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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 22.01.2004
Aktenzeichen: 2 UF 208/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1568 Abs. 1
1. Die Härtefallklausel des § 1568 Abs. 1 BGB bietet keinen Schutz davor, dass ein Ehegatte in Folge der Scheidung zum Sozialfall wird.

2. Auch der Umstand, dass ein Ehegatte sich alleine um die Betreuung der gemeinsamen behinderten Kinder kümmern muss, schließt die Ehescheidung nicht aus.


2 UF 208/03

in der Familiensache

Der 2. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Faber und der Richter am Oberlandesgericht Maex und Dörfler aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Januar 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Endurteil des Amtsgerichts -Familiengerichts- Haßfurt vom 15. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Ergänzend dazu ist festzustellen, dass die Parteien bereits in der Zeit von März 1997 bis August 2000 in dem im gemeinsamen Eigentum stehenden Haus in O getrennt gelebt haben. Im September 2000 haben sie sich versöhnt, bis es schließlich im Juni 2001 erneut zur Trennung gekommen ist.

Der Antragsteller verlangt die Scheidung und hält die Ehe für gescheitert.

Die Antragsgegnerin verweist auf die Versöhnung im September 2000 und beruft sich im übrigen auf einen Härtefall. Zur Begründung verweist sie auf die Behinderung und Betreuungsbedürftigkeit der beiden gemeinsamen Kinder Manuela und Michael, die Gefahr, dass sie durch die Scheidung wegen des Wegfalls des Beihilfeanspruchs zum Sozialfall wird, sowie das Risiko, eines erneuten psychischen Zusammenbruchs. Eine Suizidgefahr behauptet sie allerdings nicht.

Die Antragsgegnerin beantragt:

1. Das Urteil des Amtsgerichts Haßfurt vom 15.7.2003 - 1 F 502/02 -, wird aufgehoben.

2. Der Antrag auf Ehescheidung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller beantragt, die Berufung wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Antragsgegnerin ist gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Die Ehe der Parteien ist gescheitert (§ 1565 Abs. 1 BGB). Ein Härtefall liegt nicht vor (§ 1568 Abs. 1 BGB).

a) Die Ehe der Parteien ist nach der Auffassung des Senats zerrüttet. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die Eheleute wieder zueinander finden werden.

Das Scheitern wird hier zwar nicht nach § 1566 Abs. 2 BGB vermutet, weil die Parteien nach ihrer insoweit übereinstimmenden Schilderung erst seit Juni 2001 getrennt leben und damit die Trennungszeit von drei Jahren noch nicht abgelaufen ist. Am Ergebnis ändert dies jedoch nichts, weil sich das Scheitern der Ehe aus den Angaben beider Parteien ergibt. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben nämlich schon in der Zeit von März 1997 bis September 2000 nicht mehr zusammengelebt. Im September 2000 ist es dann zwar zur Versöhnung gekommen. Nach den im Kern unwidersprochen gebliebenen Angaben des Antragstellers hat diese Versöhnung jedoch so ausgesehen, dass er weiterhin alleine in der Einliegerwohnung des Anwesens gewohnt hat und es zu gelegentlichen intimen Kontakten gekommen ist. Nunmehr leben die Parteien wiederum seit mehr als zwei Jahren getrennt. Der Antragsteller hat sich einer anderen Frau zugewandt und will diese heiraten.

Bei dieser Sachlage muss davon ausgegangen werden, dass die Ehe gescheitert ist und keine Zukunft mehr hat.

b) Ein Härtefall liegt nicht vor (§ 1568 Abs. 1 BGB).

Die Voraussetzungen der Kinderschutzklausel sind nicht gegeben. Sie gilt nur für minderjährige Kinder. Im übrigen beruft sich die Antragsgegnerin auch nicht darauf.

Auch die von der Antragsgegnerin für sich selbst reklamierten Beeinträchtigungen rechtfertigen den Ausschluss der Scheidung bei der hier gegebenen Sachlage nicht.

Die Krise der Ehe der Parteien dauert mindestens bereits seit März 1997 an. Die Antragsgegnerin hatte damit mehr als sechs Jahre Zeit sich mit den durch eine Scheidung bedingten Veränderungen auseinanderzusetzen und darauf einzustellen. Dies ist ihr offensichtlich auch gelungen. Nach einem Nervenzusammenbruch im Jahre 2001 ist sie seit März 2003 wieder erwerbsfähig und bewirbt sich - bisher erfolglos - um eine Vollerwerbstätigkeit. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die Antragsgegnerin die möglichen psychischen Beeinträchtigungen eines rechtskräftigen Scheidungsanspruchs unter Zuhilfenahme ärztlicher Unterstützung ohne nachhaltige und schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen hinnehmen kann. Suizidgedanken oder eine Suizidgefahr werden von ihr nicht behauptet.

Im übrigen begründen die nachteiligen finanziellen Auswirkungen einer Ehescheidung auch dann keinen Härtefall im Sinne des § 1568 Abs. 1 BGB, wenn einer der Ehepartner in deren Folge Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen muss. Die Härteklausel bietet davor keinen Schutz.

Im übrigen ist auch nicht anzunehmen, dass die Antragsgegnerin ohne Krankenversicherungsschutz sein wird. Wenn sie Sozialhilfe in Anspruch nehmen müsste, wäre zumindest über den Träger dieser Sozialleistung eine entsprechende Absicherung gegeben.

Schließlich könnte der Antragsteller durch die Versagung der Scheidung auch nicht gezwungen werden, sich an der Betreuung der beiden behinderten Kinder zu beteiligen. Für die Antragsgegnerin würde sich damit bei einer Abweisung des Scheidungsantrages - mit Ausnahme der finanziellen Konsequenzen - an der vorhandenen Belastung nichts ändern. Vor der danach verbleibenden Folge der Scheidung bietet § 1568 Abs. 1 BGB jedoch keinen Schutz.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Verkündet am 22.Januar 2004



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