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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 08.11.2000
Aktenzeichen: 1 U 14/00
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 347 Satz 2
BGB § 347 Satz 3
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 987 Abs. 1
HGB § 377 Abs. 1
1. An der "Ablieferung" im Sinne der betriebsfertigen Herstellung einer Verpackungsanlage für Reis fehlt es, wenn zahlreiche in der Auftragsbestätigung des Herstellers aufgeführte Ausstattungsteile, die als zugesicherte Eigenschaften der Anlage anzusehen sind, nicht mitgeliefert werden.

2. Einer "Ablieferung" im Sinne des § 377 Abs. 1 HGB steht auch entgegen, dass der Hersteller einer Verpackungsanlage bei deren Aufstellung nur die Seiten 1 bis 19 einer 30 Seiten umfassenden Bedienungsanleitung mitgeliefert hat.

3. Der Weitergebrauch einer Verpackungsanlage nach Feststellung des Mangels bis zur Entscheidung des Rechtsstreits über das Wandlungsbegehren führt in der Regel nicht zur Verwirkung des Wandlungsrechts.

4. Die lineare Wertschwundtheorie ist prinzipiell auch zur Nutzungswertermittlung für den Weitergebrauch einer Verpackungsanlage nach Geltendmachung eines Wandlungsbegehrens anzuwenden.

5. Zu den Einzelheiten der Ermittlung des Nutzungswertes einer Verpackungsanlage.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

1 U 14/00

Verkündet am: 8.11.2000

In Sachen

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Neumann, Richterin am Oberlandesgericht Boehme und Richter am Oberlandesgericht Lang

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 20. Januar 2000 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte DM 145.246,10 nebst 5% Zinsen seit dem 18. Mai 1999 zu zahlen Zug um Zug gegen Herausgabe der KOPAS-Verpackungsanlage Typ JK 500 F-M-Servo (Nr. 104) mit folgender Ausstattung:

- Mechanische Teile aus St 37k und AlMgSi 0,5 gefertigt und galvanisch behandelt

- Gehäuse aus St 37k - Schweißkonstruktion, modularer Aufbau

- alle Teile, die mit Produkt in Berührung kommen können, aus V2A

- Schaltschrank schwenkbar, freier Zugang zu allen innenliegenden Teilen der Grundmaschine

- Temperatur an Quer- und Längsbacke elektronisch geregelt mit Microprozessorreglern

- alle pneumatischen und elektrischen Backenverbindungen mit Kupplungen und Steckern zum schnellen Wechsel ausgestattet

- Stechmesser eingebaut in vorderer Querschweißschiene und pneumatisch betätigt

- vordere Querschweißschiene für schnelle Reinigung und Messerwechsel schnell abnehmbar

- Querbackenantrieb elektronisch gesteuert über Servoantrieb, rein mechanisch

- Querbackenposition durch Winkelgeber überwacht

- Querbacke angetrieben über Servomotor mit Zwangsöffnung der Backen

- Öffnung der Backe einstellbar - "Flexi-Back"

- Siegeldruck an der Querbacke mechanisch einstellbar

- Backenschließsicherung über Servo

- Abzugsantrieb elektronisch gesteuert - Frequenzumrichter

- Abzugsriemen pneumatisch abhebbar, Andruckskraft der Riemen einstellbar

- Folienabzug durch Abzugsriemen

- Folienaufhängung mit Verstellung durch Motor

- Folienendüberwachung

- Packungszähler

- Packungsvorwahlzähler

- Bedienung sowie Maschinen- und Fehlerdiagnose über Bedientableau mit Klartextdisplay

- Maschinenfarbe RAL 1013 - perlweiß

- elektrische Ausführung nach VDE

- 1 Stck. Formatsatz kpl. für 5 kg

- Fotozelle für Druckmarke

- Abtransportband für fertige Beutel 2 m lang

- Volumendosierung

- Steigeband mit Bunker und Stollen

- Thermotransferdrucker mit Aufbau, Synchro und Software, ohne PC,

- 1 Stck. Formatsatz für 1 kg - 160.

Wegen des weitergehenden Zinsanspruches wird Widerklage abgewiesen.

Von den Kosten beider Rechtszüge tragen die Klägerin 8/9 und die Beklagte 1/9.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 190.000,-- abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 3.000,-- abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer der Klägerin beträgt 152.703,12 DM.

Tatbestand:

Die Beklagte bestellte am 1.4.1998 bei der Klägerin eine Verpackungsanlage des Typs JK 500 F-M, die für die Bedürfnisse der Beklagten eingerichtet werden sollte. Die Beklagte wollte mit der Anlage Reis und Hülsenfrüchte von 1 kg und 5 kg Gewicht automatisch verpacken, wobei die dafür benötigten Kunststoffbeutel aus PE-Flachfolie ebenfalls automatisch von der Anlage hergestellt werden sollten.

Die jeweilige Füllmenge sollte volumendosiert werden.

Der vereinbarte Preis betrug ab Werk der Klägerin 165.150,-- DM zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer = 191.574,-- DM. In diesem Preis eingeschlossen war die Abnahme im Werk der Klägerin, die Aufstellung und Inbetriebnahme der Anlage in den Räumen der Beklagten und die Einweisung der Mitarbeiter der Beklagten.

Die Klägerin bestätigte die Bestellung schriftlich unter dem 2.4.1998 (Bl. 5 f. d.A.). In der Auftragsbestätigung sind Einzelheiten der Ausstattung der Anlage genannt. Die Auftragsbestätigung enthält u.a. die Positionen "1 Stck Formatsatz komplett für 5 kg", "1 Stck Übergabetrichter Volumendosierung-VM für 5 kg", "Volumendosierung".

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Anlage nicht lediglich - wie in der Auftragsbestätigung genannt - Verpackungen für 5 kg fertigen sollte, sondern auch solche für 1 kg. Insoweit besteht zwischen den Parteien lediglich Streit darüber, ob die 1 kg-Backen bereits bei Auftragserteilung (so die Beklagte, z.B. Bl. 70 d.A.) oder erst nach Auftragserteilung Anfang Mai 1998 (so die Klägerin, vgl. Bl. 51, 84 d.A.) bestellt worden sind (allerdings offenbar ohne daß sich die Auftragssumme geändert hätte; s. ferner Bl. 15, 16, 106, 126, 298 d.A.).

Der Kaufpreis sollte in drei Raten gezahlt werden, wovon die letzte Rate in Höhe von 10 % 14 Tage nach Rechnungsstellung fällig werden sollte (Bl. 6 d.A.). Die Parteien einigten sich auch darüber, daß die Rechnungsstellung nicht vor Ablieferung der Verpackungsanlage erfolgen sollte.

Der zunächst für den 15.5.1998 vorgesehene Abholtermin mußte um einige Tage verschoben werden, weil sich bei dem Probelauf Mängel zeigten, die vor Auslieferung beseitigt werden mußten. Der von der Beklagten für die Überführung der Anlage am 15.5.1998 bestellte Spediteur berechnete der Beklagten für die zu spät abgesagte Fracht 600,-- DM netto. Die Klägerin hat ihre Erstattungspflicht in Höhe von 600,-- DM sowie die Aufrechnung der Beklagten mit dieser Forderung im Verlaufe des Rechtsstreits anerkannt und die Klage deshalb in Höhe von 600,-- DM zurückgenommen.

Am 19.5.1998 wurde die Verpackungsanlage schließlich bei der Klägerin abgeholt und am 20.5.1998 bei der Beklagten aufgestellt (Bl. 90 d.A.). Es fehlten Zubehörteile für das Verpacken von 5 kg-Beuteln; die Anlage wurde nämlich ohne 5 kg-Schweißbacken, dafür aber mit 1 Kg Schweißbacken geliefert (Bl. 84 xx, 88 d.A.). Über die Montage verhält sich der Montagebericht vom 20.5.1998 (Bl. 100 d.A.). Es heißt dort u.a.: "Durchgeführte Arbeiten: Bunkerband, Zuführband, Volumendosierer, Masch. u. Abtransportband montiert u. aufgestellt. Maschine mit Reis 1 kg Produktion gefahren u. optimiert ca. 2 to Reis. Personal geschult... Nachzuliefernde Teile an den Kunden: Teile für 5 kg PE ... Bemerkungen: Maschine konnte aufgrund fehlender Teile nicht mit 5 kg eingefahren werden. Keine Abnahme, da keine 5 kg Produktion möglich ist."

Bis zum 6.6.1998 arbeitete die Anlage, wobei nur 1 kg-Verpackungen produziert wurden.

Am 6.6.1998 erschienen Monteure der Klägerin mit den fehlenden Zubehörteilen für die 5 kg-Verpackung. Es stellte sich heraus, daß die mitgebrachten Temperaturfühler für die 5 kg-Schweißbacken nicht paßten. Die Monteure entnahmen deshalb die entsprechenden Fühler aus den Schweißbacken für die 1 kg-Verpackung und setzten sie in die 5 kg-Schweißbacken ein. Nunmehr war - aber auch nur - eine automatische Befüllung von 5 kg-Beuteln Reis möglich (Bl. 90 d.A.). Die Monteure nahmen die 1 kg-Schweißbacken mit in das Werk der Klägerin und sagten der Beklagten zu, sie binnen 4 Wochen repariert und mit neuen Fühlern versehen zurückzusenden (Bl. 92, 299 d.A.). Eine Übersendung der 1 kg-Backen erfolgte jedoch jedenfalls bis zum 13.4.1999 nicht (Bl. 51, 93 d.A.).

Die Beklagte unterzeichnete am 7.6.1999 einen Übergabebericht (Bl. 7 f. d.A.), indem es u.a. heißt, daß die Anlage komplett montiert und eingestellt sei und alle Baugruppen der Anlage ohne Beanstandung arbeiteten; unter der Rubrik "Bemerkung" ist eingetragen: "1 kg-Backen wurden komplett durch die Monteure wieder mitgenommen zur Instandsetzung (Neuverdrahtung) Rücklieferung Kalenderwoche 24."

Mit Schreiben vom 15.6.1998 (Bl. 28 d.A.) forderte die Beklagte die Klägerin zur Übersendung der 1 kg-Backen auf; nach Erhalt der Backen werde sie den noch ausstehenden Restbetrag zahlen.

Mit Schreiben vom 22.6.1998 (Bl. 29 ff. d.A.) setzte die Beklagte wegen der Lieferung der 1 kg-Backen eine Nachfrist bis zum 26.6.1998 und kündigte für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Nachfrist die Geltendmachung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung an (Bl. 30 unten d.A.).

Mit Schreiben vom 6.7.1998 (Bl. 176 d.A.) setzte die Beklagte der Klägerin eine Ausschlußfrist bis zum 7.7.1998 und kündigte wiederum die Geltendmachung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung an.

Mit Fax vom 7.7.1998 (Bl. 178 d.A.) teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß sie nach zweimaliger fruchtloser Mahnung nunmehr den Restkaufpreis gerichtlich geltend machen werde.

Mit Schreiben vom 23.7.1998 (Bl. 179 ff. d.A.) rügte die Beklagte diverse Mängel an der Verpackungsanlage; sie machte überdies geltend, daß von der Bedienungsanleitung nur die Seiten 1-19, nicht aber die Seiten 20-30 vorhanden seien (Bl. 179 d.A.). Unter anderem rügte die Beklagte, der Volumendosierer entspreche nicht sachgemäß der technischen Ausfertigung für die Verarbeitung von 5 Kilo wie im Angebot; es fehle außerdem der Inkrementalgeber, die Klebevorrichtung mit Halteschienen für Folienwechsel, das Modemsystem, die automatische Verstellung der Folienaufhängung. Wegen der weiteren Einzelheiten der erhobenen Mängelrüge wird auf den Inhalt des Anwaltsschreibens vom 23.7.1998, Bl. 179 ff. d.A., Bezug genommen. Insbesondere forderte die Beklagte mit dem Schreiben vom 23.7.1998 die Klägerin zur Nachlieferung und Mängelbeseitigung bis zum 30.7.1998 auf und kündigte an, sie werde andernfalls die Arbeiten auf Kosten der Klägerin durchführen lassen (Bl. 181 d.A.).

Da die Klägerin die 1 kg-Backen nicht lieferte, beschaffte sich die Beklagte - zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor April 1999 (Bl. 95 d.A.) - Ersatzbacken zu 1 kg, wofür sie an die Firma G 1.078,-- DM bezahlte; für die Montage berechnete die Firma GJBB 3.328,10 DM (Bl. 95 f. d.A.).

Vor der Installation des Elektroanschlusses für die Verpackungsanlage in den Räumen der Beklagten hatten Mitarbeiter der Klägerin auf Anfrage einen falschen Anschlußwert genannt. Hierdurch wurde eine nachträgliche Umrüstung durch den Elektriker erforderlich, wodurch Mehrkosten von 241,98 DM anfielen. Die Klägerin hat die Klage in Höhe dieser 241,98 DM zurückgenommen.

Im Verhandlungstermin des Landgerichts vom 9.12.1999 haben die Parteien sich in einem Zwischenvergleich dahin geeinigt, daß die o.g. Rechnung der Firma G in Höhe von 10.000,-- DM berechtigt ist (Bl. 257 d.A.).

Die Beklagte hat an die Klägerin bisher 77.488,-- DM und 95.787,-- DM (173.275,-- DM) gezahlt.

Mit Schriftsatz vom 10.9.1998 hat die Beklagte beim Landgericht Bremen die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens beantragt, das später zuständigkeitshalber an das Landgericht Gießen verwiesen worden ist, vgl. Bl. 1, 33, Beiakte 3 OH 18/98 des Landgerichts Gießen.

Die Klage im vorliegenden Verfahren wurde am 9.12.1998 eingereicht.

Der Sachverständige S hat unter dem 11.4.1999 ein schriftliches Gutachten im vorgenannten selbständigen Beweisverfahren erstattet, Bl. 109-119 d.A..

Gegenüber der Klage auf Restzahlung hatte die Beklagte zunächst lediglich Klagabweisung beantragt und auf die unvollständige und mangelhafte Lieferung der Klägerin sowie auf das eingeleitete selbständige Beweisverfahren hingewiesen (Bl. 13 ff. d.A.).

Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits, nämlich mit Schriftsatz vom 13.4.1999 (Bl. 87 ff., 94 ff. d.A.) erklärte die Beklagte gegenüber der Klagforderung die Aufrechnung mit Ansprüchen wegen der Ersatzbeschaffung der 1 kg-Backen sowie wegen erforderlicher Mängelbeseitigungskosten zur Änderung der Volumendosierungsanlage in Höhe von 60.200,-- DM (Bl. 96 x, 99 d.A.) und machte wegen unvollständiger Lieferung Zurückbehaltungsrechte geltend (Bl. 96 xx d.A.); außerdem erklärte die Beklagte, sie behalte sich vor, die Wandlung des Vertrages zu verlangen und Widerklage zu erheben (Bl. 99 d.A.).

Nach Eingang des Gutachtens vom 11.4.1999 im selbständigen Beweisverfahren (Bl. 109 ff. d.A.) hat die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 28.4.1999 (Bl. 182 d.A.) die Wandlung des Vertrages erklärt, dieses mit Schriftsatz vom 10.5.1999 (Bl. 139 ff. d.A.) wiederholt (Bl. 142 d.A.) und durch Zustellung am 18.5.1999 Widerklage erhoben auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen Zug um Zug gegen Rückgabe der Verpackungsanlage (Bl. 141 d.A), hilfsweise hat die Beklagte Schadensersatz geltend gemacht (Bl. 147 d.A.) für den Fall, daß das Wandlungsrecht verwirkt sein sollte; ihren Hilfsantrag hat die Beklagte mit 79.931,30 DM nebst Zinsen beziffert (Bl. 142).

Die Klägerin macht geltend, daß die Beklagte die Verpackungsanlage am 7.6.1998 abgenommen habe. Erstmals mit Schreiben vom 23.7.1998 habe die Beklagte Mängel gerügt (Bl. 50 d.A). Diese Mängelrüge sei gem. §§ 377, 378 HGB verspätet. Im übrigen hätten Mängel der Maschine nicht vorgelegen. Da der Beklagten aufrechenbare Gegenansprüche gegen die Restforderung nicht zustünden, müsse sie den restlichen Kaufpreis bezahlen.

Die Klägerin behauptet, sie nehme Bankkredit in Anspruch, für den sie 8,5 % Zinsen zahlen müsse.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 17.490,40 nebst 8,5% Zinsen seit dem 1. Juli 1998 sowie DM 10,-- außergerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit der Widerklage hat sie beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an sie DM 164.406,70 nebst 8 % Zinsen seit Zustellung der Widerklage zu zahlen Zug um Zug gegen Herausgabe der Kopas-Verpackungsmaschine Typ JK 500F-M-Servo senkrecht arbeitend mit folgender Ausstattung:

- mechanische Teile aus St 37k und AlMgSi 0,5 gefertigt und galvanisch behandelt

- Gehäuse aus St 37 k -Schweißkonstruktion, modularer Aufbau

- alle Teile, die mit Produkt in Berührung kommen können, aus V2A

- Schaltschrank schwenkbar, freier Zugang zu allen innenliegenden Teilen der Grundmaschine

- Temperatur an Quer- und Längsbacke elektronisch geregelt mit Microprozessorreglern

- alle pneumatischen und elektrischen Backenverbindungen mit Kupplungen und Steckern zum schnellen Wechsel ausgestattet

- Stechmesser eingebaut und vorderer Querschweißschiene und pneumatisch betätigt

- vordere Querschweißschiene für schnelle Reinigung und Messerwechsel schnell abnehmbar

- Querbackenantrieb elektronisch gesteuert über Servoantrieb, rein mechanisch

- Querbackenposition durch Winkelgeber überwacht

- Querbacke angetrieben über Servomotor mit Zwangsöffnung der Backen

- Öffnung der Backe einstellbar - "Flexi-Back"

- Siegeldruck an der Querbacke mechanisch einstellbar

- Backenschließsicherung über Servo

- Abzugsantrieb elektronisch gesteuert - Frequenzumrichter

- Abzugsriemen pneumatisch abhebbar, Andruckskraft der Riemen einstellbar

- Folienabzug durch Abzugsriemen

- Folienaufhängung mit Verstellung durch Motor

- Folienendüberwachung

- Packungszähler

- Packungsvorwahlzähler

- Bedienung sowie Maschinen- und Fehlerdiagnose über Bedientableau mit Klartextdisplay

- Maschinenfarbe RAL 1013 - perlweiß

- elektrische Ausführung nach VDE

- 1 Stck. Formatsatz kpl. für 5 kg

- Fotozelle für Druckmarke

- Abtransportband für fertige Beutel 2 m lang

- Volumendosierung

- Synchronisation der Anlage, Einrichte und Versuchskosten in unserem Hause

- Steigeband mit Bunker und Stollen

- Thermotransferdrucker mit Aufbau, Synchro und Software, ohne PC,

hilfsweise,

die Klägerin zu verurteilen,

an die Beklagte DM 79.931,30 nebst 8 % Zinsen seit Widerklagerhebung zu zahlen.

Das Landgericht Bremen hat unter Klagabweisung im übrigen die Beklagte verurteilt, an die Klägerin DM 7.457,02 nebst 5% Zinsen seit dem 31. Juli 1998 zu zahlen. Des weiteren hat es die Widerklage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte könne sich auf die vorgetragenen Mängel nicht mehr berufen, da sie ihrer unverzüglichen Untersuchungs- und Rügepflicht gem. § 377 Abs. 1-3 HGB nicht nachgekommen sei.

Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, das Landgericht habe ihr zu Unrecht einen Verstoß gegen die kaufmännische Untersuchungs- und Rügepflicht angelastet. Bis zum heutigen Tage sei eine Ablieferung der Anlage i.S.d. § 377 HGB nicht erfolgt, weil diverse Teile der Verpackungsanlage nicht geliefert worden seien, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen S ergebe.

Überdies habe das Landgericht die Anforderungen an die Rügepflicht überspannt. Von dem Käufer dürfe nichts Unzumutbares verlangt werden. Hier sei zu berücksichtigen, daß ihr, der Beklagten, Unternehmen erst einige Monate zuvor gegründet worden sei; es habe sich um die erste Verpackungsanlage gehandelt, die sie in ihrem jungen Unternehmen gekauft habe. Die gelieferte Anlage sei komplex und ihre Bedienung schwierig. Deshalb sei ihr eine längere Erprobung der Maschine vor einer evtl. Mängelrüge zu konzedieren (Bl. 302 d.A.). Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei das Mängelrügeschreiben vom 23.7.1998 rechtzeitig (Bl. 302 d.A.).

Die von dem Sachverständigen S festgestellten Mängel bestanden tatsächlich. Sie habe deshalb ein Recht auf Wandlung des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages (Bl. 307 d.A.). Der Wandlungsanspruch sei auch nicht verwirkt. Sie, die Beklagte, habe erstmals durch das Gutachten des Sachverständigen S erfahren, daß die Anlage für die Abfüllung nicht geeignet sei. Alsbald nach Kenntnisnahme dieses Gutachtens habe sie die Wandlung erklärt. Die Stillegung der gekauften Anlage mit einer Anzahlung von 149.375,-- DM und die Anschaffung einer neuen Anlage sei ihr nicht zuzumuten und der Weitergebrauch der Anlage daher zulässig gewesen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend und wiederholt im wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag (Bl. 330 - 335 d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Auf die Widerklage ist die Klägerin antragsgemäß zur Rückzahlung eines Vergütungsanteiles von DM 145.246,10 Zug um Zug gegen Rückgabe der von der Klägerin gefertigten Verpackungsanlage mit der Baunummer 104 zu verurteilen.

I.

Die Klage auf Zahlung der restlichen Vergütung für die Verpackungsanlage ist unbegründet, da die Beklagte zu Recht die Einrede der Wandlung erhoben hat.

1. Der vorliegende Vertrag der Parteien vom 1./2.4.1998 über die Lieferung der Verpackungsanlage seitens der Klägerin an die Beklagte stellt sich als Werklieferungsvertrag i.e.S. gem. § 651 Abs. 1 BGB dar, auf den hinsichtlich der Vergütung § 631 Abs. 1 BGB und hinsichtlich der Haftung für Mängel die §§ 633 ff. BGB gelten.

Die Verpackungsanlage stellt eine nicht vertretbare Sache dar, weil die Grundkonstruktion, auf der sie basiert, eine erhebliche Veränderung zur Anpassung an die speziellen Wünsche und Bedürfnisse der Beklagten erfahren hat. Sie ist so individuell gestaltet, daß die Klägerin sie - wie ihr Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung vom 6.9.2000 vor dem Senat erklärt hat - im Falle der Rücknahme nur unter ganz erheblichen Schwierigkeiten weiter vermarkten kann. Die Beklagte hat gem. §§ 346 Satz 1, 467 Abs. 1 1. Halbsatz, 465, 634 Abs. 1, 633 Abs. 1, 651 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Wandlungsanspruch gegen die Klägerin mit der Folge, daß beide Parteien verpflichtet sind, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren.

Die von der Klägerin gefertigte Verpackungsanlage ist mangelhaft, da es ihr einerseits an zugesicherten Eigenschaften fehlt und sie andererseits mit Fehlern behaftet ist, die die Tauglichkeit zu dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder zumindest ganz erheblich mindern, § 633 Abs. 1 BGB.

Dies ergibt sich aus dem im selbständigen Beweisverfahren 3 OH 18/98 des Landgerichts Gießen gem. § 485 ZPO eingeholten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen S vom 11.4.1999, das dieser in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat am 6.9.2000 gem. § 411 Abs. 3 ZPO erläutert und z.T. ergänzt hat. Dieses Gutachten kann auch im vorliegenden Rechtsstreit gem. § 493 Abs. 1 und 2 ZPO benutzt werden, da die Parteien ausweislich der Mitteilung des Sachverständigen S vom 12.3.1999 rechtzeitig zum Besichtigungstermin geladen worden sind, vgl. Beiakte 3 OH 18/98 LG Gießen, Bl. 58.

a) Nach dem Inhalt des vorgenannten Gutachtens des Sachverständigen S vom 11.4.1999 fehlen der Verpackungsanlage folgende, durchweg bedeutsame, zugesicherte Eigenschaften, die durch die ausdrückliche Leistungsbeschreibung in der Auftragsbestätigung der Klägerin vom 2.4.1998 (Bl. 5/6 d.A.) Vertragsinhalt geworden sind, wobei die Klägerin auch aufgrund der Gesamtwürdigung dieser Urkunde zum Ausdruck gebracht hat, daß sie für den Bestand dieser Eigenschaften und alle Folgen ihres Fehlens einstehen will, vgl. Palandt-Putzo BGB, 59. Aufl., § 459 Rdnr. 15:

- die Abzugslängensteuerung über einen Inkrementalgeber, der für unbedruckte Folien erforderlich ist, Bl. 5 d.A, Detailnr. 19;

- die Klebevorrichtung mit Halteschienen für Folienwechsel, Bl. 6 d.A., Detailnr. 21;

- der Luftausdrücker unterhalb der Querbacken, Bl. 6 d.A., Detailnr. 22;

- das Modemsystem, Bl. 6 d.A., Detailnr. 29;

- die Folienaufhängung mit automatischer Verstellung durch Motor, Bl. 6 d.A., Detailnr. 20.

Die von der Klägerin hinsichtlich des letztgenannten Details eingebaute Lösung stellt keine automatische Regelung dar, da sie immer noch einen menschlichen Eingriff im Falle des Schieflaufens der Folie erfordert. Insoweit hat der Sachverständige S in seiner mündlichen Anhörung vom 6.9.2000 durch den Senat, S. 3 des Terminprotokolls, überzeugend ausgeführt, daß das Kriterium der automatischen - also ohne menschliche Mitwirkung erfolgenden - Verstellung nicht erfüllt ist.

b) Des weiteren hat der Sachverständige S in seinem schriftlichen Gutachten vom 11.4.1999 diverse erhebliche bauliche Mängel sowie Konstruktionsfehler der Verpackungsanlage festgestellt, mit dem Ergebnis, daß sie für die Verpackung von 5 kg-Beuteln mit Reis nicht und für die Verpackung von 1 k-Beuteln allenfalls bedingt geeignet ist. Damit liegt eine bedeutsame Abweichung vom Vertragsinhalt vor, nach dem eine Verpackungsanlage mittlerer Art und Güte geschuldet war, die Reis sowohl in 5 kg-Beuteln als auch in 1 kg-Beuteln verpacken kann.

- Der Vorratsbehälter (Bunker) und seine Befestigung sind technisch nicht ausreichend und für den Dauerbetrieb ungeeignet.

- Das Auslaufband ist konstruktiv zu gering bemessen, da es nicht - wie erforderlich - breiter ist als die Bunkeröffnung. Dadurch gelangt Füllgut unter das Band und beschädigt es.

- Der Einlaufbehälter mit dem Zufuhrsteigband zeigt bauliche Mängel. Das Steigeband hat im Schrägteil an der Unterseite auf beiden Seiten, für den Rücklauf des Wellgurtes, eine Führung des Wellgurtes in einer Alu-Winkel-Schiene. Diese Alu-Winkel-Schiene hat keine Rollen, so daß ein Abrieb am Wellgurt mit der Folge von Beschädigungen eingetreten ist.

- Der gravierendste konstruktive Mangel der Verpackungsanlage liegt jedoch darin, daß die Volumendosierung nicht sowohl für die Verpackung von 5 kg-Beuteln Reis als auch für die von 1 kg-Beuteln geeignet ist. Die geringe Größe der Dosierbecher mit einem maximalen konstruktiven Volumen von ca. 1,00 Liter hat zur Folge, daß für eine 5 kg-Verpackung mindestens 5-6 Schüttungen pro Beutel erforderlich sind. Das führt bei einer aktuellen Anlagen-Dosier-Leistung von 13 Beuteln (statt einer marktüblichen Leistung von 25 Beuteln) zu 65-78 Schüttungen/Minute, wodurch eine gewichtsgenaue Volumendosierung nicht mehr möglich ist.

c) Die Beklagte hat auch die formellen Voraussetzungen gemäß § 634 Abs. 1 BGB dafür geschaffen, daß sie die Wandlung erfolgreich geltend machen kann. Sie hat nämlich bereits mit vorprozessualem Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 23.7.1998 die Klägerin unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zur Beseitigung der meisten - und vor allem der gravierendsten - der vorgenannten Mängel aufgefordert.

Die Klägerin hat ihrerseits die Mangelbeseitigung endgültig abgelehnt, was überdies die Fristsetzung auch überflüssig gemacht hätte (§ 634 Abs. 2 BGB).

2. Die Beklagte kann auch mit Erfolg die o.a. Mängel im vorliegenden Rechtsstreit geltend machen, da sie entgegen der Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Urteil nicht gem. § 377 HGB wegen Verstoßes gegen die Untersuchungs- und Rügepflicht ihren Wandlungsanspruch verloren hat.

Die Beklagte hat nicht gegen ihre Obliegenheit gem. § 377 Abs. 1 HGB verstoßen, unverzüglich nach Ablieferung der Verpackungsanlage diese zu untersuchen und der Klägerin unverzüglich eine Mängelrüge zu übermitteln. Bis zur Mängelrüge der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 23. Juli 1998 (Bl. 179 ff d.A.) lag nämlich keine "Ablieferung" im Sinne des § 377 Abs. 1 HGB hinsichtlich der Verpackungsanlage vor. "Ablieferung" der Ware durch den Lieferanten bedeutet im vorliegenden Zusammenhang Beendigung des Ablieferungsvorganges. Sie liegt erst vor, wenn der Lieferant, der die Aufstellung einer Maschinenanlage übernommen hat, diese betriebsfertig hergestellt und dies dem Erwerber mitgeteilt hat, vgl. Staub-Brüggemann, Großkommentar zum HGB, 4. Aufl., § 377 Rdnr. 78; BGH NJW 61, 730; s.a. BGH NJW-RR 90, 1462 ff, 1464.

Zwar hat sich die Klägerin am 7.6.1998 von der Beklagten einen Übergabebericht unterschreiben lassen (Bl. 7 d.A.), wonach "die Anlage kompl. montiert und eingestellt" worden ist und alle Baugruppen "ohne Beanstandung" arbeiten. Gleichzeitig wurde aber auch festgehalten, daß die 1 kg-Backen von den Monteuren der Klägerin zur Instandsetzung komplett wieder mitgenommen worden sind.

Trotz dieses Übergabeberichtes kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin die Verpackungsanlage betriebsfertig abgeliefert hat. An der "Ablieferung" im Sinne der betriebsfertigen Herstellung der Anlage in dem vertraglich geschuldeten Umfang fehlte es nämlich bis zur Mängelrüge vom 23.7.1998, Bl. 179 ff d.A., weil die Klägerin - abgesehen von dem gerügten Fehlen der 1 kg-Schweißbacken - zahlreiche in der Leistungsbeschreibung der Auftragsbestätigung der Klägerin vom 2.4.1998 (Bl. 5/6 d.A.) aufgeführte Ausstattungsteile, die oben bereits als fehlende zugesicherte Eigenschaften abgehandelt worden sind, nicht geliefert hat. Dabei ist unstreitig, daß gerade die Besonderheit der Anlage darin bestand, daß sie Reis sowohl in 5 kg-Beuteln als auch in 1 kg-Beuteln verpacken sollte und zu diesem Zweck sowohl 5 kg- als auch 1 kg-Schweißbacken benötigte.

Darüber hinaus kann hier auch deswegen nicht von einer "Ablieferung" i.S.d. § 377 Abs. 1 HGB ausgegangen werden, weil die Klägerin unstreitig nur die Seiten 1-19 der 30-seitigen Bedienungsanleitung für die Verpackungsanlage übergeben hat, was die Beklagte ebenfalls mit Anwaltsschreiben vom 23.7.1998 gerügt hat. Ebenso wie eine Werkleistung, die die Herstellung von Software zum Gegenstand hat, nicht vollständig erbracht ist, solange die Aushändigung des dazugehörigen Handbuches an den Besteller noch aussteht, vgl. BGH NJW 1993, 2436, ist auch die Werkleistung der Erstellung einer umfangreichen, aus zahlreichen Einzelkomponenten bestehenden Verpackungsanlage nicht vollständig erbracht, wenn gut ein Drittel der dazugehörigen Bedienungsanleitung fehlt.

4. Die Beklagte hat auch nicht deswegen ihr Wandlungsrecht verwirkt, § 242 BGB, weil sie nach dessen Geltendmachung den Gebrauch der Verpackungsanlage fortgesetzt hat. So begründet die übliche Benutzung einer Sache von der Feststellung des Mangels bis zum Wandlungsbegehren, selbst wenn sie zur Abnutzung führt, i.d.R. keine Verwirkung, BGH Z 115, 47. Gleiches gilt für die Zeit nach dem Wandlungsbegehren, wenn der zu ersetzende Gebrauchsvorteil auch im Interesse des Verkäufers liegen kann, vgl. BGH NJW 58, 1773. Etwas anderes kann dann gelten, wenn durch Verhandlungen über Sachmängelgewährleistung der Käufer den Verkäufer zu erheblichen Aufwendungen veranlaßt und der Käufer danach wegen anderer Mängel Wandlung fordert, vgl. OLG Köln MDR 73, 314, oder wenn ein Kfz in unangemessenem Umfang weiter genutzt wird, vgl. OLG Frankfurt NJW RR 94, 120.

Hier liegt keiner der vorgenannten Ausnahmefälle vor. Die unstreitig nicht den Rahmen des üblichen überschreitende (ihn vielmehr, wie noch auszuführen sein wird, stark unterschreitende) weitere Nutzung der Verpackungsanlage durch die Beklagte stellt sich nicht als illoyales widersprüchliches Verhalten dar.

Die Beklagte hat bereits im Juli 1998 diverse - später auch sachverständigerseits bestätigte - Mängel der Anlage gerügt und die Klägerin nicht im Zweifel darüber gelassen, daß sie aus diesem Umstand Rechte ableiten werde. Mit Schriftsatz vom 13.4.1999 hat die Beklagte im vorliegenden Verfahren erklärt, sie behalte sich vor, die Wandlung des Vertrages zu verlangen, Bl. 99 d.A.. Zu keinem Zeitpunkt zuvor durfte die Klägerin aufgrund des Verhaltens der Beklagten erwarten, daß diese die Wandlung nicht begehren werden würde.

Das Verhalten der Beklagten ist auch im übrigen nicht treuwidrig. Im Gegenteil: Hätte die Beklagte die gelieferte Anlage nicht weiter benutzt, so hätte sie für knapp 200.000,-- DM eine Ersatzanlage besorgen müssen, um ihren Betrieb aufrechtzuerhalten. Dies wäre der Beklagten, einem jungen Unternehmen in der Aufbauphase, nicht möglich und nicht zumutbar gewesen; ein solches Verhalten hätte möglicherweise auch den berechtigten Interessen der Klägerin nicht ausreichend Rechnung getragen.

II.

Auf die Widerklage ist die Klägerin antragsgemäß zu verurteilen, an die Beklagte DM 145.246,10 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe der Verpackungsanlage in dem - von der Auftragsbestätigung vom 2.4.1998 (Bl. 5/6 d.A.) abweichenden -tatsächlich gelieferten Umfang.

Die der Beklagten von der Klägerin gem. §§ 346 Satz 1, 348, 467 Satz 1 1. Halbsatz, 465, 634 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, 651 Abs. 1 BGB zurück zu gewährenden Leistungen stellen sich wie folgt dar:

1. Die Beklagte hat auf den Vergütungsanspruch der Klägerin aus dem Werklieferungsvertrag für die Verpackungsanlage in Höhe von DM 165.150,-- zuzüglich Mehrwertsteuer, insgesamt DM 191.574,--, zwei Abschlagszahlungen in Höhe von DM 77.488,-- und DM 95.787,-- insgesamt also 173.275,-- DM erbracht. Dieser Betrag ist von der Klägerin zurückzuzahlen. Hinzu kommen die von der Klägerin im ersten Rechtzug anerkannten weiteren Forderungen der Beklagten in Höhe von DM 600,-- für Ausfallfrachtkosten, DM 291,98 an zusätzlichen Elektrikerkosten sowie DM 10.000,-- an Beschaffungskosten für die 1 kg-Ersatzschweißbacken, so daß sich nach alledem insgesamt ein von der Klägerin an die Beklagte zu zahlender Betrag von DM 184.036,98 ergibt.

Von dem vorstehenden Betrag ist abzuziehen der Wert der von der Beklagten durch den vertragsgemäßen Gebrauch der Verpackungsanlage vom Zeitpunkt deren Übergabe (7.6.1998) bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat gezogenen Nutzungen, § 812 Abs. 1 Satz 1; §§ 347 Satz 3 und Satz 2, 987 Abs. 1 BGB.

Dieser Wert beträgt lediglich DM 5.387,61 und erreicht damit bei weitem nicht den Betrag von DM 38.790,88, den die Beklagte faktisch selber als Nutzungsentschädigung in Ansatz bringt, indem sie statt des vorstehend unter II 1 genannten Betrages von DM 184.036,98 nur einen Betrag von DM 145.246,10 mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 6.9.2000 vor dem Senat modifizierten Widerklageantrag geltend macht.

Im übrigen liegt dieser vorstehend genannte Nutzungswert von DM 5.387,61 auch weit unter der Differenz zwischen der von der Beklagten tatsächlich gezahlten Werkvergütung von DM 173.275,-- und dem Widerklageantrag von DM 145.246,10.

Die Bemessung des vorstehend genannten Betrages von DM 5.387,61 als Wert der von der Beklagten gezogenen Nutzungen ergibt sich aus folgendem:

Grundsätzlich richtet sich die Pflicht des Wandlungsberechtigten zur Herausgabe der Nutzungen bis zur Kenntnis des Wandlungsgrundes nach Bereicherungsrecht, § 812 ff. BGB, und danach gem. § 347 Satz 3 und Satz 2 BGB nach § 987 Abs. 1 BGB, vgl. BGH NJW 1992, 1965; s.a. Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 347 Rdnr. 9. Da hier besondere bereicherungsrechtliche Probleme nicht zum Tragen kommen und die Bemessung des Nutzungswertes nach beiden vorgenannten Regelungskomplexen prinzipiell gleich ist, kann hier eine durchgehend einheitliche Berechnung des Nutzungswertes vom 7.6.1998 bis zum 6.9.2000 vorgenommen werden.

Die vom BGH bei der Wandlung von Kraftfahrzeugen zur Nutzungswertermittlung verwandte lineare Wertschwundtheorie, vgl. BGH WM 95, 1145; s.a. Reinking-Eggert, Der Autokauf, 6. Aufl. 1996, Rdnr. 812 ff, ist prinzipiell auch bei der Nutzungswertermittlung für andere Sachen anwendbar, Palandt-Heinrichs a.a.O.; OLG Saarbrücken NJW-RR 90, 493.

Mathematisch läßt sich die lineare Wertschwundmethode auf folgende Formel bringen: Gebrauchsvorteil = Anschaffungspreis x tatsächliche Nutzung beim Käufer: mögliche Gesamtlebensleistung. Dabei ist im Falle der Wandlung vom Kaufpreis der mangelbedingte Minderwert abzuziehen, Palandt-Heinrichs a.a.O. m.w.N., was hier in Anbetracht des ohnehin geringen Nutzungswertes vernachlässigt werden kann.

Im einzelnen ergeben sich für die Berechnung der von der Beklagten tatsächlich gezogenen Nutzungen folgende Grundlagen:

Der Vergütungsanspruch der Klägerin für die Verpackungsanlage betrug insgesamt DM 191.574,--.

Die Gesamtlebensdauer der Verpackungsanlage wird vom Senat auf zehn Jahre geschätzt. Zwar hat der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, die Anlage habe eine Lebenszeit von 20 Jahren. Der Sachverständige S ist aber in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu einer weitaus niedrigeren Lebensdauer gekommen. Er hat eine solche von mindestens zehn Jahren, evtl. auch mehr angenommen. Die Beklagte selbst ist in ihrem Schriftsatz vom 20.7.2000 davon ausgegangen, daß die Anlage in zehn Jahren "abgeschrieben" sei. Dies alles rechtfertigt nach Ansicht des Senates zugunsten der Klägerin für die anstehende Berechnung von einer Gesamtlebensdauer der Anlage von zehn Jahren auszugehen.

Nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen S in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 1.9.2000 zur Frage der Nutzungsentschädigung, das er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert hat, ist bei der hier gegebenen Verpackungsanlage standardmäßig von einer jährlichen Betriebsdauer von 220 Tagen à 8 (Maschinen-)Stunden zu 50 Minuten auszugehen. Das bedeutet eine Jahresleistung von 220 x 8 x 50 = 88.000 Minuten.

Nach den von der Klägerin nicht substantiiert bestrittenen Angaben der Beklagten leistet die hier in Rede stehende Anlage pro Minute die Verpackung von 32 Beuteln à 1 kg oder 13 Beuteln à 5 kg. Die Beklagte nutzt die Anlage unstreitig zu einem Drittel zur Verpackung von 1 kg-Beuteln und zu zwei Dritteln zur Verpackung von 5 kg-Beuteln. Damit ergibt sich folgende mögliche Jahresleistung der Anlage: 1/3 zu 1 kg: 88.000 Min. x 1/3 = 29.333 Min. (Anteil 1 kg). 2/3 zu 5 kg: 88.000 Min. x 2/3 = 58.667 Min. (Anteil 5 kg).

1 kg x 29.333 Min. x 32 Beuteln/Min. = 938.656 kg = 938,7 Tonnen 5 kg x 58.667 Min. x 13 Beuteln/Min. = 3.813.355 kg = 3.813,3 Tonnen Gesamtjahresleistung 4.752,0 Tonnen.

Das führt zu einer Zehnjahresleistung von 47.520,0 Tonnen.

Für die Ermittlung des Umfanges der tatsächlichen Nutzung der Anlage durch die Beklagte ergibt sich folgendes:

Nach dem unstreitigen Maschinenzählerstand der Verpackungsanlage sind mit ihr insgesamt 364.483 Beutel abgefüllt worden, Bl. 345 d.A.. Läßt man zugunsten der Klägerin einmal die vom Sachverständigen S in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 1.9.2000 in Ansatz gebrachten Abzüge von 5% des vorgenannten Wertes für "Einfahren" und "Leerbeutel" außer acht, so ergibt sich folgende Berechnung der tatsächlichen Nutzung der Anlage:

Gesamtleistung 364.483 Beutel

1/3 zu 1 kg: 121.494 Beutel x 1 kg = 121.494 kg 2/3 zu 5 kg: 242.989 Beutel x 5 kg = 1.214.945 kg Gesamtleistung 1.336.439 kg.

Die Beklagte hat danach 1.336,4 Tonnen Reis mit der Anlage verpackt.

Fügt man die vorstehend ermittelten Werte in die o.g. Formel der linearen Wertschwundmethode ein, so führt das zu folgender Berechnung des Wertes der tatsächlich von der Beklagten gezogenen Nutzungen:

191.574,-- DM x 1.336,4 Tonnen : 47.520 Tonnen = 5.387,61 DM.

III.

Die Widerklageforderung ist von der Klägerin seit dem 18. Mai 1999, dem Zeitpunkt ihrer Rechtshängigkeit, Bl. 184 d.A., mit 5% p.a. zu verzinsen, da die Beklagte durch Vorlage einer Bankbestätigung der Volksbank H e.G. vom 29.6.1999 nachgewiesen hat, daß sie in Höhe von 149.600,-- DM Bankkredit in Anspruch nimmt, für den sie 5% p.a. an Zinsen zu zahlen hat, § 288 Satz 2 BGB. Hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruches ist die Widerklage abzuweisen, da die Beklagte einen höheren Zinsschaden nicht dargetan hat.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO sowie § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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