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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.03.2009
Aktenzeichen: 7 LA 142/07
Rechtsgebiete: AufenthG, FEVG, VwGO, VwVfG


Vorschriften:

AufenthG § 62
AufenthG § 106 Abs. 2 S. 2
FEVG § 3
FEVG § 8
FEVG § 10
FEVG § 12
VwGO § 40
VwVfG § 2 Abs. 3 Nr. 1
VwVfG § 5
Für die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit eines behördlichen Amtshilfeersuchens zur Verlängerung der Abschiebungshaft ist der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben (im Anschluss an Nds.OVG, Beschl. v. 12.04.2007 - 7 ME 1/07 -, InfAuslR 2007, 246).
Gründe:

I.

Der - inzwischen offenbar abgeschobene - Kläger, der nigerianischer Staatsbürger ist, möchte in einem Berufungsverfahren gegen die Beklagte geklärt wissen, dass die auf Grund des Beschlusses des Amtsgerichts Hannover vom 30. Oktober 2006 - 43 XIV 152/06B - um längstens acht Wochen verlängerte und auf Grund des damit verbundenen Vollzugsersuchens des Amtsgerichts gleichen Datums von der Beklagten vollzogene Abschiebungshaft rechtswidrig gewesen sei.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem im Tenor bezeichneten Urteil als unzulässig abgewiesen, weil für sie der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben sei. Durch Verweis auf die Gründe seines im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses vom 8. Dezember 2006 - 4 B 8409/06 - hat es weiter ausgeführt, dass auch eine Verweisung an das Amtsgericht nicht in Frage komme.

In dem nach Beschwerdeeinlegung erlassenen Einstellungsbeschluss - 7 ME 228/06 - vom 30. Januar 2007 hat der Berichterstatter des beschließenden Senats die Kostentragungspflicht des damaligen Antragstellers und jetzigen Klägers damit begründet, dass dieser bei streitiger Entscheidung unterlegen wäre.

Zur Begründung seines Berufungszulassungsantrages macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Urteils geltend. Es habe für den fraglichen Zeitraum an dem erforderlichen Haftaufnahmeersuchen der dafür zuständigen Ausländerbehörde, des Landkreises Cuxhaven, gefehlt.

Die Beklagte tritt dem entgegen.

II.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.

1.1 Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass der Haftantrag der Ausländerbehörde nach § 8 Abs. 1 S. 3 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen - FEVG - wie überhaupt alle "formalen" Voraussetzungen der Abschiebungshaft, § 62 AufenthG, nach dem FEVG jeweils Bestandteile eines einheitlichen Freiheitsentziehungsverfahrens sind, welches nach dem FEVG insgesamt den Zivilgerichten zugewiesen ist (Nds.OVG, Beschl. v. 12. April 2007 - 7 ME 1/07 -, InfAuslR 2007, 246 m.w.N.; vgl. auch Beschl. v. 12. Dezember 2005 - 13 ME 429/05 -). Dieser Auffassung ist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil gefolgt.

Die Entscheidung über ein auf die Entlassung aus der Abschiebungshaft gerichtetes Gesuch, wie der Kläger es verfolgt hat, ist nach § 106 Abs. 2 S. 2 AufenthG i.V.m. den §§ 12, 3 S. 1 FEVG ausdrücklich dem Amtsgericht zugewiesen, so dass nach § 40 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., VwGO der Verwaltungsrechtsweg dafür ausscheidet. Die Entscheidungszuständigkeit des Haftrichters besteht nach § 10 Abs. 1 FEVG in jedem Stadium des Verfahrens; entsprechendes gilt nach § 10 Abs. 2 FEVG für das Anrufungsrecht des Inhaftierten. Der Verwaltungsrechtsweg ist lediglich dann zu beschreiten, wenn streitig ist, ob die Ausländerbehörde die durch die Haft zu sichernde Abschiebung (noch) zu Recht betreibt, wenn also die materiellen Voraussetzungen etwa der Ausreisepflicht oder der Abschiebung in Rede stehen (vgl. OVG Saarland, Beschl. v. 11. Januar 2001 - V 52/00, 9 W 1/01 -, InfAuslR 2001, 172). Darum geht es hier nicht. Für die Beurteilung der Haftvoraussetzungen im engeren Sinn ist allein der Haftrichter beim Amtsgericht zuständig (OVG Saarland, a.a.O.; auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28. Juni 2006 - 18 B 1088/06 -, DÖV 2006, 922). Diese Zuständigkeit war auch hier mit dem vom Kläger behaupteten Fehlen eines ordnungsgemäßen Vollzugsersuchens nach § 8 Abs. 1 S. 3 FEVG begründet. Der Kläger hat sich diese im Übrigen auch zunutze gemacht, indem er gegen die vom Amtsgericht angeordnete Fortdauer der Haft sofortige Beschwerde zum Landgericht Hannover eingelegt hat, welches diese mit Beschluss vom 11. Januar 2007 - 28 T 163/06 - zurückgewiesen und darin auch das Vollzugsersuchen behandelt hat (BA Bl. 5, GA Bl. 107).

1.2 Der Beschluss des VGH Baden-Württemberg v. 20. September 2006 - 11 S 1319/06 - (VBlBW 2007, 66 u. juris), auf den der Kläger sich beruft, behandelt nicht die gleiche Fallkonstellation. In jenem Verfahren war das - in der Tat nach § 8 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 FEVG i.V.m. den §§ 2 Abs. 3 Nr. 1, 4 - 8 VwVfG für die in Amtshilfe angegangene Justizvollzugsanstalt - notwendige Aufnahmeersuchen der Verwaltungsbehörde, also das gesamte "Ob" der Amtshilfe, lückenhaft und in seiner Wirksamkeit fragwürdig, so dass der VGH deshalb insoweit den Verwaltungsrechtsweg für gegeben angesehen hat (juris Rn 5). Im vorliegenden Fall lag mit dem Ersuchen zum Vollzug der Sicherungshaft der Ausländerbehörde (Landkreis Cuxhaven) vom 1. September 2006 (GA Bl. 17) jedoch ein wirksamer Amtshilfeantrag im Sinne von § 8 Abs. 2 FEVG vor und hat die Behörde mit ihrem Antrag an das Amtsgericht Hannover vom 24. Oktober 2006 (GA Bl. 43), die Sicherungshaft zu verlängern und die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung anzuordnen, eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie damit auch im Sinne von § 8 Abs. 2 FEVG das Ersuchen zum weiteren Vollzug verband (so ebf. Nds.OVG, Beschl. v. 17. November 2008 - 7 PA 166/08 -, BA Bl. 2). Sofern sich die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg auch für diesen Fall Geltung beimessen sollte, würde der Senat ihr aus den zuvor dargelegten Gründen nicht folgen.

Diese Fragen lassen sich nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats damit bereits im Zulassungsverfahren ohne weiteres beantworten, so dass es dafür der Durchführung eines Berufungsverfahrens nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht bedarf.

2. Was die vom Verwaltungsgericht abgelehnte Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht anbelangt, erscheint allerdings fraglich, ob die dafür gegebene Begründung - Nichtgegebensein des eingelegten Rechtsmittels - tragfähig ist. Im Ergebnis ist die klagabweisende Entscheidung aber jedenfalls im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zweifelhaft. Das Landgericht Hannover hat in seinem Beschwerdebeschluss vom 11. Januar 2007 (a.a.O.) ausgeführt, dass das vom Richter gestellte Aufnahmeersuchen hier für den Weitervollzug der Haft ausreichend gewesen und eine Freiheitsentziehung nie rechtswidrig sei, wenn sie, wie hier, auf richterlicher Anordnung beruhe (BA Bl. 5). Damit kann ausgeschlossen werden, dass das Amtsgericht der Klage auf Rechtswidrigkeitsfeststellung entsprochen hätte.

Ende der Entscheidung

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