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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.02.2004
Aktenzeichen: 5 LC 171/03
Rechtsgebiete: BRKG, NBG, VO


Vorschriften:

BRKG § 23 II
NBG § 98
VO über Reise- u. Umzugskostenvergütung an Beamte auf Widerruf
Wenn der Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst (Rechtsreferendar) nicht durch Einzelverfügung zur Teilnahme am Vorstellungsgespräch verpflichtet worden ist, hat er keinen Anspruch auf Vergütung der dadurch entstehenden Reisekosten.
Gründe:

I.

Der Kläger absolvierte von Herbst 1998 bis Herbst 2000 seinen juristischen Vorbereitungsdienst im Bezirk des Oberlandesgerichts B. und bestand am 30. November 2000 die Zweite juristische Staatsprüfung. Seine letzte, am 31. Oktober 2000 endende Ausbildungsstation war beim Verwaltungsgericht Osnabrück, wo der Kläger auch seinen Wohnsitz hatte (und heute noch hat). Für die Reise zu der am 30. November 2000 in C. abgelegten mündlichen Prüfung erhielt der Kläger Reisekostenvergütung. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger auch Anspruch auf Reisekostenerstattung für seine Fahrt zu dem am 28. November 2000 in D. wahrgenommenen Vorstellungsgespräch bei dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses hat.

Das Einladungsschreiben zu dem Vorstellungsgespräch hat folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr E.,

wie Ihnen mitgeteilt worden ist, bin ich zum Vorsitzenden des Prüfungsausschusses bestimmt, vor dem Sie am 30.11.2000 die Zweite juristische Staatsprüfung ablegen sollen.

Deshalb möchte ich gern vor dem Prüfungstermin mit Ihnen Rücksprache nehmen und bitte Sie, bereits am Dienstag, 28.11.2000, 11.00 Uhr, zu mir nach D., Domplatz 1 (Generalstaatsanwaltschaft, Tel.: 0531/4881400/1) zu kommen.

Wegen der angespannten Haushaltslage des Landes Niedersachsen können Ihnen allerdings Reisekosten für diesen Termin nicht mehr erstattet werden."

Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Reisekostenerstattung für die Fahrt zum Vorstellungsgespräch lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 2000 mit der Begründung ab, es fehle an einer Rechtsgrundlage.

Mit seinem Widerspruch vom 28. Dezember 2000 vertrat der Kläger die Ansicht, es habe sich um eine Dienstreise gehandelt, für die nach den Bestimmungen des Bundesreisekostengesetzes Erstattung zu leisten sei. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2001 zurück und führte aus, dass es sich nicht um eine durch die Ausbildung bedingte, mit einer Dienstleistungspflicht verbundene, sondern um eine im eigenen Interesse auf freiwilliger Basis vom Kläger unternommene Reise gehandelt habe.

Der Kläger hat am 7. Februar 2001 Klage erhoben und vorgetragen: Es habe sich keineswegs um eine im eigenen Interesse auf freiwilliger Basis unternommene Reise gehandelt. Diese habe vielmehr der Erfüllung dienstlicher Pflichten gedient. Das Referendariat habe erst mit dem Bestehen der Prüfung geendet, und seine Dienstpflicht habe seit dem Ende der letzten Ausbildungsstation in der Vorbereitung auf die Prüfung bestanden. Er sei zur Vorstellung beim Prüfungsausschussvorsitzenden verpflichtet gewesen. Einen Hinweis darauf, dass es ihm frei stehe, den Vorstellungstermin wahrzunehmen, oder dass auch die Möglichkeit eines Gesprächs am Tage der mündlichen Prüfung bestehe, habe er nicht erhalten. Das Gespräch habe dem Ziel des Vorbereitungsdienstes gedient. Zu diesem Ergebnis führe auch die Kontrollüberlegung, ob für diese Reise Urlaub beantragt werden müsse und Dienstunfallschutz bestehe. Das in Verwaltungsvorschriften vorgeschriebene Vorstellungsgespräch habe vor allem auch der Information des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses gedient. Selbst wenn man es nicht als Bestandteil der Prüfung ansehe, handele es sich doch zumindest um eine sonstige Ausbildungsveranstaltung im Sinne des § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung von Reise- und Umzugskostenvergütung und Trennungsgeld an Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2000 und dessen Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, an ihn für die Reise vom 28. November 2000 Reisekostenvergütung nach den allgemein für Rechtsreferendare geltenden Rechtsvorschriften zu gewähren,

hilfsweise unter Aufhebung vorgenannter Bescheide den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat auf den Widerspruchsbescheid und die Gründe des zu einem gleichgelagerten Fall ergangenen, klagabweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts Hannover vom 13. Juni 2001 (- 2 A 1814/00 -, NdsVBl. 2001, 326) Bezug genommen und weiterhin geltend gemacht, es fehle an einer Rechtsgrundlage für den Anspruch. Bei der Fahrt zum Vorstellungsgespräch handele es sich nicht um eine Dienstreise. Es habe dem Kläger frei gestanden, mit dem Vorsitzenden der Prüfungskommission einen Gesprächstermin am Prüfungstag zu vereinbaren oder statt eines Vorstellungsgesprächs ein ausführlicheres Telefonat mit ihm zu führen. Der Kläger sei seit Beendigung der letzten Ausbildungsstation faktisch beurlaubt gewesen; eines Urlaubsantrages für die Reise zum Vorstellungsgespräch habe es nicht bedurft. Die Reisekostenerstattungen, die für Vorstellungsreisen bis 1994 gewährt worden seien, seien ohne rechtliche Grundlage erfolgt. Seitdem würden mangels Haushaltsmitteln für derartige Reisen Erstattungen nicht mehr gewährt.

Das Verwaltungsgericht hat durch das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2003 ergangene Urteil den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für dessen Fahrt nach D. zum Vorstellungsgespräch am 28. November 2000 in gleicher Weise Reisekostenvergütung zu gewähren wie für die Fahrt zur mündlichen Prüfung selbst. Zur Begründung ist in dem Urteil unter anderem ausgeführt: Der Anspruch ergebe sich aus § 98 Abs. 3 NBG i.V.m. § 1 der Verordnung über die Gewährung von Reise- und Umzugskostenvergütung und Trennungsgeld an Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst - VO -. § 1 VO enthalte keine Rechtsgrund- sondern eine Rechtsfolgenverweisung. Der Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst habe Anspruch auf Reisekostenvergütung, sofern einem Beamten mit Dienstbezügen Reisekostenvergütung zustehe. Die anspruchsbegründende Bestimmung des § 1 VO erkläre - offenbar bewusst und gewollt - nicht die Regelungen des Bundesreisekostengesetzes (z. B. § 23 BRKG), sondern die für Landesbedienstete mit Bezügen geltenden Bestimmungen nach Maßgabe näherer Ausgestaltung durch nachfolgende Regelungen für anwendbar. Hielte man über § 98 Abs. 1 NBG auch die Bestimmungen des Bundesreisekostengesetzes für die Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst für anwendbar, so missachtete man das Reformanliegen des Gesetzgebers des Jahres 1970. Wie sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs vom 16. Oktober 1969 ergebe, seien die Neufassung des § 98 NBG und die auf ihn gestützte Verordnung gerade darauf gerichtet gewesen, die Reisekostenvergütung auch für andere Reisen der Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst als Ausbildungs- und Prüfungsreisen im Sinne des § 23 Abs. 2 BRKG abweichend vom bisherigen Recht einschränkend zu regeln und davon allein diejenigen Dienstreisen auszunehmen, die der Wahrnehmung von Dienstgeschäften dienten. Der niedersächsische Gesetzgeber sei so für das Landesrecht von einer dritten Kategorie von Dienstreisen ausgegangen (neben solchen zur Wahrnehmung von Dienstgeschäften und den Ausbildungs- und Prüfungsreisen). Dem sich somit aus § 1 VO ergebenden Anspruch des Klägers auf Gewährung von Reisekostenvergütung könne auch nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger trotz des Hinweises darauf, dass die Reisekosten wegen der angespannten Haushaltslage nicht erstattet werden könnten, zum Vorstellungsgespräch erschienen sei. Zum einen sei darin ein konkludenter Verzicht des Klägers auf einen Anspruch auf Reisekostenerstattung nicht zu sehen, zum anderen sei ein derartiger Hinweis auch nicht geeignet, einen gesetzlichen Anspruch einzuschränken oder entfallen zu lassen. Aus dem zuletzt genannten Grund stünde auch die AV des Ministeriums der Justiz vom 9. Oktober 1987 dem gesetzlich begründeten Anspruch des Klägers nicht entgegen. Im Übrigen sehe diese AV die Zahlung von Reisekostenvergütung für die Reise vom Wohnort zur Ablegung der mündlichen Prüfung ausdrücklich vor. Dass das Vorstellungsgespräch Teil der Durchführung der mündlichen Prüfung sei, folge wiederum aus der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten. Gestützt auf die AV des Ministeriums der Justiz vom 1. September 1994, wonach der Vorsitzende des Prüfungsausschusses vor jeder Prüfung mit jedem Prüfling Rücksprache halte und die Mitglieder des Prüfungsausschusses darüber informiere, teile der Beklagte den Prüflingen mit, der Zeitpunkt des Vorstellungsgesprächs werde jeweils von dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses bestimmt und finde im Normalfall zu einem besonderen Zeitpunkt vor dem Prüfungstage statt. So sei auch hier verfahren worden. Da die vorliegend einschlägige Anspruchsgrundlage des § 1 VO - anders als § 23 Abs. 2 BRKG - dem Beklagten kein Ermessen einräume, stelle sich die Änderung der Verwaltungspraxis seit 1994 als rechtswidrig und damit unbeachtlich dar.

Gegen dieses am 4. April 2003 zugestellte Urteil, in dem das Verwaltungsgericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, wendet sich der Beklagte mit seiner am 25. April 2003 eingelegten und am 30. Mai 2003 begründeten Berufung. Zur Begründung trägt er vor: Wie sich aus dem zu einem Parallelfall ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 13. Juni 2001 ergebe, stehe dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Den für zutreffend gehaltenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts Hannover, die der Beklagte in der Berufungsbegründung wörtlich wiedergibt, sei nichts hinzuzufügen. Insbesondere seien die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Osnabrück zum Vorliegen einer bloßen Rechtsfolgenverweisung nicht überzeugend. Nicht nur der Wortlaut, sondern auch die systematische Stellung und der Regelungsgehalt der Verordnung über die Gewährung von Reise- und Umzugskostenvergütung und Trennungsgeld an Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst sprächen dafür, dass die tatbestandlichen Regelungen des Bundesreisekostengesetzes - und damit auch § 23 Abs. 2 BRKG - für Widerrufsbeamte anwendbar sein sollten.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen,

äußerst hilfsweise, die Bescheide vom 21. Dezember 2000 und 12. Januar 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Er hält die Berufung für unzulässig, da der Beklagte innerhalb der gesetzlichen Frist die Gründe der Anfechtung nicht dargelegt habe. Weder das Verwaltungsgericht Hannover noch der Beklagte setzten sich mit dem angefochtenen Urteil und dem umfangreichen Klägervortrag auseinander. Im Übrigen nimmt der Kläger auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug und wiederholt diesen. Außerdem meint er, aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. September 2003 - 2 C 20.02 - ergebe sich, dass er nicht mit Reisekosten aus Anlass der 2. Staatsprüfung belastet werden dürfe.

Wegen weiterer Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten und die dem Senat vorliegenden Verwaltungsvorgänge (Beiakte A) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist kraft der Zulassung im angefochtenen Urteil statthaft; sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die mit Schriftsatz vom 28. Mai 2003 vorgelegte Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Danach muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Nach der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der erkennende Senat folgt, müssen die Berufungsgründe substantiiert und konkret auf den zu entscheidenden Fall bezogen sein. Sie haben in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen auszuführen, weshalb das angefochtene Urteil nach der Auffassung des Berufungsführers unrichtig ist und geändert werden muss (BVerwG, Beschl. v. 23.9.1999 - 9 B 372/99 -, NVwZ 2000, 67). Die Anforderungen an die fristgebundene Berufungsbegründung ergeben sich aus ihrem Zweck: Sie soll zum einen gewährleisten, dass für das Berufungsgericht und die Beteiligten zuverlässig feststeht, ob der Berufungskläger nach wie vor die Durchführung des Berufungsverfahrens erstrebt; zum anderen soll das Verfahren verkürzt und beschleunigt sowie das Berufungsgericht entlastet werden. Daher obliegt es dem Berufungskläger, fristgerecht zu prüfen und zu erklären, mit welcher Begründung die Berufung durchgeführt werden soll (BVerwG, Beschl. v. 7.3.2000 - 4 B 79.99 -, DÖV 2000, 603). Deshalb muss der Berufungsführer konkret auf den Streitfall eingehen, und reicht es nicht aus, die tatsächliche und rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen. Auch die Bezugnahme auf das Vorbringen in der Klageerwiderung ist unzulässig. Die Berufungsbegründung muss aus sich heraus verständlich sein, damit eine Beschleunigung des Rechtsstreits erreicht werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 9.3.1995 - IX ZR 142/94 -, NJW 1995, 1559).

Gemessen hieran genügt die im Schriftsatz vom 28. Mai 2003 enthaltene Berufungsbegründung noch den gesetzlichen Anforderungen. Der Beklagte hat sich nicht darauf beschränkt, auf sein bisheriges Vorbringen Bezug zu nehmen und das Urteil des Verwaltungsgerichts mit formelhaften Wendungen pauschal zu kritisieren. Die Berufungsbegründung erschöpft sich auch nicht in der Wiedergabe der Begründung des Verwaltungsgerichts Hannover für seine vom Verwaltungsgericht Osnabrück abweichende Auffassung; vielmehr hat der Beklagte zusätzlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Osnabrück zum Vorliegen einer bloßen Rechtsfolgenverweisung für nicht überzeugend hält. Er hat erklärt, nicht nur der Wortlaut, sondern auch die systematische Stellung und der Regelungsgehalt der Verordnung über die Gewährung von Reise- und Umzugskostenvergütung und Trennungsgeld an Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst sprächen dafür, dass die tatbestandlichen Regelungen des Reisekostengesetzes - und damit auch § 23 Abs. 2 BRKG - für Widerrufsbeamte anwendbar sein sollten. Wenn diese Ausführungen auch sehr kurz gehalten sind, so sind sie doch geeignet, den mit § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO verbundenen Klarstellungs- und Beschleunigungszweck zu erfüllen. Das Berufungsgericht weiß, gegen welche konkreten Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Urteil sich der Beklagte wendet und aus welchen Gründen er diese für unrichtig hält.

Die Berufung ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf eine Erstattung der Reiskosten für die am 28. November 2000 unternommene Fahrt von F. nach D. nicht zu.

Als Anspruchgrundlage kommt allein die aufgrund der in § 98 Abs. 3 NBG enthaltenen Ermächtigung erlassene Verordnung über die Gewährung von Reise- und Umzugskostenvergütung und Trennungsgeld an Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst vom 24. Juni 1971 (Nds.GVBl S. 225), geändert durch Verordnung vom 8.6.1981 (Nds.GVBl S. 127) - VO -, in Betracht.

Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Anspruch des Klägers ergebe sich bereits aus § 1 VO, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts enthält diese Bestimmung keine bloße Rechtsfolgenverweisung. Vielmehr handelt es sich um den typischen Fall einer (nach Maßgabe des letzten Halbsatzes eingeschränkten) Pauschalverweisung (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983 S. 250). Wenn es heißt, dass die für die Landesbeamten mit Dienstbezügen geltenden Rechtsvorschriften entsprechend anwendbar seien, so bezieht sich die entsprechende Anwendbarkeit ersichtlich gerade auch auf die Anspruchsvoraussetzungen. Denn § 1 VO enthält selbst keinerlei Aussage darüber, unter welchen Voraussetzungen Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Reisekostenvergütung usw. gewährt wird. Die Verweisung dient einerseits der Vereinfachung des Rechtssetzungsverfahrens (Einsparen einer eigenständigen, auf die Einzelheiten eingehenden Regelung), andererseits der Gleichbehandlung (Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst sollen, soweit in Spezialvorschriften nichts Abweichendes geregelt ist, wie die übrigen Landesbeamten behandelt werden). Auch der vom Verwaltungsgericht aus der Entstehungsgeschichte gezogene Schluss vermag nicht zu überzeugen. Er geht schon deshalb fehl, weil die Vermutung des Verwaltungsgerichts über die Motive der in den Jahren 1970/1971 getroffenen Regelung nicht zutrifft. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass nicht eine dritte Kategorie von den § 2 ff BRKG unterfallenden Dienstreisen geschaffen werden sollte (neben solchen zur Wahrnehmung von Dienstgeschäften und den Ausbildungs- und Prüfungsreisen), sondern dass Zweck der Regelung vielmehr die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Gewährung von Leistungen an niedersächsische Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst war. Die diesem Personenkreis zu gewährenden Leistungen sollten einerseits über die damals entsprechenden Bundesbeamten gewährten Leistungen hinausgehen (Gewährung eines Trennungszuschusses), andererseits hinter ihnen zurückbleiben (Benutzung nur der zweiten Wagenklasse). Für beides fehlte es bis 1970 in Niedersachsen an einer Rechtsgrundlage (vgl. die Aussage des zuständigen Berichterstatters vor dem Parlament: "Die genannte Vorschrift (§ 98 Abs. 2 NBG) hat lediglich den Zweck, der Landesregierung eine einwandfreie Rechtsgrundlage für den Erlass einer Verordnung zu geben. Diese Verordnung wird nichts anderes enthalten als die Regelungen, die schon bisher durch Runderlasse getroffen wurden und die im Wesentlichen auch dem für den Bund und für andere Länder geltenden Recht entsprechen", Landtagsprotokolle 76. Sitzung vom 15.4.1970 Sp. 6957 f.).

Durch die sich auch auf die Anspruchsvoraussetzungen beziehende Verweisung des § 1 VO auf § 98 Abs. 1 NBG und dessen Weiterverweisung auf das Bundesreisekostengesetz ist grundsätzlich auch die ein Ermessen einräumende Bestimmung des § 23 Abs. 2 BRKG anwendbar geworden, allerdings nur, soweit in den §§ 2 und 3 VO nichts Abweichendes bestimmt ist. Nach § 23 Abs. 2 BRKG können bei Reisen zum Zwecke der Ausbildung oder Fortbildung, die teilweise in dienstlichem Interesse liegen, mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde die Auslagen für Verpflegung und Unterkunft bis zur Höhe des bei Dienstreisen zustehenden Tage- und Übernachtungsgeldes und die notwendigen Fahrt- und Nebenkosten erstattet werden. Für die in § 2 VO geregelten Fälle hat jedoch der niedersächsische Dienstherr eine zwingende Regelung getroffen. Diese Vorschrift enthält nämlich - entgegen dem ersten Anschein - nicht nur eine Begrenzung des Anspruchs der Höhe nach. Vielmehr ist darin zugleich - anders als in § 23 Abs. 2 BRKG ("können erstattet werden") - die Grundlage für einen nicht im Ermessen der Behörde stehenden Leistungsanspruch enthalten ("werden erstattet"); insoweit handelt es sich um eine für den vorliegenden Fall einschlägige Spezialvorschrift im Verhältnis zu § 23 Abs. 2 BRKG.

Die Voraussetzungen des § 2 VO werden durch die am 28. November 2000 vom Kläger unternommene Reise nicht erfüllt. Die Reise erfolgte nicht aus Anlass der Teilnahme an einer sonstigen Ausbildungsveranstaltung. Es kann dahinstehen, ob die Ausbildung mit Beendigung des letzten Ausbildungsabschnittes oder erst mit Bestehen der Prüfung abgeschlossen ist. Jedenfalls diente das Gespräch mit dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nicht der Ausbildung des Klägers, sondern der Herstellung eines persönlichen Kontaktes und der Vermittlung von für den Prüfling nützlichen Kenntnissen über den Ablauf der Prüfung. Es war nicht Aufgabe des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, zwei Tage vor der mündlichen Prüfung noch einen Beitrag zur Ausbildung des Klägers zu leisten; vielmehr war es Sache des Prüfungsausschusses und seines Vorsitzenden, Ergebnis und Erfolg der Ausbildung zu überprüfen.

Überwiegendes spricht auch dafür, dass die fragliche Reise nicht aus Anlass der Teilnahme an der Laufbahnprüfung stattfand. An der Laufbahnprüfung (an deren mündlichem Teil) nahm der Kläger nicht am 28. November 2000, sondern erst am 30. November 2000 teil. Ob mit den Worten "aus Anlass" auch sonstige mit einer Laufbahnprüfung im Zusammenhang stehende Reisen in den Kreis der Reisen einbezogen werden sollten, deren Kosten erstattungsfähig sind, erscheint zweifelhaft, bedarf hier aber keiner abschließenden Entscheidung. § 2 VO setzt nämlich außerdem voraus, dass die Reisen "auszuführen sind". Es genügt also nicht, dass eine Reise aus Anlass der Teilnahme an einer Laufbahnprüfung tatsächlich unternommen worden ist; vielmehr muss auch eine Verpflichtung zur Ausführung der Reise bestanden haben. Daran fehlt es hier: Die Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch bei dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses am Tage (oder zwei Tage) vor der mündlichen Prüfung ist für den Kandidaten nicht vorgeschrieben, und zwar weder in Rechts- noch in Verwaltungsvorschriften. Soweit ein solches Gespräch in Verwaltungsvorschriften erwähnt wird, geschieht dies nur im Zusammenhang mit einer Aufgabe des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, nicht mit einer Pflicht des Kandidaten zur Teilnahme daran (AV d. MJ v.1.9.1994, NdsRpfl. S. 293: "Die oder der Vorsitzende des Prüfungsausschusses nimmt vor der Prüfung mit jedem Prüfling Rücksprache und informiert, soweit erforderlich, die Mitglieder darüber und über den wesentlichen Inhalt der Prüfungsakten"). Auch der Vorsitzende des Prüfungsausschusses wird nicht verpflichtet, in jedem Falle ein persönliches Gespräch mit dem Kandidaten an einem Tage vor der Prüfung zu führen. Er hat nur "vor der Prüfung" mit dem Prüfling "Rücksprache" zu nehmen und die Mitglieder des Prüfungsausschusses darüber zu informieren. Dieser Pflicht kann auch durch ein Gespräch am Tage der mündlichen Prüfung, möglicherweise sogar auch durch ein Telefongespräch entsprochen werden; denn auch ein solches wird noch vom Wortsinn des Begriffs "Rücksprache nehmen" erfasst.

Auch aus dem Schreiben des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, mit dem der Kläger zu dem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, ergibt sich nicht eine Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme. In diesem, oben im Wortlaut wiedergegebenen Schreiben nimmt der Vorsitzende auf seine Funktion als Vorsitzender des Prüfungsausschusses Bezug und teilt mit, dass er deshalb gerne vor dem Prüfungstermin mit dem Kläger Rücksprache nehmen möchte und ihn bitte, zu dem genannten Termin nach D. zu kommen. Dieser freundlich - entgegenkommenden Wortwahl, der zugleich erfolgten Angabe der Telefonnummer des Einladenden und der Erklärung, dass Reisekosten nicht erstattet werden könnten, konnte der Kläger entnehmen, dass hier nicht einseitig und verbindlich eine Dienstpflicht zum Erscheinen zu dieser festgelegten Zeit begründet werden sollte. Bei verständiger Würdigung dieses Schreibens musste der Kläger, der als Jurist die Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften sowie die beamtenrechtlichen Vorschriften kannte, erkennen, dass der Vorsitzende der Prüfungskommission mit diesem Schreiben nicht für ihn - den Kläger - eine Pflicht begründen oder konkretisieren, sondern ihm entgegenkommen wollte. Es ist offenkundig, dass die Wahrnehmung eines solchen Termins im Interesse des Prüflings liegt, weil ein vorheriges gegenseitiges Kennenlernen für ihn nützlich sein, zur Entspannung der Atmosphäre beitragen und er Informationen zum vorgesehenen Ablauf der mündlichen Prüfung erhalten kann.

Das Argument des Klägers, dass ihn der Beklagte dann, wenn die Reise zum Vorstellungstermin nicht zu seinen Dienstpflichten gehöre, zur Beantragung von Urlaub hätte veranlassen müssen, überzeugt nicht, weil der Kläger nach Beendigung der letzten Ausbildungsstation (31.10.2000) keine konkreten, zeitlich fixierten Dienstpflichten mehr zu erfüllen hatte. Es war ihm überlassen, wann und in welchem Umfang er die Prüfungsvorbereitung durch private Tätigkeiten oder durch schlichtes Nichtstun unterbrach.

War der Kläger nicht verpflichtet, zu dem Vorstellungsgespräch nach D. zu reisen, so geht sein Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. September 2003 - 2 C 20.02 - (DVBl. 2004, 320) fehl. Es kann keine Rede davon sein, dass der Beklagte den Kläger unter Verstoß gegen die bundesrechtliche Lastenverteilung zwischen Dienstherrn und Beamten auf Widerruf dazu zwang, einen Teil der Kosten der Ausbildung selber zu tragen. Abgesehen davon, dass es an einer Zwangsmaßnahme fehlt, ist in den Anwärterbezügen auch ein gewisser Anteil für ausbildungsbedingte Reisekosten enthalten.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen des § 98 Abs. 3 NBG i.V.m. der Verordnung über die Gewährung von Reise- und Umzugskostenvergütung und Trennungsgeld an Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst nicht vor. Diese Vorschriften enthalten grundsätzlich eine abschließende Regelung der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Beamter im Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst einen Anspruch auf Reisekostenvergütung hat. Auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn kann als Anspruchsgrundlage nur dann zurückgegriffen werden, wenn sie anderenfalls in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Dass dies der Fall wäre, macht jedoch der Kläger selbst nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.

Die Klage muss deshalb sowohl mit dem Haupt- als auch mit den Hilfsanträgen ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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