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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 20.02.2003
Aktenzeichen: 2 U 38/02
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 13 Abs. 5
1. Werden mehrere rechtlich selbständige und für ihr Verhalten im Wettbewerb eigenverantwortliche Unterlassungsschuldner wegen desselben Wettbewerbsverstoßes getrennt in Anspruch genommen, so liegt jedenfalls dann keine unangemessene Mehrbelastung vor, solange sich nicht wegen der Vielzahl der Unternehmen, denen derselbe Verstoß vorgeworfen wird, und die an demselben Gerichtsstand verklagt werden könnten, die Zweckmäßigkeit einer einzigen, gegen sie als Streitgenossen gerichteten Klage aufdrängt.

2. Eine unzulässige weil rechtsmissbräuchlich Mehrfachverfolgung eines wettbewerbs-rechtlichen Unterlassungsanspruchs eines einzelnen Unterlassungsgläubigers im Eilverfahren schließt seine Klagebefugnis im Verfahren der Hauptsache nicht aus, wenn dort keine Mehrfachverfolgung stattfindet.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

Geschäftszeichen: 2 U 38/02

Verkündet am: 20. Februar 2003

In Sachen

hat der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2003 unter Mitwirkung von

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 18. April 2002 (12 0 19/02) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. In dem dem vorliegenden Rechtsstreit voraufgegangenen Verfahren wegen einstweiliger Verfügung hat der Senat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts vom 29. November 2001 (12 0 438/01 und 12 0 484/01) durch Urteil vom 16. Mai 2002 (2 U 148/01) zurückgewiesen und die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs als nicht gemäß § 13 Abs. 5 UWG unzulässig angesehen, weil sich nicht habe feststellen lassen, dass die Klägerin mit der getrennten Einleitung zweier Eilverfahren beim Landgericht Bremen überwiegend sachfremde Ziele verfolgt und durch die Vermehrung des mit der Rechtsverteidigung verbundenen Kostenrisikos der Verfügungsbeklagten sowie die Bindung personeller und finanzieller Kräfte eine unangemessene Belastung beider Verfügungsbeklagter herbeigeführt habe; eher habe es sich um eine Achtlosigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gehandelt, der bei Einleitung der Verfügungsverfahren das Kosteninteresse des Prozessgegners nicht in Betracht gezogen habe. Mit der vorliegenden Klage sind die Beklagten sogleich gemeinsam auf Unterlassung in Anspruch genommen worden.

Der in diesem Rechtsstreit erneut vertretenen Auffassung der Beklagten, die Verfolgung des von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruchs sei rechtsmissbräuchlich gemäß § 13 Abs. 5 UWG gewesen, vermag der Senat aus den bereits in seinem Urteil vom 16. Mai 2002 dargelegten Gründen nicht zu folgen. Er ist außerdem der Auffassung, dass die ohne vermeidbare Kostenbelastung der Gegenseite erhobene Hauptsacheklage selbst dann nicht rechtsmissbräuchlich und die Klägerin deshalb jedenfalls hierfür klagebefugt ist, wenn die Verfolgung dieses Unterlassungsanspruchs im Eilverfahren gemäß § 13 Abs. 5 UWG unzulässig gewesen sein sollte.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einer gemäß § 13 Abs. 5 UWG rechtsmissbräuchlichen Mehrfachverfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche hatte zunächst Verfahren zum Gegenstand, in denen mehrere im Media-Markt/Saturn-Konzern verbundene Einzelunternehmen gleichzeitig einzeln wegen eines von einem bundesweit tätigen Konkurrenzunternehmen in verschiedenen rechtlich unselbständigen Filialbetrieben begangenen Wettbewerbsverstoßes gegen dieses Unternehmen vorgegangen waren. Der BGH hat eine solche Mehrfachverfolgung für unzulässig erklärt, weil die verschiedenen hiervon betroffenen Tochterunternehmen des Konzerns die Überwachung und Verfolgung von Wettbewerbsverstößen ihrer Konkurrenten zentral einem vom Konzern beauftragten Rechtsanwalt übertragen hatten, dem es ohne weiteres möglich gewesen wäre, den Wettbewerbsverstoß des Konkurrenzunternehmens in einem einzigen Rechtsstreit zu verfolgen, indem sich die Tochterunternehmen des Konzerns als Streitgenossen hätten zusammenschließen oder den Konzern zur gemeinsamen Verfolgung ihrer Ansprüche hätten ermächtigen können (insbesondere BGHZ 144, 165 = NJW 2000, 3566 = WRP 2000, 1269 = GRUR 2000, 1069 Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; WRP 2000, 1266 = NJW -RR 2000, 1644 Neu in Bielefeld II). Zwar sei die Verfolgung desselben Wettbewerbsverstoßes durch mehrere Unterlassungsgläubiger für sich genommen nicht zu beanstanden, doch könne sich eine Mehrfachverfolgung desselben Wettbewerbsverstoßes insbesondere dann als missbräuchlich erweisen, wenn sie auf einem abgestimmten Vorgehen der Unterlassungsgläubiger beruhe und ohne vernünftigen Grund durch die Vervielfachung des mit der Rechtsverteidigung verbundenen Kostenrisikos sowie die Bindung personeller und finanzieller Kräfte eine unangemessene Belastung des Anspruchsgegners zur Folge habe. Ein solches Vorgehen könne - je nach den Umständen des Einzelfalls - den Schluss rechtfertigen, dass der klagende Gläubiger neben dem Interesse an einer Untersagung des Wettbewerbsverstoßes die Absicht verfolge, den Schuldner durch eine der Sache nach unnötige Belastung mit Kosten und Gebühren zu schädigen und ihn dadurch im Wettbewerb zu behindern. In den genannten Entscheidungen hat es der BGH auch für möglich gehalten, dass ein getrenntes Vorgehen eines Unterlassungsgläubigers gegen mehrere Unterlassungsschuldner nach Maßgabe dieser Grundsätze rechtsmissbräuchlich sein könne (so auch in NJW-RR 202, 1122 = WRP 2002, 977 Scanner-Werbung; BGH WRP 2002, 320 Missbräuchlich Mehrfachabmahnung).

In dem der zuletzt genannten Entscheidung zugrunde liegenden Fall war die auf Seiten der Anspruchsgegner durch die getrennte Rechtsverfolgung möglicherweise eintretende Mehrbelastung schon deshalb geringer, weil nicht eine Mehrzahl von Unterlassungsgläubigern und eine Mehrzahl von Unterlassungsschuldnern beteiligt waren, sondern auf der Passivseite nur ein einzelnes Unternehmen; gleichwohl hat der BGH die getrennte Verfolgung desselben Wettbewerbsverstoßes durch zwei konzernverbundene und hierbei zentral koordinierte Unternehmen als rechtsmissbräuchlich angesehen. Der hier vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von jenem nur dadurch, dass auf der Aktivseite nur ein Unternehmen vorhanden ist, das denselben Wettbewerbsverstoß gleichzeitig (zunächst) getrennt gegen zwei (konzernverbundene) Unterlassungsschuldner verfolgt hat. Die dadurch eintretende mögliche Kostenmehrbelastung unterscheidet sich jedoch nicht von dem umgekehrten Fall, dass zwei Unternehmen getrennt gegen einen Unterlassungsschuldner vorgehen.

Diese kostenmäßige Mehrbelastung ist nur geringfügig höher, wenn zwei von demselben Rechtsanwalt vertretene Parteien nur einen Gegner wegen desselben Wettbewerbsverstoßes getrennt statt gemeinsam in Anspruch nehmen. Für die auf der Aktivseite stehenden beiden Parteien fallen dann nicht doppelte Gebühren nach dem Streitwert des Unterlassungsanspruchs, sondern einfache Gebühren nach dem gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BRAGO, § 12 Abs. 1 GKG, § 5 ZPO aus den Streitwerten beider Unterlassungsansprüche zusammengesetzten höheren Gesamtstreitwert an. Reicht diese geringe kostenmäßige Mehrbelastung aus, um einen Missbrauch der Klagebefugnis zu begründen, so kann das die Kosten betreffende Kriterium einer missbräuchlichen Rechtsverfolgung nur eine unnötige Kostenmehrbelastung sein, nicht aber eine unangemessene, was eine Wertungsmöglichkeit voraussetzen würde. Die Unangemessenheit der Mehrbelastung hätte deshalb keine selbständige Bedeutung neben dem weiteren Missbrauchskriterium, dass bei der Mehrfachverfolgung eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs überwiegend sachfremde Ziele das beherrschende Motiv bilden müssen. Der Senat möchte jedoch daran festhalten, dass die vermeidbare Mehrbelastung des Gegners mit Rechtsverfolgungs- oder -verteidigungskosten eine unangemessene Mehrbelastung sein muss und dass dies jedenfalls dann nicht der Fall ist, wenn mehrere rechtlich selbständige und für ihr Verhalten im Wettbewerb eigenverantwortliche Unterlassungsschuldner wegen desselben Wettbewerbsverstoßes getrennt in Anspruch genommen werden, solange sich nicht wegen der Vielzahl der Unternehmen, denen derselbe Verstoß vorgeworfen wird und die an dem selben Gerichtsstand verklagt werden könnten, die Zweckmäßigkeit einer einzigen, gegen sie als Streitgenossen gerichteten Klage aufdrängt. Eine unangemessene Belastung der Unterlassungsschuldner durch eine Bindung personeller Kräfte in mehreren Verfahren ist ebenfalls zu verneinen, weil diese Belastung bei ihrer Beteiligung an einem gemeinsamen Verfahren kaum geringer wäre.

Weiter ist der Senat der Auffassung, dass eine - unterstellt - rechtsmissbräuchliche Mehrfachverfolgung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs eines einzelnen Unterlassungsgläubigers im Eilverfahren seine Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren nicht ausschließt, wenn dort keine Mehrfachverfolgung stattfindet (ein Missbrauch bei der vorgerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber mehreren Schuldnern kommt in diesem Fall ohnehin nicht in Betracht, weil strafbewehrte Unterlassungserklärungen von jedem einzeln abzugeben sind und auch alle Unterlassungsschuldner abzumahnen sind, um ein sofortiges Anerkenntnis einzelner von ihnen und die damit für den Gläubiger verbundenen Kostennachteile zu vermeiden). Der Missbrauch materieller oder auch prozessualer Rechte kann immer nur soweit reichen, wie ein bestimmtes Verhalten gegen einen übergeordneten Normzweck verstößt. Besteht das missbräuchliche Verhalten darin, einem Konkurrenten bei der Verfolgung eines Anspruchs aus sachfremden Motiven unangemessene Kostennachteile und andere wirtschaftliche Belastungen zuzufügen, so kann dieses Verhalten nur unzulässig sein, soweit solche Nachteile und Belastungen tatsächlich entstehen.

Ist dies bei der außergerichtlichen Verfolgung und/oder bei der Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche im Eilverfahren geschehen, so ist der Rechtsmissbrauch auf die Mehrfachabmahnung (mit nur gebührenrechtlichen Folgen) und/oder das Eilverfahren beschränkt. Wird das missbräuchliche Verhalten im Hauptsacheprozess vermieden, kann nicht gleichwohl als eine die Verhinderung von Missbrauch übersteigende Sanktion für voraufgegangenes Fehlverhalten der Verlust der Klagebefugnis auch in diesem Verfahren aus § 13 Abs. 5 UWG hergeleitet werden, auch wenn der Wortlaut der Vorschrift einer solchen Auslegung nicht entgegensteht (a.A. BGH WRP 2002, 320, 323 und 977, 979). Auch die mit einer missbräuchlichen Mehrfachverfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche verbundenen Gefahren erfordern eine solche weitreichende Sanktion nicht; diese würde eher der Funktionsfähigkeit des mit § 13 UWG installierten Systems der Durchsetzung des Leistungswettbewerbs durch die hieran interessierten Marktteilnehmer bzw. Verbände entgegenstehen.

Der den Beklagten vorgeworfene Wettbewerbsverstoß ist vom Landgericht mit zutreffender Begründung bejaht worden; dies greift die Berufung der Beklagten auch nicht an.

Da die Frage, ob die getrennte Verfolgung desselben Wettbewerbsverstoßes gegen zwei Unterlassungsschuldner durch einen Unterlassungsgläubiger bereits als solche rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 13 Abs. 5 UWG ist oder ob in einem solchen Fall für einen Missbrauch noch weitere, ggf. welche Anforderungen zu stellen sind, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, wird die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassen. Ein weiterer Zulassungsgrund ergibt sich aus § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen der Frage, ob dem Unterlassungsgläubiger mit einer voraufgegangenen missbräuchlichen Mehrfachverfolgung die Klagebefugnis auch für ein nachfolgendes Gerichtsverfahren verloren geht, die der Senat anders beurteilt, als dies der BGH bereits getan hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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