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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.05.2009
Aktenzeichen: 8 LA 63/09
Rechtsgebiete: ASO, BeamtVG, GG, SGB I, HKG


Vorschriften:

ASO § 15
ASO § 18
ASO § 19
BeamtVG § 3 Abs. 3
GG Art. 3
SGB I § 46
HKG § 12
In der niedersächsischen Ärzteversorgung ist ein Verzicht auf Ansprüche im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung nicht möglich. Ein solcher Verzicht vermittelt deshalb dem Mitglied keinen Anspruch auf Gewährung des sog. Ledigenzuschlages nach § 15 Abs. 7 Satz 1 ASO.
Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass der verheirateten Klägerin nach § 15 Abs. 7 Altersicherungsordnung (ASO) der geltend gemachte "Ledigenzuschlag" zu ihrer vorgezogenen Altersrente nicht zusteht.

Anspruchsvoraussetzung des Zuschlages ist nach § 15 Abs. 7 ASO, dass "bei Beginn der Altersrente keine sonstigen rentenbezugsberechtigten Personen vorhanden" sind. Wer "rentenbezugsberechtigt" ist, ergibt sich gemäß der gesetzlichen Vorgabe in § 12 Abs. 6 Nr. 3 HKG aus der ASO als Satzung. "Rentenbezugsberechtigt", d. h. im Falle des Vorversterbens des Mitgliedes zum Bezug einer Hinterbliebenenrente berechtigt (vgl. Senatsbeschl. v. 18.8.2005 - 8 LA 117/05 - sowie zu einer § 15 Abs. 7 ASO entsprechenden Bestimmung für die Rechtsanwaltsversorgung die Senatsbeschl. v. 2.7.2008 - 8 LA 29/08 - und v. 18.10.2004 - 8 LA 72/04 -, NdsRpfl 2005, 76 f.= NJW-RR 2005, 577 ff.), sind nach der ASO neben den Waisen (§ 19 ASO) gemäß § 18 ASO auch Witwen und Witwer. Im Falle des Vorversterbens der Klägerin wäre somit ihr Ehemann witwerrenten- und damit "rentenbezugsberechtigt" i. S. d. § 15 Abs. 7 ASO, so dass ihr der streitige Zuschlag nach den Regelungen der ASO nicht zusteht.

Entgegen der Annahme der Klägerin kann auf die Berechtigung zum späteren Bezug einer Hinterbliebenenrente auch nicht wirksam verzichtet werden. Die ASO kennt keinen Verzicht. Die Zulässigkeit eines solchen Verzichts versteht sich ohne - hier fehlende - ausdrückliche Regelung auch nicht von selbst. Die Beklagte ist Teil der sog. Ersten Säule des gegliederten Alterssicherungssystems. Ihr obliegt die gesetzliche Pflichtaltersversorgung der niedersächsischen Ärzte und ihrer Hinterbliebenen. Für eine solche gesetzliche Pflichtaltersversorgung ist anders als für die von der Klägerin angeführte Zusatzversorgung im Öffentlichen Dienst gerade kennzeichnend, dass ihre Leistungen im Wesentlichen normativ vorgegeben sind und grundsätzlich weder der Gestaltungsfreiheit des Versorgungsberechtigten unterliegen noch in seinem individuellen Interesse oder im öffentlichen Interesse verzichtbar sind. Deshalb schließt § 3 Abs. 3 BeamtVG den Verzicht auf die gesetzliche Beamtenversorgung generell aus. Ebenso wenig ist nach § 46 SGB I der hier umstrittene Verzicht auf das sog. Stammrecht bezogen auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zulässig (vgl. BSG, Urt. v. 24.7.2003 - B 4 RA 13/03 R -, NZS 2004, 110, m. w. N). Da die berufsständische Versorgung der gesetzlichen Rentenversicherung in ihren Strukturen vergleichbar ist (BVerfG, Beschl. v. 18.2.1998 - 1 BvR 1318, 1484/86 -, BVerfGE 271, 296), aber in der Regel - wie hier - für die auf landesrechtlicher Ermächtigung beruhenden Versorgungswerke keine dem SGB vergleichbar ausdifferenzierten Normen bestehen, sprechen bereits die zuvor zitierten Bestimmungen der beiden wichtigsten Alterssicherungssysteme der sog. Ersten Säule gegen die Zulässigkeit des Verzichts auf eine spätere Hinterbliebenenversorgung auch gegenüber einem berufsständischen Versorgungswerk.

Im Übrigen geht es vorliegend auch gar nicht um den Fall des schlichten (altruistischen) Verzichts auf Sozialleistungen, sondern um die mit dem (eigennützigen) Verzicht verbundene Erwartung kompensatorischer bzw. sogar gewichtigerer Vorteile bei anderweitigen Ansprüchen (vgl. Wagner, jurisPK-SGB I, § 46, Rn. 8). Konkreter ausgedrückt erscheint es den Eheleuten angesichts ihrer persönlichen Verhältnisse offensichtlich wirtschaftlich sinnvoller, dass die Klägerin jetzt monatlich einen 20 % Zuschlag zu der ihr gewährten Altersrente erhält, als dass ihr Ehemann im Falle ihres Vorversterbens eine Witwerrente erhalten würde. Ein derartiger "Verzicht" ist im Geltungsbereich der gesetzlichen Sozialversicherung schon durch § 46 Abs. 2 SGB I ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. Wagner, a. a. O., Rn. 30). Da es sich der Sache nach um ein Gestaltungsrecht des Mitgliedes bzw. seiner Angehörigen handelt, solche Gestaltungsrechte aber dem Recht der berufsständischen Pflichtversorgung fremd sind, bedürfte seine Zulässigkeit in jedem Fall der hier fehlenden ausdrücklichen Regelung. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, widerspräche eine solche "Wahlmöglichkeit" auch dem gesetzlichen Auftrag der Beklagten (§ 12 Abs. 4 Nr. 3 HKG), Witwen- und Witwerrente zu gewähren. Diese gesetzliche Vorgabe verschließt dem Satzungsgeber zwar nicht jegliche Konkretisierungsmöglichkeit. Jede damit verbundene Einschränkung ist aber besonders legitimationsbedürftig (vgl. zu einer § 18 Abs. 1 Satz 2 ASO entsprechenden Regelung BVerwG, Beschl. v. 28.2.2008 - 6 BN 5/07, nunmehr 8 CN 1/09 -, Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 49) und muss mit dem Zweck des Gesetzes vereinbar sein. Der von der Klägerin für zulässig erachtete, dann nach § 15 Abs. 7 Satz 2 ASO aber nur endgültig mögliche Verzicht auf eine zukünftige Hinterbliebenenrente wäre jedoch mit dem Risiko verbunden, dass der Hinterbliebene später tatsächlich mittellos bliebe. Dies zu verhindern ist aber gerade die gesetzliche Aufgabe des Beklagten. Auf die individuellen Versorgungsverhältnisse im Einzelfall kommt es insoweit nicht an. Im Übrigen sind in der Vergangenheit die nach der Satzung des Beklagten bestehenden Wahlmöglichkeiten, wie etwa das Beitragserstattungsrecht nach § 24 Abs. 1 ASO a. F. oder die Zahlung zusätzlicher Versorgungsabgaben nach § 30 ASO a. F., als Folge der bundesrechtlichen Regelungen etwa in § 10 EStG und durch die Einbeziehung der berufsständischen Versorgungswerke in den Geltungsbereich der VO (EWG) 1408/71 zunehmend beschränkt worden (vgl. Ärzteversorgung aktuell, Ausgabe 2005, S. 5 ff.). Auch deshalb besteht die von der Klägerin geltend gemachte (ungeschriebene) Wahlmöglichkeit zwischen einer höheren Altersrente und einem Verzicht auf Ansprüche aus der Hinterbliebenenversorgung nicht.

Das Verfassungsrecht zwingt zu keiner anderen Auslegung. Ein zu Rentenbeginn lediges, kinderloses Mitglied erhält zwar den hier umstrittenen sog. Ledigenzuschlag. Dafür stehen nach dem von der Klägerin unberücksichtigten § 15 Abs. 7 Satz 2 ASO etwaigen nach dem Beginn der Altersrente noch hinzutretenden späteren Ehegatten oder Kindern dieses Mitgliedes aber auch keine Ansprüche auf eine Hinterbliebenenrente mehr zu. Darin liegt der entscheidende, die Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigende Unterschied zu verheirateten Altersrentnern des Beklagten, denen zwar der Ledigenzuschlag nicht gewährt wird, deren Angehörige dafür aber durch eine "Anwartschaft" auf einen Hinterbliebenenrente abgesichert sind. Verfassungsrecht gebietet es schließlich auch nicht, dem Mitglied jeweils eine ihm nach seinen individuellen Verhältnissen am Günstigsten erscheinende Wahlmöglichkeit zu eröffnen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.8.2004 - 1 BvR 1776/97 -, BVerfGK 4, 46 ff., m. w. N.).

Dem Rechtsstreit kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Frage, ob der Begriff "rentenbezugsberechtigt" im Sinne des § 15 Abs. 7 ASO auf die physische Existenz der Person oder deren Rentenbezugsberechtigung abstellt, ist nicht klärungsbedürftig. Es versteht sich von selbst, dass allein die "physische Existenz" eines Kindes dieses nicht zum Rentenbezugsberechtigten i. S. d. § 15 Abs. 7 ASO macht, sondern es dazu auf die Erfüllung der weiteren in § 19 ASO genannten Voraussetzungen ankommt. Dass auf den Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente nach der ASO nicht und daher auch nicht mit der Folge der Erhöhung der Altersrente durch einen Ledigenzuschlag verzichtet werden kann, ist zuvor eingehend dargelegt worden und bedarf deshalb nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren.

Schließlich liegt auch der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vor. Die Klägerin geht insoweit von einem unzutreffenden Verständnis der Urteilsgründe aus. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass der "Ledigenzuschlag" nicht auf einer eigenen - erhöhten - Beitragsleistung des Versicherten beruht. Damit ist unter sinngemäßer Bezugnahme auf den oben bereits zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.02.1998 schlicht gemeint, dass ein Mitglied nach der ASO für den "Ledigenzuschlag" ersichtlich keinen gesonderten Beitragsteil zu leisten hat, wie dies früher gemäß § 30 ASO a. F. zur Erhöhung des späteren Leistungsumfanges durch Zahlung eines Zusatzbeitrages in begrenztem Umfang durchaus möglich war. Zu der Kalkulation des Gesamtbeitrages hat das Verwaltungsgericht hingegen ersichtlich keine Aussage getroffen. Im Übrigen liegt es auf der Hand und bedarf daher weder eines gesonderten gerichtlichen Hinweises noch gar der Beweiserhebung, dass die nach § 39 Abs. 3 Satz 1 ASO jährlich zu erstellende versicherungsmathematische Bilanz als Grundlage auch der Beitragskalkulation sich nach dem aufgezeigten, von der Beklagten auch so gehandhabten Verständnis der ASO zu richten hat und sich nicht an der von der Klägerin zu Unrecht geforderten Wahlmöglichkeit zwischen dem "Ledigenzuschlag" und der Anwartschaft auf eine Hinterbliebenenrente orientieren darf.

Ende der Entscheidung

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