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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.05.2007
Aktenzeichen: 7 ME 116/07
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 a
Bleiberechtsregelung: Zum Verhältnis des Runderlasses der obersten Landesbehörde zum Beschluss der Innenministerkonferenz.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 7 ME 116/07

Datum: 30.05.2007

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 03. April 2007 bleibt ohne Erfolg. Die mit der Beschwerde angeführten Gründe rechtfertigen eine Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

Die Antragstellerin kann den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Duldung bzw. auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 60 a Abs. 1 AufenthG nicht auf den "Bleiberechtsbeschluss" der Innenministerkonferenz vom 17. November 2006 stützen. Oberste Landesbehörde i.S.d § 60 a Abs. 1 AufenthG ist das Niedersächsische Ministeriums für Inneres und Sport, dass das ihm in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen durch seinen Runderlass vom 6. Dezember 2006, Nds.MBl. 2007, 43 (im Folgenden: Runderlass) behördenintern gebunden hat und so das Ermessens steuert, das die Ausländerbehörden im Einzelfall unter Beachtung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG auszuüben haben.

Das Ermessen der obersten Landesbehörde gemäß § 60 a AufenthG ist lediglich durch die im Gesetz genannten Motive ("aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland") dahin begrenzt, dass eine Anordnung nicht aus anderen Gründen erlassen werden darf. Dabei ist allerdings der Begriff der "politischen Interessen der Bundesrepublik" wiederum sehr weit. Aus der Natur der Sache folgt, dass die oberste Landesbehörde weitgehend frei ist, wie sie die politischen Interessen der Bundesrepublik definiert und wann sie deshalb die Voraussetzungen für den Erlass einer Anordnung als gegeben ansehen darf. Es handelt sich um eine politische Entscheidung, die grundsätzlich einer gerichtlichen Überprüfung nicht unterliegt. Dementsprechend kann die oberste Landesbehörde den von der Anordnung erfassten Personenkreis bestimmen. Sie kann dabei positive Kriterien (Erteilungsvoraussetzungen) und negative Kriterien (Ausschlussgründe) aufstellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.2000 - 1 C 19.99 -, BVerwGE 112, 63, 69 zum insoweit gleichlautenden § 32 AuslG).

Die Antragstellerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, die niedersächsische Behördenpraxis verstoße gleichheitswidrig gegen die Praxis anderer Bundesländer. § 60 a AufenthG betrifft Anordnungen eines einzelnen Bundeslandes; die Vorschrift setzt eine bundeseinheitliche Regelung nicht voraus. Vor diesem Hintergrund ist der Beschluss der Innenministerkonferenz vom 17. November 2006 als Rahmenvereinbarung anzusehen, deren Ausfüllung den obersten Landesbehörden obliegt. Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist demnach, ob der Gleichheitssatz bei der Anwendung innerhalb des Geltungsbereichs der Anordnung gewahrt worden ist. Insoweit trägt die Antragstellerin jedoch nichts vor.

Entgegen ihrer Ansicht stehen die Regelungen Nr. 3.5 und 3.6 des Runderlasses nicht in Widerspruch zum Beschluss der Innenministerkonferenz. Dessen Nr. 3.1 verlangt einen ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet. Der Runderlass konkretisiert dies u.a. dahingehend, dass die Begünstigen seit dem sie betreffenden Einreisestichtag ununterbrochen im Besitz einer Duldung, Aufenthaltsgestattung, Aufenthaltsbefugnis oder Aufenthaltserlaubnis sein müssen. Diese Regelung kann dahingehend verstanden werden, dass sie festlegt, auf welche Weise die Begünstigten diese Anspruchsvoraussetzung zu belegen haben. Auf diese Weise lässt sich der ununterbrochene Aufenthalt im Bundesgebiet zumindest indiziell der jeweiligen Ausländerakte bzw. dem Ausländerzentralregister entnehmen; dies vereinfacht die gleichmäßige Anwendung des Ermessens durch die Ausländerbehörden. Die Antragstellerin war nicht durchgehend im Besitz eines der angegebenen Aufenthaltspapiere, sondern vielmehr seit dem Bescheid der Hansestadt Greifswald vom 12. Mai 2000 (bestandskräftig seit 17. Juni 2000) bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis am 04. März 2003 nach Eheschließung mit einem Deutschen vollziehbar ausreisepflichtig.

Darüber hinaus liegt der Versagungsgrund nach Nr. 5.1.1 des Runderlasses vor, weil die Antragstellerin durch ihr Verhalten behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung hinausgezögert oder behindert hat. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist dieses Verhalten auch zielgerichtet gewesen, so dass es auf die Frage nicht ankommt, ob das Verhalten vorsätzlich i.S.d. Nr. 6.2 des Beschlusses der Innenministerkonferenz vom 17. November 2006 sein muss, um den Ausschlusstatbestand zu erfüllen. Zwischenzeitliches Untertauchen gehört zu den typischen Fällen vorsätzlicher Ausreiseverzögerung (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.2000, a.a.O.). Dass die Antragstellerin zwischenzeitlich untergetaucht war, hat bereits der BayVGH in seinem Beschluss vom 19. November 2001 (- 10 ZE 01.2707 -) festgestellt. Auch in der Folgezeit war die Antragstellerin für die Ausländerbehörden überwiegend nicht erreichbar.

Dieses Verhalten kann die Antragstellerin nicht damit rechtfertigen, dass ihr wegen des von der Ausländerbehörde eingezogenen Reisepasses eine Ab- und Anmeldung nach dem jeweiligen Wohnungswechsel nicht möglich war. Die Ausländerbehörde in München hat den Reisepass erst im August 2001 eingezogen, bereits ab Mai 2000 war der damals zuständigen Ausländerbehörde in Greifswald der Aufenthalt der Antragstellerin unbekannt, die sich ihren Angaben zufolge in dieser Zeit und den Folgemonaten in Münster, München und Greifswald aufgehalten hat. Aber auch nach der Einziehung des Reisepasses wäre es der Antragstellerin möglich gewesen, ihren Meldepflichten nachzukommen. Immerhin hat sie unter Vorlage einer Kopie des Reisepasses und ihrer marokkanischen Identitätskarte in Karlsfeld nicht nur heiraten können, sondern sich dort auch vorübergehend wegen (angeblicher) Wohnsitznahme angemeldet.

Dass ihr Verhalten darauf gerichtet war, der Abschiebung zu entgehen, ergibt sich vor allem aus ihrem Verhalten gegenüber der Ausländerbehörde Münster und gegenüber den bayrischen Verwaltungsgerichten. So heißt es in dem Vermerk der Ausländerbehörde Münster vom 06. Oktober 2000: "(...) Der Betroffenen wurde die momentane Situation erklärt (Abschiebehaft - freiwillige Ausreise). Die Betroffene machte hier glaubhaft, freiwillig ausreisen zu wollen. (...) Aufgrund des Sachverhaltes wird ausnahmsweise von der Beantragung der Abschiebehaft abgesehen. (...)". In der Folgezeit beschaffte sich die Antragstellerin zwar einen Pass, legte diesen aber entgegen der Aufforderung der Ausländerbehörde dort nicht vor. Dem Vermerk und dem folgenden Verhalten der Antragstellerin lässt sich unzweifelhaft entnehmen, dass es ihr mit der Angabe, freiwillig ausreisen zu wollen, darauf ankam, nicht in Abschiebehaft genommen zu werden. Ebenso eindeutig ist, dass der Vollzug der Abschiebehaft die Ausreise der Antragstellerin bereits im Jahr 2000 ermöglicht hätte.

Die Tatsache, dass die Antragstellerin sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch vor dem Verwaltungsgerichtshof sich in einem von ihr beantragten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im September bzw. November 2001 weigerte, eine ladungsfähige Anschrift anzugeben, ist von ihr selbst damit begründet worden, dass sie sich aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entziehen wolle (vgl. Schriftsatz vom 12. September 2001). Die seinerzeit als von ihr befürchtet behaupteten "Repressalien" im Fall einer Rückkehr nach Marokko hinderten die Antragstellerin allerdings nicht, in der Folgezeit sich dort länger aufzuhalten.

Den weiteren Zweifeln hinsichtlich eines ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet braucht der Senat nicht weiter nachzugehen. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die von der Antragstellerin am 12. März 2004 gegenüber der Ausländerbehörde persönlich gemachten Angaben, sich bereits seit April 2003 bis November 2003 in Marokko aufgehalten zu haben, lässt sich durch einfaches Bestreiten und Verweis auf Einreisestempel allein im September 2003 im Beschwerdeverfahren nicht mit Erfolg entgegentreten. Dazu müsste nicht nur nachgewiesen sein, dass eine Einreise mit der marokkanischen Identitätskarte (und damit ohne Stempel im Reisepass) nicht möglich ist, sondern auch eine schlüssige Erklärung für die in diesem Verfahren abweichenden Angaben von denen des Jahres 2004 gegeben werden. An beidem fehlt es.

Ende der Entscheidung

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