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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 01.03.2007
Aktenzeichen: 4 LA 222/07
Rechtsgebiete: GG, RGebStV


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
RGebStV § 6 Abs. 1 S. 1
RGebStV § 6 Abs. 3
1. Die in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV genannten Tatbestände sind nach der Systematik sowie Sinn und Zweck des Regelwerks abschließend. Deshalb rechtfertigt lediglich der Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV), nicht aber das Bestehen eines Anspruchs auf eine derartige Sozialleistung eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht.

2. Die Anknüpfung an den Bezug der in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV aufgeführten Sozialleistungen und nicht das Bestehen eines Anspruchs auf sie ist auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

3. Nach der Regelungssystematik des § 6 RGebStV ist es ausgeschlossen, dass ein Rundfunkteilnehmer, der es bewusst unterlässt, Leistungen nach dem SGB XII zu beantragen und in Anspruch zu nehmen, sich stattdessen eine Befreiung über die Härtefallklausel des § 6 Abs. 3 RGebStV sichert.


NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG

BESCHLUSS

Aktenz.: 4 LA 222/07

Datum: 01.03.2007

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die von dem Kläger geltend gemachten Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO nicht vorliegen.

Entgegen der Annahme des Klägers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für den Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. Juni 2006 zu Recht abgewiesen.

Der Senat stimmt mit dem Verwaltungsgericht darin überein, dass der Kläger keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV hat, weil er in dem entscheidungserheblichen Zeitraum nicht zu dem in dieser Bestimmung aufgeführten Personenkreis gehört hat, insbesondere nicht Empfänger der dort genannten Sozialleistungen gewesen ist. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass er ausweislich der Bescheinigung des Landkreises B. vom 6. Oktober 2005 Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gehabt habe. Denn die in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV genannten Tatbestände sind nach der Systematik sowie Sinn und Zweck des Regelwerks abschließend (Senatsbeschl. v. 19.1.2007 - 4 LA 229/07 - u. v. 9.10.2006 - 4 PA 152/06 -). Deshalb rechtfertigt lediglich der Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV), nicht aber das Bestehen eines Anspruchs auf eine derartige Sozialleistung eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (vgl. Senatsbeschl. v. 19.1.2007, a.a.O.).

Die Anknüpfung an den Bezug der in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV aufgeführten Sozialleistungen und nicht das Bestehen eines Anspruchs auf sie ist auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gleichheitssatz verbietet eine unterschiedliche Behandlung von Personengruppen ohne einen vernünftigen Grund von hinreichendem Gewicht (vgl. u. a. BVerfG, Beschl. v. 21.11.2001 - 1 BvL 19/93 -). Ein solcher Grund für die Ungleichbehandlung der Bezieher der in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV aufgeführten Sozialleistungen einerseits und der Personen, die diese Sozialleistungen trotz Bestehens eines Anspruchs nicht beziehen, liegt jedoch vor. Die Anknüpfung an den Leistungsbezug und den entsprechenden Bewilligungsbescheid bezweckt ersichtlich, den Beklagten von der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und der oftmals schwierigen Berechnung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse freizustellen. Dies ist nicht nur vernünftig und sachgerecht, sondern auch notwendig, weil der Beklagte zur Durchführung dieser Prüfungen und Berechnungen nicht nur in sachlicher, sondern angesichts der Vielzahl der Befreiungsverfahren auch in personeller Hinsicht kaum in der Lage wäre. Daher kann von einer willkürlichen, mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung keine Rede sein (Senatsbeschl. v. 19.1.2007, a.a.O.). Da eine generalisierende und typisierende Betrachtungsweise angezeigt ist, gilt dies auch dann, wenn ausnahmsweise eine behördliche Bescheinigung über das Bestehen eines Anspruchs auf eine Sozialleistung vorliegt.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht wegen eines besonderen Härtefalls nach § 6 Abs. 3 RGebStV. Dass er einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gehabt hat, ändert daran nichts. Nach der Regelungssystematik des § 6 RGebStV ist es nämlich ausgeschlossen, dass ein Rundfunkteilnehmer, der es - wie der Kläger - bewusst unterlässt, die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV zu schaffen, d. h. Leistungen nach dem SGB XII zu beantragen und in Anspruch zu nehmen, sich stattdessen eine Befreiung über die Härtefallklausel des § 6 Abs. 3 RGebStV sichert (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 19.1.2007, a.a.O.; Beschl. v. 23.03.2006 - 12 PA 58/06 -; Beschl. v. 1.02.2006 - 12 PA 408/05 -). § 6 Abs. 3 RGebStV stellt keine Auffangnorm für Personen dar, die Anspruch auf Sozialleistungen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV haben, derartige Leistungen aber nicht beantragen und in Anspruch nehmen. Daher ist unerheblich, aus welchem Grunde der Kläger davon abgesehen hat, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in Anspruch zu nehmen.

Die Berufung kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassen werden. Denn das vorliegende Verfahren wirft keine Rechtsfrage auf, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts grundsätzlicher Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Die in dem vorliegenden Verfahren maßgeblichen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt.

Da der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ersichtlich unbegründet ist und die Rechtsverfolgung daher im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt hat, kommt auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO nicht in Betracht.

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