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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 19.02.2004
Aktenzeichen: 2 U 94/03
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
1. Die Werbung "Tiefpreisgarantie. Trotz riesiger Auswahl haben wir die tiefsten Preise der Region. Sollten Sie trotzdem eines unserer Angebote innerhalb von 14 Tagen bei gleicher Leistung woanders günstiger sehen, erstatten wir den Differenzbetrag. Garantiert." stellt trotz Verwendung des Superlativs ("die tiefsten Preise") keine Alleinstellungswerbung dar, weil der Gesamtzusammenhang der Werbeaussage eindeutig erkennen lässt, der Werbende halte es für möglich, dass ein Mitbewerber preisgünstiger anbiete.

2. Dies gilt insbesondere, wenn die Überschrift "Tiefpreisgarantie" durch die Schriftgröße oder in anderer Weise blickfangmäßig herausgehoben ist.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

Geschäftsnummer: 2 U 94/03

Verkündet am: 19. Februar 2004

in dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2004 durch die Richter Dr. Schomburg, Dr. Schnelle und Dierks für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen - 2. Kammer für Handelssachen - vom 9. Oktober 2003 abgeändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Wegen des Tatbestandes wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat die antragsgemäß erlassene einstweilige Verfügung mit Urteil vom 9. Oktober 2003 bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Werbung der Verfügungsbeklagten stelle eine irreführende Alleinstellungsbehauptung dar, die gegen § 3 UWG verstoße. Zur Ergänzung wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Urteil des Landgerichts ist den Verfügungsbeklagten am 13. Oktober 2003 zugestellt worden. Sie haben dagegen am 20. Oktober 2003 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Sie sind der Ansicht, es fehle schon am Eilbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, da die Verfügungsbeklagten jahrelang in der jetzt beanstandeten Form geworben hätten. Diese Werbung könne der Verfügungsklägerin nicht verborgen geblieben sein, insbesondere da sie ihrem eigenen Vortrag nach die Werbung der Verfügungsbeklagten regelmäßig auf Wettbewerbsverstöße hin überprüfe. Darüber hinaus erwecke der von der Verfügungsklägerin beanstandete Werbetext bei den angesprochenen Verkehrskreisen keinesfalls den Eindruck einer Alleinstellung der Verfügungsbeklagten. Das ergebe sich bereits aus dem relativierenden Zusatz einer "Preisgarantie" und der Überschrift der Werbung als "Tiefpreisgarantie". Zur Ergänzung des Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 16. Oktober 2003 und den Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 3. Februar 2004 Bezug genommen.

Die Verfügungsklägerin verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Ansicht, die Alleinstellungsbehauptung werde keinesfalls durch den Zusatz über die Preisgarantie relativiert. Im Übrigen treffe es auch nicht zu, dass die Verfügungsbeklagten die niedrigsten Preise hätten, wie sich aus einer Preisgegenüberstellung mit den Angeboten der Verfügungsklägerin allein im Segment der Digitalkameras ergebe. Schließlich versichert der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsklägerin, dass weder ihm noch seiner Mandantin die beanstandete Werbung der Verfügungsbeklagten zuvor aufgefallen sei. Andernfalls hätte er bereits früher den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Auch zur Ergänzung des weiteren Vortrags der Verfügungsklägerin wird auf die Schriftsätze vom 3. und 10. Februar 2004 verwiesen.

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und auch im Übrigen zulässig (§§ 511 Abs. 1 und 2, 517, 519, 520 ZPO). Sie ist auch begründet.

Das Eilbedürfnis ist nicht entfallen. Der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsklägerin hat anwaltlich versichert, erst unmittelbar vor Beantragung der einstweiligen Verfügung von der konkret beanstandeten Werbung erfahren zu haben.

Die Werbung mit einem Superlativ - hier die tiefsten Preise der Region - stellt für sich allein genommen noch keine Alleinstellungswerbung dar. Entscheidend ist vielmehr die Auffassung des Verkehrs. D. h. es kommt darauf an, welche Wirkung die Werbung auf einen nicht unerheblichen - nicht völlig unbeachtlichen - Teil der Verkehrskreise hat, an den sie sich wendet. Beim Verbraucher darf durch die Werbung keine irrige Vorstellung hervorgerufen werden (Baumbach/Hefermehl 22. Aufl. Rn. 23 zu § 3 UWG). Zwar ist eine Alleinstellungswerbung irreführend, wenn sie nicht wahr ist. Durch die Verwendung eines Superlativs in der Werbeaussage wird bei den angesprochenen Verbraucherkreisen zwar häufig, aber nicht automatisch die Vorstellung von einer Alleinstellung des Werbenden hervorgerufen. Der Grundsatz, dass die Verwendung des Superlativs auf eine Spitzenstellung des Werbenden hindeutet, ist keinesfalls selbstverständlich. Die Beurteilung der Werbung muss vielmehr in jedem einzelnen Fall individuell danach vorgenommen werden, wie der Adressatenkreis der Werbung diese auffasst. Es kommt vor allem auf den Gesamtzusammenhang der Werbeaussage an (Baumbach/Hefermehl a. a. O. Rn. 68).

Die von der Verfügungsklägerin beanstandete Werbung wird von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als Alleinstellungsbehauptung aufgefasst. Bereits die durch die Schriftgröße herausgehobene Überschrift "Tiefpreisgarantie" zeigt, dass es nicht um die im Vergleich zu den Mitbewerbern tiefsten Preise für das Sortiment der Verfügungsbeklagten geht, sondern um eine Einordnung in die Reihe derjenigen Anbieter, die mit niedrigen Preisen werben bzw. die für ihre niedrigen Preise bei den Verbrauchern bekannt sind. Im Fließtext unter der genannten Überschrift ist dann zwar die Rede von den tiefsten Preisen der Region. Diese scheinbare Alleinstellung wird jedoch sofort mit dem Satz eingeschränkt, dass dem Kunden, der bei einem anderen Anbieter gleicher Leistung ein günstigeres Angebot gesehen hat, das Recht eingeräumt wird, den Differenzbetrag von den Verfügungsbeklagten zu fordern. Entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin verstärkt dieser Zusatz nicht die angebliche preisliche Alleinstellung der Verfügungsbeklagten. Dann müssten die Verfügungsbeklagten den Kunden nämlich einen Differenzbetrag zuzüglich eines Aufschlags erstatten, um die preisgünstigsten Anbieter zu bleiben. Da jedoch nur die reine Differenz zum Angebot eines billigeren Anbieters erstattet wird, zeigen die Verfügungsbeklagten, dass sie sich nur in die Reihe der billigsten Anbieter einordnen, diese jedoch mit ihrer Preisgarantie nicht unterbieten wollen oder können.

Jeder verständige und einigermaßen informierte Kunde weiß im Übrigen auch, dass ein Anbieter mit der Breite des Angebots, über das jede der Verfügungsbeklagten verfügt, unmöglich bei jedem Artikel den niedrigsten Preis halten kann. Der Kunde wird mithin durch die sogenannte Niedrigpreisgarantie nicht davon abgehalten, die Preise der verschiedenen Anbieter miteinander zu vergleichen, sondern im Gegenteil zum Preisvergleich aufgefordert, um in den Genuss der Preisgarantie zu kommen. Dabei mögen die Verfügungsbeklagten darauf hoffen, dass der Konsument keinen billigeren Anbieter findet oder dass er zu bequem ist, um zurückzukehren und die Garantie einzufordern. Entscheidend ist, wie der Verbraucher die Werbung der Verfügungsbeklagten auffasst, nämlich als Werbung mit einem Preisniveau, das im Schnitt nicht höher ist als das der Konkurrenten. Die Werbung der Verfügungsbeklagten ist auch geeignet, Kunden, die dort niedrigste Preise erwarten, in ihre Verkaufsstätten zu locken. Der Kunde wird durch dieses Angebot jedoch nicht irregeführt, weil ihm mitgeteilt wird, dass er nach einem eventuellen Kauf weiterhin nach niedrigeren Angeboten suchen kann und sich die Verfügungsbeklagten andererseits bereit erklären, jeweils in das niedrigste Angebot der Konkurrenz einzusteigen.

Der Nachweis der Verfügungsklägerin, wonach sie allein in dem Segment Digitalkameras über eine Vielzahl niedrigerer Angebote verfüge, lässt die Werbung der Verfügungsbeklagten aus den oben genannten Gründen nicht zur irreführenden Alleinstellungswerbung werden. Ebenso wenig ergibt sich eine Irreführung unter Hinweis auf ein billigeres Gesamtpreisniveau bei Internet-Anbietern, da diese keine vergleichbare Leistung anbieten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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