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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: 3 U 40/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
1. Der Architekt hat grundsätzlich nicht für jeden Mangel des Bauwerks einzustehen, sondern nur die in sein Tätigkeitsgebiet fallenden Mängel zu verantworten. Schaltet der Bauherr oder der Hauptunternehmer einen Sonderfachmann für fachspezifische Fragen ein, der in paralleler Zuständigkeit neben dem Architekten eigenverantwortlich in der Fachplanung tätig ist, so scheidet eine Haftung des Architekten in der Regel aus, wenn dieser Fachbereich nicht zum (allgemeinen) Wissensstand des Architekten gehört.

2. Hat auch der Architekt die bautechnischen Fachkenntnisse oder sind sie von ihm zu erwarten, begründet dies eine Mithaftung; deshalb ist im Einzelfall stets darauf abzustellen, ob dem Architekten die Prüfung der Leistung des Sonderfachmanns möglich war und sich ihm dabei Bedenken aufdrängen mussten.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

Geschäftszeichen: 3 U 40/06

Verkündet am: 28. November 2006

In Sachen

hat der 3. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2006 durch die Richter Arenhövel, Dr. Schnelle und Wolff

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 2. und 3. wird das Urteil des Landgerichts Bremen - 1. Zivilkammer - vom 14. Juni 2006 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits ersten und zweiten Rechtszuges zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt in ihrer Eigenschaft als Maschinenversicherer der H. -M. M.-H. e.G. (im folg.: Hansa-Milch) als Rechtsnachfolgerin gem. § 67 VVG die Beklagten auf Schadenersatz in Anspruch.

1993 -95 errichtete die Schw. M. (Rechtsvorgängerin der H. -M. ) in U. (Mecklenburg) den Neubau eines Milchwerks mit Distributionslager.

Mit der Generalplanung für Architektur, Statik, Haustechnik und Elektrotechnik beauftragte sie die Fa. Planungs GmbH in Bremen (im folg.: Fa.). Die Fa. beauftragte zwei Subunternehmer, nämlich die Beklagte zu 1 für die Bereiche Haustechnik, Heizung, Sanitär und Lüftung sowie die Beklagten zu 2 und 3, die zusammen eine GbR bilden, als Architekten für die Planung. Die Schw. M. erteilte durch Schreiben der Beklagten zu 2 und 3 vom 09.11.94 ("Nachtragsangebot Nr. 44") der Fa. I. Deutschland GmbH & Co KG (im folg.: Fa. I. ) den Auftrag zur Lieferung und Montage von Kühlgeräten und Luftheizgeräten für einen Kühl- bzw. Brutraum.

Die von der Fa. I. aufgrund dieser Bestellung gelieferten Wärmetauscher, welche an das von einer Fa. T. installierte Kühlsystem mit verzinkten Kühlschlangen anzuschließen waren, bestanden aus Kupfer. Dadurch wurden Kupfer-Ionen in die Eiswassersilos gespült und verursachten dort einen Lochfraß an den verzinkten Kühlschlangen, was wiederum im November 1998 zu einem Ausfall der Kühlanlage des Milchwerks führte.

In einem Vorprozess (LG Hamburg 418 O 94/00 = Hans. OLG Hamburg 6 U 131/01) nahm die Klägerin die Fa. I. auf Schadenersatz in Anspruch und verkündete den Beklagten zu 1- 3 den Streit; diese traten dem Rechtsstreit bei. Das Hans. OLG Hamburg wies die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Landgerichts mit Urt. v. 18.07.02 zurück und führte dazu u.a. aus, die Fa. I. treffe insbesondere keine Haftung wegen Verletzung ihrer Prüfungspflicht nach § 4 Nr. 3 VOB/B. Vielmehr müsse sich die Klägerin das Verhalten der von der Schw. M. eingeschalteten Planer (Architekten und Planungsfirmen) zurechnen lassen.

Gestützt auf diese Entscheidung verlangt die Klägerin nunmehr von den Beklagten zu 1 - 3 Schadenersatz.

Im ersten Rechtszuge hat die Beklagte zu 1 die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht - 1. ZK - hat mit Urteil vom 14.06.2006 der Klage nur hinsichtlich der Beklagten 2 und 3 stattgegeben und dieselben verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin € 230.081,35 nebst 7% Zinsen seit dem 04.08.2002 zu zahlen. Im übrigen (gegen die Beklagte zu 1) hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, die Beklagten zu 2 und 3 hafteten nach § 823 I BGB für den Schaden. Sie als planende Architekten hätten die Fa. I. darauf hinweisen müssen, dass keine kupferhaltige Wärmetauscher eingebaut werden durften. Dies stehe aufgrund des Beitritts der Beklagten 2 und 3 und der daraus resultierenden Nebeninterventionswirkung nach den Gründen im Urteil im Vorprozess bindend fest. Der unterlassene Hinweis sei ursächlich für den eingetretenen Schaden; die Beklagten zu 2 und 3 hätten fahrlässig die notwendigen Hinweise unterlassen.

Mit der Berufung begehren die Beklagten zu 2 und 3 Abweisung der gegen sie gerichteten Klage.

Der Beklagten zu 2 und 3 beantragen,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die gegen sie gerichtete Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszuge wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Soweit die Berufung nach der Formulierung im Berufungseinlegungsschriftsatz vom 05.07.2006 sich richten soll "gegen das ... Urteil des LG Hamburg - 1 O 3046/04 - vom 18.06.2001", so handelt es sich um eine unschädliche irrtümliche Falschbezeichnung. Das ergibt sich eindeutig aus dem Umstand, dass der Berufungsschrift beigefügt war das Urteil des Landgerichts Bremen vom 14.06.2006, welches zu dem - richtig angegebenen - Aktenzeichen 1 O 3046/04 ergangen ist.

II.

Die Berufung ist auch begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 2. und 3. der von ihr geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht zu.

Insbesondere steht der Klägerin nicht der vom Landgericht zuerkannte Anspruch aus dem Gesichtspunkt unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 67 VVG zur Seite.

Die Voraussetzungen eines Schadeneratzanspruchs gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 67 VVG liegen nicht vor.

Allerdings traf die Beklagten zu 2 und 3 als die mit der Gesamtplanung beauftragten Architekten unabhängig von bestehenden Vertragsbeziehungen (die hier nur zu der Firma als Hauptunternehmerin bestanden) gegenüber der Hauptauftraggeberin eine Verantwortung für deren Eigentum mit der möglichen Konsequenz einer deliktischen Haftung wegen Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB. Solche Ansprüche sind, soweit es sich um Schadenersatz handelt, nach Voraussetzungen und Folgen grundsätzlich selbständig neben vertraglichen Ansprüchen (etwa aus § 634 Nr. 4 BGB) zu behandeln (BGHZ 96, 221; NJW 98, 2282). Wie das Landgericht festgestellt hat und zwischen den Parteien auch nicht streitig ist, ist es vorliegend zu erheblichen Schäden an der im Eigentum der H. -M. stehenden Kühlanlage gekommen. Hierzu wäre es aller Voraussicht nach nicht gekommen, hätten die Beklagten zu 2 und 3 im Rahmen der Auftragserteilung an die Fa. I. vom Dezember 1993 einen Hinweis auf die zu verwendenden Materialien und insbesondere eine Klarstellung dahingehend, dass zur Verhinderung von Schäden durch "Mischinstallation" eine Verarbeitung von Kupfer nicht erfolgen dürfe, aufgenommen.

Die Pflichtverletzung kann jedoch nicht den Beklagten zu 2 und 3 angelastet werden, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, dass der Schaden durch mangelhafte Erfüllung der Architektenaufgaben - Planung und Projektleitung - verursacht worden ist. Der Architekt hat grundsätzlich nicht für jeden Mangel des Bauwerks aufzukommen, sondern nur für die in sein Tätigkeitsgebiet fallenden Mängel einzustehen (OLG Köln BauR 88, 241, 243). Schaltet der Bauherr - oder wie hier der Hauptunternehmer - einen Sonderfachmann für fachspezifische Fragen ein, so scheidet eine Haftung des Architekten in der Regel aus, wenn dieser Fachbereich nicht zum (allgemeinen) Wissensstand des Architekten gehört (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rdnr. 1490 m. w. Hinw.). So lag es hier. Während die Beklagten zu 2 und 3 von der Firma AHL mit der Planung und Projektleitung des Gesamtobjekts betraut waren, war die Beklagte zu 1 wegen besonderer Fachkunde speziell für die Planung im Leistungsbild "Technische Ausrüstung" (Haustechnik, Heizung, Sanitär, Lüftung) beauftragt worden. Das hier gegenständliche die Lieferung und Montage von Kühlgeräten betreffende Nachtragsangebot Nr. 44 fiel somit in den Planungsbereich der Beklagten zu 1. Auftraggeberin der Beklagten zu 1 aber war ebenfalls die Fa. . Die Beklagte zu 1 einerseits und die Beklagten zu 2 und 3 auf der anderen Seite arbeiteten in paralleler Zuständigkeit und nicht etwa in einem zueinander bestehenden Haupt-/Subunternehmerverhältnis. Daraus ergibt sich die alleinige Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1., woran auch der Umstand, dass die Beklagten zu 2 und 3 es waren, die den Auftrag an die Fa. Imtech erteilten, nichts ändert. Denn dadurch, dass die Fa. die Beklagte zu 1 bzw. die Beklagten zu 2 und 3 parallel zu Planungsaufgaben in verschiedenen Bereichen einsetzte, waren auch die Verantwortlichkeiten entsprechend abgegrenzt. Bei der Vergabeentscheidung durften sich daher die Beklagten zu 2 und 3 auf die besondere Fachkunde der Beklagten zu 1, welche die Vergabeverhandlungen und die technischen Vorgespräche mit der Fa. I. in eigener Verantwortlichkeit geführt hatte, verlassen (vgl. auch BGH BauR 01, 823, 824; OLG Köln a.a.O.; OLG Köln NJW-RR 94, 1110).

Allerdings gilt der Grundsatz, wonach die Haftung des Architekten bei Einschaltung eines Sonderfachmanns für fachspezifische Fragen ausscheidet, nicht uneingeschränkt. Hat auch der Architekt die bautechnischen Fachkenntnisse oder sind sie von ihm zu erwarten, begründet dies eine Mithaftung; deshalb ist im Einzelfall stets darauf abzustellen, ob dem Architekten die Prüfung der Leistung des Sonderfachmanns möglich war und sich ihm dabei Bedenken aufdrängen mussten (Werner/Pastor, a.a.O.).

Aber auch diese Gesichtspunkte führen hier zu keinem anderen Ergebnis. Es ist weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Beklagten zu 2 und 3 als Architekten fachlich in der Lage waren, die Frage der zu verwendenden Materialien in dem technischen Bereich in eigener Kompetenz zu prüfen oder dass konkrete Anhaltspunkte für sie bestanden, die Vorbereitung der Vergabe durch die Beklagte zu 1 in den technischen Punkten einer nochmaligen Überprüfung zu unterziehen, um "Mischinstallationen" zu verhindern. Da die Fa. im Wege ihres doppelten Planungsauftrages die Kompetenz im "Leistungsbild Technische Ausrüstung" gerade der Beklagten zu 1 zugewiesen hatte, konnten und durften die Beklagten zu 2 und 3 auf eine fachgerechte Planung in diesem Sonderbereich vertrauen. Dafür dass insoweit - mit der Folge einer erweiterten Prüfungspflicht - zu konkreten Zweifeln Veranlassung bestanden hätte, hat die Klägerin nichts vorgetragen.

Nach allem scheidet eine deliktische Haftung der Beklagten zu 2 und 3 aus. Ansprüche aus anderen Rechtsgründen - insbesondere aus Vertrag - sind nicht ersichtlich.

Diesem Ergebnis steht die Wirkung der Nebenintervention aufgrund des Beitritts der Beklagten zu 2 und 3 im Vorprozess (§§ 66, 68, 74 Abs. 1 ZPO) nicht entgegen. Die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des Vorprozesses erstreckt sich auf die Entscheidungselemente, d.h. auf die tragenden Feststellungen des Ersturteils (BGHZ 85, 255; 96, 53; 157, 99; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., Rdnr. 9 zu § 68). Tragende Feststellungen sind jedoch nur die hinreichenden und notwendigen Bedingungen der Erstentscheidung; dies beurteilt sich nicht nach dem, was das Erstgericht als entscheidungserheblich angesehen hat, sondern ausschließlich danach, worauf die Entscheidung objektiv nach zutreffender Rechtsauffassung beruht (BGH 157, 99; Zöller a.a.O.; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., Rdnr. 5 zu § 68). Vorliegend hatte das Hanseatische Oberlandesgericht seine Entscheidung im Urteil vom 18.07.2002 maßgeblich auf die Erwägung abgestellt, dass die Beklagte im Vorprozess, die Fa. I. , deshalb keine eigene Prüfungspflicht nach § 4 Nr. 3 VOB/B traf, weil sie selbst nicht an der Planung beteiligt war, sondern sich die von ihr geschuldete Leistung lediglich auf die Lieferung und Montage erstreckte. Indem also das Hanseatische Oberlandesgericht eine (mögliche) Schadenersatzhaftung an die Planungsverantwortlichkeit knüpfte, die sie für den Aufgabenbereich der dort Beklagten, der Fa. I. , jedenfalls ausschließen konnte, waren die notwendigen und hinreichenden Bedingungen, die Klage abzuweisen, geschaffen, ohne dass es darüber hinaus noch zur Begründung des Ersturteils einer Festlegung dahingehend bedurft hätte, wer - die Beklagte zu 1, die Beklagten zu 2 und 3 oder vielleicht alle insgesamt - als Planende zuständig und letztlich in dieser Eigenschaft für den Schaden verantwortlich wären. Soweit also das Hanseatische Oberlandesgericht ausgeführt hat, die Planung habe bei "(den) hierzu für die Schw. M. für das Gesamtobjekt tätigen Architekten und Planungsfirmen" bzw. bei den "eingeschalteten Planern" gelegen, handelt es sich, wenn auch eine Zuweisung der Verantwortung an die Beklagten zu 2 und 3 umfasst sein sollte, um keine das Ersturteil tragende Feststellung, die zu einer Bindungswirkung nach § 68 ZPO zu Lasten dieser Beklagten führen kann. III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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