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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.06.2008
Aktenzeichen: 9 ME 172/07
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 132 Nr. 4
BauGB § 133 Abs. 2 Satz
1. Wird durch die Änderung der in der Beitragssatzung bestimmten Merkmalsregelung iSd § 132 Nr. 4 BauGB für die Zukunft die endgültige Herstellung einer bereits früher gebauten Erschließungsanlage gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB bewirkt, handelt es sich um eine unechte Rückwirkung.

2. Eine solche unechte Rückwirkung ist im Erschließungsbeitragsrecht grundsätzlich zulässig.


Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für eine in südlicher Richtung von der "D. Straße" bis zur Kurve in Richtung Westen verlaufende etwa 105 m lange Teilstrecke der Straße "C." im Ortsteil E. der Antragsgegnerin. Er ist zur ideellen Hälfte in ungeteilter Erbengemeinschaft mit seiner Schwester Miteigentümer eines 6.723 m² großen unbebauten Eckgrundstücks (Flurstück 130/3 der Flur 35, Gemarkung E.), das im Norden an die "D. Straße" und im Westen an die abgerechnete Teilstrecke der Straße "C. " angrenzt. Die Straße "C. " liegt mit der abgerechneten Teilstrecke und nahezu in ihrem gesamten weiteren Verlauf Richtung Westen innerhalb des Geltungsbereichs des seit Ende Dezember 1998 rechtsverbindlichen Bebauungsplans "C. " der Antragsgegnerin. Das Grundstück des Antragstellers und die hieran südlich anschließenden Nachbargrundstücke "C. 1" und "C. 2", die aufgrund von Baugenehmigungen aus dem Jahre 2001 mit Wohnhäusern bebaut sind, liegen außerhalb des Geltungsbereichs dieses oder eines anderen Bebauungsplans. Das Plangebiet "C." mit Ausnahme der abgerechneten Straßenstrecke und der an diese westlich angrenzenden Grundstücke ist Gegenstand eines zwischen der Antragsgegnerin und der Immobilien-Gesellschaft der Raiffeisen-Volksbank F. mbH Mitte Februar 1994 abgeschlossenen Erschließungsvertrages, in dessen § 1 Abs. 3 sich der Erschließungsträger zur Herstellung der Erschließungsanlagen im Vertragsgebiet verpflichtete. Die nicht vom Erschließungsvertrag erfasste Teilstrecke der Straße "C. ", die sich bis dahin als ein 3 m breiter in Bitumen befestigter Wirtschaftsweg ohne Straßenentwässerung und Straßenbeleuchtung darstellte, ließ die Beklagte bis 1995 auf 4,50 m verbreitern, mit einer asphaltierten Fahrbahn und einer Straßenentwässerung sowie im Jahre 1997 auch mit einer - mangels Rechnungslegung nicht in die Abrechnung eingestellten - Straßenbeleuchtung versehen. "Beidseitige Gehwege mit Abgrenzung gegen die Fahrbahn und fester Decke", die in § 10 Abs. 1 b) der seinerzeit verbindlichen Erschließungsbeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 15. Dezember 1987 (EBS 1987) als ein Merkmal der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen bestimmt waren, wurden nicht angelegt. Am 4. November 2003 beschloss der Rat der Antragsgegnerin eine Änderungssatzung zur EBS 1987, in dessen § 10 Abs. 1 Nr. 4, der zum 29. November 2003 in Kraft getreten ist, als Merkmal der endgültigen Herstellung bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen der Straße stattdessen bestimmt ist, dass "die flächenmäßigen Bestandteile der Erschließungsanlage gemäß dem Bauprogramm hergestellt sind".

Die Antragsgegnerin zog mit Bescheid vom 31. Oktober 2006 den Antragsteller für sein Grundstück unter Berücksichtigung eingeschossiger Bebauung und Reduzierung der maßgeblichen Grundstücksfläche durch Einräumung der satzungsmäßigen Tiefenbegrenzung von 50 m auf 2.173 m² zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 6.248,16 € heran. Den hiergegen gerichteten Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen dargelegt:

Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung seien die §§ 127ff. BauGB i.V.m. der EBS 1987 in der Fassung vom 4. November 2003. Diese Satzung sei hier anzuwenden, weil mit ihr erstmals die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für Straßen ohne beiderseitige Gehwege ermöglicht worden sei. Weil vor Erlass dieser Satzung keine rechtliche Möglichkeit zur Beitragsveranlagung bestanden habe, habe Verjährung nicht eintreten können, auch wenn an der Anlage wohl seit 1995 keine Baumaßnahmen mehr durchgeführt worden seien. Entgegen der Ansicht des Antragstellers handle es sich hier nicht um die Frage einer echten oder unechten Rückwirkung der Satzung. Der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben setze der Möglichkeit, durch das Inkrafttreten einer Satzung erst viele Jahre nach Abschluss der technischen Ausbaumaßnahmen das Entstehen der Beitragspflicht zu bewirken, erst dann eine Grenze, wenn die Grundeigentümer schutzwürdig darauf hätten vertrauen dürfen, dass für die erstmalige Herstellung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage keine Beiträge mehr erhoben würden. Dies werde nach der Rechtsprechung jedoch erst angenommen, wenn ein Zeitraum von mindestens 20 Jahren überschritten sei und die Gemeinde während dieses Zeitraums keinerlei Schritte unternommen habe, die ihren Willen erkennen ließen, das Entstehen der Beitragspflichten herbeizuführen. Ein derartiger Ausnahmefall liege hier nicht vor. Bei dem abgerechneten Teilstück der Straße handle es sich nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 27. April 2000 (9 M 4297/99) um eine selbstständige Erschließungsanlage, weil das erschließungsrechtliche Schicksal der Restlänge der - bei natürlicher Betrachtung sonst als eine einheitlich abzurechnende Erschließungsanlage anzusehenden - Straße durch einen Erschließungsvertrag geregelt worden sei. Eine die Beitragspflicht auslösende Bebaubarkeit des Grundstücks des Antragstellers sei hier entgegen der Ansicht des Landkreises Wittmund in seiner Stellungnahme gegenüber der Antragsgegnerin vom 29. Juni 2006 nicht nach § 35 Abs. 2 BauGB, sondern nach § 34 BauGB gegeben. Denn das Grundstück des Antragstellers sei noch in den erst an der "D. Straße" endenden Bebauungszusammenhang einzubeziehen. Darauf, dass die Bebaubarkeit seines Grundstücks nur bis zu einer Tiefe von 30 m gegeben sei, komme es nicht an, weil die Grundsätze der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität es erlaubten, eine satzungsmäßige Tiefenbegrenzung anzuordnen und damit die bei Anwendung des § 34 BauGB verbundenen Unsicherheiten bei der Abgrenzung von Innen- und Außenbereich zu vermeiden. Schließlich sei es auch nicht rechtsfehlerhaft, dass nur der Antragsteller als Miteigentümer in ungeteilter Erbengemeinschaft in Anspruch genommen worden sei.

Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, führt im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung.

Allerdings kann dem Verwaltungsgericht nicht in seiner Einschätzung gefolgt werden, die - im Beschwerdeverfahren aufrecht erhaltenen - Ausführungen des Antragstellers zur Zulässigkeit echter und unechter Rückwirkung von Gesetzen lägen hier neben der Sache. Richtig ist, dass von einer echten Rückwirkung der Neufassung des § 10 Abs. 1 EBS zu den Merkmalen der endgültigen Herstellung von Erschließungsanlagen nicht ausgegangen werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (z.B. Beschl. v. 15.10.1996 - 1 BvL 44/92 und 48/92 - BVerfGE 95, 64 [86] = NJW 1997, 722 = DVBl 1997, 420) entfaltet ein Gesetz - dasselbe gilt für eine kommunale Satzung - eine echte Rückwirkung, wenn es nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Bei belastenden Gesetzen ist dies wegen Verstoßes gegen die rechtsstaatlichen Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes grundsätzlich verfassungswidrig (vgl. ergänzend: BVerfG, Kammerbeschl. v. 22.4.1998 - 1 BvR 2146/94 und 1 BvR 2180/94 - zitiert nach juris). Demgegenüber ist die unechte Rückwirkung einer Norm durch deren bloße tatbestandliche Rückanknüpfung gekennzeichnet. Das Gesetz wirkt zwar nicht auf vergangene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen ein. Es beschränkt sich aber nicht auf zukünftige Rechtspositionen, sondern wirkt auch auf gegenwärtige, in der Vergangenheit noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein und beeinträchtigt oder entwertet damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich. Regelungen mit unechter Rückwirkung sind nach der zitierten Rechtsprechung grundsätzlich zulässig. Jedoch können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Das ist dann der Fall, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen, wenn also - anders ausgedrückt - das Vertrauen der Betroffenen auf die Sicherheit der bestehenden Lage den Vorrang verdient (so: BVerfG, Beschl. v. 9.3.1971 - 2 BvR 326/69 u.a. - BVerfGE 30, 250 [268] = BStBl II 1971, 433 = DÖV 1971, 417 = NJW 1971, 1603 = DVBl 1971, 651). Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 EBS entfaltet keine echte Rückwirkung, weil durch sie kein in der Vergangenheit auch rechtlich bereits abgeschlossener Sachverhalt berührt wird. Denn vor der Neufassung dieser Bestimmung konnte für Erschließungsanlagen, die nur mit einem oder ohne Gehwege hergestellt worden waren, eine Beitragspflicht nicht entstehen, weil die endgültige Herstellung von Erschließungsanlagen i.S.v. § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB u. a. voraussetzt, dass die Erschließungsanlagen entsprechend den für die endgültige Herstellung maßgeblichen und nach § 132 Nr. 4 BauGB in der Satzung zu bestimmenden Merkmalen ausgebaut worden sind. Der lediglich technische Abschluss der Herstellungsmaßnahmen stellt deshalb im Beitragsrecht noch keinen abgeschlossenen Sachverhalt dar. Mit dem erst nachträglichen Inkraftsetzen einer Beitragssatzung - hier: einer geänderten Merkmalsregelung - erfolgt aber eine tatbestandliche Rückanknüpfung an (rechtlich) noch nicht abgeschlossene Sachverhalte. Dabei handelt es sich um eine unechte Rückwirkung (ebenso für die insoweit dem Erschließungsbeitragsrecht entsprechende Rechtslage nach dem Thüringer Kommunalabgabengesetz: ThürOVG. Beschl. v. 29.9.1999 - 4 ZEO 844/98 - ZKF 2000, 12 = DÖV 2000, 512). Dies ist indes zulässig. Denn einem etwaigen Vertrauen der Betroffenen darauf, dass für die Herstellung einer Erschließungsanlage wegen Fehlens einer Beitragssatzung oder deren Fehlerhaftigkeit/Ungeeignetheit hinsichtlich der Merkmalsregelung keine Erschließungsbeiträge erhoben werden, fehlt die Schutzwürdigkeit, weil schon seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes jeder Bürger bei der erstmaligen Herstellung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage mit einer Belastung durch Erschließungsbeiträge rechnen muss (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl. 2007, § 11 RdNr. 73; ThürOVG, a.a.O., zum Ausbaubeitrag nach thüringischem Landesrecht).

Die Rügen des Antragstellers, der Rat der Antragsgegnerin habe bei der Neufassung des § 10 Abs. 1 EBS sein Satzungsermessen nicht ausgeübt und einziges Ziel der Satzungsänderung sei es gewesen, die Abrechnung einer bereits acht Jahre zurückliegenden Erschließungsmaßnahme zu ermöglichen, greifen nicht. Angesichts der vom Gesetzgeber mit § 127 Abs. 1 BauGB normierten Beitragserhebungspflicht der Gemeinden (BVerwG, st.Rspr.; z.B. Urt. v. 18.3.1988 - 8 C 92.87 - BVerwGE 79, 163 = ZMR 1988, 274 = KStZ 1988, 141 = DVBl 1988, 899 = NVwZ 1989, 159 = Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 53) konnte der Satzungsgeber, nachdem erkannt worden war, dass § 10 Abs. 1 EBS a.F. die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für ohne oder nur mit einem Gehweg hergestellte Straßen hinderte, nur noch entscheiden, ob er diesen Mangel im jeweiligen Einzelfall durch Erlass einer Abweichungssatzung oder generell durch Neufassung der Merkmalsregelung beheben wollte. In der einschlägigen Sitzungsvorlage vom 15. September 2003 heißt es dementsprechend:

"In der Satzung der Stadt Wittmund ist festgelegt, dass Straßen endgültig fertig gestellt sind, wenn sie u.a. beidseitige Gehwege aufweisen (§ 10 Abs. 1 b). Dies bedeutet, dass für Straßen, die ohne Gehwege oder nur mit einem Gehweg gebaut werden, eine Sondersatzung erlassen werden müsste zur Regelung über die endgültige Herstellung. Es ist daher sinnvoll, § 10 der Satzung zu ändern und nur die Mindestanforderungen an eine endgültig hergestellte Anlage festzulegen. Die flächenmäßigen Bestandteile ergeben sich dann aus dem Bauprogramm bzw. den Auftragsbeschreibungen für die einzelne Maßnahme".

Der Rat der Antragsgegnerin ist diesem Vorschlag der Verwaltung gefolgt und hat damit für alle - hinsichtlich der technischen Herstellung bereits zurückliegende als auch bevorstehende - Abrechnungsfälle eine (teilweise) Neufassung der Merkmalsregelung verabschiedet. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht allein die abgerechnete Teilstrecke der Straße "Fasanerie" als eine der Abrechnung zugängliche Erschließungsanlage i.S.d. §§ 127ff. BauGB angesehen. Denn durch die im angefochtenen Urteil zitierte Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 27.4.2000 - 9 M 45297/99 - n.v.), die mit der Rechtsprechung des OVG Münster in einer früheren Entscheidung (Urt. v. 24.11.1998 - 3 A 706/91 - NWVBl 1999, 262 = ZKF 1999, 184 = BayVBl 2001, 284 = DÖV 1999, 568 [nur LS]) im Einklang steht, ist geklärt, dass bei zwei aneinander schließenden Straßenzügen, bei denen das erschließungsrechtliche Schicksal des einen Straßenzugs durch einen Erschließungsvertrag geregelt ist, auch dann allein der außerhalb des Geltungsbereichs des Erschließungsvertrages verlaufende Straßenzug den Regeln der §§ 127 ff. BauGB unterworfen ist, wenn - wie hier - bei der sonst gebotenen natürlichen Betrachtungsweise beide Straßenzüge als eine einheitliche Erschließungsanlage erscheinen. Der Vorwurf des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe "willkürlich" die abgerechnete Teilstrecke aus dem Geltungsbereich des Erschließungsvertrages herausgenommen, ist unbegründet. Durch den Erschließungsvertrag wurde dem Erschließungsträger die Vermarktung der - nach Sicherung der Erschließung - baureifen Grundstücke im Plangebiet ermöglicht. Es war mithin sachgerecht und ist in derartigen Fällen auch gängige Praxis, wenn der Erschließungsträger lediglich die Erschließungsanlagen herzustellen hat, die für die Erschließung der zukünftigen Baugrundstücke zusätzlich erforderlich werden. An die abgerechnete Teilstrecke der bei Vertragsabschluss bereits als Wirtschaftsweg vorhandenen Teilstrecke der Straße "C. " grenzen indes nur Altanlieger und keine erst durch die Erschließungsmaßnahmen des Erschließungsträgers baureif gewordene Grundstücke an. Im Übrigen kommt es auf die Beantwortung der Frage, ob die Antragsgegnerin 1994 auch das abgerechnete Teilstück in den Erschließungsvertrag hätte einbeziehen können, nicht entscheidungserheblich an. Denn die beitragsrechtliche Verselbstständigung dieser Teilstrecke der Straße "C. " ist nach der angeführten Rechtsprechung die zwangsläufige Folge dessen, dass nur die Reststrecke tatsächlich vom Erschließungsträger und nicht von der Antragsgegnerin hergestellt worden ist. Letztere verweist mithin zu Recht darauf, dass die - vom Antragsteller bezweifelte - Wirksamkeit des vom Erschließungsträger erfüllten Erschließungsvertrages insoweit irrelevant ist.

Die Auffassung des Antragstellers, die Beurteilung der Bebaubarkeit seines Grundstücks durch die Baugenehmigungsbehörde in der Stellungnahme des Landkreises Wittmund vom 3. Juli 2006 sei für die Antragsgegnerin im Rahmen der Beitragserhebung bindend, ist unzutreffend. Eine solche Bindungswirkung würden erst ein bestandskräftiger Bauvorbescheid oder eine bestandskräftige Baugenehmigung entfalten. Die Antragsgegnerin war mithin nicht deshalb gehindert, eine Bebaubarkeit des Grundstücks nach § 34 BauGB zu bejahen, weil der Landkreis lediglich über § 35 Abs. 2 BauGB dessen Bebaubarkeit als Außenbereichsgrundstück für zulässig angesehen hat. Überdies war die Auskunft des Landkreises hinsichtlich der Begründung für die Bebaubarkeit des Grundstücks unzutreffend. Denn die beiden - nach § 35 Abs. 2 BauGB beurteilten - Wohngebäude östlich der Straße "C. " und südlich des Grundstücks des Antragstellers waren ausweislich der Stellungnahme im Juli 2006 bereits vorhanden. Der Abstand zwischen dem Wohngebäude auf dem südlichen Nachbargrundstück "C. 1 " des Antragstellers und der "D. Straße" beträgt nach den vorliegenden Lageplänen gerade 40 m. Die westliche Straßenseite ist nahezu vollständig bebaut. Mithin ist seit Bebauung der beiden Grundstücke an der Ostseite der abgerechneten Teilstrecke davon auszugehen, dass das zwischen der östlichen Bebauung und der "D. Straße" gelegene Grundstück des Antragstellers nicht (mehr) dem Außenbereich zuzuordnen ist, sondern sich stattdessen als eine Baulücke im unbeplanten Innenbereich i. S. v. § 34 BauGB darstellt.

Die Heranziehung des Antragstellers erweist sich schließlich auch nicht deshalb als fehlerhaft, weil das erschlossene Grundstück nicht in seinem Alleineigentum steht, sondern er lediglich zur ideellen Hälfte in ungeteilter Erbengemeinschaft mit seiner Schwester Miteigentum hieran hat. Denn Mitglieder einer Erbengemeinschaft sind nebeneinander als Gesamtschuldner nach § 6 Abs. 8 Satz 4 NKAG beitragspflichtig (Beschl. d. Sen. v. 11.10.2007 - 9 LC 354/04 - m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 b) NKAG i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung. Die Antragsgegnerin durfte daher nach ihrem Ermessen von einem der beitragspflichtigen Miterben - hier dem Antragsteller - den vollen Beitrag fordern und es diesem überlassen, bei seiner Schwester einen Ausgleich zu suchen. Die Ermessensentscheidung über die Auswahl eines Gesamtschuldners bedarf entgegen der Auffassung des Antragstellers keiner schriftlichen Begründung; auch Hinweise auf die Gesamtschuld der übrigen nicht herangezogenen Gesamtschuldner und auf die befreiende Wirkung der Zahlung eines Gesamtschuldners gehören nicht zum notwendigen Inhalt des Heranziehungsbescheides (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.1.1993 - 8 C 57/91 - KStZ 1993, 93 = NJW 1993, 1667 = ZMR 1993, 480; ThürOVG, Beschl. v. 9.5.2000 - 4 ZEO 946/98 - ZKF 2000, 229).

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