbesondere dann, wenn sich die in Konzeptblättern niedergelegten Überlegungen als fehlerhaft erweisen sollten, und die Bewertung zusätzlich negativ beeinflussen könnten.

Dass es vorliegend an der gebotenen Kenntlichmachung des Willens zur Einbeziehung der Konzeptblätter fehlt, stellt das angefochtene Urteil zutreffend fest, ohne dass es hiergegen etwas zu erinnern gibt. Der Kläger hat die Fallbearbeitung mit der Überschrift "Gutachten" und den von 1 bis 14 durchnummerierten Seiten deutlich von den gesondert mit den Seiten 1 bis 8 paginierten und als solche ausdrücklich beschriebenen Konzeptblättern getrennt und letztere daher nicht zum Bestandteil der Klausurlösung gemacht, wobei die unterschiedliche farbliche Gestaltung der Bearbeitungs- wie Konzeptblätter der erkennbaren Trennung zusätzliches Gewicht verleiht.

Der Kläger kann in diesem Zusammenhang auch nicht mit der Rüge Gehör finden, dass das Verwaltungsgericht bei seiner rechtlichen Betrachtung von einer fehlerhaften Sachverhaltsfeststellung ausgegangen sei und zudem seine Aufklärungspflicht verletzt habe, so dass zusätzlich der Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO gegeben sei. So habe er, der Kläger, unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Prüflinge des Examensdurchgangs A/2004 im Vorfeld der Aufsichtsarbeiten von dem Aufsichtspersonal dahingehend belehrt worden seien, dass es ihnen frei stehe, ob und was sie zu ihrer Prüfungsleistung einreichten. Die Bearbeitungsblätter, die sie nicht zu ihren Prüfungsunterlagen hätten einreichen wollen, hätten sie zerreißen und beiseite legen können. Wenn den Prüflingen insoweit eine Wahl gelassen werde, welche Bearbeitungspapiere sie abzugeben oder der Prüfungsakte vorzuenthalten gedächten, erweise sich die Abgabe der Konzeptpapiere als fakultativ.

Mit diesem Hinweis hat der Kläger weder einen durchgreifenden Verfahrensfehler noch eine fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung des Verwaltungsgerichts dargelegt. Das Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine - wie hier - durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei nicht ausdrücklich beantragt hat (BVerwG, Beschl. v. 27.10.1977 - 6 B 16.77 -, Buchholz 310 § 132 VwGO, Nr. 161; Beschl. v. 02.11.1978 - 3 B 6/78 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO, Nr. 116; Beschl. v. 01.02.1995, a.a.O.). Wenn der Kläger aufgrund des Verlaufs der mündlichen Verhandlung erster Instanz berechtigte Zweifel daran gehabt hätte, dass das Verwaltungsgericht an die Verbindlichkeit der Einbeziehung von Konzeptpapier in die Bewertung einer Prüfungsleistung andere Maßstäbe stellen würde als er und seinen insoweit dargelegten Sachvortrag verkannt haben könnte, hätte es ihm, dem Kläger, oblegen, nach § 86 Abs. 2 VwGO zu verfahren und einen Beweisantrag zu stellen, der von dem Verwaltungsgericht durch Beschluss hätte beschieden werden müssen. Diesen verfahrensrechtlichen Weg hat der Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 28. Juni 2005 jedoch nicht beschritten. Darüber hinaus musste sich dem Verwaltungsgericht aufgrund der von ihm zur Einbeziehung von Konzeptpapier in die Bewertung einer Prüfungsarbeit - zutreffend - vertretenen Rechtsauffassung die von dem Kläger schriftsätzlich angeregte zusätzliche Sachverhaltsaufklärung auch nicht aufdrängen. Nach den Ausführungen in seinem Schriftsatz vom 25. Januar 2005 hatte der Kläger unter Benennung von Zeugen unter Beweis gestellt, dass die Prüflinge im Durchgang A/2004 unmittelbar vor Beginn der ersten Klausur am 7. Januar 2004 im Prüfungssaal in der Stadthalle C. durch das Aufsichtspersonal, nämlich Herrn D. vom Langericht C., dahingehend belehrt worden seien, dass sie Bearbeitungsblätter, die sie nicht zu ihren Prüfungsunterlagen reichen wollten, durchreißen und beiseite legen sollten; ansonsten sollten sämtliche Bearbeitungsblätter abgegeben werden, insbesondere auch die Konzeptpapiere. Auf das Erfordernis, die Konzeptpapiere ausdrücklich zum Bestandteil der Prüfungsleistung zu erklären, sei nicht hingewiesen worden. Mit diesen Ausführungen ist im Ergebnis nur belegt, dass sich das für die erste Klausur (Zivilrecht) eingesetzte Aufsichtspersonal in einer Belehrung dahingehend eingelassen hat, dass die Prüflinge selbst bestimmen könnten, welche Arbeitspapiere sie abzugeben beabsichtigten und dass Bearbeitungsblätter und Konzeptpapier abgegeben werden könnten. Dafür, dass das abgegebene Konzeptpapier quasi per se in die Bewertung der Klausuraufgabe einbezogen würde und die Prüflinge auf die gebotene und unmissverständliche Klarstellung verzichten könnten, gibt der Sachvortrag des Klägers nichts her; es hätte ihm vielmehr oblegen, sein Begehren auf Einbeziehung der Konzeptpapiere äußerlich zu verdeutlichen und auf die oben beschriebene deutliche Trennung von Bearbeitungs- und Konzeptpapier zu verzichten.

Auch im Hinblick auf die von dem Kläger angeführten Beurteilungen der Klausur 1 (Zivilrecht), vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die ständige Bewertungspraxis des Beklagten dahin geht, die Ausführungen auf Konzeptblättern in die Bewertung der Bearbeitung einzubeziehen. In der Beurteilung der Zivilrechtsklausur durch den Erstprüfer heißt es unter anderem:

"Wie oben bereits angedeutet fehlt Verf. hier die Zeit, um die Arbeit zu Ende zu bringen. Verf. geht hier auf eine GoA ein, wobei nicht sauber nach der Fremdheit des Geschäfts differenziert wird. Da endet die Arbeit. Es fehlt die Prüfung der GoA sowie der Anspruch aus § 823. Ein Blick in die Konzeptblätter verrät jedoch dass Verf. diesen erkannt hat und das Kernproblem richtig zugeordnet hat ("Fleetfall"). Der Blick verrät jedoch auch, dass Verf. bei der GoA wohl einen Fremdgeschäftsführungswillen verneint hätte. Das wird hier jedoch nicht beurteilt."

Mit diesem zuletzt genannten Satz hat der Erstprüfer die Einbeziehung der Ausführungen auf dem Konzeptpapier in seine Beurteilung ebenso verneint wie der Zweitprüfer der Zivilrechtsklausur, der in seiner Bewertung unter anderem ausgeführt hat

"Ansprüche aus Deliktsrecht fehlen völlig (abgesehen von den wenigen Stichworten im Konzeptpapier)"

und in seiner zusätzlichen Stellungnahme vom 19. August 2004 im Widerspruchsverfahren ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass Bemerkungen auf dem Konzeptpapier nicht zu berücksichtigen waren.

Entgegen der Annahme des Klägers erweist sich das angefochtene Urteil schließlich auch nicht deshalb als fehlerhaft, weil es in seiner dem Beklagten auferlegten Verpflichtung zur Neubescheidung keine Aussage zur materiellen Rechtmäßigkeit über die Anwendung oder Nichtanwendung der Abweichensklausel nach § 8 Abs. 2 NJAVO a.F. getroffen hat. Mit Blick auf die Anwendung der Abweichungsklausel hat das Verwaltungsgericht seinen von dem Beklagten nicht angefochtenen und damit auch für den Senat verbindlichen Bescheidungsausspruch auf die Verpflichtung des Beklagten beschränkt, eine erneute Entscheidung des Prüfungsausschusses über die Anwendung der Abweichensklausel, also darüber herbeizuführen, ob die aus allen Einzelnoten entsprechend ihrer Gewichtung durch die Prüfungsordnung rechnerisch ermittelte Gesamtnote den Leistungsstand des Klägers zutreffend kennzeichnet oder ob dies ausnahmsweise nicht der Fall ist und die Gesamtnote daher der Korrektur bedarf, weil der Prüfungsausschuss im Zusammenhang mit der angefochtenen Prüfungsentscheidung insoweit einen Verfahrensfehler begangen hatte, als er ein Mitglied bei der Beratung über die Vergabe eines möglichen Zusatzpunktes übergangen und nicht in die abschließende Entscheidungsfindung einbezogen hat. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der zu beantwortenden Frage über die Anwendung der Abweichensklausel um eine Prüfungsentscheidung handelt, die der zuständige Prüfungsausschuss innerhalb seines prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums trifft (BVerwG, Urt. v. 12.07.1995 - 6 C 12.93 -, BVerwGE 99, 74). An der Ausübung dieses Bewertungsvorrechts fehlt es aber, solange noch keine formell verbindliche Prüfungsentscheidung vorliegt, sondern wie hier unter Einbeziehung aller in Betracht kommenden Prüfer erst noch getroffen werden muss. Daraus folgt zugleich, dass es darauf, ob sich die Prüfer, die bisher verfahrensfehlerhaft die Berücksichtigung der Abweichensklausel verneint haben, im Rahmen ihres jeweiligen Bewertungsspielraums gehalten haben, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Prüfungsentscheidung nicht ankommen kann.

Diese Betrachtungsweise liegt zugleich im wohlverstandenen Interesse des Klägers. Denn wenn die von ihm vermisste Erörterung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen über die Anwendung der Abweichensklausel durch das nicht vollständig zusammengesetzte Prüfungsgremium zu dem denkbaren Ergebnis führen würde, dass sich dieses im Rahmen seines Beurteilungsspielraums gehalten und materiell rechtmäßig die Vergabe eines Zusatzpunkts abgelehnt hätte, würde sich die Frage nach dem Sinn einer erneuten Befassung durch das rechtmäßig zusammengesetzte Prüfungsgremium nicht stellen. Mit einer Erwägung, dass die unterlassene Berücksichtigung der Abweichensklausel materiell nicht zu beanstanden und mit dem prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraum zu vereinbaren sei, hätte das Verwaltungsgericht seine die Entscheidung tragende Feststellung, der Prüfungsausschuss habe verfahrensfehlerhaft gehandelt und der Einfluss des Verfahrensfehlers auf das Prüfungsergebnis könne nicht ausgeschlossen werden, selbst in Zweifel gezogen.

Entgegen der Auffassung des Klägers weist die Rechtssache auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Unabhängig von der Frage, ob das Vorbringen des Klägers insoweit dem Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt, liegt dieser Zulassungsgrund nicht vor. Der von dem Kläger zur Überprüfung gestellte Sachverhalt weist in rechtlicher Hinsicht keine überdurchschnittlichen Schwierigkeiten auf, wie dies für diesen Zulassungsgrund aber erforderlich ist. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, handelt es sich um einen Fall, der Fragen im Zusammenhang mit der Bewertung von Prüfungsleistungen aufwirft, die mit Blick auf ihre Entscheidungserheblichkeit durch die Rechtsprechung schon weitgehend geklärt sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 2, 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GKG, wobei zu berücksichtigen ist, dass es dem Kläger nicht um das Bestehen der ersten juristischen Staatsprüfung, sondern um die Notenverbesserung einer bestandenen Prüfung geht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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