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Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 17.10.2002
Aktenzeichen: 1 U 89/01
Rechtsgebiete: InsO, GmbHG, BGB, ZPO


Vorschriften:

InsO § 129
InsO § 129 Abs. 1
InsO § 130
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 131
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 143 Abs. 1 S. 1
GmbHG § 7 Abs. 2
GmbHG § 8 Abs. 2
GmbHG § 57 Abs. 2
BGB § 286
BGB § 288
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 89/01

Verkündet am 17. Oktober 2002

in dem Rechtsstreit

wegen Insolvenzanfechtung.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts und der Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Das Versäumnisurteil vom 25. April 2002 wird aufrechterhalten.

II. Die Beklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Beschwer der Beklagten beträgt 12.782,30 EUR.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

(abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F.)

I.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Ihm steht ein Anspruch in Höhe von 12.782,30 EUR (= 25.000,-- DM) aus Insolvenzanfechtung zu, §§ 143 Abs. 1 S. 1, 129 - 131 InsO. Der zulässige Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Senates vom 25.4.2002 war daher zu verwerfen.

Der Kläger hat die Verrechnung der Einzahlung der rückständigen Gesellschaftereinlage des Gesellschafters in Höhe von 25.000,-- DM vom 23.12.1999 auf dem Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin mit offenen Verbindlichkeiten wirksam gemäß §§ 129 Abs. 1, 130 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO angefochten.

1. Durch die Verrechnung ist der Masse ein Nachteil entstanden (§ 129 Abs. 1 InsO), da die über die eingezahlten 25.000,--DM nicht verfügen konnte und der Gesellschafter von seiner Einlageverpflichtung freigeworden ist (vgl. BGH ZIP 99, 1271).

a) Zwar wird ein Gesellschafter nur dann von seiner Verpflichtung zur Leistung der Einlage befreit, wenn er die Zahlung so erbringt, dass der Einlagebetrag zur freien Verfügung der Geschäftsführung der steht (§§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2, 57 Abs. 2 GmbHG; vgl. BGH ZIP 99, 1271; NJW 91, 226; NJW 91, 1294; Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 7, RNr. 5 a). Dies ist bei Zahlung auf ein debitorisches Konto der grundsätzlich dann nicht der Fall, wenn das Konto gekündigt oder Rückführung verlangt war, so dass die Gesellschaft keine Möglichkeit mehr hatte, über den eingezahlten Betrag zu verfügen (vgl. a.a.O.), was vorliegend aufgrund der Aufforderung zur Rückführung der Überziehung des Kreditrahmens von 50.000,-- DM im Schreiben vom 17.11.1999 hinsichtlich eines Teilbetrages von 20.779,71 DM der Fall war.

Selbst in diesem Fall wird der Gesellschafter jedoch dann von seiner Einlageverpflichtung frei, wenn er auf Weisung der Geschäftsführung auf das debitorische Konto geleistet hat (vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 7, Rdnr. 53; Scholz/Winter, GmbHG, 9. Aufl., § 7, Rdnr. 37; BGH WM 90, 1820). Die Einlage steht auch dann zur freien Verfügung der Geschäftsführung, wenn diese in Ausübung ihres Verfügungsrechts den Zahlungsempfänger bereits vor Erbringung der Einlage definitiv bestimmt. Es kann keinen Unterschied machen, ob die Geschäftsführung ihren freien Willen im voraus oder im nachhinein betätigt. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Einzahlung auf das Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin auf Weisung von deren Geschäftsführung erfolgt ist. Der Gesellschafter ist daher von seiner Einlageverpflichtung freigeworden.

b) An einem Nachteil für die Masse fehlt es nicht deshalb, weil der Kläger im September/Oktober 2000 mit dem Geschäftsführer einen Vergleich geschlossen hat, in welchem dieser zur Abgeltung der Einlageverpflichtung von 25.000,-- DM und weiterer Forderungen in Höhe von rund 30.000,-- DM eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 35.000,-- DM übernahm. Hierdurch ist der durch die Verrechnung des Einlagebetrages mit den Schulden der eingetretene Nachteil nicht ausgeglichen worden. Ein Nachteil wäre nur dann zu verneinen, wenn für den weggegebenen Vermögensgegenstand ein unmittelbares wertmäßiges Äquivalent ins Schuldnervermögen geflossen ist (gleichwertig und gleichzeitig) (vgl. Kübler/Brütting/Paulus, InsO, § 142, Rdnr. 1). Der gegen den Gesellschafter aufgrund des Vergleichs begründete Anspruch hat dem Verlust der Einlageverpflichtung weder zeitlich noch wertmäßig entsprochen. Letzteres ergibt sich daraus, dass allenfalls ein Teil der Einlageverpflichtung in den Vergleichsbetrag Eingang gefunden hat und dass der gegen den Gesellschafter im Vergleichswege begründete Anspruch nicht zwingend rechtsbeständig war, wenn der Gesellschafter durch seine Zahlung von 23.12.1999 von seiner Einlageverpflichtung freigeworden war (Fehlen bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage, evtl. Anfechtung).

2. Hinsichtlich der Verrechnung von 20.779,71 DM der Einlage des Gesellschafters (Rückführung des Kontokorrents von 70.779,71 DM auf 50.000,-- DM) liegen die Anfechtungsvoraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor.

a) Insoweit liegt eine kongruente Deckung vor, da der Beklagten aufgrund ihres Schreibens vom 17.11.1999 (Aufforderung der Gemeinschuldnerin zur Rückführung der Kontoüberziehung auf den Kreditrahmen von 50.000,-- DM) ein fälliger Anspruch zugestanden hat.

b) Die Verrechnung ist innerhalb von drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrages (am 18.1.2000) erfolgt.

c) Die Gemeinschuldnerin war zum Zeitpunkt der Verrechnung zahlungsunfähig. Dies ergibt sich daraus, dass die Beklagte keine Verfügungen der Firma auf dem Geschäftskonto mehr zugelassen hat. Der Kläger hat unbestritten vorgetragen, dass die Beklagte schon am 12.10.1999 eine Überweisung nicht mehr ausgeführt hat. Eingänge auf dem Geschäftskonto hat sie nur noch mit dem Debet verrechnet. Mit Schreiben vom 23.12.1999 hat sie die Gemeinschuldnerin zudem zur Rückzahlung auch des Kredites über 50.000,-- DM aufgefordert. Weiter bestand zu Gunsten des Finanzamts eine Kontopfändung in Höhe von 22.959,22 DM vom 30.8.1999. Die Gemeinschuldnerin war daher nicht in der Lage, den wesentlichen Teil ihrer Verbindlichkeiten zu erfüllen. Sie war damit zahlungsunfähig (vgl. zur Definition BGH WM 85, 396).

d) Der Beklagten als Hausbank der Gemeinschuldnerin waren die unter c) angeführten Umstände bekannt. Sie hatte daher Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Firma.

3. Hinsichtlich der Verrechnung von 4.220,29 DM der Einlage des Gesellschafters (Rückführung des Kontokorrentes unter 50.000,-- DM) liegen die Anfechtungsvoraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor.

a) Es lag eine inkongruente Deckung vor, da die Beklagte die Kreditlinie bis 50.000,-- DM noch nicht gekündigt hatte. Ihr stand daher ein fälliger Anspruch auf Darlehensrückzahlung nicht zu.

b) Die Verrechnung ist im letzten Monat vor der Stellung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.

4. Der Ausspruch über die Zinsen ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die" vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung befasst sich weder mit noch nicht höchstrichterlich entschiedenen Rechtsfragen noch weicht sie von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab.

Ende der Entscheidung

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