Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.04.2008
Aktenzeichen: 9 LA 312/06
Rechtsgebiete: NBauO


Vorschriften:

NBauO § 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der Straße "B.".

Er ist Eigentümer von drei zusammenhängenden jeweils bebauten Grundstücken mit den Flurstücksbezeichnungen 91/1, 48/7 und 48/6 der Flur 7, Gemarkung C.. Die beiden Flurstücke 91/1 und 48/7 liegen nördlich der in Ost-West-Richtung verlaufenden Landesstraße "D. - L E.". Nördlich dieser beiden Flurstücke schließt unmittelbar das Flurstück 48/6 an, auf das im nordöstlichen Eckbereich eine nach Süden vom - in West-Ost-Richtung verlaufenden - Hauptzug "B." abzweigende 5 m breite und ca. 45 m lange Stichstraße zuführt. Die Stichstraße ist befahrbar und dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Die Grundstücke des Klägers befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. F. "Zwischen G. und D.", der für die Grundstücke die Festsetzung "MD" für Dorfgebiet trifft. In den Jahren 1998 bis 2002 wurde die Straße "B." einschließlich des Stichwegs erstmals hergestellt.

Mit Bescheid vom 20. Mai 2003 zog die Beklagte den Kläger für sein Grundstück, Flurstück 91/1, zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 5.474,47 € heran.

Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Erschließungsanlage "B." sei entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans hergestellt worden. Im Hinblick auf den Einmündungsbereich des Stichwegs sei ein Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht festzustellen, weil der Bebauungsplan in der Fassung seiner 1. Änderung dazu keine verbindlichen Festsetzungen treffe. Die Einmündung des Stichwegs in den "B." sei nicht als fehlerhafte Umsetzung des Bebauungsplans anzusehen, weil in dem verkehrsberuhigt ausgebauten Bereich im Hauptzug des "B." bei einer verhältnismäßig geringen Ausbaubreite Abbiegevorgänge mit Fahrzeugen ohnehin nur mit geringer Geschwindigkeit vorgenommen werden dürften und könnten. Das herangezogene Grundstück sei als Hinterliegergrundstück vom "B." erschlossen. Im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht sei es - die andere Erschließungsanlage "D. - L E." hinweggedacht - baulich oder gewerblich nutzbar gewesen. Eine Baugenehmigung hätte wegen der Straße "B." samt Stichstraße erteilt werden müssen. Das veranlagte Grundstück erfülle insbesondere die bebauungsrechtlichen Erfordernisse. Über das Anliegergrundstück Flurstück 48/6 bestehe nämlich eine ausreichende Zugangsmöglichkeit zur Stichstraße. Auch die bauordnungsrechtlichen Anforderungen unter Berücksichtigung von § 5 Abs. 1 NBauO würden erfüllt. Es sei möglich, mit einem Feuerwehrfahrzeug über die Stichstraße und das vorgelagerte Grundstück des Klägers, Flurstück 48/6, an das Hinterliegergrundstück, Flurstück 91/1, heranzufahren. Einer gesonderten rechtlichen Sicherung der Zugangsmöglichkeit bedürfe es wegen der Eigentümeridentität von Anlieger- und Hinterliegergrundstück nicht. Es liege in der Hand des Klägers, mit Blick auf die Anbaustraße "B." die Erreichbarkeitsanforderungen zu erfüllen, von denen das bundesrechtliche Bebauungsrecht und das landesrechtliche Bauordnungsrecht die bauliche Nutzung des Hinterliegergrundstücks, Flurstück 91/1, abhängig machten. Deshalb sei das Grundstück der abgerechneten Straße "B." wegen abstrakt bebaubar im Sinne von § 131 Abs. 1 BauGB und der Erschließungsbeitragspflicht unterworfen. Im vorliegenden Fall sei das veranlagte Grundstück als Hinterliegergrundstück auch nicht ausnahmsweise ausschließlich einer anderen Anbaustraße, hier der Straße "D. - L E.", zugeordnet.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht vorliegen.

Der Senat teilt nicht die in der Antragsschrift dargelegten Zweifel des Klägers an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass das veranlagte Grundstück, Flurstück 91/1, als Hinterliegergrundstück die Erschließungsbeitragspflicht in Bezug auf die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage "B." auslöst. Der Kläger hält dem Verwaltungsgericht entgegen, dass der Stichweg bauordnungsrechtlich nicht als Rettungsweg für Feuerwehrfahrzeuge eingeordnet werden dürfe. Der Einmündungsbereich des Stichwegs in den Hauptzug des "B." halte die nach § 2 Abs. 4 DVNBauO vorgesehenen Zu- und Durchfahrtsbreiten angesichts der im Einmündungsbereich vorhandenen Kurvenradien nicht ein. Zwar gelte die Regelung des § 2 Abs. 4 DVNBauO an sich nur für Feuerwehrzufahrten auf Privatgrundstücken. Jedoch sei davon auszugehen, dass die Anforderungen an Durchfahrtsbreiten bzw. Kurvenradien bei öffentlichen Verkehrsflächen keineswegs geringere seien als bei privaten Verkehrsflächen. Es sei daher darauf abzustellen, dass das Feuerwehrfahrzeug an dem Hauptzug des "B." halten müsse. In einem solchen Fall betrage die Entfernung zu dem Wohnhaus auf dem Grundstück, Flurstück 91/1, mehr als 100 m, so dass die Löschgeräte im Brandfall nicht eingesetzt werden könnten.

Dieser Einwand des Klägers überzeugt nicht. Denn er überspannt damit die an eine Erschließungsanlage zu stellenden Anforderungen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Stichweg des "B." dem herangezogenen Hinterliegergrundstück bei Hinwegdenken der weiteren Erschließung durch die Straße "D. - L E." auch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht eine ausreichende Erschließung vermittelt. Die Regelung in § 5 Abs. 1 NBauO, wonach das Baugrundstück so an einer mit Kraftfahrzeugen befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegen oder einen solchen Zugang zu ihr haben muss, dass der von der baulichen Anlage ausgehende Zu- und Abgangsverkehr und der für den Brandschutz erforderliche Einsatz von Feuerlösch- und Rettungsgeräten jederzeit ordnungsgemäß und ungehindert möglich sind, beschreibt allein die bauaufsichtlichen Anforderungen an die Zugänglichkeit des Baugrundstücks vor dem Hintergrund der bereits planungsrechtlich erforderlichen Erschließung (Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/ Wiechert, NBauO, Kommentar, 8. Aufl., 2007, § 5 Rdnr. 8). Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss die Verkehrsfläche, an der das Baugrundstück liegt oder von der es einen Zugang hat, mit Kraftfahrzeugen befahrbar sein und den aufzunehmenden Verkehr bewältigen können (Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, a. a. O. Rdnr. 9). Der von der Erschließungsanlage aufzunehmende Verkehr wird durch die Festsetzungen des Bebauungsplans bestimmt. Hier sieht der Bebauungsplan Nr. F. "Zwischen G. und D." die Festsetzung Dorfgebiet vor. Der in einem Dorfgebiet im Sinne von § 5 BauNVO üblicherweise anfallende Verkehr kann von einer - wie hier - 5 m breiten Straße ohne weiteres bewältigt werden. Insbesondere können - wie die vorgelegten Fotos zeigen - auch Feuerwehrfahrzeuge und ähnlich große Versorgungsfahrzeuge den Stichweg befahren.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind weitergehende Anforderungen insbesondere an den Einmündungsbereich des Stichwegs in den Hauptzug des Rosenbaumwegs im Sinne einer verpflichtenden Einhaltung bestimmter Durchfahrtsbreiten und Kurvenradien in rechtlicher Hinsicht nicht zu stellen. Das Bebauungsrecht begnügt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 4.6.1993 - 8 C 33/91 - BVerwGE 92, 304 = KStZ 1993, 214 = NVwZ 1994, 299 = DÖV 1993, 1050), der sich der Senat anschließt, in der Regel damit, dass die die regelmäßige Erschließung vermittelnde Verkehrsanlage für Kraftfahrzeuge überhaupt befahrbar ist, ohne Rücksicht darauf, ob dies nur für Personen- und kleinere Kraftfahrzeuge zutrifft oder auch Großfahrzeuge einschließt. Nur ausnahmsweise genügt eine Erreichbarkeit des Grundstücks lediglich für Personen- sowie kleinere Ver- und Entsorgungsfahrzeuge dann nicht, wenn das Bebauungsrecht eine bestimmte Nutzung davon abhängig macht, dass mit Kraftfahrzeugen aller Art, also auch mit Großfahrzeugen, an das zu nutzende Grundstück herangefahren werden oder auf das Grundstück heraufgefahren werden kann. Ein derartiger Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Die in dem Bebauungsplan Nr. F. "Zwischen G. und D." getroffene Festsetzung "Dorfgebiet" rechtfertigt nicht den Schluss, das Bebauungsrecht mache die Bebaubarkeit des Flurstücks 91/1 des in Rede stehenden Stichwegs wegen von dessen Befahrbarkeit mit Großfahrzeugen abhängig. Der ein Erschlossensein begründende Erschließungsvorteil verlangt bei einem Grundstück in einem Dorfgebiet - vorbehaltlich besonderer Festsetzungen in einem Bebauungsplan - nicht, dass die Erschließungsanlage dem Grundstück eine Bebaubarkeit für alle nach § 5 Abs. 2 BauNVO zulässigen Nutzungsarten ermöglicht. Der Erschließungsvorteil, den das Grundstück durch die Erschließungsanlage erfährt, besteht vielmehr darin, dass es überhaupt bebaubar wird (vgl. dazu für das Mischgebiet BVerwG, Urteil vom 27.9.2006 - 9 C 4/05 - BVerwGE 126, 378 = NVwZ 2007, 81 = KStZ 2007, 92 = DVBl 2007, 177), dass auf ihm also irgendeine der nach § 5 Abs. 2 BauNVO rechtlich zulässigen baulichen Nutzungen mit Blick auf diese Erschließungsanlage ("ihretwegen") nunmehr genehmigt werden müsste. Das klägerische Grundstück wird aber schon dadurch (überhaupt) bebaubar, nämlich für eine Wohnbebauung (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO), wenn mit Personen- und kleineren Versorgungsfahrzeugen über die Stichstraße des "B." an dessen Ende gefahren werden kann und das Hinterliegergrundstück von dort aus Zugang über das Anliegergrundstück des Klägers, Flurstück 48/6, erhalten kann.

Zur Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts macht der Kläger ferner geltend, der Bebauungsplan "Zwischen G. und D." sei insoweit rechtswidrig und nichtig, wie zwischen dem "B." und dem Grundbesitz des Klägers ein Stichweg geplant worden sei, dessen Kurvenradius so gering sei, dass Fahrzeuge der Feuerwehr oder Ver- und Entsorgungsfahrzeuge nur unter größten Schwierigkeiten in den Stichweg einbiegen könnten. Dieser Bebauungsplan könne deshalb nicht Grundlage für die rechtmäßige Herstellung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage sein. Diese Einwendungen gegen die Gültigkeit des Bebauungsplans Nr. F. "Zwischen G. und D." greifen nicht durch. Denn der Rat der Beklagten war bei der Aufstellung des Bebauungsplans nicht an exakt vorgeschriebene Vorgaben zur Ausgestaltung der Erschließungsanlage insbesondere im Hinblick auf die Durchschnittsbreite und die Kurvenradien im Einmündungsbereich der Stichstraße gebunden. Rechtlich verbindliche Vorschriften über eine genaue Mindestdurchschnittsbreite eines Einmündungsbereichs einer öffentlichen Erschließungsanlage existieren nicht. Dass der Rat der Beklagten im Rahmen der Abwägung bei der Bebauungsplanaufstellung abwägungsfehlerhaft nicht hinreichend beachtet hat, ob der mit der Festsetzung "Dorfgebiet" verbundene Verkehr im Regelfall von den geplanten Verkehrswegen aufgenommen werden kann, hat der Kläger weder vorgetragen noch ist ein solcher Abwägungsfehler ersichtlich.

Soweit der Kläger in seinen Schriftsätzen vom 10. August 2007 und 5. September 2007 geltend macht, dass es zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten im Jahr 2002 keine Zuwegung oder sonstige Zugangsmöglichkeit von dem Flurstück 91/1 zu dem Vorderliegergrundstück, Flurstück 48/6, gegeben habe, und von einer einheitlichen Nutzung zum damaligen Zeitpunkt nicht die Rede sein könne, vermag sein Vortrag eine Zulassung der Berufung schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil er lediglich eine Reaktion auf die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 21. März 2007 darstellt, also keine eigenständige Darlegung eines näher bezeichneten Zulassungsgrundes beinhaltet. Neue Zulassungsgründe konnten nach Ablauf der 2-monatigen Begründungsfrist für den Zulassungsantrag, also ab dem 21. November 2006, ohnehin nicht mehr fristgerecht geltend gemacht werden. Entsprechendes gilt auch für den zusätzlich im Schriftsatz vom 5. September 2007 geäußerten Einwand, im vorliegenden Fall sei wegen Ausrichtung des Grundstücks, Flurstück 91/1, zur Straße "D. - L E." eine eingeschränkte Erschließungswirkung mit der Folge anzunehmen, dass für das Hinterliegergrundstück trotz Eigentümeridentität eine Erschließungsbeitragspflicht nicht entstehen könne.

Die Berufung kann auch nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO oder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Der Kläger hat die Frage aufgeworfen, ob ein Baugrundstück die rechtlichen Anforderungen an seine Zugänglichkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 NBauO schon dann erfülle, wenn es der Feuerwehr gelinge, das Grundstück anzufahren oder ob zusätzlich sichergestellt sein müsse, dass die als Rettungsweg benötigte Zuwegungsfläche im Hinblick auf ihre Breite und Kurvenradien den Anforderungen des § 2 DVNBauO genüge. Diese Frage lässt sich im oben aufgezeigten Sinn beantworten, ohne dass es dazu der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.

Ende der Entscheidung

Zurück