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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 11.10.2001
Aktenzeichen: 4 U 20/2001
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 117 I
ZPO § 114
ZPO § 850 b I Nr. 2
BGB § 139
BGB § 390 S. 2
BGB § 390
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Beschluss

Geschäftszeichen: 4 U 20/2001 = 6 = 856/00

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Hanseatischen Oberiandesgerichts in Bremen unter Mitwirkung der Richter

Dr. Bewersdorf, Wever und Schumann

aufgrund der Beratung vom 11.10.2001 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Berufungsinstanz wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beklagte hat zum einen in der Berufungsinstanz bisher keine Unterlagen i.S. des § 117 I ZPO über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Die Verweisung auf die erstinstanzlich vorgelegten, ein Jahr alten Unterlagen reicht nicht aus. Zum anderen bietet die Berufung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S. des § 114 ZPO. Gegenwärtig stellt sich die Rechtslage hinsichtlich der allein im Streit befindlichen, zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung wie folgt dar:

1.

Anders als das Landgericht erachtet der Senat die geltend gemachten Unterhaltsansprüche als hinreichend substantiiert. Die Beklagte stellt den durch die beiden Schuldurkunden von April und Mai 1984 (Bl. 19 d.A.) titulierten Kindesunterhalt (mtl. 450,- DM) und Ehegattenunterhalt (mtl. 650,- DM) für den Zeitraum Juni 1992 bis Mai 1997 zur Aufrechnung. Das ist der Zeitraum, der Gegenstand der Vereinbarung vom 15.5.1992 (Bl. 28 d.A.) ist. Daß der Kläger in dieser Zeit den titulierten Unterhalt nicht gezahlt hat, ist unstreitig. Der danach offene Gesamtbetrag beträgt (60 Monate x 1.100,- =) 66.000,- DM. Davon zieht die Beklagte die in Ziff. 2 - 4 der Vereinbarung vom 15.5.1992 genannten Beträge von insgesamt 26.000,- DM ab, so daß die zur Aufrechnung gestellten 40.000,- DM verbleiben.

2.

Die vom Kläger vertretene Ansicht, der Unterhalt sei nicht zu zahlen gewesen "aufgrund der weiteren Darlehnsverbindlichkeiten bzw. Bürgschaften, die der Kläger zugunsten der Beklagten eingegangen war", findet in der Vereinbarung vom 15.5.1992 keine Stütze. Der Kläger will wohl sagen, in Ziff. 1 der Vereinbarung sei nicht Stundung, sondern Erlaß gemeint. Das aber hat die Beklagte bestritten. Für einen mit dem Wortlaut der Vereinbarung nicht übereinstimmenden Willen der Parteien hat der Kläger keinen Beweis angetreten.

3.

Mit den Ansprüchen auf Kindesunterhalt aus dem o.g. Zeitraum kann die Beklagte entgegen der Ansicht des Landgerichts grundsätzlich aufrechnen, da die Beklagte aufgrund wirksamer Abtretung selbst Forderungsinhaberin geworden ist. Zwar sind Unterhaltsansprüche als nach § 850b I Nr. 2 ZPO unpfändbare Forderungen grundsätzlich nicht abtretbar (§ 400 BGB). Das gilt aber dann nicht, wenn die Schutzfunktion dieser Vorschriften nicht greift, die dahin geht zu verhindern, daß dem Unterhaltsgläubiger die Lebensgrundlage entzogen werden kann. Dieser Schutzfunktion bedarf es insbesondere dann nicht mehr, wenn der Abtretende vom Abtretungsempfänger den vollen Gegenwert seiner Unterhaltsansprüche erhalten hat (vgl. BGH, NJW 1972, 1703, 1705; Soergel/Häberle, BGB, 12. Aufl., Rn. 4 vor § 1601; Gießler, FamRZ 1994, 800, 803). Danach war hier eine Abtretung der Ansprüche auf rückständigen Kindesunterhalt durch das Kind Inga an die Beklagte dann möglich, wenn die Beklagte in der Vergangenheit auch für den Barunterhalt des Kindes in der vom Kläger geschuldeten Höhe (mtl. 450,- DM) aufgekommen ist.

Davon ist trotz des Bestreitens des Klägers auszugehen. Wie in der vergleichbaren Situation des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs in den Fällen, in denen ein Elternteil das Kind betreut und versorgt hat, ohne den vom anderen Elternteil geschuldeten titulierten Barunterhalt bekommen zu haben (vgl. Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 2. Aufl., Rn. 696 m.w.N.), besteht eine Vermutung dafür, daß die Beklagte den Barbedarf des Kindes i. H. seines Unterhaltsanspruchs gedeckt hat, zumal dieser im fraglichen Zeitraum teils unter, teils nur geringfügig über dem Unterhalt nach der ersten Gruppe der Düsseldorfer Tabelle gelegen hat. Diese Vermutung hat der Kläger nicht entkräftet. Der rückständige Kindesunterhalt war damit abtretbar und ist durch die Erklärung vom 13.2.2001 (Bl. 56 d.A.) wirksam an die Beklagte abgetreten worden. Soweit die Abtretungserklärung auch künftige Ansprüche erfaßte und damit unwirksam war, ist entgegen der Grundregel des § 139 BGB von der Teilwirksamkeit der die Rückstände betreffenden Abtretung auszugehen, weil eine Teilwirksamkeit der Interessenlage der Vertragsschließenden entsprach.

Allerdings war die abgetretene Forderung betreffend den Zeitraum bis Ende 1996 zum Zeitpunkt der Abtretung bereits verjährt (§§ 197, 201 BGB). Der Kläger beruft sich auch auf Verjährung. Bzgl. dieser im Zeitpunkt der Abtretung verjährten Forderung hilft der Beklagten auch nicht § 390 S. 2 BGB, denn die Forderung stand der Klagforderung erst nach der am 13.2.2001 erfolgten Abtretung abrechenbar gegenüber, zu einem Zeitpunkt also, als sie bereits verjährt war. Es bleiben als abrechenbar und unverjährt die Kindesunterhaltsansprüche aus der Zeit von Januar bis Mai 1997 (5 x 450,- = 2.250,- DM).

4.

Die Ansprüche der Beklagten auf Ehegattenunterhalt (60 x 650,- = 39.000,- DM), sind grundsätzlich abrechenbar. Sie sind auch nicht verjährt, soweit es den Zeitraum bis 1996 betrifft, weil hier § 390 BGB greift: Die Klagforderung, der gegenüber aufgerechnet worden ist, bestand schon zu einer Zeit, zu der diese Unterhaltsansprüche noch nicht verjährt waren (die Verjährung der Ansprüche aus der Zeit von 1992 bis 1995 hat aufgrund der Stundungsvereinbarung in Ziff. 1 des Vertrages vom 15.5.1992 erst am 1.1.1996 zu laufen begonnen), nämlich vor dem 1.1.2000. Schon vor diesem Zeitpunkt war der Kläger aus der für die Beklagte gestellten Bürgschaft in Anspruch genommen worden, so daß der Rückgriffsanspruch gegen die Beklagte, der Gegenstand der Klage ist, entstanden und fällig war.

Gleichwohl verhilft die erklärte Aufrechnung der Beklagten nach dem gegenwärtigen Sachstand nicht zum Erfolg. Denn nach ihrem bisherigen Vortrag bleibt unklar, worauf sie die 26.000,- DM verrechnet, die nach ihrem Vorbringen dem Kläger zustehen. Das führt zur Unzulässigkeit der Aufrechnungserklärung.

Ende der Entscheidung

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