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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.07.2006
Aktenzeichen: 9 LA 249/04
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 14 Abs. 1
Keine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang an öffentliche Trinkwasserversorgung.
Gründe:

Die Kläger begehren die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für die öffentliche Trinkwasserversorgung.

Am 9. Februar 1998 beantragten sie bei der Beklagten erstmalig die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für Trink- und Brauchwasser. Daraufhin erteilte die Beklagte ihnen mit Bescheid vom 19. Mai 1998 die Genehmigung, das Wasser aus dem eigenen Brunnen für die Gartenbewässerung und Viehtränke weiter zu verwenden und lehnte im Übrigen die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für die öffentliche Trinkwasserversorgung ab. Gegen die Ablehnung der Befreiung legten die Kläger nach eigenen Angaben Widerspruch ein. Nachdem die Beklagte sie mit Schreiben vom 9. August 2000 erneut aufgefordert hatte, ihr Grundstück an die öffentliche Trinkwasserversorgung anzuschließen, beantragten die Kläger unter dem 31. August 2000 erneut, sie vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien. Man habe auf den Widerspruch keine Antwort erhalten. Mit Bescheid vom 30. Juli 2002 lehnte die Beklagte den vom Kläger unter dem 31. August 2000 gestellten Antrag ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhoben die Kläger Klage, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 17. Juni 2004 abwies. Ein Befreiungsgrund, aufgrund dessen den anschlusspflichtigen Klägern die Benutzung der öffentlichen Wasserversorgung nicht zugemutet werden könne, liege nicht vor.

Der dagegen gerichtete Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung, den sie auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO stützen, hat keinen Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i. S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht. Die Kläger bemängeln, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass ihr ursprünglicher Widerspruch von der Beklagten nicht beschieden worden sei. Das von der Beklagten durchgeführte "überholende" Widerspruchsverfahren sei nicht zulässig. Deshalb hätte das Verwaltungsgericht den Widerspruchsbescheid als rechtsfehlerhaft aufheben müssen. Diese Einwände vermögen nicht zu überzeugen. Zum einen übersehen die Kläger, dass es für den Erfolg der von ihnen erhobenen Verpflichtungsklage ausschließlich darauf ankommt, ob das Unterbleiben der von ihnen begehrten Befreiung rechtswidrig ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 14. Aufl. 2005, § 113 Rdnr. 186). Zum anderen führt der von den Klägern vertretene Ansatz dazu, dass der von ihnen unter dem 31. August 2000 - erneut - gestellte Antrag auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang unzulässig war und demgemäß mit ihm ein zulässiger Antrag als Voraussetzung für die Erteilung einer Befreiung jedenfalls nicht vorlag. Denn es ist ein allgemeiner Grundsatz des Verwaltungsverfahrens, dass die Wirkung eines Antrags - hier des Antrags vom 9. Februar 1998 - zur Anhängigkeit des Verwaltungsverfahrens mit der Folge führt, dass weitere Anträge bzw. Verfahren in derselben Sache unzulässig sind (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 22.9.1999 - 12 M 3651/99 - zitiert nach juris). Mit dem von den Klägern behaupteten nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahren war das mit dem Antrag vom 9. Februar 1998 anhängig gewordene Verwaltungsverfahren auch noch nicht beendet.

Die Kläger erheben weiter den Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe hinsichtlich des Befreiungsgrundes den Regelungsinhalt der §§ 5 und 7 der Anschlusssatzung der Beklagten verkannt. Der Blick nur auf die finanziellen Investitionen, die etwa mit einem Ausbau oder der Unterhaltung des eigenen Trinkwasserbrunnens verbunden seien, werde Art. 14 Abs. 1 GG nicht gerecht. Die Eigentumsgarantie verlange vielmehr auch den Schutz solcher Dispositionen des Grundstückseigentümers, die bereits für die Entscheidung zum Erwerb des Grundstückseigentums maßgeblich gewesen seien. Beim Kauf ihres Resthofes hätten sie wegen der von dem Voreigentümer getätigten Investitionen in die Trinkwasserversorgung einen höheren Kaufpreis entrichtet, den sie nicht gezahlt hätten, wenn sie gewusst hätten, dass sie die eigene Trinkwasserversorgung nicht würden beibehalten können.

Die von den Klägern damit aufgeworfene Frage nach einer möglichen Verletzung des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Der Anschluss- und Benutzungszwang für eine Wasserversorgungseinrichtung bedeutet grundsätzlich keine Verletzung des Eigentumsrechts, sondern ist regelmäßig eine zulässige gesetzliche Inhaltsbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und ist Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG (BVerwG, Beschluss vom 12.01.1988 - 7 B 55/87 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 239 = NVwZ-RR 1990, 96 = NuR 1989, 341 m. w. N.; VGH München, Urteil vom 18.08.1987 - 23 B 25 A.2655 - DÖV 1988, 301). Das gilt, wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Beschluss vom 12.01.1988 - 7 B 55/87 - a. a. O.) wiederholt ausgesprochen hat, auch dann, wenn der betroffene Grundstückseigentümer seinen Wasserbedarf bisher aus einer eigenen, einwandfreies Wasser liefernden Anlage gedeckt hat. Denn die Einrichtung einer öffentlichen Wasserversorgungsanlage mit Anschluss- und Benutzungszwang gehört seit langem zu den aus Gründen des allgemeinen Wohls, insbesondere des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung, gesetzlich zugewiesenen Aufgaben der Gemeinden. Die Eigentumsrechte des Grundeigentümers, der eine private Anlage betreibt, sind daher von vornherein dahin eingeschränkt, dass er seine Anlage nur solange benutzen darf, bis die Gemeinde von der ihr gesetzlich zustehenden Befugnis Gebrauch macht, die Wasserversorgung im öffentlichen Interesse in ihre Verantwortung zu übernehmen und hierfür zulässigerweise den Anschluss- und Benutzungszwang zu begründen. Deshalb rechtfertigt die damit notwendig werdende Stilllegung eigener Wasserversorgungsanlagen grundsätzlich keine Befreiung vom Anschlusszwang (OVG Schleswig, Urteil vom 20.12.1995 - 2 L 24/93 - NVwZ-RR 1997, 47; VGH München, Urteil vom 16.12.1992 - 23 B 89.3170 - NVwZ-RR 1994, 412 = KStZ 1994, 199).

Ebenso wenig steht den Klägern eine Befreiung zu, weil sie ihre hauseigene Wasserversorgungsanlage nach eigenen Angaben über den Kaufpreis mitfinanziert haben. Größere Aufwendungen eines Anschlusspflichtigen für eine Eigenversorgungsanlage wären allenfalls dann ein Befreiungsgrund, wenn bezüglich ihrer eine enteignende Wirkung einträte und die Aufwendungen im Zeitpunkt der Anordnung des Anschlusszwanges noch nicht durch Wertverlust und Gebrauchsvorteile abgegolten wären (VGH München, Urteil vom 16.12.1992 a. a. O.). Eine solche enteignende Wirkung haben die Kläger weder dargetan noch ist sie ersichtlich. Sie können ihre grundstückseigene Wasserversorgungsanlage jedenfalls für die Viehtränke und Gartenbewässerung weiter nutzen. Dem von den Klägern befürchteten Wertverlust ihres Hausgrundstücks durch die Aufgabe der hauseigenen Trinkwasserversorgung bzw. der fehlenden Amortisation ihrer auf die Trinkwasseranlage entfallenden Investition als Teil des entrichteten Kaufpreises ist entgegenzuhalten, dass darin das allgemein mit einem Kauf verbundene Risiko zum Ausdruck kommt. Zudem sind die mit dem Anschluss- und Benutzungszwang verbundenen Nachteile für die Kläger auch deshalb nicht unzumutbar, weil sie die hauseigene Trinkwasserversorgung immerhin für einen Zeitraum von 18 Jahren seit Kauf ihres Hauses für die Trinkwasserversorgung nutzen konnten und der von ihnen befürchtete Wertverlust auch dadurch teilweise kompensiert wird, dass der Anschluss eines Hauses an die öffentliche Trinkwasserversorgung mit gleichzeitig weiterhin bestehender Möglichkeit, die eigene Wasserversorgungsanlage für die Gartenbewässerung und Viehtränke zu nutzen, von Interessenten durchaus als wertbildendes bzw. werterhaltendes Kriterium für ein Hausgrundstück angesehen wird.

Ferner rügen die Kläger, die Beklagte habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. In der Sitzung des Samtgemeindeausschusses am 6. November 2000 seien die Argumente und Gegenargumente nicht wie erforderlich gegeneinander abgewogen worden. Man sei ohne inhaltliche Auseinandersetzung der Vorlage der Verwaltung gefolgt. Dieses Vorbringen kann die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bereits deshalb nicht in Zweifel ziehen, weil das Verwaltungsgericht - die Entscheidung selbstständig tragend - zu Recht darauf abstellt, dass Gründe für eine Befreiung bereits nicht vorliegen, so dass sich die erst bei Vorliegen von Befreiungsgründen eröffnende Frage der rechtmäßigen Ermessensausübung gar nicht stellt.

2. Die Berufung kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden. Für die Beantwortung der von den Klägern als grundsätzlich klärungsbedürftig angesprochenen Frage eines durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutzes von Investitionen, die mit der Versagung einer Befreiung hinfällig würden, bedarf es der Durchführung eines Berufungsverfahrens nicht. Denn in der Rechtsprechung ist - wie ausgeführt - geklärt, dass die Anschlussmaßnahme mit der Folge eines Anspruchs auf Befreiung unzumutbar sein könnte, wenn der Vollzug des Anschlusszwangs im Einzelfalle enteignend wirken sollte.

Auch die von den Klägern angesprochene Frage, ob der Befreiungstatbestand gegeben ist, wenn die Trinkwasserversorgung des einzelnen Anschlusspflichtigen aus seinem Brunnen nachhaltig gesichert ist und eine Gefahr für Dritte nicht besteht, ist in der Rechtsprechung geklärt. Das Vorhandensein einer hygienisch einwandfreien und ausreichenden eigenen Wasserversorgung stellt für sich genommen keinen Befreiungsgrund dar. Qualitätsunterschiede zwischen dem selbst geförderten und dem aus der öffentlichen Einrichtung gelieferten Wasser führen nicht zur Unzumutbarkeit des Anschlusszwangs, solange das letztere Wasser grundsätzlich den Anforderungen der Trinkwasserverordnung genügt (VGH München, Urteil vom 16.12.1992 - 23 B 89.3170 - NVwZ-RR 1994, 412).

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