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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.08.2008
Aktenzeichen: 8 LC 18/08
Rechtsgebiete: HKG


Vorschriften:

HKG § 2
HKG § 8
HKG § 9
HKG § 32
Wer als approbierter Psychologischer Psychotherapeut eine (kirchliche) Beratungsstelle leitet, übt i. S. d. § 2 Abs. 1 HKG seinen Beruf als Psychotherapeut aus und ist damit Pflichtmitglied in der Psychotherapeutenkammer
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger Pflichtmitglied bei der Beklagten und damit beitragspflichtig ist.

Der im Jahr 1960 geborene Kläger ist Diplom-Psychologe und seit 1999 auf Grund der Übergangsregelung in § 12 Abs. 4 PsychThG approbierter Psychotherapeut. Er leitet die vom D. getragene Psychologische Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensberatung in E.. Der Kläger ist der Ansicht, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG nur derjenige approbierte Psychotherapeut Pflichtmitglied bei der Beklagten sei, der auch heilkundlich i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 1 PsychThG tätig sei. Diese Voraussetzung sei bei ihm nicht erfüllt. Wie ihm sein Arbeitgeber bescheinigt habe, seien vielmehr die §§ 16 bis 18 und 27 f. SGB VIII gesetzliche Grundlage für seine psychologische Tätigkeit in der Beratungsstelle. Die beratende Tätigkeit des Klägers tangiere zwar den Bereich des Gesundheitswesens, setzte aber eine Approbation nach dem PsychThG nicht voraus. Auf eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten verzichtete der Kläger. Mit dieser Argumentation bat der Kläger die Beklagte (zumindest) um Beitragsermäßigung für das Jahr 2006.

Die Beklagte lehnte dies ab und zog den Kläger mit Bescheid vom 3. Mai 2006 zu dem ungekürzten (Regel-)Beitrag für Angestellte in Höhe von 330, - EUR heran. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger mit der zuvor beschriebenen Tätigkeit seinen Beruf als Psychologischer Psychotherapeut i. S. v. § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG ausübe, damit Pflichtmitglied bei der Beklagten sei und daher bei einer vollschichtigen Beschäftigung als Angestellter einen Beitrag von 330,- EUR zu entrichten habe.

Der Kläger hat am 30. Mai 2006 den Verwaltungsrechtsweg beschritten und unter Wiederholung seines Vorbringens beantragt,

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 3. Mai 2006 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 26. April 2007 (8 LC 13/05) geltend gemacht, dass sich eine Berufsausübung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG nicht auf die Ausübung der approbationspflichtigen Tätigkeit beschränke, sondern darüber hinausgehend auch Tätigkeiten umfasse, bei der die der Approbation zu Grunde liegenden Kenntnisse und Erfahrungen lediglich mit verwendet werden, wie dies bei der vom Kläger wahrgenommenen Tätigkeit in der Beratungsstelle der Fall sei.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch den Vorsitzenden als Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 2, 3 VwGO mit Urteil vom 18. Februar 2008 stattgegeben. Pflichtmitglied bei der Beklagten sei gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG allein derjenige approbierte Psychotherapeut, der auch tatsächlich eine approbationspflichtige Tätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 1 PsychThG ausübe. Allein hieran habe der Landesgesetzgeber angeknüpft. Da der Kläger nicht heilkundlich und damit nicht i. S. v. § 1 Abs. 3 PsychThG tätig sei, sei er nicht Pflichtmitglied und folglich auch nicht beitragspflichtig.

Die Beklagte hat die im verwaltungsgerichtlichen Urteil, zugestellt am 28. Februar 2008, zugelassene Berufung am 27. März 2008 eingelegt und zugleich begründet. Die Beklagte weist zur Begründung der Berufung über das bisherige Vorbringen hinaus darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber schon mangels Gesetzgebungskompetenz im Psychotherapeutengesetz die Berufsausübung von Psychotherapeuten gar nicht geregelt habe. Ebenso wenig habe der Niedersächsische Landesgesetzgeber in § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG für die hier umstrittene Berufsausübung auf das Psychotherapeutengesetz verwiesen. Stattdessen sei der Landesgesetzgeber in Übereinstimmung mit der obergericht- und höchstrichterlichen Rechtsprechung von einem weiten Begriffsverständnis der Berufsausübung ausgegangen, das auch Tätigkeiten - wie die vom Kläger ausgeübte - einschließe, bei der die in der Ausbildung zum Psychotherapeuten erworbenen Fachkenntnisse lediglich mit verwendet werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 6. Kammer (Einzelrichter) - vom 18. Februar 2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, setzt sich mit der von der Beklagten zitierten aktuellen Rechtsprechung auseinander und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig und die dagegen gerichtete Anfechtungsklage unbegründet ist.

Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung gegen die Entscheidung des konsentierten Einzelrichters (vgl. zu den Voraussetzungen dieser Entscheidungsform: Ortloff /Riese, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO-Kommentar, § 87a, Rn. 44 ff.) einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Der Kläger ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG Pflichtmitglied bei der Beklagten und damit - dem Grunde nach - beitragspflichtig. Wie der Senat bereits in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 26. April 2007 ausgeführt hat, liegt dem § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG ein eigenständiger, weiter und auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Begriff der Ausübung des Berufes u. a. als Psychologischer Psychotherapeut zu Grunde. Eine die Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten begründende Ausübung des Berufes als Psychologischer Psychotherapeut i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG liegt bereits dann vor, wenn der Approbierte einer Tätigkeit nachgeht, bei der er die Kenntnisse und Fähigkeiten, die Voraussetzung für seine Approbation waren, einsetzt oder auch nur einsetzen oder mit verwenden kann.

Hingegen kann § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG nicht der ihm vom Verwaltungsgericht beigemessene Regelungsinhalt entnommen werden, dass für die Ausübung des Berufes als Psychologischer Psychotherapeut i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG eine Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 PsychThG wahrgenommen werden müsse. So lautet schon der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG nicht. Zudem wäre die strikte Verknüpfung der sich nach der landesrechtlichen Vorschrift des § 2 Abs. 1 HKG richtenden Pflichtmitgliedschaft in der Kammer mit den bundesrechtlichen Bestimmungen über die Approbation als Zugangsvoraussetzung für heilkundliche Berufe sowohl allgemein als auch gerade für Psychotherapeuten sinnwidrig. Es wären dann etwa ausschließlich lehrend oder forschend tätige Berufsträger ebenso wie solche, die sich auf Verwaltungstätigkeiten - z. B. in leitender Funktion in einer Klinik - beschränken, mangels unmittelbar heilkundlicher Tätigkeit von der Pflichtmitgliedschaft ausgeschlossen. Ebenso wenig wäre sichergestellt, dass approbierte Psychotherapeuten, die in Beratungsstellen, dem für angestellte Psychotherapeuten neben der Beschäftigung in einer Klinik wichtigsten Betätigungsfeld (vgl. Merz, Psychotherapeutenjournal 2007, S. 139, m. w. N.), arbeiten, regelmäßig im Besitz der Kammermitgliedschaft wären. Damit würde die in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HKG umschriebene Aufgabe der Kammer verfehlt, die gemeinsamen beruflichen Belange des Berufsstandes zu wahren. Dieser Zweck rechtfertigt es vielmehr, alle Approbierten einschließlich der in Grenzbereichen zu anderen Wissenschaften tätigen als Kammermitglieder zu erfassen.

Die vom Verwaltungsgericht befürwortete Auslegung des § 2 Abs. 1 HKG hätte zudem zur Folge, dass die Kammer bei approbierten Psychotherapeuten für die Feststellung der Mitgliedschaft in jedem Fall überprüfen müsste, welcher Therapiemethoden sich ein Psychotherapeut bedient. Denn Psychotherapie im Sinne des PsychThG ist nach § 1 Abs. 3 Satz 1 dieses Gesetzes nicht jede (heilkundliche) Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, sondern nur eine solche, die mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommen wird. Dass der Landesgesetzgeber eine solche Differenzierung auch für die Kammermitgliedschaft für sachgerecht erachtet und hieran gemäß § 2 Abs. 1 HKG angeknüpft haben könnte, ist nicht zu erkennen. Vielmehr war schon zu der Vorgängerbestimmung des § 2 Abs. 1 HKG vom 30. Mai 1980 (Nds. GVBl. S. 193) ein weites Verständnis des Begriffs der (ärztlichen) Berufsausübung anerkannt. Pflichtmitglieder in der Ärztekammer waren demnach u. a. auch ein Professor für Biochemie (vgl. Senatsurt. v. 29.11.1993 - 8 L 11/90 -, OVGE 44, 394 ff. = Nds. VBl. 1995, 20 f.) sowie ein ausschließlich administrativ tätiger Arzt im Luftfahrtbundesamt (vgl. Senaturt. v. 6.9.1996 - 8 L 728/95 -, NdsRpfl 1999, 34). Bei der im Jahr 1996 aus anderen Gründen erfolgten Neufassung des Kammergesetzes für die Heilberufe (durch Gesetz v. 19. 6. 1996, Nds. GVBl. S. 259) wollte der Gesetzgeber an diesem weiten Begriffsverständnis nichts ändern. Vielmehr bestand Einigkeit, dass "auch die Verwaltungstätigkeit bei einer Behörde, beispielsweise in einem Ministerium, Berufsausübung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 ... sein kann, so dass etwa für Medizinalbeamte besondere Regelungen nicht erforderlich sind" (Schriftlicher Bericht, LT-Drs. 13, 2043, S. 1).

Für das aufgezeigte weite Begriffsverständnis spricht schließlich auch § 32 Abs. 1 HKG, wonach die ärztliche oder psychotherapeutische Tätigkeit im Sinne des HKG auch für Träger ausgeübt werden kann, die nicht gewerbs- oder berufsmäßig ärztliche oder psychotherapeutische Leistungen erbringen (Nr. 3) sowie allgemein im Öffentlichen Gesundheitswesen (Nr. 4).

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses Verständnis des § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG bestehen nicht. Soweit nicht kurativ tätigen Berufsangehörigen durch ihre Kammermitgliedschaft im Verhältnis insbesondere zu ihren in eigener Praxis tätigen Kollegen nur ein deutlich geringerer Vorteil vermittelt wird, ist diesem Gesichtspunkt bei der Beitragsbemessung angemessen Rechnung zu tragen. Die Kammermitgliedschaft als solche bleibt ungeachtet dessen verfassungsrechtlich zulässig. Dies ist in der Rechtsprechung im Hinblick auf approbierte, aber nicht heilkundlich tätige Mitglieder sowohl allgemein von Kammern für Heilberufe (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 30.1.1996 - 1 C 9/93 -, NJW 1997, 814 ff.; die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschl. v. 3.9.1998 - 1 BvR 956/96 - nicht zur Entscheidung angenommen) als auch speziell von Psychotherapeutenkammern (vgl. neben dem o. a. Senatsurteil vom 26.4.2007 den Beschl. d. OVG Münster v. 24.4.2008 - 5 A 4699/05 -, jeweils m. w. N.) anerkannt.

Gemessen an diesen Vorgaben übt der Kläger als Leiter der kirchlichen Beratungsstelle in E. den Beruf des Psychotherapeuten i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG aus, da er bei dieser Tätigkeit vielfach auf die Kenntnisse und Fähigkeiten zurückgreift, die Voraussetzung für seine Approbation nach § 12 Abs. 4 PsychThG gewesen sind, d.h. das erfolgreich abgeschlossene Studium der Psychologie sowie die sich anschließende Zeit der spezifisch psychotherapeutischen Beschäftigung. Schon in der allgemeinen Eigendarstellung der vom D. getragenen Beratungsstellen wird u. a. auf die psychotherapeutische Qualifikation der Mitarbeiter sowie die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen der psychosozialen und medizinischen Versorgung hingewiesen. Darüber hinaus wird dem Kläger von seinem Arbeitgeber konkret bescheinigt, im Rahmen seiner Tätigkeit vor- oder nachklinisch Menschen in psychischen, psychosozialen und psychosomatischen Problemlagen zu beraten und dadurch präventiv oder kurativ zur seelischen und körperlichen Gesundheit beizutragen. Wenn der Kläger ungeachtet dessen meint, bei seinem Beruf (überhaupt) nicht auf Kenntnisse und Fähigkeiten aus seiner Ausbildung zum Psychotherapeuten zurückzugreifen, so ist dies nicht nachvollziehbar oder beruht auf dem - aus den angeführten Gründen unzutreffenden, weil zu engen - Verständnis, er müsse sich dazu ausschließlich wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert bedienen, bei denen Psychotherapie indiziert ist. Ein Verzicht auf die damit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG gegebene Pflichtmitgliedschaft ist nicht möglich; das Verhalten der Beklagten in dem vom Kläger bezeichneten, vom ihm als vergleichbar erachteten Fall daher unerheblich.

Als Pflichtmitglied bei der Beklagten ist der Kläger gemäß § 8 Abs. 1 HKG und § 2 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Alt. 1 der Beitragsordnung der Beklagten in der Fassung des Kammerversammlungsbeschlusses vom 3. Dezember 2005 als vollzeitbeschäftigtes, im Angestelltenverhältnis psychotherapeutisch tätiges Kammermitglied im Jahr 2006 zu Recht zu einem Jahresbeitrag in Höhe von 330, - EUR herangezogen worden. Dass diese Ziffer der Beitragsstaffel auch auf Mitarbeiter von Beratungsstellen, wie der vom Kläger geleiteten, anzuwenden und mit höherrangigem Recht zu vereinbaren ist, hat der Senat in seinem Urteil vom 26. April 2007 bereits ausführlich begründet. Auf diese, den Beteiligten bekannten und vom Kläger nicht in Frage gestellten Ausführungen wird Bezug genommen.

Ende der Entscheidung

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