Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Beschluss verkündet am 30.06.2004
Aktenzeichen: 1 W 35/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, BRAGO, BRAO


Vorschriften:

BGB § 247
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs.
ZPO § 278 Abs. 6
BRAGO § 28
BRAGO § 53
BRAO §§ 18 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
1 W 35/04

Beschluss

des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg

vom 30. Juni 2004

in Sachen

wegen Forderung;

hier: Kostenfestsetzung.

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Aschaffenburg vom 26. Februar 2004 abgeändert.

Die von der Beklagten an die Klägerin nach dem rechtswirksamen Vergleich des Landgerichts Aschaffenburg vom 10. Oktober 2003 zu erstattenden Kosten werden auf 430,12 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 20.10.2003 festgesetzt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 97,61 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat die Beklagte in erster Instanz aus zwei Mietverträgen über Fernsprechnebenstellenanlagen und einem Kaufvertrag über ein Ansagegerät auf Zahlung in Höhe von 9.629,89 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Klägerin, ein in München ansässiges Unternehmen, beauftragte, mit ihrer Vertretung im Prozess eine Anwaltssozietät, die u.a. Büros in München und Frankfurt am Main unterhält. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Büro München, beauftragten in Untervollmacht eine Anwaltskanzlei in Aschaffenburg, welche die beiden Verhandlungstermine vor dem Landgericht Aschaffenburg am 15.07.2003 und am 09.09.2003 wahrgenommen hat. Die Parteien beendeten den Rechtsstreit durch einen gemäß § 278 Abs. 6 ZPO wirksamen Prozessvergleich.

Mit Beschluss vom 26.02.2004 hat der Rechtspfleger des Landgerichts Aschaffenburg die von der Beklagten an die Klägerin nach dem rechtswirksamen Vergleich des Landgerichts Aschaffenburg vom 10.10.2003 zu erstattenden Kosten auf 527,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 20.10.2003 festgesetzt.

Maßgeblich für die Kostenfestsetzung in dieser Höhe war, dass das Landgericht Aschaffenburg an außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus dem Gegenstandswert von 9.629,89 EUR neben vier vollen Gebühren (Prozessgebühr, Verhandlungsgebühr, Beweisgebühr und Vergleichsgebühr) in Höhe von jeweils 486,-- EUR und eine Auslagenpauschale in Höhe von 20,-- EUR, insgesamt somit 1.964,-- EUR, Mehrkosten für die Terminswahrnehmung durch die Unterbevollmächtigten in Höhe von 246,62 EUR als erstattungsfähig anerkannt hat. Dabei wurden die von den Unterbevollmächtigten in Höhe von 1.235,-- EUR geltend gemachten Kosten bis zur Höhe der Kosten als erstattungsfähig anerkannt, die angefallen wären, wenn ein Anwalt aus München den Termin vor dem Landgericht Aschaffenburg selbst wahrgenommen hätte. Diese Kosten wurden fiktiv auf 246,62 EUR festgesetzt (353 km x 2 x 0,27 EUR = 190,62 EUR; Abwesenheitsgeld: 56, -- EUR).

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 02.03.2004 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.02.2004 hat die Beklagte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 08.03.2004, eingegangen beim Landgericht Aschaffenburg am selben Tage, Erinnerung eingelegt. Die Beklagte wendet sich gegen die fiktiven Fahrtkosten in der festgesetzten Höhe. Sie ist der Ansicht, die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätten für die Wahrnehmung der Gerichtstermine die Rechtsanwälte im Büro Frankfurt am Main der überörtlichen Sozietät beauftragen müssen, da dann statt der geltend gemachten Kosten der Unterbevollmächtigten lediglich zweimal Fahrtkosten sowie Abwesenheitsgelder ausgehend von Frankfurt am Main angefallen wären. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 08.03.2004 (Bl. 84, 85 d. A und vom 07.06.2004 (Bl. 88, 89 d. A.) Bezug genommen.

Mit. Beschluss vom 02.06.2004, auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird, hat das Landgericht Aschaffenburg der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Bamberg zur Entscheidung, vorgelegt.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ff. ZPO zulässig. Die Falschbezeichnung des Rechtsmittels als Erinnerung ist dabei unschädlich.

2. Die sofortige Beschwerde ist auch in vollem Umfang begründet.

a) Die von der Klägerin geltend gemachten Mehrkosten - für die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten am Gerichtsort Aschaffenburg sind lediglich in Höhe von 75,36 EUR erstattungsfähig, da es sich nur insoweit um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Kosten i.S. von § 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO handelt.

Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für. den am Wohnort der Partei ansässigen Rechtsanwalt der Partei Termine beim Prozessgericht wahrnimmt, sind notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S. von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, soweit durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten, nämlich Tage- und Abwesenheitsgeld sowie Fahrtkosten nach § 28 BRAGO erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären (vgl. BGH, Beschluss vom 16.10.2002, VIII Z? 30/02 = MDR 2003, 233-236 = JurBüro 2003, 202-205). Kann eine Partei nämlich etwaige Reisekosten ihres Rechtsanwalts für die Fahrt zur mündlichen Verhandlung ersetzt verlangen und machen sie und der Rechtsanwalt stattdessen von der in § 53 BRAGO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Terminswahrnehmung einem Unterbevollmächtigten zu übertragen, so stellt dies eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung dar, falls die durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten entstandenen Kosten die ansonsten angefallenen Reisekosten des Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen. Wenn die Partei prüft, ob sie einen Unterbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung hinzuzieht, liegt dies auch im Interesse der erstattungspflichtigen Gegenpartei, da die Beauftragung des Unterbevollmächtigten, etwa bei einem geringen Streitwert und einer erheblichen Entfernung zwischen dem Kanzleisitz des Hauptbevollmächtigten und dem Prozessgericht oder wenn mehrere Termine wahrzunehmen sind, kostengünstiger sein kann als die Terminswahrnehmung durch den Hauptbevollmächtigten.

b) Notwendige Voraussetzungen für die Erstattung von Kosten des Unterbevollmächtigten ist demnach zunächst, dass die dem Hauptbevollmächtigten im Falle eigener Terminswahrnehmung zustehenden Reisekosten dem Grunde nach zu erstatten wären. Dies ist im vorliegenden Fall aber nur in einem eingeschränkten Umfang zu bejahen.

aa) Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftssitz der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts, der nicht bei dem Prozessgericht i.S. der §§ 18 ff. BRAO zugelassen ist, regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig anzusehen (vgl. EGH a.a.O.). Eine der diesen Grundsatz nach der Rechtsprechung des BGK einschränkenden Ausnahmen ist im vorliegenden Fall nicht gegeben und wird auch von der Beschwerdeführerin nicht behaupten. Die Beauftragung der in München ansässigen Hauptbevollmächtigten durch die Klägerin stellt daher eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung im vorgenannten Sinne dar.

bb) Die Zulässigkeit der Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftssitz der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts hat regelmäßig zur Folge, dass damit auch die Terminsreisekosten des Prozessbevollmächtigten (§ 28 BRAGO) erstattungsfähig sind.

Allerdings gilt in allen Verfahrensordnungen der Grundsatz, dass eine Partei die Prozesskosten möglichst gering halten muss. Daher muss der Prozessgegner der siegenden Partei auch nur solche Reisekosten ihres Anwalts erstatten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Unter diesem Gesichtspunkt wären die Reisekosten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin von München nach Aschaffenburg nicht in vollem Umfang erstattungsfähig. Im Rahmen dessen ist nämlich zu berücksichtigen, dass die von der Klägerin beauftragten Prozessbevollmächtigten eine überörtliche Sozietät darstellen, die neben dem Büro in München u.a. auch ein Büro in Frankfurt am Main unterhält. Entscheidend ist hierbei, dass die überörtliche Sozietät als solche beauftragt ist, alle für die Prozessführung nötigen Tätigkeiten auszuführen. Dementsprechend können für die Tätigkeiten der Mitglieder der Sozietät die Gebühren nur einmal anfallen, auch wenn Rechtsanwälte aus verschiedenen Orten tätig werden. Aus dem Umstand, dass alle Mitglieder der überörtlichen Sozietät beauftragt sind, ergibt sich nicht nur, dass die Gebühren nur einmal anfallen, sondern auch, dass die Notwendigkeit der Terminsreisekosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten zu verneinen ist, wenn Rechtsanwälte der überörtlichen Sozietät ihren Sitz am Gerichtsort haben. Der Grundsatz, dass eine Partei die Prozesskosten möglichst gering halten muss, gebietet hier, dass die am Wohn- oder Geschäftssitz der Partei in Anspruch genommenen Rechtsanwälte nicht einen am Gerichtsort zugelassenen weiteren Prozessbevollmächtigten beauftragen und auch nicht selbst zu den Terminen am Gerichtsort anreisen, sondern die am Gerichtsort zugelassenen Mitglieder der Sozietät mit der Terminswahrnehmung beauftragen. Deshalb sind keine Reisekosten einer überörtlichen Sozietät erstattungsfähig, wenn am Gerichtssitz Anwälte der Kanzlei residieren (vgl. Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 91 RdNr. 13, Stichwort "Reisekosten des Anwalts"; OLG München, Beschluss vom 08.03.2002, OLG Report 2002, S. 155-196, NJW 2002, 1435; OLG Hamburg, Beschluss vom 03.07.2002, OLG Report 2003, S. 152).

Nichts anderes gilt dem Grunde nach dann, wenn Mitglieder der überörtlichen Sozietät - wie hier - zwar nicht am Gerichtsort, aber in dessen Nähe zugelassen sind. Der oben genannte Grundsatz, dass eine Partei die Prozesskosten möglichst gering halten muss, gebietet es in diesem Fall, die in der Nähe des Gerichtsortes zugelassenen Mitglieder der Sozietät mit der Terminswahrnehmung zu beauftragen, wenn deren Kosten der Terminswahrnehmung (Fahrtkosten sowie Tage- und Abwesenheitsgeld nach § 28 BRAGO) wesentlich geringer sind, als die Kosten der Beauftragung eines Unterbevollmächtigten nach § 53 BRAGO.

Im vorliegenden Fall liegt das Frankfurter Büro der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in einer Entfernung von 42 km (lt. Routenplaner) zum Gerichtsort in Aschaffenburg. Somit wären für die Wahrnehmung eines Termins Fahrtkosten in Höhe von 42 km x 2 x 0,27 EUR = 22,68 EUR entstanden. Hinzu kommt ein Abwesenheitsgeld in Höhe von 15,-- EUR, so dass sich die Kosten der Terminswahrnehmung auf 37,68 EUR belaufen. Die Kosten für die Wahrnehmung der im vorliegenden Fall erforderlichen zwei Terminstage belaufen sich daher auf insgesamt 75,36 EUR. Diese Kosten sind wesentlich geringer als die für die Beauftragrung der Unterbevellmächtigten gemäß § 53 BRAGO entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 1.43.2,60 EUR. Die Beklagte hat daher aus den vorgenannten Gründen lediglich die geringeren Reisekosten in Höhe von 75,36 EUR zu erstatten.

c) Demzufolge war die Entscheidung des Landgerichts Aschaffenburg vom 26.02.2004 insoweit abzuändern, als bei den der Klägerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten fiktive Reisekosten in Höhe von 246,62 EUR anerkannt wurden. Die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin belaufen sich daher lediglich auf 2.039,36 EUR (statt 2.210,62 EUR). Die außergerichtlichen Kosten beider Parteien belaufen sich somit auf insgesamt 4.003,36 EUR. Davon, tragen die Klägerin 43 % = 1.721,44 EUR und die Beklagte 57 % = 2.281,92 EUR. Demzufolge sind an außergerichtlichen Kosten von der Beklagten an die Klägerin 317,92 EUR (statt 415,53 EUR) zu erstatten.

Zuzüglich der von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Gerichtskosten in Höhe von 112,20 EUR ergibt sich damit ein Betrag in Höhe von 430,12 EUR, der von der Beklagten an die Klägerin zu erstatten ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

IV.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes orientiert sich an der mit dem Rechtsmittel erstrebten Reduzierung des Kostenerstattungsbetrages. Der in der angefochtenen Entscheidung festgesetzte Erstattungsbetrag betrug 527,73 EUR, die Differenz zum nunmehr festgelegten Erstattungsbetrag beläuft sich auf 97,61.EUR.

V.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zur Erstattungsfähigkeit der Reisekosten bei Beauftragung einer am Wohn- oder Geschäftssitz der Partei ansässigen überörtlichen Rechtsanwaltssozietät, zu der auch Rechtsanwälte in der Nähe des Gerichtsortes gehören, ist bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt und hat über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus Bedeutung.

Ende der Entscheidung

Zurück