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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.09.2008
Aktenzeichen: 5 LA 198/07
Rechtsgebiete: BhV, NBG, SGB V


Vorschriften:

BhV § 6 Abs. 1 Nr. 13
NBG § 87 c
SGB V § 27 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Berufungszulassungsantrag, mit dem der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und eine Divergenz des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrages und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.04.2008 - 5 LA 200/07 -; BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838).

Gemessen hieran bestehen keine ernstlichen Richtigkeitszweifel an der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass dem Kläger kein (weiterer) Beihilfeanspruch für die Aufwendungen einer künstlichen Befruchtung zusteht.

Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung zutreffend auf § 87c NBG i.V. mit § 6 Abs. 1 Nr. 13 der Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) in der Fassung der 27. und 28. ÄndVwV vom 17. Dezember 2003 (GMBl 2004 S. 227) und 30. Januar 2004 (GMBl 2004 S. 379) gestützt. Die BhV sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 28.5.2008 - 2 C 24.07 -, juris Langtext Rn 12), der der Senat folgt, auch weiterhin für eine spätestens mit der jetzigen Legislaturperiode endenden Übergangszeit anzuwenden. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV sind aus Anlass einer Krankheit Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung einschließlich der im Zusammenhang damit verordneten Arzneimittel beihilfefähig. Die Regelungen des § 27a SBG V gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Krankenkasse die Festsetzungsstelle tritt.

Der Kläger wendet hierzu ein, nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV seien aus Anlass einer Krankheit die Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung einschließlich der im Zusammenhang damit verordneten Arzneimittel beihilfefähig. Da die Sterilität bei ihm, dem beihilfeberechtigten Kläger, bestehe, habe die Gesamtheit der durchgeführten ärztlichen Maßnahmen den Zweck, seine durch Krankheit behinderte Körperfunktion zu ersetzen. Die entstandenen Kosten der Kinderwunschbehandlung seien daher in der Gesamtheit, also auch die Kosten der extrakorporalen Behandlungen und der an der gesetzlich krankenversicherten Ehefrau vorgenommenen Behandlungen beihilfefähig.

Hieraus folgt zwar, dass ein Anspruch auf Beihilfe nur dann besteht, wenn - wie hier - die Zeugungsunfähigkeit des Klägers auf einen regelwidrigen Körperzustand zurückzuführen ist, mithin eine Krankheit i.S.d. BhV vorliegt. Daraus lässt sich entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht entnehmen, dass alle zur Behandlung erforderlichen Maßnahmen demjenigen Partner zuzurechnen sind, dessen Infertilität die Behandlung notwendig macht. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass eine Kostenaufteilung entsprechend § 27 a SGB V und den dazu ergangenen Richtlinien über künstliche Befruchtung vorzunehmen sei, hat der Kläger mit seinem Vorbringen nicht in Frage gestellt. Denn die in § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV erfolgte Inbezugnahme auf § 27a SGB V spricht für eine Entscheidung des Gesetz- und Vorschriftengebers, im Beihilferecht bei Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung eine anwendungs- bzw. körperbezogene Kostenzuordnung vorzunehmen (so auch: VG München, Urt. v. 30.05.2005 - M 12 K 04.4761 -, ZBR 2005, 394; VG Minden Urt. v. 17.01.2007 - 4 K 155/06 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.11.2007 - 1 A 2537/06 -, juris - noch nicht rechtskräftig) und hierdurch die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen zu beschränken. Nach § 27a Abs. 3 Satz 3 SBG V übernimmt die Krankenkasse 50 vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. Gemäß Nr. 3 Satz 1 der zu § 27 a Abs. 4 SGB V ergangenen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung ("Richtlinien über künstliche Befruchtung") in der Fassung vom 14. August 1990 (veröffentlicht im Bundesarbeitsblatt 1990, Nr. 12; zuletzt geändert am 15. November 2005, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006, Nr. 31) ist die Krankenkasse nur für diejenigen Leistungen zuständig, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. Für die Maßnahmen im Zusammenhang mit der (ggf.) Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung, gegebenenfalls einschließlich der Kapazitation des männlichen Samens sowie für den HIV-Test beim Ehemann ist die Krankenkasse des Ehemannes leistungspflichtig (Nr. 3 Satz 3 der Richtlinien). Für die extrakorporalen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Zusammenführung von Eizellen und Samenzellen ist die Krankenkasse der Ehefrau zuständig (Nr. 3 Satz 4 der Richtlinien). Der Gesetz- und Vorschriftengeber hat sich für diese Kostenzuordnung mit der Maßgabe entschieden, dass an die Stelle der Krankenkasse die Beihilfefestsetzungsstelle tritt. Im Übrigen ist dem Beihilferecht eine anwendungsbezogene bzw. körperbezogene Zuordnung grundsätzlich nicht fremd (vgl. z.B.: § 14 Abs. 2 BhV).

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf den Beschluss des VGH Baden- Württemberg vom 28. Oktober 2005 (- 4 S 2627/04 -, NVwZ-RR 2006, 202 und juris) berufen, wonach die Heilfürsorge auch die bei der Ehefrau des Heilfürsorgeberechtigten notwendigen ärztlichen Maßnahmen zur Linderung der Sterilität eines Bundespolizisten umfasst. Denn diese Entscheidung über einen Anspruch auf Heilfürsorge eines Bundespolizeibeamten steht einer anwendungs- bzw. körperbezogenen Kostenaufteilung im Beihilferecht nicht entgegen, wenn sich der Gesetz- und Vorschriftengeber - wie hier - für eine solche ausdrücklich entscheidet (siehe auch: OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.11.2007 a.a.O.). Die vom Kläger ferner zitierte Rechtsprechung des beschließenden Senats (Beschl. v. 05.12.2003 - 5 LA 267/03 - und Urt. v. 23.09.2003 - 5 LB 280/02 -) führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis, denn diese Entscheidungen beruhten auf der Vorschrift des § 6 Abs. 1 BhV alter Fassung, die noch keine Inbezugnahme auf § 27a SBG V enthielt. Für die Auffassung des Klägers, nur bei einer kombinierten Fertilitätsstörung oder dem Fehlen einer nachweisbaren Erkrankung sei es sachgerecht, die Kosten der Kinderwunschbehandlung auf die Beihilfestellen/Krankenkassen aufzuteilen, ergeben sich aus den BhV ebensowenig Anhaltspunkte wie für das Vorbringen des Klägers, mit dem Verweis in § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV auf § 27a SGB V sollten nur die grundsätzlichen Anforderungen an die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Kinderwunschbehandlung in Bezug genommen werden. Vielmehr wird in § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV ohne Einschränkungen auf eine entsprechende Geltung der Regelungen des § 27a SGB V verwiesen. Mithin ist die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass damit auch zu § 27a SGB V ergangenen Richtlinien über künstliche Befruchtung im Beihilferecht anwendbar sind, nicht zu beanstanden (vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 28.01.2005 - 26 K 6311/04 -, juris).

2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine tatsächliche oder rechtliche Grundsatzfrage aufwirft, die im Berufungsrechtszug entscheidungserheblich ist und im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss (vgl.: Nds. OVG, Beschl. v. 25.4.2005 - 5 LA 162/04 -). Für die ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist es erforderlich, dass die Rechtsfrage, die grundsätzlich geklärt werden soll, zu bezeichnen und zu formulieren ist.

Zwar ist die vom Kläger aufgeworfene Frage, "ob bei Sterilität des Beihilfeberechtigten, bei dessen Ehefrau keine Sterilitätsfaktoren vorliegen, die Beihilfestelle die gesamten Kosten zur Herbeiführung der Schwangerschaft - also auch die extrakorporalen und die Kosten, die wegen der Behandlung der Ehefrau entstanden sind - übernehmen muss", entscheidungserheblich und bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Sie lässt sich jedoch - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - unmittelbar und zweifelsfrei aus § 87c NBG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV, § 27a SBG V und i.V.m. den hierzu ergangenen Richtlinien über die künstliche Befruchtung beantworten und ist deshalb nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Hinsichtlich der Frage der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung hat sich - wie bereits oben dargelegt - der Gesetz- und Vorschriftengeber nach den vor genannten Vorschriften für eine Kostenzuordnung entsprechend derjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung entschieden.

Die weiter von dem Kläger für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage, "ob nach § 6 Abs. 1 Nr. 13 i.V.m. dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. März 2005 - B 1 KR 11/03 R - die Kosten für extrakorporale Maßnahmen einer Kinderwunschbehandlung von der Beihilfestelle des Beihilfeberechtigten zu übernehmen sind, der die Kinderlosigkeit aufgrund der ausschließlich bei ihm vorliegenden Sterilität verursacht hat", bedarf auch für einen Teil der vom Kläger geltend gemachten Kosten keiner höchstrichterlichen Klärung. Denn auch diese Frage lässt sich zweifelsfrei aus den Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV i.V.m. § 27a SGB V und den dazu ergangenen Richtlinien über künstliche Befruchtung beantworten. Denn nach Nr. 3 Satz 4 der genannten Richtlinien ist für die extrakorporalen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Zusammenführung von Eizellen und Samenzellen die Krankenkasse der Ehefrau zuständig. Dem steht die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22. März 2005 (- B 1 KR 11/03 R -, juris) nicht entgegen. Zwar hat das Bundessozialgericht mit diesem Urteil (in Widerspruch zu seinem Urteil v. 03.04.2001 - B 1 KR 40/00 R -, juris) entschieden, dass der Versicherte unabhängig davon, bei welchem Ehegatten die Unfruchtbarkeit vorliegt, gegen seine Krankenkasse einen Anspruch auf extrakorporale Behandlungsmaßnahmen hat und die Krankenkasse ihrem Versicherten nicht entgegenhalten darf, die Kosten der extrakorporalen Maßnahmen seien von der Versicherung des anderen Ehegatten zu tragen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht jedoch darauf hingewiesen, dass sich das Bundessozialgericht in dieser Entscheidung nicht mit der die Zuordnung der Kosten der extrakorporalen Maßnahmen regelnden Nr. 3 der Richtlinien über die künstliche Befruchtung auseinandergesetzt hat. Einer grundsätzlichen Entscheidung über die vom Kläger aufgeworfene Frage bedarf es auch mit Blick auf die übrigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht, wonach der vom Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 22. März 2005 getroffene Grundsatz jedenfalls für den Fall, dass - wie hier - ein Ehepartner gesetzlich krankenversichert und der andere beihilfeberechtigt ist, nunmehr nach der Inbezugnahme des Beihilferechts auf die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr zum Tragen komme.

3. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist ebenfalls nicht gegeben. Eine die Zulassung der Berufung rechtfertigende Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist, der von einem der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte aufgestellt worden ist. Dabei müssen die Rechtssätze sich grundsätzlich auf dieselbe Rechtsnorm beziehen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Der beschließende Senat hat sich zwar hinsichtlich eines Beihilfeanspruchs für die Aufwendungen einer künstlichen Befruchtung sowohl zu einer körperbezogenen Betrachtungsweise (vgl. Urt. v. 12.11.2002 - 5 LC 151/02 -) als auch zu einer Kostenzuordnung nach dem Verursacherprinzip (vgl. Urt.. v. 23.09.2003 - 5 LB 280/02 - und Beschl. v. 05.12.2003 - 5 LA 267/03 -) geäußert. Allerdings betrafen diese Entscheidungen die für den vorliegenden Fall nicht mehr maßgeblichen Vorschriften des § 6 Abs. 1 BhV alter Fassung. Der vom Kläger geltend gemachte Beihilfeanspruch beruht auf § 87c NBG i.V. mit § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV in der Fassung der 27. und 28. ÄndVwV (a.a.O.). Aufgrund der in § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV geregelten Bezugnahme auf § 27a SGB V und damit auch auf die hierzu ergangenen Richtlinien über künstliche Befruchtung richtet sich die Kostenübernahme nunmehr nach dem System der gesetzlichen Krankenversicherung. Die genannten Entscheidungen des Senats sind für den vorliegenden Fall deshalb nicht maßgeblich.

Ende der Entscheidung

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