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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Beschluss verkündet am 11.10.2004
Aktenzeichen: 2 WF 165/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115 Abs. 1 Nr. 3
Allgemeine Stromkosten gehören nicht zu den Kosten der Unterkunft i. S. des § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
Beschluss

des 2. Zivilsenats -Familiensenats- des Oberlandesgerichts Bamberg

vom 11. Oktober 2004

2 WF 165/04

in der Familiensache

wegen Scheidung;

hier: Prozesskostenhilfe

Tenor:

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengerichts- Kulmbach vom 16. August 2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Scheidungsverfahren. Mit Beschluss vom 16.08.2004 gab das Amtsgericht -Familiengericht- Kulmbach diesem Antrag statt und ordnete Ratenzahlung in Höhe von monatlich 30,-- Euro ab 01.11.2004 an.

Gegen den ihr am 18.08.2004 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit am 19.08.2004 beim Amtsgericht Kulmbach eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde erhoben, mit der sie die angeordnete Ratenzahlung in Wegfall bringen will. Das Amtsgericht habe die geltend gemachten Stromkosten in Höhe von 65,-- Euro monatlich bei der Berechnung der Prozesskostenhilfe nicht berücksichtigt. Energie- und Wasserkosten gehörten aber zu den Kosten der Unterkunft und Heizung und seien deshalb zu berücksichtigen. Bringe man die Stromkosten in Höhe von 65,-- Euro von dem vom Amtsgericht berücksichtigten Einkommen in Abzug, entfiele nach der Tabelle zu § 114 ZPO die Pflicht der Antragsgegnerin, ihr Einkommen einzusetzen.

Das Amtsgericht -Familiengericht- Kulmbach hat mit Beschluss vom 19.08.2004 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Bamberg zur Entscheidung vorgelegt. Die Bezirksrevisiorin bei dem Oberlandesgericht Bamberg hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Die zulässige (§ 127 Abs. 2 Satz 2, 3 i. V. m. §§ 567 ff. ZPO) Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Amtsgericht -Familiengericht- Kulmbach den Einsatz von Einkommen in Form monatlicher Raten in Höhe von 30,-- Euro angeordnet. Die Antragsgegnerin hat gemäß der mit Schriftsatz vom 07.10.2004 vorgelegten Dienstabrechnung für Dezember 2003 ein monatliches Bruttoeinkommen von 772,08 Euro. Ein ähnlicher Betrag ergibt sich aus der Abrechnung zum 30.09.2004 auch für das Jahr 2004. Weiterhin bezieht sie Unterhaltsrente in Höhe von 465,29 Euro gemäß eigener Angabe. Davon sind in Abzug zu bringen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 162,91 Euro (vgl. Anlage 2), vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 39,88 Euro, Versicherungsbeiträge in Höhe von 37,22 Euro und Werbungskosten in Höhe von 118,80 Euro (zur Berechnung vgl. unter 2 a) ee) in der anliegenden Tabelle). Bei einem bereinigten Nettoerwerbseinkommen von 490,37 Euro ergibt sich ein Betrag von 136,67 Euro gemäß § 76 Abs. 2 a Nr. 1 BSHG (vgl. Berechnung 2 b) der anliegenden Tabelle). Unter Berücksichtigung eines Grundfreibetrages von 364,-- Euro für die Partei und den in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse genannten Beträgen von 167,-- Euro Miete und 125,-- Euro Heizungskosten (Gesamtbetrag von 292,-- Euro) verbleibt ein einzusetzendes Einkommen von 85,89 Euro (vgl. Ziffer 3 der anliegenden Tabelle). Nach der Tabelle zu § 115 ZPO ergeben sich dann monatliche Raten in Höhe von 30,-- Euro, die das Amtsgericht festgesetzt hat.

Der mit Schriftsatz vom 07.10.2004 noch mitgeteilte Zahlbetrag von 42,95 Euro auf den Bausparvertrag bei der LBS-Bausparkasse konnte dagegen nicht in Abzug gebracht werden. Soweit das Guthaben auf diesem Bausparvertrag den Schonbetrag von 2.301,-- Euro gemäß § 1 der DVO zu § 88 BSHG übersteigt, wäre es eigentlich gemäß § 115 Abs. 2 ZPO zum Einsatz zu bringen (BGH NJW-RR 1991, 1532 f.; OLG Bamberg, Beschluss vom 03.08.2004, 2 W 9/04; OLG Bamberg, JurBüro 1989, 234). Wenn dies auch vom Amtsgericht nicht angeordnet wurde, so kann doch keinesfalls für einen einzusetzenden Bausparvertrag Vermögensbildung zu Lasten der Staatskasse betrieben werden. Eine solch weite Auslegung lässt § 115 Abs. 1 Satz 3 Ziffer 4, Hs. 1 ZPO seinem Sinn und Zweck nach nicht zu.

Zu Recht hat das Amtsgericht -Familiengericht- Kulmbach auch geltend gemachte Stromkosten in Höhe von 64,-- Euro nicht als Kosten der Unterkunft im Sinne des § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO angesehen. Mit dem OLG Nürnberg (FamRZ 1997, 1542) und dem OLG Dresden (OLGR Dresden 2000, 100) ist der Senat der Auffassung, dass es sich bei den Kosten für Strom (ebenso für Wasser- und Abwasser) nicht um Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne der genannten Bestimmung der ZPO handelt. Eine Ausnahme kann für den Teil der Stromkosten gelten, die für den Betrieb einer Öl- oder Gasheizung erforderlich sind. Dass solche bei der Antragsgegnerin anfallen, ist nicht vorgetragen und angesichts der vorliegenden Kohlenrechnung (Blatt 14 d. A.) nicht anzunehmen. Aus dem Mietvertrag ergeben sich keine Kosten für eine Sammelheizung. Aus den vorgelegten Heizöl- und Kohlerechnungen ist der Schluss gerechtfertigt, dass die Wohnung mit (Öl- und Kohle-) Öfen beheizt wird. Sie benötigen keinen Strom. Strom- und Gaskosten, die nicht zum Betrieb der Heizung erforderlich sind, müssen aber als allgemeine Kosten der Lebenshaltung aus dem Freibetrag des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO bestritten werden (so auch Zöller/Philippi, ZPO, 24. Auflage, § 115 RdNr. 37; Atzler, FamRZ 1997, 1018 f.). Der abweichenden Auffassung (OLG Koblenz, FamRZ 1997, 679; OLG Karlsruhe, FamRZ 1999, 599) vermag der Senat nicht zu folgen. Sie geht davon aus, dass Kosten der Unterkunft im Sinne des § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO synonym mit dem auch im amtlichen Erklärungsvordruck gebrauchten Begriff der Wohnkosten sind, zu denen neben der reinen Miete bzw. den Finanzierungskosten für ein Eigenheim auch Wasserversorgung, Abwasser und Müllentsorgung sowie Energieversorgung mit Strom und Gas gehören (OLG Karlsruhe, a. a. O., Seite 600; OLG Koblenz a. a. O., Seite 680). Die Gleichsetzung der Kosten der Unterkunft mit den Wohnkosten widerspricht der Systematik des § 115 Abs. 1 ZPO. Die Bestimmung unterscheidet zwischen den in Ziffer 2 genannten allgemeinen Lebenshaltungskosten, die mit einem Betrag von 64 v. H. des Grundbetrages nach §§ 79 Abs. 1 Nr. 1, 82 BSHG in die Berechnung eingehen, und Kosten der Unterkunft und Heizung in Ziffer 3. § 115 Abs. 1 Satz 3 ist gemäß ihrer Entstehungsgeschichte (BT-Drucksache 12/6963, S. 7) im Lichte des geltenden Sozialhilferechts zu sehen, wo festgeschrieben ist, dass die Kosten für Energie und Wasser durch die Regelsatzleistungen - die dem Parteifreibetrag des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO korrespondieren - abgegolten sind (Atzler, FamRZ 1997, 1018 f.).

III.

Einer Kostenentscheidung bedarf es wegen §127 Abs. 4 ZPO nicht.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO angesichts der unterschiedlichen Handhabung der streitgegenständlichen Frage in den verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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