Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 03.01.2006
Aktenzeichen: 9 ME 69/05
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 127 Abs. 2 Nr. 1
Erschließungsbeitragspflicht für neu angelegte Planstraße besteht auch dann, wenn ein Grundstück schon vor Aufstellung des Bebauungsplans und Bau der Planstraße ausreichend erschlossen war und die frühere Erschließung entfällt.
Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Antragstellerin als Eigentümerin des für den Landhandel "F." genutzten Flurstücks 42/1 der Flur 4, Gemarkung G., ihrer Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellung der in die Landesstraße 807 ("H.straße") einmündenden Planstraße "I." im Geltungsbereich des rechtskräftigen Bebauungsplans Nr. 73 A "Gewerbegebiet G." durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2004 nicht mit Erfolg einwenden kann, ihr Gewerbegrundstück sei schon vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans am 28. Juli 2000 durch die Landesstraße 807 erschlossen gewesen, so dass ihrem Grundstück durch die Anlegung der neuen Straße kein Erschließungsvorteil vermittelt werde. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, führt zu keiner anderen Beurteilung.

Es trifft zwar zu, dass das von der Landesstraße 807 durch einen Graben getrennte Betriebsgrundstück der Antragstellerin, das im vorderen Bereich auf etwa 4.814 m² bebaut ist und im hinteren Bereich auf etwa 4.524 m² Grünland und Wasserflächen aufweist, schon früher durch die Landesstraße 807 erschlossen war, weil es über das nicht im Eigentum der Antragstellerin stehende Flurstück 728/42 zur Landesstraße hin eine rechtlich und tatsächlich gesicherte Zufahrt hatte. Auch mag es sein, dass die neue Straße "I.", an die das Grundstück der Antragstellerin auf einer Länge von etwa 70 m angrenzt, von der Antragstellerin nicht als vorteilhaft empfunden wird, weil die vorhandene Bebauung auf die frühere Zufahrt ausgerichtet ist und die Antragstellerin nicht beabsichtigt, ihr Grundstück weiter zu bebauen. Indes kommt es für die Beitragspflicht der Antragstellerin hierauf nicht an. Abzustellen ist vielmehr auch hinsichtlich der Beurteilung der Erschließungssituation des Grundstücks der Antragstellerin auf die tatsächliche und rechtliche Situation im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen (Erschließungs-)Beitragspflicht für die Straße "I.". Dieser Zeitpunkt wird hier bestimmt durch die nach der endgültigen Herstellung der Anbaustraße und dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung im Juli 2003 erfolgte Bekanntmachung der Widmung der endgültig hergestellten Gemeindestraße "I." für den öffentlichen Verkehr Ende Juli 2004, weil erst nach erfolgter Widmung der Anbaustraße eine öffentliche Straße im Sinne von § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB vorliegt, die Gegenstand der Erhebung von Erschließungsbeiträgen sein kann (BVerwG, st. Rspr.; vgl. Urteile v. 14.6.1968 - IV C 65.66 - DVBl 1968, 808 = ZMR 1969, 22 = DÖV 1968, 883 = Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 3 u. v. 12.12.1969 - IV C 100.68 - Buchholz 406.11 § 133 BauG Nr. 34 = DÖV 1970, 425 = ZMR 1970, 141 = DVBl 1970, 417 = BauR 1970, 417; Beschl. v. 29.10.1997 - 8 B 194.97 - ZMR 1998, 120 = Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 88 = NVwZ-RR 1998, 513). Im maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht galt bereits seit vier Jahren der einschlägige Bebauungsplan Nr. 73 A, der die Erschließung des Gewerbegebietes und des überplanten Betriebsgrundstücks der Antragstellerin nunmehr ausschließlich über die den vorhandenen Graben überquerende neue Straße zur Landesstraße 807 hin festsetzt und überdies die weiter westlich gelegene frühere Zufahrt vom Grundstück der Antragsgegnerin zur Landesstraße 807 aufhebt. Letzteres ist zwar den zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht eindeutig zu entnehmen, da der Plan zur Landesstraße 807 hin beiderseits der einmündenden Planstraße nicht das - auch in seiner Planzeichenerklärung aufgeführte - Planzeichen der Planzeichenverordnung für Ein- und Ausfahrverbote verwendet, sondern einen schwarzen Halbkreis, den so weder die Planzeichenverordnung noch die im Bebauungsplan aufgenommene Planzeichenerklärung kennt. Angesichts dessen, dass das Straßenbauamt J. ausweislich seines Schreibens vom 20. August 2001 an die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin dem Bebauungsplan nur unter der Maßgabe zugestimmt hat,

"dass das gesamte Gewerbegebiet über eine öffentliche Straßenanbindung an die Landesstraße 807 unter Anlage einer Linksabbiegespur im Zuge der Landesstraße erschlossen wird" und "dadurch ... die bisherige Gemeindestraßenanbindung über die auch die Firma B. an die Landesstraße 807 angebunden ist, aufzuheben ... " ist,

und dass entsprechend unter VII 1. der Planbegründung ausgeführt ist,

"der vorhandene Gewerbebetrieb (Landhandel) wird zukünftig über die ausgewiesene Erschließungsstraße (Planstraße) des Gewerbegebietes an die L 807 angebunden. Im Zuge dessen wird die bestehende Grundstückszufahrt zum vorhandenen Gewerbebetrieb aufgehoben."

wird aber der Planungswille der Antragsgegnerin, das Gewerbegebiet nur über die neue Planstraße zu erschließen und deshalb im Übrigen, also auch bezüglich des Flurstücks 728/42, zur Landesstraße 807 hin ein Ein- und Ausfahrverbot festzusetzen, hinreichend deutlich. Für das Betriebsgrundstück der Antragstellerin folgt hieraus, dass dieses seit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans ausschließlich über die Straße "I." in Verbindung mit der Landesstraße erschlossen wird. Es ist nachvollziehbar, dass die Antragstellerin diese Veränderung der Erschließungssituation und ihre damit verbundene Erschließungsbeitragspflicht für die neu geschaffene Straße "I." nicht als positiv empfindet. Es gibt indes keinen Vertrauensschutz des Bürgers dahingehend, dass an seinem Grundstück keine (weitere) Straße gebaut wird, die ihrerseits eine Beitragspflicht zu den Erschließungskosten begründet (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.5.1966 - IV C 172.65 - ZMR 1967, 223 = Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 8a), und die künftige Belastung mit Erschließungsbeiträgen führt in aller Regel - so auch hier - nicht zur Abwägungswidrigkeit des die Erschließungsanlage festsetzenden Bebauungsplans (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 18.5.2005 - 1 MN 52/05 - ÖffBauR 2005, 90 = BauR 2005, 1219 [nur Leitsatz]). Die Antragstellerin hat im Übrigen im Aufstellungsverfahren keine Einwendungen gegen den Bebauungsplan Nr. 73 A "Gewerbegebiet G." erhoben und diesen auch nicht mit der Normenkontrolle angegriffen.

Mit ihren Angriffen gegen den vom Rat der Antragsgegnerin am 20. Juni 2001 beschlossenen Verkaufspreis von nur 13,29 €/m² (26,- DM) für die Gewerbegrundstücke im Gewerbegebiet G. kann die Antragstellerin ungeachtet dessen, dass sie nach eigenen Berechnungen einen Betrag von allein 13,17 €/m² für alle öffentlichen Lasten (Erschließungsbeitrag, Schmutzwasserbeitrag, Niederschlagswasserbeitrag und Beitrag für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) zu entrichten hat, in diesem Verfahren nicht gehört werden. Denn die Bestimmung des Kaufpreises für die neuen Gewerbegrundstücke steht in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der hier allein zu überprüfenden Rechtmäßigkeit der Erhebung von Erschließungsbeiträgen.

Ende der Entscheidung

Zurück