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Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 15.07.2002
Aktenzeichen: 4 U 196/01
Rechtsgebiete: DÜG, ZPO, BGB, UStG, EGZPO


Vorschriften:

DÜG § 1
ZPO § 92 Abs. 1 S. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 156
ZPO § 523 a.F.
ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
ZPO § 543 Abs. 2 S. 1 n. F.
ZPO § 544 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
BGB § 193
BGB § 249 S. 2
BGB § 254 Abs. 2 S. 1
BGB § 284 Abs. 1
BGB § 284 Abs. 2
BGB § 284 Abs. 3 a.F.
BGB § 285
BGB § 288 Abs. 1 a.F.
BGB § 459 Abs. 1
BGB § 460
BGB § 463 S. 2
BGB § 476
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 19 Abs. 1
UStG § 19 Abs. 2
EGZPO § 26 Nr. 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 196/01

Verkündet am 15. Juli 2002

in dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht und der Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 7. August 2001 abgeändert.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.374,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 (BGBl. I S. 1242) seit 19. Juni 2000 zu zahlen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

III. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 2/11, der Beklagte 9/11 zu tragen.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 a.F. ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung der Klägerin (§§ 511 ff. a.F. ZPO) hat überwiegend Erfolg. Denn der Beklagte schuldet der Klägerin Schadensersatz in der zugesprochenen Höhe aus § 463 S. 2 BGB.

1. Das von der Klägerin mit notariellem Kaufvertrag vom 4.7.1997 erworbene Anwesen in wies einen nicht nur unerheblichen Mangel i. S. des § 459 Abs. 1 BGB auf.

Nach der Aussage sämtlicher durch den Senat vernommenen Zeugen (mit Ausnahme der der Zeugin der der Senat nicht glauben kann) traten in dem genannten Anwesen über Jahre hinweg ausgehend von der Abwasseranlage im Kellergeschoß des Anwesens unangenehme Gerüche auf, die sich über das Treppenhaus bis in die Wohnungen mehrerer Stockwerke erstreckten. Dies ergibt sich aus den Angaben der Zeugen und sowie. Die seit etwa 29 Jahren in dem Haus in wohnende Zeugin hat angegeben, von Anfang an habe es in dem Keller sehr gerochen. Ein dort in ihrem Kelleranteil untergebrachter Koffer stinke. Den Geruch habe sie auch in ihrer Parterrewohnung wahrgenommen, wegen dieses Geruches habe sie sehr viel lüften müssen. Die im ersten Stock wohnende Zeuge hat bekundet, früher habe es in dem Haus oft widerlich nach Jauche gestunken; dieser Gestank sei durch alle Räume in die Wohnungen gezogen. Alle im Keller untergebrachten Gegenstände (Fahrräder, Möbel usw.) hätten den Geruch angenommen und modrig gerochen. In der ganzen Zeit von 1975 bis 1996 habe es immer wieder gestunken. Auch der Zeuge hat ausgesagt, in dem Haus habe es regelmäßig im wahrsten Sinne des Wortes gestunken, und zwar schon von Anfang an, als sie dort gewohnt hätten, mal sei es schlechter, mal sei es besser gewesen. Auch der Zeuge hat angegeben, in dem Haus, in dem er schon über 30 Jahre wohne, habe es, seit er dort wohne, immer wieder gestunken. Früher, als jeder noch mit Einzelöfen geheizt habe und deswegen einen Öltank im Keller gehabt habe, sei das nicht so aufgefallen, da habe sich der Gestank vermischt. Seit der Umstellung auf Erdgas, die bestimmt schon 20 Jahre her sei, sei es mehr aufgefallen, da habe sich der Gestank vermischt.

Seit der Umstellung auf Erdgas, die bestimmt schon 20 Jahre her sei, sei es mehr aufgefallen.

Daß dieser Gestank von der früheren Abwasseranlage im Kellergeschoß ausging, ergibt sich daraus, daß dieser nach den Angaben der Zeugen und sowie seit den von Klägerin durchgeführten Arbeiten (Verlegung der Abwasserleitung an die Kellerdecke) aufgehört hat. Daß die Zeugin dies anders angegeben hat, erklärt sich nach Auffassung des Senats damit, daß sie sich weniger um die Angelegenheiten in der in gekümmert haben will (vgl. Bl. 130 d.A.).

Der Aussage der Zeugin, die das Auftreten von Geruchsbelästigungen auf ganz wenige Einzelfälle beschränken wollte, vermag der Senat demgegenüber keinen Glauben zu schenken. Diese Aussage steht einmal angesichts der übereinstimmenden Bekundungen aller übrigen vernommenen Zeugen vollkommen für sich allein. Zum anderen war die Zeugin sichtlich bemüht, eine Verantwortlichkeit ihres Ehemannes, des Beklagten, für die verfahrensgegenständlichen Ansprüche in Abrede zu stellen. Dies hat sie dadurch getan, daß sie einerseits mit einem großen Redefluß sozusagen schon immer Einwendungen gegen die Richtigkeit ihrer Angaben vorweggenommen hat, andererseits dadurch, daß sie gezielten Machfragen, ob es nicht doch öfter eine solche Geruchsbelästigung gegeben habe, ganz gezielt ausgewichen ist. Sie will nur Geruchsbelästigungen im Zusammenhang mit einer Verstopfung durch Windeln etwa 1975 und zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Putzlumpen erfahren haben. Andererseits hat sie angegeben, ihr Mann habe einen hölzernen Kanaldeckel ausgewechselt, danach sei der Geruch weggewesen. Vorher muß es also weitere Geruchsbelästigungen gegeben haben. Warum sie von diesem Umstand nichts gegenüber dem Landgericht angegeben habe, erklärt die Zeugin damit, daß sie dort nach Holzdeckeln nicht gefragt worden sei. Vor dem Landgericht ging es aber ebenso wie vor dem Senat um die Frage von Geruchsbelästigungen allgemein.

Eine von einem in einem Wohnhaus befindlichen Abwasserkanal ausgehende derartige Geruchsbelästigung über Jahre hinweg schränkt die Tauglichkeit zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch des Wohnens in diesem Haus erheblich ein. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich um ein Ende der 40er Jahre errichtetes Anwesen handelt. Dabei kommt es nach Auffassung des Senats nicht darauf an, ob diese Geruchsbelästigung von einem zu geringen Durchmesser des Abwasserkanals und/oder von einem zu geringen Gefalle dieses Kanals ausging. Jedenfalls ging sie von dem alten, heute nicht mehr benutzten Abwasserkanal aus, ohne daß dies bei ihrem Auftreten über Jahre hinweg mit einzelnen Verstopfungsfällen erklärt werden könnte.

2. Der unter Ziff. VII des notariellen Kaufvertrags vom 4.7.1997 (Anl. K 1) vereinbarte Gewährleistungsausschluß für Sachmängel ist gemäß § 476 BGB nichtig, weil der Beklagte als Verkäufer diesen Mangel der Klägerin gegenüber arglistig verschwiegen hat.

Ein solcher Mangel im Zusammenhang mit der Abwasseranlage eines zu Wohnzwecken genutzten Mehrfamilienhauses ist offenbarungspflichtig (vgl. BGH NJW-RR 1990, 847 und OLG Koblenz NJW-RR 1990, 149, deren Rechtsgedanke zumindest entsprechend anwendbar ist). Unstreitig hat der Beklagte im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag vom 4.7.1997 diesen Mangel nicht offengelegt. Dies war arglistig. Denn er selbst kannte diesen Mangel und ging zumindest mit bedingtem Vorsatz davon aus, daß der Klägerin die von der Abwasseranlage ausgehende Geruchsbelästigung nicht bekannt war und sie gegebenenfalls das Anwesen nicht oder nicht zu den vereinbarten Bedingungen gekauft hätte. Daß der Mangel der von der Abwasseranlage ausgehenden Geruchsbelästigung dem Beklagten bekannt war, ergibt sich wiederum aus den Angaben der Zeugen und sowie. Die Zeugin hat ausgesagt, sowohl ihr Mann als auch sie selbst hätten Herrn Dr. gesagt, daß es stinke. Auch der Zeuge bekundet, sie (wohl er und seine Ehefrau oder die Mieter des Anwesens), hätten gegenüber Herrn darauf hingewiesen, daß es wie die Pest stinke; sie hätten das öfters beanstandet. Herr Dr. habe darauf freundlich reagiert und gesagt, daß etwas gemacht werden müsse, aber im Grunde genommen nichts gemacht. Auch der Zeuge, hat ausgesagt, sie (= die Mieter) hätten sich schon beschwert. Die Angaben dieser drei Zeugen decken sich auch mit einer Passage in dem vom Beklagtenvertreter vorgelegten Schreiben vom 29.8.1987 des Zeugen in dem es heißt, aus der Kanalabdeckung stinke es je nach Witterungslage.

3. Auf dem arglistigen Verhalten des Beklagten beruht auch der geltend gemachte Schaden.

Daß das arglistige Verschweigen dieses Umstandes für den Kaufabschluß auf selten der Klägerin bedeutungslos gewesen wäre, müßte der Beklagte als Verkäufer beweisen (vgl. Palandt, BGB, 61. Aufl., Rdz. 9 zu § 463 BGB). Der Vernehmung der dazu benannten Zeugin bedurfte es nicht. Diese Zeugin könnte zwar bekunden, daß der Beklagte einer weiteren Reduzierung des Kaufpreises nicht zugestimmt hätte (vgl. Bl. 11 d.A.). Soweit sie aber auch dazu benannt worden ist, daß die Klägerin bei Offenlegung des Mangels trotzdem den Kaufvertrag zu den nämlichen Bedingungen abgeschlossen hätte (vgl. a.a.O.), erweist sie sich als ungeeignetes Beweismittel. Denn es werden keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, die auf den vom Beklagten behaupteten Entschluß des Geschäftsführers der Klägerin in dem genannten Sinn hindeuten könnten. Dieser Entschluß hätte sich rein im Kopf des Geschäftsführers der Klägerin abgespielt. Die Zeugin könnte allenfalls äußere, auf einen solchen Entschluß des Geschäftsführers der Klägerin hindeutende Umstände bekunden; solche äußeren Umstände, die sie bekunden können sollte, sind aber gar nicht behauptet.

4. § 460 BGB greift nicht zugunsten des Beklagten ein.

Die Beweislast für die bestrittene Vorkenntnis von der aufgetretenen Geruchsbelästigung auf seiten der Klägerin trägt der Beklagte als Verkäufer (vgl. Palandt, a.a.O., Rdz. 5 zu § 460 BGB). Für seine entsprechende Behauptung hat er keinen Beweis angeboten.

5. Der geltend gemachte Schaden ist nur in Höhe von 8.374,44 Euro (entspricht 16.378,99 DM) gemäß § 249 S. 2 BGB begründet. Er setzt sich zusammen aus den Nettorechnungsbeträgen der Firma (unter Einschaltung der Firma Kanal-) vom 7.5.1999 (Anl. K 4) in Höhe von 1.938,71 DM und derselben Firma vom 23.2.2000 (Anl. K 7) in Höhe von 14.440,28 DM.

a) Dabei handelt es sich um den zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes im Anwesen in erforderlichen Geldbetrag. Die Klägerin konnte nicht wissen, daß mit den zunächst getätigten Aufwendungen zur Gängigmachung der alten Kanalleitung der Mangel nicht behoben sein würde.

b) Nicht ersetzt verlangen kann die Klägerin vom Beklagten die geltend gemachten Kosten für eigene Arbeitszeit des Geschäftsführers der Klägerin und eines Angestellten der Klägerin namens in Höhe von insgesamt 1.067,20 DM. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, wofür dieser Zeitaufwand erforderlich gewesen sein soll.

c) Ein Abzug Neu für Alt kommt nicht in Betracht.

Ein solcher würde voraussetzen, daß durch die Reparatur eine Wertsteigerung eingetreten ist, die sich für den Geschädigten wirtschaftlich vorteilhaft auswirkt (vgl. Palandt, a.a.O., Rdz. 18 zu § 251 BGB). Diese Voraussetzungen sind vom Beklagten gar nicht behauptet worden.

d) Die Klägerin ist aus Schadensminderungsgründen (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB) verpflichtet, von der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG Gebrauch zu machen.

Für den Senat ist nicht erkennbar, welche Bedeutung die Bestätigung des Steuerberaters der Klägerin vom 12.3.2002 haben soll, nach der die Klägerin für das Objekt nicht zur Mehrwertsteuer optiert haben soll (vgl. Bl. 120 d.A.). Die Möglichkeit, zur Mehrwertsteuer zu optieren, steht gemäß § 19 Abs. 2 UStG nur Kleingewerbetreibenden i.S. des § 19 Abs. 1 UStG zu. Die Klägerin, die allein für das hier erworbene Objekt 1, 7 Mio. DM laut Ziff. III des Kaufvertrags vom 4.7.1997 gezahlt hat, kann ersichtlich nicht als Kleingewerbetreibende i.S. des § 19 Abs. 1 UStG angesehen werden.

6. Der Zinsausspruch beruht auf §§ 284 Abs. 3, 285, 288 Abs. 1 a.F. BGB.

Für Geldforderungen tritt nach § 284 Abs. 3 a.F. BGB Verzug abweichend von §§ 284 Abs. 1 und 2 BGB erst 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang einer Zahlungsaufforderung ein (vgl. Palandt, a.a.O., Rdz. 24 zu § 284 BGB). Die Zahlungsaufforderung kann erst im Schreiben der Klägerin vom 18.5.2000 (Anl. K 8) gesehen werden, das nicht vor dem 19.5.2000 zugegangen sein kann. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der 18.6.2000 ein Sonntag war, kann die 30-Tage-Frist gemäß § 193 BGB erst am 19.6.2000 abgelaufen sein.

7. Der Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 1.7.2002 gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß §§ 523 a.F., 156 ZPO.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 n. F. ZPO liegen nicht vor. Die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 n.F. ZPO ist durch § 26 Nr. 8 EGZPO ausgeschlossen.

Ende der Entscheidung

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