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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 16.06.2004
Aktenzeichen: 1 U 2/04 a
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 270 Abs. 3
ZPO § 207 a.F.
ZPO § 167 n.F.
1. Die Verjährungsunterbrechung durch Zustellung eines Mahnbescheides (§ 270 Abs. 3, § 207 ZPO a.F.) setzt voraus, dass der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides in unverjährter Zeit bei Gericht eingegangen ist.

2. Für den Zeitpunkt des Eingangs des Mahnbescheidsantrages kommt es darauf an, wann der Antrag in die Verfügungsgewalt des in der Adresse angegebenen Gerichts gelangt; eine Mitwirkung des Gerichts (Entgegennahme) ist dabei nicht erforderlich.

3. Bei Übermittlung eines Schriftstückes an eine für mehrere Gerichte bestehende Einlaufstelle begründet die Einlieferung nur die Verfügungsgewalt desjenigen Gerichts, das auf dem eingegangenen Schriftstück als Adressat bezeichnet ist.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

Geschäftszeichen: 1 U 2/04 a

Verkündet am: 16. Juni 2004

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.06.04 unter Mitwirkung der Richter

Dr. Wittkowski, Lang und Boehme

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bremen - 7. Zivilkammer - vom 04.12.03 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 110 f) Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den erstinstanzlich gestellten Klagantrag weiter. Der Berufungsvortrag des Klägers im Einzelnen ergibt sich aus seinem Schriftsatz vom 30.04.04 (Bl. 138-143).

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

Wegen des Vortrags des Beklagten wird auf das Vorbringen in seinem Schriftsatz vom 27.5.04 (Bl. 154-156) Bezug genommen.

II. Die statthafte (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§§ 517, 519, 520 ZPO) Berufung des Klägers ist unbegründet.

Zu Recht hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil sein klagabweisendes Versäumnisurteil vom 11.09.03 aufrechterhalten. Denn die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht (jedenfalls) ein durchsetzbarer Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung eines Teilbetrages von € 6.000,- nebst Zinsen nicht zu, weil die Klagforderung verjährt ist.

Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen notarieller Amtspflichtverletzung (§ 19 BNotO) mit der Begründung geltend, der Beklagte in seiner Eigenschaft als Notar habe ihn (Kläger) im Zusammenhang mit der Begründung von Wohnungseigentum an dem vormals ihm (Kläger) allein gehörenden Hausgrundstück H. T. -Str. 34 in Bremen und dem anschließenden von dem Beklagten beurkundeten Verkauf eines Miteigentumsanteils an dem Wohnungseigentum (8188/10000) an seine damalige Lebensgefährtin Frau L. über die Risiken des beurkundeten Rechtsgeschäfts nicht (ausreichend) belehrt, weshalb ihm ein Schaden in Höhe von € 111.320,51 entstanden sei, von dem er einen Teilbetrag in Höhe von 6.000,- € geltend mache.

Der von dem Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen behaupteter Amtspflichtverletzung verjährt gem. §§ 19 Abs. 1 S. 3 BNotO, 852 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt.

Wie auch in der Berufungsinstanz unstreitig ist, hat der Kläger diese Kenntnis am 28.04.98 erlangt, weshalb die dreijährige Verjährungsfrist am 28.04.01 endete §§ 187 I, 188 Abs. 2 BGB a.F.); da der 28.04.01 auf einen Samstag fiel, endete die Verjährungsfrist mithin mit Ablauf des 30.04.01 ( § 193 BGB a.F.).

Bis zum 30.04.01 hätte der Kläger deshalb eine den Ablauf der Verjährung hemmende oder unterbrechende Maßnahme treffen müssen.

Der Kläger meint, er habe mit dem von ihm behaupteten und unter Beweis gestellten Einwurf des in einem Fensterbriefumschlag befindlichen Mahnbescheidantrages (nebst Gebührenmarken) in den gemeinsamen Nachtbriefkasten des Amtsgerichts, des Landgerichts und der Staatsanwaltschaft Bremen am frühen Abend des 30.04.01 durch eine Mitarbeiterin seiner früheren Prozessbevollmächtigten den Ablauf der Verjährungsfrist unterbrochen und verweist insoweit auf §§ 209 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 1, 242 BGB, 270 Abs. 3, 207 ZPO a.F.

Diese Ansicht trifft schon im Ausgangspunkt nicht zu.

Es ist Sache des Klägers, die Voraussetzungen von verjährungsunterbrechenden Maßnahmen darzulegen und den Beweis der Fristwahrung zu erbringen (siehe nur Palandt-Heinrichs, Komm. zum BGB, 60. Aufl. 2001, vor § 194 Rn. 18; BGH VersR 91, 896).

Unter Zugrundelegung des - von dem Beklagten bestrittenen - eigenen Vortrags des Klägers kann indes nicht festgestellt werden, dass durch den Einwurf des Briefumschlags mit dem Mahnbescheid in den gemeinsamen Nachtbriefkasten eine Verjährungsunterbrechung stattgefunden hat.

Nach § 209 Abs. 1 BGB a.F. führt die Klageerhebung zur Verjährungsunterbrechung; nach § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F. steht dem die Zustellung eines Mahnbescheides im Mahnverfahren gleich, wobei die Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung von Klage und Mahnbescheid zurückwirkt, sofern sie "demnächst" erfolgt (§§ 270 Abs. 3, 207 ZPO a.F.).

In jedem Fall setzt die Verjährungsunterbrechung voraus, dass in unverjährter Zeit eine ordnungsgemäße Einreichung der Klage bzw. des Antrages auf Erlass eines Mahnbescheides bei Gericht erfolgt.

Für den Zeitpunkt des Eingangs des Mahnbescheidantrages kommt es darauf an, wann der Antrag in die Verfügungsgewalt des in der Adresse angegebenen Gerichts gelangt; eine Mitwirkung des Gerichts (Entgegennahme) ist hierbei nicht erforderlich (BVerfGE 52, 203; BGH Z 80, 62).

Bei Einlieferung eines Schriftstückes bei einer für mehrere Gerichte bestehenden Einlaufstelle - wie hier - begründet die Einlieferung nicht die Verfügungsgewalt aller angeschlossenen Gerichte; vielmehr hat der Rechtssuchende durch die Adressierung oder in anderer Weise klar zum Ausdruck zu bringen, für welches der angeschlossenen Gerichte das Schriftstück bestimmt ist (BGH NJW 83, 123). Bei einer gemeinsamen Einlaufstelle für mehrere Gerichte erhält dasjenige Gericht Gewahrsam, das auf dem eingehenden Schriftstück als Adressat bezeichnet als (Nachweise wie eben und Musielak-Wolst, Komm. z. ZPO, 3. Aufl. 2002, § 167 Rn. 5; Zöller-Greger, Komm. z. ZPO, 24. Aufl. 2004, § 167 Rn. 6; Thomas-Putzo, Komm. z. ZPO, 25. Aufl. 2003, vor § 214 Rn. 10). Die Einreichung eines Schriftstücks setzt mithin voraus, dass der Absender das Gericht, bei dem er das Schriftstück abgibt, erkennbar anrufen und um dessen gerichtliches Tätigwerden bitten will; daran fehlt es, wenn ein Gericht gleichsam nur als Postannahmestelle und Bote für ein anderes als Adressat ausdrücklich im Antrag aufgeführtes Gericht benutzt wird (so OLG Köln, NJW RR 89, 572 ein Mahnbescheidsantrag ist erst dann bei Gericht angebracht, wenn er bei dem vom Antragsteller genannten Adressat-Gericht eingeht) oder, erst recht, wenn als Adressat überhaupt kein Gericht, sondern ein Rechtsanwalt angegeben ist.

Die letztgenannte Alternative hat nach der plausiblen Darstellung des Beklagten bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt vorgelegen; sie wird von dem Kläger, der insoweit darlegungs- und beweisbelastet ist (siehe oben), nicht entkräftet.

Nach der Darstellung des Beklagten ist der Fensterbriefumschlag mit dem Mahnbescheidsantrag in seinem Büro am 03.05.01 eingegangen und mit einem Eingangsstempel versehen worden; in dem Fenster des Briefumschlages waren (nach der Behauptung des Beklagten) als Adresse allein sein Name mit dem Zusatz "Notar" sowie seine Büroanschrift angegeben.

Diese Darstellung des Beklagten ist plausibel; sie wird durch den vorgelegten, mit dem Eingangsstempel des Rechtsanwaltsbüros des Beklagten vom 03.05.01 versehenen Briefumschlag (Hülle Bl. 87) bestätigt: In dem Adressfenster ist allein die Büroadresse des Beklagten zu sehen; die Anordnung der Knicke des Mahnbescheidantrages spricht zusätzlich für die Richtigkeit der Darstellung des Beklagten.

Demgegenüber trägt der Kläger nicht vor, dass in dem Briefumschlag mit dem Mahnbescheidantrag, der bei der gemeinsamen Einlaufstelle des Amtsgerichts, des Landgerichts und der Staatsanwaltschaft abgegeben worden sein soll, entweder allein oder zumindest zusätzlich das "Amtsgericht Bremen" im Adressfeld sichtbar als Adressat angegeben war. Diesbezügliche Ausführungen enthält die Berufungsbegründung des Klägers nicht. Der erstinstanzliche Vortrag des Klägers beschränkt sich insoweit auf Spekulationen (Einspruchsbegründung vom 20.10.03 Seite 2 ff, Bl. 93 ff), wonach die "zweimaligen Faltenkniffe passend zu dem Format des von dem Beklagten vorgelegten Briefumschlages" auch nachträglich "hinzugefügt" worden sein könnten. Mit dieser Spekulation wird der Kläger der ihm obliegenden Darlegungslast nicht gerecht, wonach es seine Sache ist, substantiiert zu behaupten und im Bestreitensfalle zu beweisen, dass der bei der gemeinsamen Einlaufstelle abgegebene Briefumschlag, in dem sich sein Mahnbescheidantrag befand, (zumindest auch) an das Amtsgericht Bremen adressiert war.

Da mithin nicht festgestellt werden kann, dass der Umschlag mit dem Mahnbescheidsantrag (zumindest auch) an das Amtsgericht Bremen adressiert war, ist bei dem Amtsgericht Bremen - wie ausgeführt - binnen unverjährter Zeit ein Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides nicht wirksam angebracht worden, weshalb eine Verjährungsunterbrechung nicht eingetreten ist. Auf die von dem Landgericht erörterten Fragen, ob der Mahnbescheid dem Beklagten "demnächst" i.S.d. § 270 Abs. 3 ZPO a.F. zugestellt worden ist und ob das Verhalten des Beklagten als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, kommt es mithin nicht mehr an. Selbst eine umgehende Rücksendung des Briefes mit dem Mahnbescheidantrag an die Prozessbevollmächtigte des Klägers oder an das Amtsgericht Bremen hätte nichts daran zu ändern vermocht, dass zwischenzeitlich Verjährung eingetreten war.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Der Kläger hat Gründe für eine Zulassung der Revision auch nicht vorgebracht.

Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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