Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.09.2008
Aktenzeichen: 9 ME 191/08
Rechtsgebiete: Kurbeitragssatzung


Vorschriften:

Kurbeitragssatzung § 2 Abs. 2
Die durch das Innehaben der Zweitwohnung begründete Aufenthaltsvermutung, die die Erhebung eines Jahreskurbeitrags auch zu Beginn des Erhebungszeitraums rechtfertigt, kann, wenn rechtlich eine Möglichkeit zur Eigennutzung besteht, erst durch einen nach Ablauf des Erhebungszeitraums zu führenden Nachweis, sich ganzjährig nicht im Erhebungsgebiet aufgehalten zu haben, widerlegt werden.
Gründe:

Die Antragsteller wenden sich gegen die Erhebung des Jahreskurbeitrags für das Jahr 2008.

Die Antragsteller sind ortsfremde Inhaber einer Zweitwohnung in dem als Nordseeheilbad staatlich anerkannten Ortsteil E. der Antragsgegnerin. Mit Bescheid vom 14. Januar 2008 setzte die im Auftrag der Antragsgegnerin tätige F. GmbH gegen die Antragsteller als Inhaber einer Wohngelegenheit einen Jahreskurbeitrag für 2008 in Höhe von 126,-- € fest. Gegen den Bescheid haben die Antragsteller Klage erhoben und zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Jahreskurbeitragspflicht ortsfremder Eigentümer einer Zweitwohnung sei gerechtfertigt, weil die Zweitwohnungsinhaber tatsächlich eine reale Möglichkeit hätten, die Kur- und Erholungseinrichtungen im Erhebungsgebiet in Anspruch zu nehmen. Die Pflicht zur Zahlung des Jahreskurbeitrags entfalle u. a., wenn der Zweitwohnungsinhaber die durch den Erwerb der Zweitwohnung zunächst begründete Aufenthaltsvermutung durch konkretes Tatsachenvorbringen substanziiert widerlege. Diese Aufenthaltsvermutung hätten die Antragsteller für das Jahr 2008 nicht entkräftet. Insbesondere seien die eidesstattliche Versicherung sowie ein Schreiben des Hausverwalters, mit denen die Antragsteller die Aufenthaltsvermutung für 2005 - nach der zu ihren Gunsten ausgefallenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2007 - hätten widerlegen können, nicht auf den noch nicht beendeten Erhebungszeitraum 2008 zu übertragen, weil sie sich ausdrücklich nur auf das Jahr 2005 bezögen. Aus den für 2005 vorgelegten Unterlagen folge nicht, dass die Antragsteller auch in den folgenden Jahren von der an sich bestehenden Möglichkeit, ihre Wohnung selbst zu nutzen, tatsächlich keinen Gebrauch machen würden.

Mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts machen die Antragsteller geltend: Sie könnten die Aufenthaltsvermutung durch eine auf das Jahr 2008 bezogene eidesstattliche Versicherung derzeit nicht entkräften, weil das Jahr 2008 noch nicht abgeschlossen sei. Wenn man, wie das Verwaltungsgericht zur Widerlegung der Aufenthaltsvermutung, nur auf Unterlagen wie die eidesstattliche Versicherung abstelle, die sich nur auf vergangene Zeiträume beziehen könne, könne im laufenden Erhebungszeitraum der beantragte vorläufige Rechtsschutz niemals gewährt werden. Dies gelte um so mehr, als es den Antragstellern auf anderem Wege gar nicht möglich sei, die Aufenthaltsvermutung durch andere Maßnahmen zu widerlegen. Der für das Jahr 2008 zugrunde zu legende Sachverhalt entspreche dem des Jahres 2005, für das das Verwaltungsgericht angenommen habe, die Aufenthaltsvermutung sei widerlegt. Deshalb sei bei summarischer Prüfung auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren.

Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung. Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschlüsse vom 21.6.1976 - VII B 126.75 - Buchholz 401.63 Kurabgabe Nr. 3 = DÖV 1977, 217 u. vom 16.5.1990 - 8 B 170.89 - NVwZ-RR 1991, 320 = KStZ 1990, 169 = ZKF 1990, 207 = DÖV 1990, 787), des erkennenden Gerichts (Urteil vom 28.1.1982 - 3 OVG C 3/81 - NSt-N 1982, 222 [unter Hinweis auf § 3 der Kurtaxverordnung für die Nds. Staatsbäder vom 16.12.1985]; Urteil vom 28.10.1992 - 9 L 355/92 - NVwZ-RR 1993, 511 = KStZ 1993, 98; Beschlüsse vom 6.10.1995 - 9 L 4616/94 - ; vom 10.7.1997 - 9 M 1180/97 - ; vom 7.10.1999 - 9 L 4246/98 - ; vom 30.5.2000 - 9 L 977/99 - dng 2001, 158 = NSt-N 2000, 240 = NVwZ-RR 2000, 830 = NdsVBl 2001, 223 = NdsRPfl 2000, 297 u. vom 25.2.2004 - 9 KN 546/02 - NSt-N 2004, 89 = KStZ 2004, 91 = ZKF 2004, 138) und die übereinstimmende Rechtsprechung anderer Obergerichte (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.8.1992 - 14 S 249/90 - KStZ 1992, 216; VGH Kassel, Beschluss vom 25.2.1986 - 5 TH 1207/85 - KStZ 1986, 134 = DÖV 1986, 884 = NVwZ 1987, 160; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2.12.1987 - 10 C 10/87 - KStZ 1988, 168; OVG Schleswig, Urteil vom 4.10.1995 - 2 L 197/94 - KStZ 1996, 215 = ZKF 1997, 134) ist geklärt, dass die Kurbeitragspflicht der Inhaber einer Zweitwohnung, die nicht über eine Hauptwohnung im Erhebungsgebiet verfügen, daran anknüpft, dass diese tatsächlich eine reale Möglichkeit haben, die Kur- und Erholungseinrichtungen in Anspruch zu nehmen. Ob der einzelne Ortsfremde während seines Aufenthaltes im Erhebungsgebiet von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, ist unerheblich, da das Gesetz den die Erhebung der Kurabgabe rechtfertigenden Vorteil schon in der Inanspruchnahmemöglichkeit sieht. Die Pflicht zur Zahlung des Saison- bzw. Jahreskurbeitrags entfällt danach zum einen dann, wenn der Zweitwohnungsinhaber die durch den Erwerb der Zweitwohnung zunächst begründete Aufenthaltsvermutung durch konkretes Tatsachenvorbringen substanziiert widerlegt. Denn die Möglichkeit zur Benutzung der Kur- und Erholungseinrichtungen besteht naturgemäß nicht, wenn sich der Eigentümer oder Besitzer der Zweitwohnung während des gesamten Erhebungszeitraums nicht in der Gemeinde aufgehalten hat. Sie entfällt ferner dann, wenn der Zweitwohnungsinhaber trotz Aufenthaltes im Erhebungsgebiet aus gesundheitlichen Gründen, z.B. wegen Bettlägerigkeit, Krankenhausaufenthaltes oder Verletzung, nachweislich während der gesamten Aufenthaltsdauer objektiv gehindert war, die Kureinrichtungen zu nutzen.

Im vorliegenden Fall kann eine Widerlegung der Aufenthaltsvermutung zu Gunsten der Antragsteller derzeit nicht festgestellt werden. Die Antragsteller haben nicht dargelegt, dass ihr Aufenthalt in der Zweitwohnung schon zu Beginn des Jahres 2008 aus objektiven Gründen - etwa einer Dauervermietung an Dritte - ganzjährig ausgeschlossen war. Ihr Vorbringen, sie wollten ihre Zweitwohnung im Jahr 2008 nicht nutzen, reicht zur Widerlegung der Aufenthaltsvermutung nicht aus, weil das Erhebungsjahr 2008 noch nicht abgelaufen ist. Denn der Nachweis, sich ganzjährig nicht im Erhebungsgebiet aufgehalten zu haben, kann naturgemäß erst nach Ablauf des Erhebungszeitraums geführt werden (Beschluss des Senats vom 25.2.2004 - 9 LA 200/03 -). Der Senat hat deshalb in ständiger Rechtsprechung die Erhebung eines Jahreskurbeitrags zu Beginn des Erhebungszeitraums für die Dauer des Erhebungszeitraums im Regelfall, vor allem wenn die Möglichkeit zur Eigennutzung bestand, für rechtmäßig gehalten (Beschlüsse vom 25.2.2004 - 9 LA 200/03 - vom 5. September 2006 - 9 ME 203/06), und zwar unabhängig davon, ob sich später nach Ablauf des Erhebungszeitraums herausgestellt hat, dass die Zweitwohnungsinhaber die während des Erhebungszeitraums andauernde - und naturgemäß dann nicht widerlegbare - Aufenthaltsvermutung substanziiert durch konkretes Tatsachenvorbringen im nachhinein widerlegen konnten. Dass die Antragsteller für den noch andauernden Erhebungszeitraum 2008 eine andere Ausgangslage erfolgreich für sich in Anspruch nehmen können, ist nicht ersichtlich. Denn selbst wenn man zu Gunsten der Antragsteller unterstellen wollte, dass sie in den Vorjahren die Aufenthaltsvermutung für den jeweils abgelaufenen Erhebungszeitraum mit Erfolg im nachhinein entkräftet hätten, folgt daraus nicht zugleich, dass eine Erhebung des Jahreskurbeitrags für einen folgenden Erhebungszeitraum rechtswidrig wäre. Denn das Nutzerverhalten der Inhaber einer Zweitwohnung in Bezug auf ihre Zweitwohnung und damit die Möglichkeit, Kur- und Erholungseinrichtungen in Anspruch zu nehmen, kann von Jahr zu Jahr anders aussehen. Ein bestimmtes Verhalten in der Vergangenheit gibt keinen hinreichend verlässlichen Aufschluss darüber, dass es in der Zukunft genauso sein wird. Ein wesentliches Kennzeichen des Eigentums einer Zweitwohnung ist es nämlich, dass die Eigentümer sich die Verfügung über ihre Zweitwohnung im Regelfall soweit wie möglich vorbehalten wollen und ihre Nutzungsgewohnheiten flexibel gestalten. Damit können sich die Inanspruchnahmemöglichkeiten bezüglich der Kur- und Erholungseinrichtungen innerhalb eines Erhebungszeitraums oder von Erhebungszeitraum zu Erhebungszeitraum ändern. Es bleibt daher dabei, dass der Zweitwohnungsinhaber, der nach Ablauf des Erhebungszeitraums die Aufenthaltsvermutung durch Nachweise widerlegt, auf einen Erstattungsanspruch hinsichtlich des von ihm entrichteten Kurbeitrags, der - in der Rückschau - zu Unrecht erhoben worden ist, zu verweisen ist (Beschluss des Senats vom 25.2.2004 - 9 LA 200/03 -).

Da im Beschwerdeverfahren nur die vorgetragenen Gründe geprüft werden (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) und die Antragsteller § 2 Abs. 2 der Kurbeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 27. März 2003 nicht gerügt haben, bleibt offen, ob eine Regelung rechtmäßig ist, nach der der Jahreskurbeitrag unabhängig davon erhoben werden kann, wie lange sich Zweitwohnungsinhaber im Erhebungsgebiet aufgehalten haben.

Ende der Entscheidung

Zurück