Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 02.09.2004
Aktenzeichen: 2 U 50/04
Rechtsgebiete: UWG (Fassung 2004)


Vorschriften:

UWG (Fassung 2004) § 3
UWG (Fassung 2004) § 5 Abs. 1
1. Es verstößt nicht gegen § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 UWG, wenn eine überörtliche Anwaltssozietät im Rechtsverkehr, insbesondere auf Briefbögen und in Broschüren sowie bei Internetauftritten, zusätzlich zu dem Begriff "Rechtsanwälte" auch den Begriff "Fachanwälte" verwendet, selbst wenn nicht an jedem Standort der Sozietät ein Fachanwalt tätig ist. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass für jedes einzelne Mitglied der Sozietät jeweils ausgewiesen ist, ob es zusätzlich Fachanwalt für ein bestimmtes Gebiet und an welchem Standort es tätig ist.

2. Die Verwendung des Begriffs "Fachanwälte" auf dem Kanzleischild eines Standorts einer überörtlichen Sozietät ist dann irreführend, wenn an diesem Standort kein Fachanwalt tätig ist.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

Geschäftszeichen: 2 U 50/04

Verkündet am: 02.September 2004

In Sachen

hat der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. August 2004 unter Mitwirkung der Richter

Prof. Dr. Derleder, Dr. Schnelle und Dierks

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Bremen - 2. Kammer für Handelssachen - vom 15.04.2004 (Geschäfts-Nr.: 12 0 527/03) geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,-- für jeden Fall der Zuwiderhandlung aufgegeben, es zu unterlassen,

a) auf ihrem Kanzleischild in Bremen, 26/27, den Begriff"Fachanwälte" zu verwenden, solange am Standort der Beklagten in Bremen kein Fachanwalt tätig ist,

b) auf ihrem Geschäftspapier, in der Werbung oder in sonstigen für ihre Außenbeziehungen bestimmten Unterlagen oder Ankündigungen - schriftlich oder mündlich - zur Kennzeichnung ihrer Tätigkeitsbereiche als überörtlicher Sozietät den Begriff "Fachanwälte" zu verwenden, sofern nicht neben den Angaben zu den anderen Mitgliedern der Sozietät zugleich für jeden ihrer Fachanwälte das fachanwaltschaftliche Tätigkeitsgebiet und der zugehörige Standort ausgewiesen sind.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch überwiegend begründet.

Die Klägerin, die als Rechtsanwaltskammer gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der seit 8. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414) geltenden Neufassung für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche klagebefugt ist (vgl. BGH GRUR 1998, 835, 836 zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.) hat gemäß § 8 Abs. 1 UWG einen - eingeschränkten - Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte als überörtliche Sozietät von Rechtsanwälten, Fachanwälten und Notaren in Bremen, Bremen und Beverstedt wegen irreführender Verwendung des Begriffs "Fachanwälte".

Wie das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat (LG Bremen, NJW 2004, 2027), ist allerdings bei der Beurteilung der Irreführungsgefahr nach § UWG a.F. (nunmehr nach § 5 Abs. 1 i.V. mit § 3 UWG) der Verständnishorizont eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers zugrunde zu legen, soweit es um anwaltliche Dienstleistungen zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten geht. Wer sich für eine anwaltliche Beratung interessiert, wird in aller Regel nicht nur die Kopf- oder Fußzeile eines Briefbogens oder einer Broschüre oder bloß die Startseite eines Internetauftritts zur Kenntnis nehmen, um auf dieser Basis ein Mandat zu erteilen oder eine Auskunft einzuholen. Er wird sich nicht auf die flüchtige Betrachtung beschränken, sondern jedenfalls mit normaler Aufmerksamkeit die Informationen über eine Anwaltskanzlei sammeln (vgl. BGH GRUR 2002, 81, 82). Aus der Bezeichnung einer überörtlichen Sozietät als "Rechtsanwälte, Fachanwälte, Notare" oder bei Verwendung dieser Begriffe in anderer Reihenfolge wird er nicht, wie die Klägerin meint, den Schluss ziehen, dass ein Fachanwalt einen Zusatzberuf ausübt oder einen zusätzlichen Tätigkeitsbereich hat. Vielmehr wird er davon ausgehen, dass einige der Rechtsanwälte der Sozietät eine fachliche Spezialisierung für die jeweils angegebene Fachmaterie aufweisen. Es ist danach nicht irreführend und unzulässig, wenn überörtliche Sozietäten im Rechtsverkehr, insbesondere auf Briefbögen und Broschüren sowie bei Internetauftritten mit der Kopf- oder Fußzeile zusätzlich zu dem Begriff "Rechtsanwälte" auch den Begriff "Fachanwälte" verwenden.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass für jedes einzelne Mitglied der Sozietät jeweils ausgewiesen ist, ob es zusätzlich Fachanwalt für ein bestimmtes Gebiet an einem der Sozietätsstandorte ist. Dabei ist es ohne Belang, ob an jedem Standort der Sozietät ein Fachanwalt tätig ist. Eine Sammelbezeichnung, die auch den Begriff "Fachanwälte" umfasst, ist erkennbar auf den sachlichen und räumlichen Synergieeffekt gerichtet, den eine ständige arbeitsteilige Kooperation im Rahmen einer überörtlichen Sozietät ermöglicht, so dass es nicht zu beanstanden ist, wenn an einzelnen Standorten kein Fachanwalt tätig ist.

Unzulässig wird ein solches Auftreten im Rechtsverkehr erst, wenn Angaben dazu fehlen, wer im Einzelnen an welchem Standort Fachanwalt für welches Fachgebiet ist. Dann fehlt es an einer hinreichenden, eine Irreführung vermeidenden Charakterisierung der Befähigung, wie sie nunmehr § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UWG für maßgeblich erklärt. Sonst könnte auch der aufmerksame Interessent sich keine präzise Vorstellung darüber machen, wann er auf einen für ihn geeigneten Fachanwalt stoßen wird. Vielmehr würde dann der Schluss nahe gelegt, dass alle wesentlichen Fachanwaltsmaterien an sämtlichen Standorten betreut würden. Die Anforderungen an Briefbögen, Broschüren und Internetauftritte werden dabei weder inhaltlich noch drucktechnisch überspannt, wenn eine solche Spezifizierung für jedes Sozietätsmitglied verlangt wird, sofern sich die Sozietät mit einer den Begriff der "Fachanwälte" umfassenden Sammelbezeichnung im Rechtsverkehr darstellt. Bei einem Internetauftritt, bei dem auf der Startseite der Begriff "Fachanwälte" benutzt wird, muss sich dementsprechend auf einer mittels Link zu wählenden Unterseite die erforderliche Spezifierung für die einzelnen Mitglieder der Sozietät ergeben.

Dagegen kann bei einem Schild einer Anwaltskanzlei an einem der Standorte einer überörtlichen Sozietät nicht erwartet werden, dass auf ihm Angaben auch zu den Sozietätsmitgliedern an den anderen Standorten enthalten sind. Wenn hier dennoch unter Hinweis auf die Überörtlichkeit der Sozietät der Begriff "Fachanwälte" verwendet wird, dann muss für jedes Sozietätsmitglied an dem Standort des Schildes das Fachgebiet der fachanwaltschaftlichen Tätigkeit ausgewiesen werden. Ist an diesem Standort kein Fachanwalt tätig, darf hier der Begriff "Fachanwälte" auf dem Praxisschild nicht verwendet werden. Es ist auch für den aufmerksamen Betrachter eines Schildes irreführend, wenn er trotz einer den Begriff "Fachanwälte" umfassenden Sammelbezeichnung auf dem Kanzleischild an dem betreffenden Standort keinen Fachanwalt antreffen kann und womöglich erst aus der jeweiligen Angabe "Rechtsanwalt" für die dort tätigen Mitglieder den Umkehrschluss ziehen müsste, dass nur an anderen Standorten der Sozietät Fachanwälte tätig sind. Dass er über ein Mitglied der Sozietät am Standort des Kanzleischildes nur einen Fachanwalt an einem anderen Standort vermittelt bekommen kann, bleibt dem Interessenten verborgen.

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze erweist sich die von der Beklagten verwendete Broschüre als unzureichend, weil darin die spezifizierten Angaben dazu fehlen, an welchem Standort welches der Sozietätsmitglieder als Fachanwalt für welches Fachgebiet tätig ist. Die Mitglieder der Sozietät sind zwar mit einem ansehnlichen Gruppenfoto abgebildet, ohne dass jedoch eine entsprechende Zuordnung ermöglicht würde. Auf der Homepage der Beklagten kann ein Interessent allerdings die Information über die einzelnen Anwälte per Mausklick auf die Fotos der Startseite abrufen. Auch wenn die Anknüpfung an das Foto einen Sachbezug vermissen lässt, wird der Interessent hierdurch nicht irregeführt, da er sich die mangelnde Aussagekraft des Aussehens für die Fachkompetenz klar machen kann. Die Beklagte ist jedoch dem von der Klägerin im zweiten Rechtszug weiterverfolgten Klagantrag zu 2, es zu unterlassen, im Rechtsverkehr den Begriff "Fachanwälte" zu verwenden (statt die Fachanwaltsbezeichnung mit dem konkreten Gebiet, auf das es sich bezieht, ausschließlich dem konkreten Sozietätsmitglied zuzuordnen), mit einem in zweiter Instanz weiterverfolgten uneingeschränkten Klagabweisungsantrag entgegengetreten, so dass für den Rechtsverkhr der Beklagten, also insbesondere auf Briefbögen, in Broschüren und mit Internetauftritten für alle Außenbeziehungen auszusprechen ist, dass die Beklagte als überörtliche Sozietät die Verwendung des Begriffs "Fachanwälte" zu unterlassen hat, sofern nicht neben den Angaben zu den anderen Mitgliedern der Sozietät zugleich für jeden ihrer Fachanwälte das fachanwaltschaftliche Tätigkeitsgebiet und der zugehörige Standort ausgewiesen sind. Insoweit war auf die Berufung der Klage stattzugeben. Dagegen ist die Berufung gegen das klageabweisende Urteil zurückzuweisen, soweit sich die Klägerin allgemein gegen eine Verwendung des Begriffs "Fachanwälte" in überörtlichen Sozietäten wendet.

Das Kanzleischild der Beklagten am Standort Bremen entspricht insofern nicht den sich aus § 5 Abs. 1 i.V. mit § 3 UWG ergebenden Rechtsgrundsätzen, als unter einem den Begriff "Fachanwälte" umfassenden Kopf Rechtsanwälte und andere Sozietätsmitglieder aufgeführt werden, die sämtlich nicht Fachanwälte sind. Die Unterzeile wiederum verweist auf die drei Standorte und gibt die Fachgebiete an, für die an den anderen Standorten Fachanwälte tätig sind. Der Betrachter kann einem solchen Schild zwar entnehmen, wer von den Sozietätsmitgliedern dieses Standorts Rechtsanwalt ist, wird aber vor allem durch die Unterzeile darüber getäuscht, dass die Sozietätsmitglieder dieses Standorts Fachanwälte der angegebenen Fachmaterien sind. Daher ist dem mit der Berufung der Klägerin weiterverfolgten Klagantrag zu 1 auf Unterlassung der Verwendung des Begriffs "Fachanwälte" auf dem Kanzleischild und damit der Berufung auch insoweit stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 und 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Revision ist gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück