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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.10.2007
Aktenzeichen: 9 LA 377/05
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4
Zur Bestimmung des Gemeindeanteils im Rahmen der Kalkulation für die Erhebung von Fremdenverkehrsbeiträgen
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 9 LA 377/05

Datum: 17.10.2007

Gründe:

Die Beklagte zog den Kläger mit Bescheid vom 3. September 2003 u. a. für das Jahr 2000 in Anknüpfung an das vom Kläger seinerzeit im Kurhaus der Beklagten betriebene Restaurant nach Maßgabe ihrer Fremdenverkehrsbeitragssatzung zu einem Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 138,40 € heran.

§ 1 Abs. 2 b) bb) der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten sah vor, dass der Gesamtaufwand für die Fremdenverkehrseinrichtungen der Beklagten im Jahr 2000 zu 2,2049 v. H. durch Fremdenverkehrsbeiträge, zu 58,1759 v. H. durch Kurbeiträge, und zu 38,6574 v. H. durch sonstige Entgelte gedeckt wird.

Den Fremdenverkehrsbeitragsbescheid hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil bezogen auf das Jahr 2000 mit der Begründung aufgehoben, dass der sich aus § 1 Abs. 2 b der Fremdenverkehrsbeitragssatzung ergebende Gemeindeanteil am Gesamtaufwand in Höhe von 0,9618%, was einem Betrag von 15.354,24 DM entspreche, in ermessensfehlerhafter Weise bei weitem zu niedrig bemessen worden sei. Die Höhe des Gemeindeanteils festzulegen, liege zwar im Ermessen des Rates der Beklagten, habe sich aber insbesondere am Charakter und Umfang des Fremdenverkehrsanteils im Erhebungsgebiet zu orientieren. Die Beklagte sei verpflichtet, den Gesamtaufwand um einen Anteil für das öffentliche Interesse an den fremdenverkehrsbedingten Aufwendungen zu mindern, weil die Einwohner und die Beklagte selbst dadurch einen Vorteil vom Fremdenverkehr hätten, dass der Fremdenverkehr die Wirtschaftskraft der Gemeinde insgesamt stärke und ihre eigenen Einnahmen hebe. Zudem seien die Fremdenverkehrseinrichtungen auch den Einheimischen zugänglich.

Der dagegen gerichtete und auf die Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 und 4 VwGO gestützte Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 12. Oktober 2005 bestehen entgegen den Ausführungen der Beklagten im Zulassungsantrag ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht.

Die Beklagte rügt, der von ihr zu tragende öffentliche Anteil an den Aufwendungen für die Fremdenverkehrseinrichtungen sei nicht bezogen auf den Gesamtaufwand für die Fremdenverkehrseinrichtungen, sondern im Hinblick auf den über Fremdenverkehrsbeiträge refinanzierten beitragsfähigen Aufwand zu bemessen. Bezogen auf diesen beitragsfähigen Aufwand liege der öffentliche Anteil bei über 30%. Bei der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Berechnung des öffentlichen Anteils auf der Grundlage des Gesamtaufwandes würden die Einwohner einer Gemeinde doppelt belastet. Denn die öffentliche Anteilsquote spiegele gerade das Interesse der Einwohner wider, an der allgemeinen Hebung der Wirtschaftskraft durch den Fremdenverkehr teilzuhaben sowie die Fremdenverkehrseinrichtungen auch zu nutzen. Wenn aber die Einheimischen für bestimmte Einrichtungen bereits Gebühren zahlten, sei es widersinnig, zuvor einen öffentlichen Anteil als Quote vom Gesamtaufwand in Abzug zu bringen. Es sei überzogen, von dem Gesamtaufwand der Beklagten für Fremdenverkehrseinrichtungen im Jahr 2000 in Höhe von rund 1,6 Millionen DM vorab 20%, mithin 320.000 DM, in Abzug bringen zu wollen. Schon die absolute Zahl lasse deutlich werden, dass der öffentliche Anteil bei der Ermittlung des umlagefähigen Aufwands nicht vom Gesamtaufwand abzuziehen sei.

Diese Einwände der Beklagten greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der von der Beklagten übernommene Anteil an den Aufwendungen für die Fremdenverkehrseinrichtungen im Jahr 2000 nicht ausreichend hoch bemessen ist.

Die in § 1 Abs. 2 b), bb) der Fremdenverkehrsbeitragssatzung für das Jahr 2000 vorgesehene Deckung des Gesamtaufwands zu 2,2049% durch Fremdenverkehrsbeiträge, zu 58,1759% durch Kurbeiträge und zu 38,6574 % durch sonstige Entgelte entspricht einem Deckungsgrad von 99,0319 %. Zugleich ergibt sich daraus bzw. wird damit festgelegt, dass der nicht gedeckte Aufwand in Höhe von 0,9681% als Eigenanteil von der Beklagten zu tragen ist. Diese Interessenquote der Allgemeinheit ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - nicht ausdrücklich in der Fremdenverkehrsbeitragssatzung prozentual zu benennen. Sie muss aber das Ergebnis einer Ermessensausübung der Beklagten sein. Daran fehlt es hier. Die Beklagte hat eine bewusste, ermessensorientierte Festlegung der Höhe des Gemeindeanteils überhaupt nicht vorgenommen. Für die Deckung des durch die Fremdenverkehrseinrichtungen entstandenen Aufwands hat sie sich ausschließlich an der Gewinn- und Verlustrechnung 2000 orientiert und damit gleichsam negativ den nicht gedeckten Aufwand als Gemeindeanteil hingenommen, ohne dass zur Bestimmung der Höhe des Gemeindeanteils eine bewusste Ermessensausübung erkennbar wäre. Bei dieser Vorgehensweise erweist sich der Gemeindeanteil in Abhängigkeit von der jährlich differierenden Höhe der übrigen Finanzierungsinstrumente Fremdenverkehrsbeiträge, Kurbeiträge und sonstige Entgelte allein als ein zufälliges - durch die fehlende Restdeckung - bestimmtes Ergebnis. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte in Ausübung ihres weiten Ermessens den Gemeindeanteil - der Höhe nach - daran ausgerichtet und bemessen hätte, dass die Einheimischen die Möglichkeit haben, die Fremdenverkehrseinrichtungen zu Erholungszwecken zu nutzen und dass die Gemeinde allgemein vom Fremdenverkehr z. B. durch Stärkung der Wirtschaftskraft profitiert, sind nicht erkennbar. Dass der Gemeindeanteil nicht das Ergebnis einer Ermessensausübung ist, sondern die Beklagte den durch andere Finanzierungsquellen nicht gedeckten Restaufwand zwangsläufig als Gemeindeanteil übernimmt und ausweist, wird besonders deutlich durch einen Vergleich der jeweiligen Gemeindeanteile in den Jahren 1999, 2000 und 2001. Nach der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten beliefen sich die Gemeindeanteile der Beklagten für 1999 auf 54,0293% und für 2001 auf 27,0246%. Anhaltspunkte dafür, weshalb die Beklagte ihr Ermessen bezüglich der Höhe des Gemeindeanteils in den Jahren von 1999 bis 2001 in einer Bandbreite zwischen zwei Prozent und 54 Prozent ausgeübt hat, sind nicht erkennbar. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die örtlichen Gegebenheiten - namentlich der Vorteil der Allgemeinheit durch den Fremdenverkehr - in den genannten Jahren im Satzungsgebiet derart unterschiedlich dargestellt haben.

Dass es für eine ermessensfehlerfreie Vorgehensweise - zur Bestimmung des Gemeindeanteils der Höhe nach - im vorliegenden Fall nicht ausreicht, sich den in der Gewinn- und Verlustrechnung nicht gedeckten Aufwand als Gemeindeanteil zu eigen zu machen, wird weiter durch die Überlegung gestützt, dass die Gewinn- und Verlustrechnung 2000 bei den Einnahmen entsprechend dem in der Fremdenverkehrsbeitragssatzung vorgegebenen Anteil ein Kurbeitragsaufkommen ausweist, ohne dass der auch bei den Kurbeiträgen gesondert - neben dem Gemeindeanteil bei der Fremdenverkehrsbeitragserhebung - zu berücksichtigende Gemeindeanteil auf der Einnahmenseite Berücksichtigung findet. Damit hat der vom Verwaltungsgericht festgestellte Gemeindeanteil nicht nur die bei der Fremdenverkehrsbeitragserhebung in Ansatz zu bringende Interessenquote der Einwohner abzudecken, sondern auch diejenige, die aus der Kurbeitragserhebung resultiert. Daran wird deutlich, dass bei der Festlegung des Fremdenverkehrsbeitrags wie des Kurbeitrags im Hinblick auf den Umfang des Eigenanteils jeweils eine Orientierung an dem Umstand, dass Fremdenverkehrseinrichtungen regelmäßig auch der Allgemeinheit zu Gute kommen, und eine Überlegung, wie diese Vorteile im Rahmen der Kurbeitrags- und Fremdenverkehrsbeitragserhebung zu verteilen sind, nicht stattgefunden haben. Die von der Beklagten vorgenommene Gleichsetzung des nicht gedeckten Aufwands mit dem kommunalen Eigenanteil, ohne erkennen zu lassen, welcher Anteil des Eigenanteils dem Fremdenverkehrsbeitrag und welcher dem Kurbeitrag zuzuordnen ist, lässt demnach eine Überprüfung, ob die jeweilige Höhe des kommunalen Eigenanteils noch ermessensgerecht ist, überhaupt nicht zu.

Von daher ist es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht von entscheidender Bedeutung, ob das Verwaltungsgericht die Bestimmung des Gemeindeanteils zu Recht am Gesamtaufwand festgemacht hat oder ob der Anteil - wie die Beklagte meint - nach der Bezugsgröße beitragsfähiger Aufwand zu bemessen gewesen wäre. Auf den geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit kann die Entscheidung des Verwaltungsgerichts somit ebenso beruhen wie auf den Gesichtspunkten, die nach Ansicht der Beklagten den Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erfüllen. Auch erweist sich die von der Beklagten aufgeworfene Frage, bezogen auf welche Basis (Gesamtaufwand oder über Fremdenverkehrsbeiträge refinanzierter beitragsfähiger Aufwand) der öffentliche Anteil bei der Kalkulation von Fremdenverkehrsbeiträgen zu berechnen ist und welche Höhe dieser im Verhältnis zu der jeweils gewählten Basis haben muss, im vorliegenden Fall nicht als entscheidungserheblich, so dass sie eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht rechtfertigt.

Soweit die Beklagte ausführt, das angefochtene Urteil weiche von der Entscheidung des Senats vom 13. November 1990 - 9 K 11/89 - (OVGE MüLü 42, 334 = NVwZ-RR 1992, 40 = NdsRpfl 1991, 121) ab, kann die Berufung schließlich nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen Divergenz zugelassen werden. Denn unbeschadet der Frage, ob der Entscheidung des Senats vom 13. November 1990 - 9 K 11/89 - der Rechtssatz zu entnehmen ist, dass die Höhe des Gemeindeanteils in jedem Fall in Relation zum über Fremdenverkehrsbeiträge refinanzierten beitragsfähigen Aufwand zu bewerten ist, erweist sich das Urteil wegen ermessensfehlerhafter Bestimmung der Höhe des Gemeindeanteils im Ergebnis als richtig, ohne dass es noch auf die Bezugsgröße zur Bemessung des Gemeindeanteils ankäme.

Ende der Entscheidung

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